Kaoru Ich wäre doch besser "Landvermesser". Dann hätte ich wenigstens bezahlte Arbeit und meine Ruhe und Frieden. Es hat ja niemand eine Ahnung davon, was es heißt, ein Architekt zu sein, der seit 45 Jahren gegen die Moderne und Kollegen mit modernistischer Ideologie und Gesinnung kämpft. Ich gewann den 1. Wettbewerbspreis für einen historisierenden Neubau am Barockschloss Ettlingen in Baden, nebst Neugestaltung des historischen Barockgartens. Den Auftrag bekam der am Wettbewerb nicht beteiligte, verstorbene Architekt von Branca München. Einen Wettbewerbspreis gewann ich für den ersten Wiederaufbauplan der Frankfurter Altstadt neben dem Dom. Das Technische Rathaus hatte ich im Wettbewerb trotz Verbots der Auslobung abgerissen und Altstadthäuser mit Schieferdächern und Fachwerk darauf entworfen. In der Ausstellung meiner Arbeit in der Paulskirche interessierte sich kein einziger Frankfurter Bürger für meinen Plan. Jürgen Aha, einer der Initiatoren des Wiederaufbaus schrieb mir darauf einmal: "Das müssen Sie verstehen, für die Frankfurter lag die Paulskirche einfach zu abseits". Ha, ha, selten so gelacht. Mittendrin in der Altstadt und dann abseits. Nein, das Thema Wiederaufbau war damals, 1980, keines für die Bürger. Schon gar nicht für die Politiker und Stadtplanung. So, und dann kam 2005 Stadtratsmitglied Wolfgang Hübner und stellte den Antrag zum Abriss des TR und Wiederaufbaus der Altstadt - 30 Jahre nach mir.
Sept. 2018, kurz vor den Einweihungsfeierlichkeiten, lud mich PRO ALTSTADT e. V. dann endlich nach Frankfurt ein, um mich vor einem großen Kreis von Stadtbildinitiativen, Dresdner Neumarkt, Nürnberger Altstadtfreunde, StadtbildDeutschland e. V. und Architekten wie Leon Krier sowie zahlreichen Frankfurtern für meine weitsichtigen Entwürfe besonders zu ehren. Gebaut habe ich in der Altstadt trotzdem kein einziges Haus. Aber 1980 gegen die postmoderne Architektur von Axel Schultes (Betonklotz Bundeskanzleramt) gekämpft, der den 1. Preis erhielt und den schauderhaften, 150 langen Riegel + Rotunde der Kunstschirn erbaut hat. Die Jury unter meinem schwäb. Kollegen Prof. Max Bächer begründete den 1. Preis damit, dass sich die Architektur eindrücklich am Maßstab des Techn. Rathauses orientiert habe. Ha, das sieht man allerdings, aber das TR ist als Maßstabsgeber weg und die Schirn noch da. Auch gegen die habe ich 2018 in meinem Dankeswort zu meiner Ehrung gewettert. Wenn ich noch die ganze Geschichte vom Verlust im Wettbewerb Reichstagsumbau Berlin schildern würde, es wäre zu viel. Nur so viel: ich war der einzige Architekt, der die historische Reichstagskuppel rückentwarf, die wollte der Bauherrenvertreter, Bauminister Schneider (CSU), in der Jury haben, aber die Jury unter dem Einfluss des Kuppelhassers Architekt Peter Conradi schmiss mich 2 x aus der Prämierung. Der Bauminister Schneider konnte sich nicht gegen ihn durchsetzen. Schneider war es, der den englischen Architekten und 1. Preisträger Norman Foster auf die Knie zwang und die heutige Kuppel zu bauen von ihm forderte, obwohl Foster, 2 Meter neben mir stehend, einmal sagte: "Die Kuppel, mit mir? niemals! Es gäbe noch zahllose weitere Geschichten über den armen Klassikarchitekten zu erzählen, der von seinen Kollegen, Juryvorsitzenden, schon als "entartet" aus Wettbewerben geworfen wurde. Diese Schilderungen werden Dich wohl kaum an etwas erinnern.
Vergessen hatte ich vorneweg übrigens, mich zum Debut in diesem Strang kurz zu meinem ´Pseudonym´ zu äußern. Das möchte ich hier nachholen. Ich habe mir nicht etwa selbst blaues Blut in die Adern gemischt, wurde aber 1945 ohne mein Zutun und Wissen in diese Familie hineingeboren. So gesehen, ist es kein Pseudonym - was ich auch als reger Facebook-User nicht verwende - ich stamme aus der preußischen Adelsfamilie von Zieten, die ein Rittergut in der Mark Brandenburg Nähe Neuruppin besaß, das leider von meinem lebelustigen Opa heruntergewirtschaftet wurde. Dieser Familie verdanke ich die Neigung zur klassischen Baukunst schon im Alter von 5 Jahren. Unvergessen, meine überwältigenden Eindrücke als kleiner Junge vom Schloss und den Gärten Rheinsberg und der klassizistischen Stadtanlage Neuruppin mit ihren Gründerzeitvillen, worin meine Oma ihre Wohnung hatte. Da mein Vater Architekt war, mußte ich es auch werden, obwohl ich eher Neigung zum Kunstmaler hatte. Damit habe ich übrigens in den letzten 20 Jahren mehr verdient als mit dem Architektenberuf. Landvermesser wär´ noch besser.