Die Zweite Moderne in Bremen und Bremerhaven

  • Dagegen ist das Hafenviertel regelrecht qualitätvoll und nobel

    Bei einer Gesamtmiete von weit über 2000 Euro pro 4 Zimmer-Wohnung, muss man auch was bieten. Da geht es um Materialien: Ich zitiere:

    "Bei den beiden Führungen erfahren die Teilnehmer/-innen, was alles neu entstanden ist, welche Materialien verwendet oder auch wieder verwendet wurden und welche Rolle Material spielt, um sich in Räumen oder auch Freiräumen wohl zu fühlen."


    Das höre und lese ich über Bauhaus-Architektur so oft. Diese Materialmanie - riesige eintönige Flächen werden dann als Projektionsfläche angepriesen.
    Man lese über das Bauhaus z.B. hier:

    „Es ist nicht nur gefeierte Symbolik für alle, sondern auch eine besondere Fantasieoberfläche, ein riesiges Versprechen von Ausprobier-Utopie, das interessant bleibt“

    Er begründet aber nicht, warum es interessant ist. Was wird ausprobiert? Welche Fantasien werden ausgelöst?

    Wobei er am Ende des Artikels (meiner Meinung nach) eine Wahrheit erkannt hat, dass es um Repräsentation geht und sie schlichtweg langweilig ist.

    „Man kauft sich Bauhaus-Lampen oder Stühle, weil man präsentieren will, dass man sich das leisten kann, dass man überlegenen Geschmack hat. Doch damit ist diese schicke Selbstaufhellung gleichzeitig auch schon wieder tot. Denn wenn alles geschmackvoll ist, ist nichts mehr geschmackvoll. Also langweiliger geht es nicht.“


    Hier muss ich allerdings widersprechen. Heutiges Bauhaus ist eben nicht geschmackvoll. Geschmackvoll bedeutet ja nicht, dass alles aus einem Guss sein müsste oder alles aus einer Epoche. Gegensätzliches kann sich sehr gut ergänzen, wenn man das richtige Augenmaß und das Händchen dafür hätte.
    Sozusagen erfüllt dieser Stil eben nur ein Image: Es reicht, dass die Materialien teuer sind, mehr braucht es nicht.

    Beauty matters!

  • Zitat von Franka

    ...Bei einer Gesamtmiete von weit über 2000 Euro pro 4 Zimmer-Wohnung, muss man auch was bieten....

    Die, die so eine architektonische Minderleistung planen, sollten auch so wohnen müssen. Die 2.000 € pro Monat müsste man mir aber wenn schon zahlen, damit ich in diese anonyme Legebatterie überhaupt ziehen würde - kann man hier noch von artgerechter Haltung sprechen. Das Geld benötige ich dann aber vermutlich für einen Psychiater. Meine Kinder würde ich auf jeden Fall lieber in einer heimeligen, durchgrünten Cottageviertellage aufwachen sehen, um ihre Sinne für das Schöne zu üben und deren Seele Gutes zu tun...

  • Naja, ich habe ja Freunde, die genau in solchen Dingern leben. Innen sind diese Wohnungen gar nicht mal schlecht ausgestattet, viel High-Tech und riesige Küchen, Wellness-Bäder etc.
    Und diese kühle Distanz von außen ist genau in ihrem Sinne.

    Beauty matters!

  • "Kreative Arbeiten" von und "Guten Ruf" der Architekten in Anführungszeichen, Heimdall?

    "Kreative Arbeiten" in Anführungsstrichen als - einerseits - Hervorhebung sowie - andererseits - weil es ein von mir in dem Post gebrauchter und womöglich sperriger Begriff ist. Dass nicht jede Arbeit, die sich "kreativ" nennt, auch wirklich kreativ ist, kommt als Erschwernis hinzu.

    "Guter Ruf" in Anführungsstrichen, weil Ruf etwas völlig relatives ist. Leute, die in bestimmten Milieus und in bestimmten Zeiten einen "guten Ruf" hatten, haben ihn an anderer Stelle nicht. Leute mit "schlechtem Ruf" werden zu anderen Zeiten womöglich positiver bewertet.

    Ich bin schon Leuten begegnet, die einen "guten Ruf" hatten, die ich aber für A....l.cher gehalten habe. Mir sagte dieses Jahr ein Herr sinngemäß: "Mann, sie haben einen schlechten Ruf. Das gefällt mir. Sie müssen ein richtig guter Typ sein." :lachentuerkis:
    Ich antwortete ihm: "Sie sind wohl ein antizyklischer Anleger." :lachen:

    Herman van Veen sang mal:
    "Auf dem Markt steht das Denkmal
    ein ehrenwertes Schlitzohr -
    der Lohn für die perfekte Gaunerei."

    Alles relativ, alles im steten Wandel. Nur Gott wird ein endgültiges Urteil fällen.

    @"Franka"
    Der Link zu dem Artikel fehlt.

    @"Exilwiener"
    Du darfst nicht ganz übersehen, dass die Wohnungen sehr gut ausgestattet sind. Alles neu, guter Standard. Außerdem ist die Lage am Wasser eben sehr begehrt. Schöner Blick, kein Autolärm. Dafür allerdings feiernde Assi-Kids.

  • Ich bin schon Leuten begegnet, die einen "guten Ruf" hatten, die ich aber für A....l.cher gehalten habe. Mir sagte dieses Jahr ein Herr sinngemäß: "Mann, sie haben einen schlechten Ruf. Das gefällt mir. Sie müssen ein richtig guter Typ sein."
    Ich antwortete ihm: "Sie sind wohl ein antizyklischer Anleger."

    Ganz richtig, bloß weil jemand viel Prestige in der Öffentlichkeit hat, braucht man nicht unbedingt darauf schließen, dass dieser einen einwandfreien Charakter hat. In dieser Hinsicht habe ich viel Erfahrung. Aber gut, sei es jedem seine Lebenslüge gegönnt.
    Deshalb war mir der Ruf eines Menschen schon immer wurscht, ich vertrete da immer noch so eine gechillte „Come As You Are“ – Einstellung (der Einfluss der Neunziger eben). Aber mittlerweile hat leider der Ruf eine solch unverhältnismäßige Bedeutung in der Gesellschaft bekommen, dass es auf Qualifikationen nicht mehr ankommt und in der Architketur sowieso nicht. Da gibt es so viel Eitelkeit und Selbstzufriedenheit im Betrieb, da hakt keiner nach. Die Laudationen sprechen Bände.

    Alles relativ, alles im steten Wandel. Nur Gott wird ein endgültiges Urteil fällen.


    Ja, das glaube ich auch.

    Beauty matters!

  • Heimdall, ich weiß, ich bin spät dran, aber die Karawane zieht so schnell weiter. Vielen Dank für deine "Fortsetzung", Du hast hier noch einen wichtigen Aspekt aufgeführt, der erklärt, warum unsere architektonische Umwelt immer mehr verschandelt: Mit "Beschämung" werden potetielle Stil-Abweichler und "Erneuerer" (ich schreibe extra nicht "Modernisierer") über den Mechanismus der Selbst-Zensur im System gehalten.

    "Kreative Arbeiten" von und "Guten Ruf" der Architekten in Anführungszeichen hatte ich für einen gekonnten ironischen Seitenhieb Deinerseits auf die Architektenschaft verstanden. Denn Kreativität gibt es angesichts solcher Mistbauten wie in Offenburg nicht mehr und vom guten Ruf der Architekten sprechen diese doch wohl nur noch selbst. Jede dieser einfallslosen Kisten ist rufschädigend. Man sollte die Namen der Architekten, die das verbrochen haben, immer an den Gebäuden anbringen.

  • Neubau: Mühlenviertel Horn-Lehe

    Heute, am Reformationstag, habe ich mich bei bestem Wetter auf den Weg zum sogenannten Mühlenviertel gemacht. Das liegt im Stadtteil Horn-Lehe und ist ein Neubaugebiet. Der Name kommt, wer hätte das gedacht, von einer Mühle, der Horner Mühle, die an der Hauptstraße steht und im Bild im Hintergrund erscheint:

    Nachdem ich heute durch dieses neue Viertel gegangen bin, fragte ich mich ständig, wie die Baumeister des Historismus hier gebaut und geplant hätten. Kein Platz, wie wir es ja aus dieser Epoche kennen, um den herum Gebäude platziert sind, Bänke, die die Aufenthaltsqualität erhöhen.

    Da schieben wir einen Riegel rein, das merkt doch sowie so kein Schwein:

    Hinter dem Riegel geht´s lustig riegelmäßig weiter. Kopie des oberen Baus. Und danach? Dasselbe nur etwas höher.

    Gegenüber entsteht gerade dieser Horrorbau mit einer Ecke als Abwechselung:

    Schon fertig, Backstein, Backstein, alles wird gut:

    An der Hauptstraße dann dieses "Center":

    Shoppen macht Spaß. Im Hintergrund noch eins der wenigen Gebäude vom alten Horn-Lehe.

    Und hier mal wieder Wohnbebauung. OK, Heimdalls Bilder kürzlich waren um einiges schlimmer. Aber wenn man mal durch dieses Neubaugebiet geht, bekommt man ein Gefühl für das Ganze und damit schlechte Laune. Vielleicht vermitteln die Einzelbilder das nicht:

    Wir dürfen ja nicht denken, weil Backstein verblendet wurde, ist alles gut.

    So, mehr Bilder gehen nicht, ich muss gleich noch mal starten. Fortsetzung folgt.

    3 Mal editiert, zuletzt von findorffer (1. November 2019 um 11:49)

  • Und weiter geht´s. Mühlenviertel 2.0 sozusagen, obwohl es jetzt gar nicht mehr um das Mühlenviertel direkt geht, sondern um die Nachbarschaftsgebäude auf der anderen Hauptstraßenseite:

    Ich meine bei der nachfolgenden Villa handelt sich um ein ehemaliges Gutshaus, Horn-Lehe war sehr ländlich geprägt. Gutshaus, die Mühle gegenüber, da könnte was dran sein.

    Mit Karyatiden

    Aber schaun wir, was daraus gemacht wurde:

    Wenn ich mich noch recht erinnere, konnte das Gutshaus deshalb erhalten werden, weil das Grundstück daneben an Aldi verkauft worden ist.

    Ich finde, beide Gebäude passen irgendwie gut zusammen. Die modernen Stadtplaner haben wie gewohnt wieder viel Feingefühl gezeigt und eine Lösung gefunden, auf die sie stolz sein können. Zumindest in ihren "Fachkreisen":

    Aber auch sonst so ist dieses gesamte Viertel irgendwie architektonisch verloren. Inden 1980er-Jahren wurde dieses Betongebirge schräg gegenüber dem Mühlenviertel hingesetzt:

    Und die beiden nachfolgenden Bauten etwa aus der gleichen Zeit sehen auch nicht besser aus:

    Gegenüber der Mühle dann noch ein Einblick in die Vergangenheit Horn-Lehes als ländlich geprägter Standort:

    Man fragt sich, wie lange das noch stehen bleiben kann. Die Spekulanten scharren doch schon mit den Hufen. Das ist pure Raumverschwendung. Gegenüber wieder Mühlenviertel mit den Neubauprojekt-Ankündigungen. Wie erwähnt, was würden die Architekten der Gründerzeit dazu sagen:

    Für mich ist das alles ein Offenbarungseid der Architektur, Architekten, Stadtplanung.

  • Vielen Dank, findorffer. Das Mühlenviertel finde ich übrigens sogar halbwegs gelungen, auch wenn ich dafür hier gleich wieder Lack kriege. Gerade die Eingangsgebäude lassen zumindest einen gewissen Gestaltungswillen erkennen, den ich bei sonst absolut keinem der anderen von Dir in dieser Gegend abgebildeten Nachkriegsgebäude erkennen kann:

    Eine Rundung, ein bisschen "Spiel" mit dem Klinker, viel mehr geht eben im Moment nicht. Auch im Schwachhauser Ring ist ein solches Haus mit Anleihen an die frühe Moderne entstanden:

    In einem heterogenen (vulgo: ohnehin komplett zerschossenen) Nachkriegsumfeld vermögen mir sogar solche Häuser wie das folgende in Findorff zu gefallen:

    Ich stimme wie meist grundsätzlich zu, v.a. das Elend der von Dir abgebildeten Reihenhaussiedlungen ist einfach nur erschütternd, genauso wie diese uninspirierten Wohnkästen mit vorgeblendeten Spaltriemchen, wie eine Pauschalreise in die 1990er Jahre. Etwas nachsichtiger bin ich dann immer, wenn zumindest erkennbar wird, dass jemand sich Gedanken gemacht hat bei der Gestaltung des Hauses. Die obigen drei Beispiele halte ich wie gesagt im Rahmen der Möglichkeiten für einigermaßen gelungen.

  • ^Das dritte Beispiel gefällt mir aufgrund des uninspirierten Daches nicht. Da hätte ich sogar ein Flachdach besser gefunden. Was etwas heißen soll.

    Ansonsten, vielen Dank "findorffer", für diese Reise in die immerhin durch Klinker etwas erträglichere Tristess der Spät-Bauhaus-Adepten.

    Ich meine bei der nachfolgenden Villa handelt sich um ein ehemaliges Gutshaus, Horn-Lehe war sehr ländlich geprägt. Gutshaus, die Mühle gegenüber, da könnte was dran sein.

    Das Gebäude ist ja städtebaulich schon in einen "spannenden Kontrast" eingebunden. Hat denn Herr Italiano schon ein Kaufangebot unterbreitet? Er hätte sicher kreative Ideen damit. :zwinkern::tongue:

  • Nochmal: Mühlenviertel

    So, erst mal meine Fehler im letzten Text korrigiert. Ich fürchte, das wird langsam zur findorffer-Marke. Vielleicht sollte ich sie auch stehen lassen, um meinen Markenkern nicht zu beschädigen.

    Inzwischen ist mir in Bezug auf meinen letzten Beitrag hier wieder eingefallen: das von mir bezeichnete "Gutshaus" hieß ursprünglich "Landhaus Horn". Vor ca. 10 Jahren noch führte eine, wie ich meine, Alleenauffahrt zu dem Anwesen. Die gesamte Anlage wirkte vornehm in der Anmutung des 19. Jahrhunderts. Ein bisschen Südstaatenflair. Der schwarze Aldi mitsamt den Parkplätzen beeinflusst nun passiv auch die Ästhetik des ehemals stolzen Hauptgebäudes. Dieses wirkt jetzt schon fast wie ein Störfaktor. Die Bremer Stadtplanung ist sowas von unfähig, hat aber immer ihre dummen Ausreden parat.

    Heinzer, ich vermute, Deine sanfte Bewertung der Mühlenviertel-Architektur hängt damit zusammen, dass Du in Deiner Mindmap eine Art Prototypen der modernen, abstrakt-reduzierten Architektur vorrätig hast: Die berüchtigte Bauhaus-Kiste, die überall im Lande reüssiert. Alles, was davon abweicht, erfreut sich Deiner positiven Bewertung, Du siehst darin die ersten Zeichen von Veränderung in Richtung einer anderen Architektursprache. Wie ja bereits in der Überseestadt: Wellige Fassaden, runde Ecken, Ziegeloptik - für Dich bereits ein Hinweis, dass sich was verändert, trotz der abschreckenden Beispiele, die u. a. Heimdall hier eingestellt hatte.

    Ich habe einen anderen Schwerpunkt: Nicht den Veränderungsprozess sondern das Thema Schönheit treibt mich um. Unter diesem Aspekt gefällt mir unsere mehr als tausendjährige Architekturgeschichte. Bis zur abstrakt-reduzierten Moderne, die das Rad neu erfinden wollte und im Gegensatz zu allen anderen Architekturstilen keine Verknüpfung mehr mit der Tradition hatte. Die Architekten des Mühlenviertels haben natürlich auch eine Tradition: die Moderne. Und so sehen diese Gebäude alle aus. Keine Fassadengliederungen, sondern Wiederholungen, Flachdächer, Funktionstrennung: hier wohnen, da einkaufen. Die Stilmittel Klinker, Rundungen, Wellen wirken eher so, als ob man die Moderne verleugnen möchte, aber ihr nicht entrinnen kann. Vor allem aber fehlt mir dort ein architektonischer Gesamtzusammenhang. Die Gebäude stehen nicht in Beziehung miteinander. Der Architekturprofessor Georg Franck (Buchtitel: Architektonische Qualität) hatte die heutige Architekturentwicklung mal als ubiquitär bezeichnet. Die Fassadensprache ist beliebig bis belanglos, die Materialien werden nicht als ästhetisches Mittel eingesetzt, sondern wirken eher wie eine Ausrede: seht doch, wir benutzen jetzt Ziegeloptik, bauen nicht mehr eckig, haben die Kritik am rechten Winkel voll verstanden.

    Ich warf ja die theoretische Frage auf: wie hätten die Gründerzeitarchitekten gebaut? Den Stadtplanern jener Zeit wäre es wohl wichtig gewesen, auf diesem ca. eineinhalb bis zwei Hektar großem Gelände einen Mittelpunkt zu schaffen, einen Treffpunkt etwa in der Größe des Bremer Marktplatzes. An den Rändern dann als Einfassung mit Blockrandbebauung, unten Läden drin, keine Funktionstrennung also. Die Gebäude hätten unterschiedlich ausgesehen mit gegliederten Fassaden. Im Baustil hätte man sich dann vielleicht an der traditionelle Bebauung der Umgebung - siehe Landhaus Horn - orientiert und so eine Verbindung zur Geschichte hergestellt. Auch die Mühle als Namensgeber hätte Vorbild sein können. Wir erwarten doch bei einem Mühlenviertel Gebäude, die ungefähr an das Holländische Viertel in Potsdam mit seinen Giebeln erinnern und nicht diese Flachdachbauten. Der Name ist Täuschung. Mit Mühle hat das alles nichts mehr zu tun, die Bezeichnung dient nur noch als gewinnmaximierende Kulisse und ist völlig ist sinnentleert. Pagentorn wies ja schon mal auf diese Trickserei am Beispiel der "Lloydpassage" hin, die mit dem Lloydgebäude nun wirklich nichts mehr zu tun hat. Wenn wir diese Investorenlügen weiter fortschreiben, dann werden beispielsweise demnächst an der Schwachhauser Heerstraße die "Villa-Gross-Arkaden" entstehen. Wir sollten verstärkt auf den Komplex Architekten/Investoren und Sprache achten. Ich finde, die Sprache wird im Architekturbereich immer mehr als Manipulationsmittel eingesetzt, um positive Stimmungen zu erzeugen.

    Und abschließend zum Mühlenviertel: Das wird niemals ein touristischer Anziehungspunkt werden. Zu ubiquitär!

  • Wir haben einfach nur etwas andere Herangehensweisen, findorffer. Nur weil ich mich immer wieder zum "Verteidiger" mancher gezeigten Gebäude aufschwinge, heiße ich sie noch nicht gut. Ich halte sie nur für weniger schlimm als vieles andere. Ich kann - und das ist im wesentlichen Selbstschutz und keine Anklage gegenüber anderen, die das nicht so sehen - nur ein gewisses Maß an Negativismus ertragen. Der maßgeblich von Dir und Pagentorn gefütterte Innenstadtstrang hat mir - wie man manchen Beiträgen ansah - nachhaltig schlechte Laune gemacht. Das ist kein Plädoyer dafür, die Dinge, die falsch laufen, nicht auch anzusprechen, ich persönlich könnte aber eben diesen fast rein negativen Blick auf die Stadt von den Bombenzerstörungen über die Nachkriegszerstörung bis hin zu den vergeigten Neubauvierteln in dieser Totalität nicht "durchhalten", deshalb suche ich überall auch nach dem Positiven. Damit macht man sich natürlich zu einem gewissen Grade immer angreifbar, u.a. weil es natürlich trotzdem reichlich zu kritisieren gibt an den gestalterischen Krumen, die uns die zeitgenössische Architektur bisweilen willkürlich mal hinwirft - trotzdem könnte ich diesen fast durchgehend anklagend-negativen Kurs hier niemals durchhalten, was explizit nicht heißt, dass ich das auch von anderen erwarte, im Gegenteil brauchen wir auch den eiskalten Sezierer wie Dich, der sich nicht blenden lässt von den Häppchen, die manchmal für uns abfallen.

    Wir wissen wohl alle und wären uns auch weitgehend einig, was "gut" wäre. Nur kann man von einem eindeutig vorstädtischen Neubauviertel natürlich nicht gründerzeitliche Prinzipien des Städtebaus verlangen, wenn diese selbst im innersten Kern der Stadt permanent missachtet werden. Bremens Problem, um es anders zu sagen, ist nicht das peripher und weitgehend uneinsehbar gelegene Mühlenviertel (welches wohl auch bei einer Entwicklung vor 100 Jahren nicht zu einem Zentrum europäischer Urbanität geworden wäre, sondern am ehesten Gartenstadtcharakter bekommen hätte), sondern der Zustand der Altstadt und der Bahnhofsvorstadt. Auch hier nicht missverstehen: Auch diese Viertel verdienen es, gezeigt zu werden, und ich bin Dir dafür dankbar, denn natürlich zeigt sich hier die "Degeneration" der Baukunst vielleicht am eklatantesten.

  • ^Das dritte Beispiel gefällt mir aufgrund des uninspirierten Daches nicht. Da hätte ich sogar ein Flachdach besser gefunden. Was etwas heißen soll.

    Ansonsten, vielen Dank "findorffer", für diese Reise in die immerhin durch Klinker etwas erträglichere Tristess der Spät-Bauhaus-Adepten.

    Das Gebäude ist ja städtebaulich schon in einen "spannenden Kontrast" eingebunden. Hat denn Herr Italiano schon ein Kaufangebot unterbreitet? Er hätte sicher kreative Ideen damit. :zwinkern::tongue:

    Mir gefällt das zweite Beispiel - des unpassenden Daches wegen - ebenso nicht so ganz. Zu einem Haus mit Anleihen an die frühe Moderne passt eine solche Dachform einfach nicht.Ansonsten aber recht gelungen für einen Neubau von 2019, da stimme ich Heinzer zu.

  • Ravensberger, vielen Dank für die Links. Natürlich,es fällt mir wie Schuppen von den Augen, handelte es sich hier um das Landhaus Luisenthal und nicht das Landhaus Horn. Was mir beim zweiten Link auffiel: das riesige Fachwerkhaus direkt neben dem Landhaus. Weißt Du, ob das für den unmöglichen Aldi-Markt abegrissen wurde?
    Was noch auffällt: die harmonische Einheit des Ganzen trotz unterschiedlicher Baustile. Mit der Moderne - sprich Aldi - ändert sich das und mein Eindruck ist: das ganze Gebiet ist versaut worden und die ehemalige Vornehmheit des Landhauskomplexes wird durch Supermarkt und Parkplätze lächerlich gemacht. Man sieht doch hier beispielhaft, wie wichtig die Umgebung ist und wie stark sie einen zentralen Bau erheben oder runtermachen kann. Ich denke da sofort an den Bremer Hauptbahnhof, dessen Ästhetik und Wirkung durch den Dudlerbau verloren hat.

    Einmal editiert, zuletzt von findorffer (3. November 2019 um 16:45)

  • Unter dem folgenden 'link' kann man ein Luftbild des Ensembles, vor dem Bau von Aldi, einsehen:

    http://www.chronik-horn-lehe.de/Gaststaetten/L…aufnkl_50er.jpg

    Und - selbe Fundstelle - Hintergrundinformationen zum Landgut Louisenthal:

    http://www.chronik-horn-lehe.de/Gaststaetten/L…/Luisenthal.htm

    P.S.:

    Verzeihung, Ravensberger, habe übersehen, daß ich hier eine Redundanz fabriziert habe !

    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (3. November 2019 um 17:06)

  • Anbei noch einige historische Ansichtskarten des namensgebenden Bauwerks des 'Mühlenviertels' (alle Bilder zeigen die Mühle aus Richtung der Leher Heerstraße):


    Vergleich mit der Gegenwart:
    (Das Gehöft vor der Mühle ist veschwunden, dafür ist die Straße verbreitert worden. Am Ende der Sichtachse ist der Backsteinturm der katholischen Kirche St. Georg zu erkennen.)

  • Bei den 'Wirtschaftsgebäuden aus Fachwerk' handelt es sich um den "Branding Hof". Dieser beherbergte bis zu seinem Abriss Ende 2007 das Restaurant "Senator-Bölken-Hof". 2008 wurde an dieser Stelle der ALDI-Markt errichtet.