Die Zweite Moderne in Bremen und Bremerhaven

  • Das Aussehen der Gebäude, die im Stile der sogenannten Zweiten Moderne entstehen, kann man kurz zusammenfassen: Kubus oder Quader, Fenster rein, Flachdach drauf - FERTIG! Bauhauskiste, Container oder Würfelbauten - das sind einige Bezeichnungen für diesen Baustil (?), der die heutige Architektur dominiert. Stehen viele dieser Würfelbauten nebeneinander, spechen manche vom Würfelhusten. So wie in Bremen auf dem Stadtwerder neben Poppes schönen Wasserturm, der immer mehr von diesen Bauten eingepfercht wird oder in der Überseestadt - inzwischen auch als Kistenhausen oder Neue Vahr West bekannt. Und natürlich in unserer Schwesterstadt Bremerhaven entlang der Hafenbecken, um nur einige Areale zu nennen. Ich hoffe, die Bremerhavener liefern auch einige Beispiele für diese zur Gleichförmigkeit neigende Architektur.

  • Beginnen möchte ich mit dem Stadtwerder, einem Stadtteil zwischen Alt- und Neustadt. Hier steht eines der Wahrzeichen Bremens, der alte Wasserturm des Architkten Johann Georg Poppe.


    Im Hintergrund roter Backstein: Poppes beeindruckender Wasserturm, dessen ästhetische Wirkung durch das immer nähere Anrücken der modernen Bauten beeinträchtigt wird. Dieser Bau braucht zur ästhetischen Entfaltung einen gewissen Platz um sich herum. Aber diese Blocks rücken ihmimmer mehr aufdie Pelle und passen sich auch in der äußeren Gestaltung in keinster Weise der baulichen Umgebung an - Moderne eben.

  • Weiter zur Überseestadt, der Blick geht von der anderen, der Woltmershausener Seite gen Norden - von weserabwärts kommend - und offenbart uns so ganz andere Anblicke als dirket vor Ort:

    Zwei LIchtblicke in dieser Gegend: Ein Industriebau, die Getreideanlage, zeigt ein differnzierteres Bild als die Wohnhäuser...

    ...und ein weiterer Lichtblick zwischen den modernen Bauten: hinten halbrechts ein alter Speicher, 19. Jahrhundert, immer noch schöner anzusehen als die Gebäude links und rechts im Vordergrund.

  • Ehrlich gesagt, ein Kabinett des Grauens kann ich in diesen Bauten nicht erkennen. Zum einen handelt es sich ja, soweit ich das richtig verstanden habe, um außerhalb des städtischen Kontextes lokalisierte Bauten, wo also nur einige Industriebau-Solitäre einen etwaigen Anknüpfungspunkt bilden - nicht jedoch um Areale in der Innenstadt, wo der Anspruch doch wesentlich höher sein muss.
    In Berlin kann man sich schon glücklich schätzen, wenn man bei einem Neubau eine Vollziegelwand vorfindet, so wie hier bei den allermeisten von Dir gezeigten Häusern. Zumeist werden heute nur noch Riemchen für die Klinkeroptik verwendet, eher jedoch Rauputz, dem schon wenige Jahre nach Fertigstellung deutliche Alterserscheinungen anzusehen sind.
    Ob es in höchstem Maße kritikwürdig ist, in diesen Lagen im Stil der eckigen norddeutschen Backstein-Moderne zu bauen, frage ich mich auch. Viele der von Dir gezeigten Bauten finde ich ganz ordentlich anzusehen. Die in Deinem zweiten Bild gezeigten, leicht minimalistischen Klinkerbauten finde ich sogar ganz gelungen.
    So sind die Geschmäcker verschieden.
    Was zur Zeit in den Erweiterungsgebieten der Hamburger Hafen-City gebaut wird, fällt dagegen schon deutlich ab.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Ich bin in der Summe immer froh, dass wir im Norden wenigstens den Backstein haben, der viele modernistische Bauten zumindest erträglich macht. Gerade das auch von Snork hervorgehobene "Villengebiet" auf dem Stadtwerder vermag mir zu gefallen. Man erkennt hier zumindest einen Willen zur echten Gestaltung, auch wenn man das Ergebnis nicht unbedingt gut finden muss. Der Rest ist natürlich angesichts der Genialität der Lage dort auf einer städtischen Halbinsel mal wieder nur bremisch gewollt und nicht gekonnt:

    Immerhin bleibt das die Gegend prägende Gebäude auch optisch eindeutig dominierend:

    Es befindet sich im Besitz zweier Architekten, die sich seit Jahren ein mehr oder minder intensiv betriebenes Katz-und-Mausspiel mit dem städtischen Denkmalschutz liefern, während das Gebäude immer weiter verfällt. Nun sind denkmalgerechte Umnutzungen solcher ursprünglich "technischen" Gebäude sicherlich immer eine Herausforderung, zahlreiche gelungene Beispiele aus anderen Städten wie Hamburg zeigen aber, dass es möglich ist. Woran es hakt, ist mir unklar, die Mitte der 2000er Jahre regelmäßig erscheinenden Artikel zum Thema werden immer seltener, mittlerweile ist der letzte Weserkurierartikel, den ich finden kann, von 2016.

    Zur Überseestadt: Hier hat sich die Entwurfsqualität in den letzten 5 Jahren aus meiner Sicht auch deutlich verbessert, es gibt nun immer mehr dieser zumindest lose an die frühmodernen/expressionistischen Vorbilder anlehnenden Entwürfe, zwei bereits fertiggestellte:

    Unmittelbar vor Baubeginn steht hier u.a. dieser Forster-Entwurf, wohlgemerkt als gefördertes Wohnen.... dagegen sehen manche Bauprojekte für das höchstpreisige Segment aber alt aus, was auch wieder zeigt, dass es weniger am Geld als vielmehr am Willen zum schönen Bauen mangelt:

    P.S.:
    Leider ist mein gesamter, reich bebilderter und mit erheblichem Aufwand erstellter Beitrag sinn- und witzlos geworden dank der seltsamen neuen Einbinderegeln... ich bin damit hier raus als jemand, der viel Material einstellt. Schade.

  • Nun also weiter mit der Überseestadt, Teil 2: Wieder viele schöne Steine und Ent-wurfs-Qualität?

    Spielt hier der nächste Sience-Fiction-Film? ist dies die Zentrale eines totalitären Überwachungsstaates des Big-Brother-Is-Watching-You-Ministeriums? Nein, hier agiert HANSEWASSER und beschäftigt sich mit der Kanalsanierung. Neckisch der aufgesetzte Quader links, das gibt dem Ganzen doch eine persönliche Note.

    Schwarz-Anthrazit ist das neue Weiß. Wie mutig, wie avantgardistisch die Architekten sind.

    Irgendwie sieht alles gleich aus, aber anderswo ist ja alles noch viiiiiiiel schlimmer......

  • Überseestadt Teil 3: Leider konnte ich nicht mehr Bilder oben einstellen, deshalb noch mehr Ergebnisse meines heutigen Osterspaziergangs, die ich noch ins Nest legen möchte.

    Hinter jedem Fenster wird ein Schokoriegel hergestellt. Scheinen alle gleich zu schmecken. Die Deutschland-Zentrale von Mondelez.

    Pagentorn hatte ja schon mal an anderer Stelle auf den attraktivitätssteigernden Namen "Kontor" hingewiesen.

    Wie hieß noch der bekannte Wiener Architekt, der hier zwei absolut gleiche Gebäude (der letzte Schrei?) gebaut hatte, einmal in grau und dann in rostrot?

  • Du bist jetzt aber auch ein bisschen fies, findorffer ;), das wäre in etwa auch meine Topliste der Flops in der Überseestadt geworden (plus noch die unsäglichen "Ports" am Europahafen), gerade diese ersten großen geförderten Dinger wie die unfassbar hässliche Marcuskaje in Deinem dritten Post oder die Hansewasserzentrale sind wirklich Tiefpunkte...

    es gibt durchaus auch Licht in der Überseestadt, v.a. eben bei den neueren Projekten, im Bau ist zum Beispiel das hier:

    (Quelle: Weserkurier/cecilientor.de)

    Das ebenfalls kurz vor Baubeginn stehende Gebäude (geförderter Wohnungsbau) von Stefan Forster Architekten im Europaquartier:

    (Quelle: Spiesimmobilien/Stefan Forster Architekten)

    Eine solche Entwurfsqualität findet man nicht einmal in vielen hochpreisigen Entwicklungen.

    Oder die Deichhäuser:

    (Quelle: Architekturzeitung)

    Am Ende ist es eine Geschmacksfrage, wenn man natürlich mit der Moderne komplett hadert, dann wird es schwer. Für alle, die das Material Backstein mögen und zumindest etwas Mut zu einer gelungeneren, abwechslungsreichen Fassadengestaltung mit expressionistischen Elementen gibt es durchaus was zu sehen.

    P.S.: Wenn mir jetzt noch jemand verrät, wie ich auch eigene Bilder wieder hochladen kann, wäre ich glücklich. So läuft es gar nicht. Die Forensoftware detektiert irgendwo "img"s in meinen Bildern, weil ich sie nun von abload wieder auf meinen Rechner runter- und hier wieder hochgeladen habe. Ist wirklich eine wahnsinnig bescheuerte Lösung zur Zeit. Nicht alle Leute haben alle ihre Fotos einfach so auf dem Rechner rumliegen, sondern sie eben bereits einmal "hochgeladen".

  • Die Unwirtlichkeit der Städte

    Heinzer, was heißt hier fies? Die Kritik an der Moderne ist doch kein findorffer-Alleinstellungsmerkmal. Auch Deine Beispiele zeigen die Gleichförmigkeit - und darum ging es mir ja - der Gebäude. Rasterfassaden und immer sich gleichende Wiederholungen der Fassadenstruktur. Du hast nun im Bremerhavener Strang so tolle Beispiele von Fassadengestaltung aus der Gründer- und Jugendstilzeit gezeigt: So entsteht - diese differenzierten Strukturen gibt es in allen vormodernen Epochen - Schönheit. Die Betonung des Eingangs als Grenze zwischen Außen- und Innenwelt mit entsprechendem Dekor (eine ähnliche Funktion haben auch die Fenster), Giebel, die die Bedeutung des Eingangs auch im Dachbereich noch besonders betonen, dazu Erker, Lisenen usw..
    Die Fassaden der Vormoderne sind meist klar strukturiert und vielfältig gestaltet (siehe Deine Bremerhavener Beispiele). Mir erschließt sich nicht, warum der Moderne das Etikett Klarheit positiv konnotiert angehängt wird, wahrscheinlich wieder eine Manipulation, die von der Gestaltungsarmut - und darum geht es doch letztendlich bei der Modernekritik - ablenken soll. Was Du an vermeintlich positiven Beispielen bringst, ist Investorenästhetik vom Feinsten - Italiano würde sich freuen und am liebsten die ganze Stadt für diesen Baustil platt machen, das Medienhaus ist doch nur der Anfang. Dazu braucht er natürlich Unterstützer, die die Gebäude der zweiten Moderne in den Himmel heben.
    Diese Architektur ist einfalltslos bis einfältig, kommt aber immer laut und selbstbewusst daher wie ein Jugendlicher in der Pubertät. Schon unser Landeskonservator sprach bei einem Vortrag von den arroganten Architekten (der Moderne). Die Architekten der Zweiten Moderne haben überhaupt kein Schönheitskonzept oder eine einigermaßen vermittelbare Architekturtheorie, die die Anwendung dieser Fassadengestaltung einigermaßen begründen kann. Architekturkritiker sprechen auch von der Beliebikeit dies "Baustils".
    Hinter diesen Fassadenergebnisssen stecken: Unfähigkeit (schau Dir mal nur als Vergleich die fähigen Spellenbergentwürfe an), mangelndes zeichnerisches Talent und vor allem: die Jagt nach der Kohle. Letzteres kann ich gut begründen. Ich hatte in der Vergangenheit mehrere Telefonate mit Bremer Architekten. Sie kannten mich nicht, ich kannte Sie nicht (es sei denn, aus der Zeitung). Nach fünf Minuten kritischer Betrachtung der Architekturszene meinerseits sagten alle mir übereinstimmend (so, als hätten sie sich vorher abgesprochen): ES GEHT NUR UM DIE KOHLE! (Alle im gleichen Wortlaut). Sie wollten mir damit sagen: Wir brauchen hier nicht großartige Stildiskussionen führen. Denn: Die Entwürfe der Zweiten Moderne orientieren sich am Renditebedürfnis der Investoren, dazu gehört die Vermeidung unnötiger Kosten für eine differenzierte Fassadengestaltung, sonst bekommt man beim nächsten mal vielleicht nicht mehr den Auftrag. Kosten sind nun mal Kosten, die was kosten. Warum dafür Kohle ausgeben?

  • Zwischen 2010 und 2011 gründete sich in Bremen die Bremer Bahnhofsplatz Initiative (siehe auch: http://www.Bremer-Bahnhofsplatz-Initiative.de) als Reaktion auf die Bebauung des Bahnhofplatzes mit einem Bau des Architekten Max Dudler auf einer Fläche von ca. 5000 qm. Erklärtes Ziel war, den Blick auf den Bremer Hauptbahnhof, der in dieser Zeit von der Initiative "Pro Bahn" zum schönsten Bahnhof Deutschlands gewählt wurde, nicht von einem hässlichen Riesengebäude verstellen und verschandeln zu lassen. Viele Bremer waren gegen diese Bebauung, was sich in 7000 Unterschriften gegen das Dudler-Gebäude und in mehr als hundert Leserbriefen im Weser-Kurier niederschlug. Politisch hat sich inzwischen die Rot-Grüne Koalition in Bremen durchgesetzt und nun steht dieses Gebäude mit der Anglizismusbezeichnung "City-Gate" als riesiger Doppelklotz am Bremer Bahnhofsplatz.

    Ich habe mir die Mühe gemacht, den inzwischen fertiggestellten Dudler-Bau -von Dudler selbst als "zeitlose Architektur" eingeschätzt und bezeichnet - von allen Himmelsrichtungen aus zu fotografieren. Hier die Ergebnisse:

    Blick von Osten

    Blick von Süden

    Blick von Westen

    Blick von Südwesten

    Blick von Norden

    Nachtrag:

    Ich habe nachträglich noch mal den Alternativvorschlag der Bremer Bahnhofsplatz Initiative - Entwurf Axel Spellenberg - von 2012/13 unten eingefügt. Für die parkähnliche Fläche mit einem großen Brunnen gab es enorm viel Zustimmung. Auch der Breitenweg links wurde, wie der aufmerksame Betrachter sicher schon gemerkt hat, verändert: Die Hochstraße wurde quasi weggedacht, der Breitenweg ist hier als Allee zu sehen.

    2 Mal editiert, zuletzt von findorffer (6. August 2019 um 11:40)

  • Ad An der Schleifmühle 25

    Ohne Worte. Als Eigentümer des gründerzeitlichen Schmuckstücks würde ich den Nachbarn mit der billigen Wegwerfarchitekturfassade wegen Wertminderung der Lage verklagen!

    Diese „Architektur“ ist ja mindestens die gleiche Kontamination wie ein Baugrund einer ehemaligen Tankstelle. Während Treibstoff den Körper physisch schädigt, schädigt diese visuelle Kontamination den Körper psychisch.

  • Ja, das ist schon harter Tobak. Vielleicht leide ich auch an einer Art "Stockholm-Syndrom", dass ich manche Entwürfe mit frühmodernen oder klassischen Anleihen manchmal ganz gut finde. Für mich gibt es eben durchaus Nuancen auch bei moderner Architektur. Dieser Neubau neben dem großen Jugendstilwohnhaus außer der Schleifmühle vereint die schlimmsten Eigenschaften der modernen Klötzchenarchitektur:

    1. billige WDVS-Fassade, die bereits in 5 Jahren neu algi- und fungizid gestrichen werden muss
    2. krampfhaft albern asymmetrische Fassadengestaltung
    3. abweisende, tote Erdgeschosszone ohne halböffentlichen Zwischenraum

    Schlechter geht es nicht... dagegen finde ich die Dudlerdinger eben nicht so schlimm, sie haben

    1. immerhin eine Natursteinfassade
    2. eine wenigstens symmetrische wenngleich, ja, eine Rasterfassade
    3. bedingt durch ihren Standort natürlich auch eine offene Erdgeschosszone

    Nun kann man sich natürlich mit einigem Recht auf den Standpunkt stellen, diese Nuancen sind mir egal, es ist alles modernistischer Schrott - ich glaube aber, dass eine solche Einstellung in eine Sackgasse führen wird. Der Historismus ist vorbei und wird wohl kaum als flächendeckender Neubaustil wiederkommen. Wenn wir eine echte Wende in der Architektur wollen, werden wir uns im Neubaubereich a.e. in diesen Übergangsbereichen zwischen Jugendstil über Reformarchitektur bis eben hin zur frühen Moderne/Expressionismus mit ihrer Lust am Ornament umsehen müssen aus meiner Sicht. Das ist ja auch Axel Spellenbergs "Stil", wenn man so will, bei ihm immer noch mit einem Schuss Neogotik.

    Da gäbe es schon schicke Sachen und ich finde eben einige der neueren Entwürfe in der Überseestadt gehen in diese Richtung, die Deichhäuser etwa - das ist keine 08/15-Rasterfassade, der Klinker ist eine Spezialanfertigung mit diesen Rundungen, SPRINGER-Architekten haben sich hier wie auch mit ihren Entwürfen im Europaquartier ganz klar auf diese Melange aus alter Hafenarchitektur und Expressionismus orientiert und sich erkennbar Gedanken gemacht.

    Wenn alle Neubauten in Bremen ähnlich differenziert gestaltet wären, gäbe es für mich deutlich weniger zu meckern, auch wenn man diesen Stil wie gesagt nicht zwingend mögen muss - ich bin sehr geprägt durch ihn durch viele Kindheitsbesuche bei meiner Oma im Hamburger Osten, zwischen Barmbek und dem nördlichen Wandsbek - der ja in großen Teilen aus dieser Architektur besteht. Es ist also sicherlich auch Prägung bei mir. Natürlich ist so etwas kein Stil für die Altstadt und auch nur bedingt für die Bahnhofsvorstadt, die ja früher und auch heute eher hell oder sogar weiß daherkam, aber als Neubaustil in einem alten Hafengebiet finde ich ihn nicht unpassend, wenngleich ganz zweifellos bei fast allem in der Überseestadt noch kräftig Luft nach oben besteht.

    Grundsätzlich also gar kein Widerspruch, ich finde eben nur, dass es schon auch qualitative Unterschiede gibt und dass der Trend in der Überseestadt (vorsichtig) in die richtige Richtung geht. Das vor 10 Jahren dort Gebaute gehörte noch zu sehr großen Teilen in die Weißputz-WDVS-Würfelecke, und auch wenn immer mal wieder so etwas kommt und die Billigklinker-WDVS-Würfelecke nicht per se besser ist, so ist dort eine vorsichtig positive Entwicklung zu verzeichnen, meiner Meinung nach. Für die gründerzeitlichen Stadterweiterungen inkl. der Bahnhofsvorstadt muss dieser Stil aber noch gefunden werden, ganz klar... da ist das Überwiegende wirklich übelster Schrott, auch heute noch. Hier muss es eine Reorientierung an Proportionen und Fassadengestaltung des Bremer Hauses geben, die aber nirgends in Sicht ist zur Zeit, auch wenn selbst der Bürgermeister immer mal was vom baukulturellen Erbe und der Wiederbelebung des Prinzips Bremer Haus erzählt.

    Solange Gestaltungssatzungen in Bremen wie letztens im Humannviertel/Gröpelingen durch wütende Anwohner und Hausbesitzer selbst wieder gekippt werden können (man muss sich einmal vorstellen, dass diese Leute lieber weiter ihre Häuser verunstalten wollen, anstatt Geld vom Staat für behutsame Renovierungen im Stil des Hauses zu nehmen), solange wird sich hieran wenig ändern. Die Neigung zu Geschmacklosigkeit, das fehlende Auge für Schönheit hat sich längst tief in die Gesellschaft gefressen.

  • Beitrag von Axel Spellenberg zur obigen Diskussion, den zu veröffentlichen er mich bat:

    Findorffer gebührt aufrichtiger Dank für seinen Osterspaziergang, umsomehr, als er sich bei diesem Kaiserwetter vermutlich lieber schöneren und ersprießlicheren Bauten und Vierteln zu widmen gewünscht hätte. So öffnet er uns geneigten Lesern - nicht die Herzen - sondern Augen in der unsäglich trostlosen Osterperspektive auf das "Neue Bremen".
    "Hier wendet sich der Gast mit Grausen", so erginge es mir bei solch ausgiebigem Spaziergange entlang gleichförmig sich reihender Tristesse, um alsbald, und so rasch als möglich, von dem Ort des modernistischen Grausens wieder zu entfliehen.
    Trostlos auch solche Kommentare: "Viele Bauten finde ich ganz ordentlich anzusehen" / "...leicht minimalisierte Klinkerbauten sogar ganz gelungen" / "So sind die Geschmäcker verschieden" / "...Villengebiet auf dem Stadtwerder vermag mir zu gefallen" / "...man erkennt einen Willen zur echten Gestaltung" / "...es gibt durchaus auch Licht in der Überseestadt eben bei den neuen Projekten" / "Am Ende ist es eine Geschmacksfrage, wenn man natürlich mit der Moderne komplett hadert, dann wird es schwer".
    Ja, ist das nun ein FORUM für modernistische Geschmäcker und Geschmacksfragen oder "Rekonstruktion und neue klassische Architektur"? Freuen über solche Kommentare würden sich modernistische Foren, wie DIE ZEITGENOSSEN e. V., schon eher. Es gibt eben kein "Licht in der Überseestadt", weder neubaulich, architektonisch, landschaftsgestalterisch noch verkehrsplanerisch, aber eine einzige Eintrübung und Verdunklung via Gleichformung und Verklotzung des hanseatischen Geistes, der sich mit Roselius, Hoetger und Poppe dereinst noch Ruhm verschaffte. Ein Großinvestor ZECH baut den Europahafen dicht, wie nicht anders zu erwarten, mit Blöcken und Klötzen. Schon wieder "eine Geschmacksfrage" und am Ende wieder: "ganz ordentlich anzusehen"? Man erlaube mir schon mal, Vorschußlorbeerkränze zu flechten und hierzu den "Bremer Investoren-Gesang" frei nach dem oben schon angestimmten Gedicht meines hochverehrten Landsmannes Friedrich von Schiller vorzutragen:

    >> Er stand auf seines Daches Zinnen, Er schaute mit vergnügten Sinnen,
    Auf das beherrschte Bremen hin. Dieß alles ist mir unterthänig, begann er zu dem Bremer König, Gestehe, daß ich glücklich bin <<

    Hat er schon längst gestanden, König Carsten I., der viel eher in Bremens Vorzeigevierteln "Schwierigkeiten" zu finden beliebt, als in den, aus dem schönsten Bremer Boden gestampften, Neubauquartieren.

    Mit einem nachösterlichen, stimmungsvollen

    Bild von einem etwas anderen Europahafen grüßt

    der "Neo-Gotiker" Axel Spellenberg



  • Finde ich jetzt vom Stil her ehrlich gesagt etwas fragwürdig, sich an meinen Äußerungen hier ihres Kontextes beraubt und fast verballhornt im Telegrammstil und "über Bande" abzuarbeiten. Wenn jetzt meine alles andere als provokante und differenzierte Meinungsäußerung nicht ertragen werden kann, ohne darauf polemisch zu reagieren, ist das meiner Meinung nach eher traurig als irgendetwas anderes.

    Ich bin der letzte, mit dem man nicht über die Defizite der zweiten Moderne in Bremen reden könnte, ja, habe hier selbst mehrere Bildbeiträge des Grauens mit einigen der schlimmsten Beispiele erstellt und sehe ihr Wirken in Bremen genauso negativ wie wohl die meisten hier. Trotzdem gibt es nun mal qualitative Unterschiede zwischen den einzelnen Gebäuden, auf die man auch hier hinweisen dürfen muss. An einer Diskussion bin ich immer interessiert, nicht aber an einem derartigen Vorführen.

  • Donnerwetter, was ist da los in Eurer Bremer Echokammer, dass Ihr wütend loskeilen müsst, wenn man es als Aussenstehender wagt, eine abweichende, gleichwohl differenzierte Meinung zu den abgebildeten Neubauten zu äussern? Ja, die Geschmäcker sind hier und da verschieden, und es sollte möglich sein, dies im Rahmen einer Diskussion auch zu ertragen. In diesem Forum sollte eine grosszügige und kollegiale Einstellung im Umgang miteinander die Regel sein, zumal Ihr Euch ohne Probleme ein Bild davon machen könntet, dass Heinzer und auch ich ganz sicher keine Agenten des Modernismus sind. Dieser Diskussionsstil sollte schon allein deswegen gepflegt werden, um sich nicht selbst den Vorwurf der ideologisch- verbohrten Engstirnigkeit gefallen lassen zu müssen, den Ihr gegen die Fürsprecher des Modernismus erhebt.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Heinzer, Axel Spellenberg und findorffer sind alle in Bremen und 'umzu' ansässig, kennen sich untereinander und wertschätzen die jeweilige Arbeit sehr. Ich stimme daher Snork zu, daß wir etwaige Meinungsverschiedenheiten in Randthemen hier nicht aufbauschen sollten, denn das freut nur die Gegenseite ! Wir werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten genug Arbeitskraft, ehrenamtliches Engagement, Zeit und Herzblut zu investieren haben, wenn wir in der absoluten 'Reko-Diaspora' Bremen nur allein unser Kerngeschäft, d.h. das 'Dreigestirn' (Anschari-Kornhaus-Essighaus) verwirklichen wollen. Also: Concordia Domis !

  • Emmastraße/Ecke Ottilie-Hoffmann-Straße in Schwachhausen


    Ottilie Hoffmann war eine Bremer Pädagogin und Vertreterin der Abstinenzbewegung. Also: Kein Alkohol! Das unten dargestellte Gebäude stammt, wie ich glaube (bitte sonst um Korrektur), vom Planungsbüro Italino. Angesichts dieser Fassade fängt mancher wieder an zu saufen, Ottilie würde sich im Grabe umdrehen. Nicht wegen der Sauferei, sondern wegen dieser Architektur.


    Gesehen von der Emmastraße: Reduktion auf das Wesentliche und "Klare Formen"?


    Blick in die Ottilie-Hoffmann-Straße: Werden da Möbel ausgestellt oder Fahrräder?

  • Neue Wohnsiedlung in Bremen-Habenhausen

    In Habenhausen ist vor einigen Jahren hinter dem Weserdeich eine neue Siedlung entstanden. Dafür wurde eine Wiese, auf der häufig Kühe grasten, geopfert. Im Hintergrund war immer eine Grundschule zu sehen und man konnte sich gut vorstellen, wie die Kinder die Nähe zur bäuerlichen Natur schätzten: in der Pause mal Kühe streicheln, das wünschen sich alle Eltern für ihre Kinder und ist besser, als in der Steintorgrundschule zwischen den Spritzen der Junkies seinen Schulweg zu suchen. Als beschlossen wurde, dass hier gebaut werden soll, gab es viele ärgerlich Reaktionen, auch auf der Leserbriefseite des Weser-Kuriers. Nachdem das "Bauprojekt" abgeschlossen war, wurde der Ärger angesichts des Architekturstils noch größer: statt Habenhausen Neu-Kistenhausen.

    Ein kleines Stück Wiese ist noch übrig:

    Einmal editiert, zuletzt von findorffer (26. Juni 2019 um 18:03)