• Kaoru Ich wäre doch besser "Landvermesser". Dann hätte ich wenigstens bezahlte Arbeit und meine Ruhe und Frieden. Es hat ja niemand eine Ahnung davon, was es heißt, ein Architekt zu sein, der seit 45 Jahren gegen die Moderne und Kollegen mit modernistischer Ideologie und Gesinnung kämpft. Ich gewann den 1. Wettbewerbspreis für einen historisierenden Neubau am Barockschloss Ettlingen in Baden, nebst Neugestaltung des historischen Barockgartens. Den Auftrag bekam der am Wettbewerb nicht beteiligte, verstorbene Architekt von Branca München. Einen Wettbewerbspreis gewann ich für den ersten Wiederaufbauplan der Frankfurter Altstadt neben dem Dom. Das Technische Rathaus hatte ich im Wettbewerb trotz Verbots der Auslobung abgerissen und Altstadthäuser mit Schieferdächern und Fachwerk darauf entworfen. In der Ausstellung meiner Arbeit in der Paulskirche interessierte sich kein einziger Frankfurter Bürger für meinen Plan. Jürgen Aha, einer der Initiatoren des Wiederaufbaus schrieb mir darauf einmal: "Das müssen Sie verstehen, für die Frankfurter lag die Paulskirche einfach zu abseits". Ha, ha, selten so gelacht. Mittendrin in der Altstadt und dann abseits. Nein, das Thema Wiederaufbau war damals, 1980, keines für die Bürger. Schon gar nicht für die Politiker und Stadtplanung. So, und dann kam 2005 Stadtratsmitglied Wolfgang Hübner und stellte den Antrag zum Abriss des TR und Wiederaufbaus der Altstadt - 30 Jahre nach mir.

    Sept. 2018, kurz vor den Einweihungsfeierlichkeiten, lud mich PRO ALTSTADT e. V. dann endlich nach Frankfurt ein, um mich vor einem großen Kreis von Stadtbildinitiativen, Dresdner Neumarkt, Nürnberger Altstadtfreunde, StadtbildDeutschland e. V. und Architekten wie Leon Krier sowie zahlreichen Frankfurtern für meine weitsichtigen Entwürfe besonders zu ehren. Gebaut habe ich in der Altstadt trotzdem kein einziges Haus. Aber 1980 gegen die postmoderne Architektur von Axel Schultes (Betonklotz Bundeskanzleramt) gekämpft, der den 1. Preis erhielt und den schauderhaften, 150 langen Riegel + Rotunde der Kunstschirn erbaut hat. Die Jury unter meinem schwäb. Kollegen Prof. Max Bächer begründete den 1. Preis damit, dass sich die Architektur eindrücklich am Maßstab des Techn. Rathauses orientiert habe. Ha, das sieht man allerdings, aber das TR ist als Maßstabsgeber weg und die Schirn noch da. Auch gegen die habe ich 2018 in meinem Dankeswort zu meiner Ehrung gewettert. Wenn ich noch die ganze Geschichte vom Verlust im Wettbewerb Reichstagsumbau Berlin schildern würde, es wäre zu viel. Nur so viel: ich war der einzige Architekt, der die historische Reichstagskuppel rückentwarf, die wollte der Bauherrenvertreter, Bauminister Schneider (CSU), in der Jury haben, aber die Jury unter dem Einfluss des Kuppelhassers Architekt Peter Conradi schmiss mich 2 x aus der Prämierung. Der Bauminister Schneider konnte sich nicht gegen ihn durchsetzen. Schneider war es, der den englischen Architekten und 1. Preisträger Norman Foster auf die Knie zwang und die heutige Kuppel zu bauen von ihm forderte, obwohl Foster, 2 Meter neben mir stehend, einmal sagte: "Die Kuppel, mit mir? niemals! Es gäbe noch zahllose weitere Geschichten über den armen Klassikarchitekten zu erzählen, der von seinen Kollegen, Juryvorsitzenden, schon als "entartet" aus Wettbewerben geworfen wurde. Diese Schilderungen werden Dich wohl kaum an etwas erinnern.

    :opa:Vergessen hatte ich vorneweg übrigens, mich zum Debut in diesem Strang kurz zu meinem ´Pseudonym´ zu äußern. Das möchte ich hier nachholen. Ich habe mir nicht etwa selbst blaues Blut in die Adern gemischt, wurde aber 1945 ohne mein Zutun und Wissen in diese Familie hineingeboren. So gesehen, ist es kein Pseudonym - was ich auch als reger Facebook-User nicht verwende - ich stamme aus der preußischen Adelsfamilie von Zieten, die ein Rittergut in der Mark Brandenburg Nähe Neuruppin besaß, das leider von meinem lebelustigen Opa heruntergewirtschaftet wurde. Dieser Familie verdanke ich die Neigung zur klassischen Baukunst schon im Alter von 5 Jahren. Unvergessen, meine überwältigenden Eindrücke als kleiner Junge vom Schloss und den Gärten Rheinsberg und der klassizistischen Stadtanlage Neuruppin mit ihren Gründerzeitvillen, worin meine Oma ihre Wohnung hatte. Da mein Vater Architekt war, mußte ich es auch werden, obwohl ich eher Neigung zum Kunstmaler hatte. Damit habe ich übrigens in den letzten 20 Jahren mehr verdient als mit dem Architektenberuf. Landvermesser wär´ noch besser.

  • Lieber Kaoru, nach Rastrellis Kommentar zum "Landvermesser" erschließt sich mir Dein Orakel schon eher. Als Alter, dazu wenig Belesener, tappt man schon mal im Dunkeln. :opa:Solltest Du etwa Zweifel an meiner "Glaubwürdigkeit" und "beruflichem Status" hegen? Das wäre ein schlechter Einstand. Aber ich bin durch social media :aufdenkopf: manches gewohnt. Nur so viel: ich habe als Architekt für Stadtbild Deutschland e. V., insbesondere Stadtbildgruppen des Vereins, wie Köln, Mainz, Neu-Brandenburg, Siegen, Magdeburg, Architektenleistungen in ehrenamtlicher Arbeit erbracht. Stadtplanentwürfe für Innenstadtquartiere und Architekturentwürfe als Grundlage für Publikationen und Diskussionen mit Initiativen, Stadtplanungsämtern oder Investoren. Mein bester Bremer Freund ist >Pagentorn<, dessen Kommentare und Beiträge aus meiner Sicht zu den vorzüglichen im APH-Forum zählen, ein ausgewiesener Kenner der Bauhistorie und Historie, mit dem ich derzeit einen neuen Bremer Innenstadtplan und den Wiederaufbau des Turms der gotischen St. Ansgarii-Kirche plane. Zu meinem großen Bedauern hat sich Pagentorn wegen schwerer Verägerung aus dem APH-Forum zurückgezogen. Das ist ein unermesslicher Verlust für das APH-Forum und Stadtbild Deutschland e. V. Nein, Landvermesser wollte ich doch nicht sein! :gutenacht:

  • Solltest Du etwa Zweifel an meiner "Glaubwürdigkeit" und "beruflichem Status" hegen?

    Nein, da hast du Kaoru ganz falsch verstanden, das erlaube ich mir als Unbetroffener anzumerken. Den Zweifel hat ausschließlich Rastrelli gesät bzw dieser ging von ihm aus. Kaorus "Lajk" ist eigentlich nicht recht verständlich und sicher nicht als Bestätigung dieses Zweifels gemeint, Der Leser von Kafkas Schloss hat niemals einen Zweifel am Berufstand der Hauptperson. Es stimmt, dass Brod im Nachwort, als er das nur mündlich überlieferte Ende des Romans mitteilt, die Formulierung verwendet: der "angebliche Landvermesser" erhält wenigstens teilweise Genugtuung. Das ist aber aus der Sicht des "Literaturwissenschaftlers"., der zwischen Hauptperson und "Schloss" sozusagen von berufswegen einen neutralen Standpunkt einnimmt. In Wahrheit besteht an K.s Befähigung (zu einer Berufsausübung) kommt es ja nicht, nicht der geringste Zweifel. In der Urversion des Beginns geht dies sogar ganz deutlich hervor, als eine unbekannte Instanz mittels Telephonanruf für ihn Stellung bezieht - wie wäre dies erklärbar, wenn K. ein Schwindler wäre?

    Kaoru hat auf deine Schwierigkeiten mit Behörden Bezug genommen und darauf, dass gute Kunstausübung heute so gut wie ungefragt ist. Ihr Vergleich ist durchaus treffend, Rastrellis Deutung offenbar nur dessen Meinung, die ich an deiner Stelle ignorieren würde.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Kaorus "Lajk" ist eigentlich nicht recht verständlich

    Danke für deine Ausführungen, ja genauso meinte ich es, ich hatte schon Figurenbesetzungen assoziiert, etwa Macron mit dem fast mystisch ominös absurden Klamm, dem„Vorstand der zehnten Kanzlei", der aber eher wie ein Ludwig II. im Endstadium oder eine verletzliche Gottheit behandelt wird und vollkommen unnahbar und unergründbar ist, vermutlich aber auch nur ein kleines Rädchen in einem unendlich größeren, unverständlichen System. Klamm (als absolutistischer Herrscher über seinen Bürokratiestaat) kommuniziert auch in Briefen seine Aufträge an K. die sich jedoch unter den Mühlen der Bürokratie in Schall und Rauch auflösen, gleichwohl sie natürlich immer noch gelten. Das System besteht einzig aus Paradoxa die jedoch von jedem Glied der Kette als "unzweifelhaft richtig" klaglos angenommen werden, mögen sie auch noch so absurd sein. Dies hat letztlich K. überhaupt an seiner Existenz zweifeln lassen, ist er denn überhaupt Landvermesser? Kafka hat diese Selbstauflösung offensichtlich induktiv gemeint, Brod hat sie deduktiv verstanden: "K. zweifelt daran überhaupt je Landvermesser gewesen zu sein " daraus folgert Brod fälschicherweise "es ist zweifelhaft, ob K. überhaupt Landvermesser ist".

    Darüberhinaus wird K.s komplette vita activa in der Handlung nicht nur ad absurdum geführt sondern im Nichttätigkeitszwang gerade zu nivelliert, ausgelöscht. In dem ganzen Roman arbeitet der Landvermesser K. kein einziges Mal als Landvermesser. Das lässt Raum für interessante Spekulationen (ein Nicht-Landvermesser K. ist ja auch eine reizvolle Interpretation.)

    Mein Like Rastrellis galt dem, dass er die Assoziation zu Kafka aufgeklärt hat, nicht dass anzweifeln des Berufsstandes von Zietens. Ich hoffe, durch dieses Missverständnis habe ich dich nicht beleidigt, lieber von Zieten? Ich wollte eigentlich gestern alles schon fix aufklären, aber ich war zu müde.

  • Kafka als Autor, der unumstößliche Wahrheiten verkündet. Das ist schon drollig. Und wenn ursus meint, zu wissen, was Kaoru denkt und was Rastrelli denkt, dann geht er dabei aus literaturwissenschaftlicher Sicht so unsauber vor, dass es schon weh tut. Das bezieht sich auf seinen Umgang mit Texten von Kafka wie der beiden Mitforisten.

    Aber hier geht es ja um Notre-Dame. Aus Sicht der Allgemeinheit wäre zu wünschen, dass der Landvermesser Z., der unzweifelhaft ein Landvermesser ist, nicht zum Zuge kommt. Denn das beste wäre doch eine genaue Rekonstruktion von Dach und Vierungsturm. Dazu wäre ein Architekturwettbewerb, der dann auch nicht der zweite, sondern der überhaupt erste in dieser Sache wäre, nicht erforderlich. Der Architekturwettbewerb war ja ursprünglich angedacht, um auszuloten, ob der Wiederaufbau in sichtbar veränderter Form erfolgen sollte. Eine denkmalpflegerische Rekonstruktion wäre aber die beste Lösung. Da unterstütze ich die Position von Dombaumeister Villeneuve und zahlreicher Kunsthistoriker. Der Landvermesser Z. strebt hingegen nach eigenen Angaben nur eine Annäherung an den Vierungsturm von Viollet-le-Duc an. Auch sein Vorhaben, für nichtsichtbare konstruktive Teile ein neuartiges Material einzusetzen, das noch nicht langfristig erprobt ist, halte ich nicht für unterstützenswert.

    Edit: Ich habe gerade den Beitrag von Kaoru gelesen. Ich weise, darauf hin, dass ich mich gestern auf ihren Text bezogen habe. Und der lässt erheblichen Interpretationsspielraum zu, genauso wie mein Beitrag.

  • Nicht nur um "den Zweifel" auszuräumen, auch aufzuzeigen, welche bürokratischen Umwege als Architekt gegangen werden müssen, soll das Schreiben des ´Chef de Cabinet´ von Premierminister Édouard Philippe vom 20. Juni 2019, beispielhaft für mehrere Korrespondenzen, veranschaulichen. Für nicht des Französischen Kundige hier eine Übersetzung:

    Monsieur, Sie haben dem Premierminister Ihr Interesse am internationalen Architektenwettbewerb zum Wiederaufbau des Vierungsturms der Kathedrale Notre-Dame in Paris bekundet, welcher durch Beschluß des Ministerrats am 17. April bekanntgegeben wurde. Monsieur Édouard PHILIPPE hat gerne von Ihrem Entwurf und Wunsch, an diesem ambitionierten Projekt teilzunehmen, Kenntnis genommen. Dies betreffend, habe ich Ihr Schreiben an *Kulturminister Monsieur Franck RIESTER weitergeleitet. Monsieur, vertrauen Sie bitte der Zusicherung meiner allerbesten Grüße. Anne CLERC

    *Kulturminister Franck Riester ist für die Durchführung des Wettbewerbs und Projekts zuständig

    Am unteren Rand, links, des Schreibens des Premiers ist mein Name und Anschrift vermerkt, welche ich hier nicht zeige. Es ist an meinen väterlicherseits abkömmlichen Namen gerichtet.

    Das Schreiben des Premiers zeigt erst einmal, mit welcher Höflichkeit und Eleganz des Ausdrucks die französische Grußformel formuliert wird, die immer mal variiert. Hiergegen nüchtern und sparsam deutsch: Mit freundlichen Grüßen. Natürlich muß man als Bewerber in französischer Sprache anschreiben und die Gepflogenheiten der Ansprache und Grußformel kennen. Am liebenswertesten, vertrauensvollsten und aussichtsreichsten antwortete mir Monsieur Général d´armée Jean-Louis Georgelin, dessen persönlich unterzeichneten Brief ich wegen gebotener Vertraulichkeit hier nicht einstellen möchte. Was nur beweist, dass ein Haudegen, der, wie ich, ein Pensionär und gläubiger Christ ist, auch mal anders kann als auf den Tisch zu hauen, denkt man an seine Attacke gegenüber Chefarchitekt Villeneuve. Ich hatte ihm u. a. geschrieben, "Dass wohl nur noch wir Pensionäre Notre-Dame zu retten in der Lage wären". Kleiner Scherz am Rande, worüber der General "besonders gerührt" war. Er ist auch nur ein Mensch. Und das genau schätze ich an ihm, denke ich nur an meine, einen dicken Aktenordner füllende, Korrespondenz mit hohen deutschen Amtsträgern. Darunter der vormalige deutsche Kulturminister Bernd Neumann, als er mir auf meinen Protest gegen die scheußliche Bürgerwippe vor dem Berliner Schloss antwortete. Zwar persönlich unterzeichnet, aber mit Stempel, und eine Antwort, die man den Hasen geben kann. Am deutschen Wesen genesen - nein danke. Ich habe mich, last but not least, nur um Notre-Dame beworben, um den Wiederaufbau des Vierungsturms von Violett-le-Duc nicht alleine den Wahnideen von Star-Kollegen zu überlassen. Ich könnte eigentlich lieber den Pensionärsstand genießen, anstatt mich mit Modernisten herumzuschlagen. Das wird ein schweres Gefecht werden, zumal Macron und etliche in Frankreich noch immer an einem modernen Wiederaufbau herumfantasieren. Der wäre der Todesstoß für Notre-Dame und die eigentliche, noch viel schlimmere Katastrophe.

  • Zitat

    Nicht nur um "den Zweifel" auszuräumen, auch aufzuzeigen, welche bürokratischen Umwege als Architekt gegangen werden müssen, soll das Schreiben des ´Chef de Cabinet´ von Premierminister Édouard Philippe vom 20. Juni 2019, beispielhaft für mehrere Korrespondenzen, veranschaulichen. Für nicht des Französischen Kundige hier eine Übersetzung:

    Monsieur, Sie haben dem Premierminister Ihr Interesse am internationalen Architektenwettbewerb zum Wiederaufbau des Vierungsturms der Kathedrale Notre-Dame in Paris bekundet, welcher durch Beschluß des Ministerrats am 17. April bekanntgegeben wurde. Monsieur Édouard PHILIPPE hat gerne von Ihrem Entwurf und Wunsch, an diesem ambitionierten Projekt teilzunehmen, Kenntnis genommen. Dies betreffend, habe ich Ihr Schreiben an *Kulturminister Monsieur Franck RIESTER weitergeleitet. Monsieur, vertrauen Sie bitte der Zusicherung meiner allerbesten Grüße. Anne CLERC

    *Kulturminister Franck Riester ist für die Durchführung des Wettbewerbs und Projekts zuständig

    Kafka hätte es nicht anders formuliert und auch K. hätte uns den Brief voller Stolz vorgezeigt.

    Nein, spaß bei Seite, um noch einmal alle Zweifel auszuräumen, von Zieten, ich zweifle selbstverständlich nichts von dem an, was du geschrieben hast, welchen Anlass sollte ich dazu haben?

  • Danke, lieber Kaoru.

    Und ´welchen Anlass´ sollte ich haben, an dieser Stelle Zweifel zu säen? Die Beiträge im APH-Forum sind für meine Arbeit immer wieder hilfreich und wichtig, da ich Architekt und Gestalter und nicht in anderen Belangen Beschlagener bin. Mit Büchern und Romanen fange ich nichts an, weil ich keine mehr lese. Nicht aus Desinteresse, sondern weil ich meine Lebensrestzeit nicht vergeuden kann. Jeder Tag, an dem ich eine Zeichnung zu einer neuen schöneren und humaneren Architektur mache, ist wertvoll und kostbar. Das begreift man erst, wenn man sich dem Jenseits immer mehr nähert. Aber ich hoffe, noch etwas Schonfrist zu haben.

    Ich bin immer wieder zutiefst bewegt, wie viele junge Menschen sich heute für klassische Architektur, Städtebau und Rekonstruktionen begeistern und engagieren. Das war in meinen jungen Berufsjahren nicht so. Da war man als Freund der Klassik und Traditionsarchitektur absolut einsam und auf verlorenem Posten. 1979 entwarf ich in einem Wettbewerb die Überbauung des südlichen Altstadt-Verkehrsrings von Ulm/Donau mit Altstadthäusern und wurde völlig ignoriert. Nach 2000 wurde meine Idee von anderen Architekten umgesetzt, der Altstadtring ist heute wieder bebaut und Teil der Altstadt und verbindet die durch die autobahnartige Schneise vormals getrennten Altstadtquartiere. Ich weiß aus eigener Erfahrung: nur der stete Tropfen höhlt den Stein der Modernisten. Und der unbedingte Zusammenhalt ihrer Gegner.

  • Monsieur Rastrelli, Ihre Vorliebe für Dombaumeister Villeneuve ist rührend. Er ist aber auch als Architekt nur ein ausgewiesener Modernist und High-Techniker. Schauen Sie sich die ´Dombauhütte´ an, könnte ein Konstruktionsbüro von Airbus sein. Wer hat denn das völlig überflüssige Baugerüst aus 10.000 verzinkten Metallstäben mit 200 t Gewicht auf die Kathedrale hieven lassen? Schauen Sie sich an, was Viollet-le-Duc für ein schlichtes, einfaches Holzgerüst hatte, damit aber den Spitzturm Mitte des 19. Jh. völlig neu erbaute. Villeneuve brauchte ein gigantisches, idiotensicheres Gerüst nur für die Sanierung! Warum, weil die mächtige Gerüstbaulobby und der Modernisten-Dombaumeister das wollten. Jetzt rächt sich der Schwachsinn, das irrsinnige, in sich zäh verschmolzene Mikado-Gerüst ist die größte Gefährdung für die Kathedrale seit ihrem über 800-jährigen Bestehen. Und schauen Sie sich den Irrsinn der gigantischen hölzernen, modernistisch-technischen Sicherungsstützen an. Wenn das wieder Feuer fängt, weil einer ´ne Gauloise-Kippe drauf wirft oder mit dem Scheiß- Black&Decker-Schleifgerät hantiert, ist die Kathedrale für immer und ewig perdu. Irgendwann müssen die Riesenkrücken wieder weg, und dann, was sichert dann u. a. die hauchdünnen, über 30 Meter hohen Obergadenwände, wenn die Holzstützen aus den Strebebögen entfernt werden? Ah, wie wir Architekten immer zu sagen pflegten: "Siemens-Lufthaken". Nein, das Villeneuv´sche Mittelalterholz natürlich, das schon lange keins mehr ist, weil: das Mittelalter ist tot, es lebe der Modernist des 21. Jahrhunderts! Und wenn das Holz, womit man bekannlich heizt, wieder brennt? ah, wieder Löschwasser in rauhen Mengen, verkohlte Balken, durchschlagene Gewölbe und ein Spitzturm, der wie eine Fackel lodern in die Tiefe stürzt. Nein, da haben die superschlauen Spezialisten natürlich Methoden - aber welche denn, wenn Sie mir die Verwendung eines sehr brandsicheren und hochstabilen neuen Holzbaustoffs absprechen, das die gar nicht kennen? Bis der Turm gebaut wird, vergehen Jahre und mein "neuartiges Material" ist auf dem Markt. Auf Ihre "Unterstützung" kann ich bestens verzichten. Sie können eh nichts ausrichten.

    Nicht das Feuer oder Metallgerüst war die größte Gefahr für Notre-Dame, die modernistischen Architekten sind es. Das glaubt doch keiner im Ernst, dass Viollet-le-Ducs geniale Baukunst von denen überhaupt noch erkannt und begriffen wird, geschweige originalgetreu rekonstruiert. Wer kann das denn noch? Da werden die Schrauben von Würth aus Künzelsau genommen und alles per High-Tech gemacht werden. Und schon wieder das irre Metallgerüst raufgehievt. Oder wird Villeneuve das historische Gerüst nehmen? ha, im Traum nicht.

    Der Computer ist heute das Wundermittel, das Notre-Dame heilt und verzaubert, und das schon die unsägliche Betonwüste des Berliner Schlosses wegzauberte . Gerne lässt sich der Liebhaber des Barock blenden, auch vom Braunschweiger Schloss, dortige Alte Waage, alles Kulissenzauber aussen, innen modern verhunzt. Frankfurt genau so, abgesehen von wenigen Ausnahmen: "Puppenstube Altstadt", titulierte der WELT-Kolumnist Dankwart Guratzsch einmal, da war die Altstadt noch gar nicht gebaut. Ich habe noch einen Brief von Dankwart Guratzsch von 2007, worin er mir, meine frühen Frankfurter Altstadtpläne anerkennend, schrieb: "Sie sind die treibende Kraft für den Wiederaufbau von Altstädten". :lachentuerkis:Ha, ha, ha, "Landvermesser" bin ich!

    Und genau so Disneyland wie nahezu überall, wo heute rekonstruiert wird, würde die von Ihnen gewünschte "genaue Rekonstruktion" des Vierungsturms werden: aussen Viollet-le-Duc-Abklatsch, dahinter falscher moderner Plunder.

    Das alles verabscheue ich wie die Pest. Ich habe Viollet-le-Duc schon in jungen Jahren sorgfältig studiert, jetzt die Exaktheit und Genialität seiner Konstruktion, um eine innere geistige Verbindung zu seinem Werk Notre-Dame zu finden, ohne die zumindest ich nicht an die Sache herangehen könnte. Der angehende Architekt lernt heute dergleichen nicht mehr, was ich von der Pike auf gelernt habe, die traditionelle Bau- und Handwerkskunst und das Zeichnen . Er hockt hinter Computerglas und tippt auf Tasten, die ihm das Geschäft abnehmen. Häufig kann der Architekt nicht mal mehr zeichnen - kein Witz - ein Stuttgarter Kollege sagte einmal zu mir, als wir etwas skizzieren wollten und reichte mir seinen Stift: "Zeichnen Sie, ich kann es nicht, nur mit dem Computer." Ha, ha, da möchte man mal einen Pianisten sehen, der so was, analog verglichen, zum Kollegen sagte: "Spielen Sie, ich kann es nicht". Und die Zuhörer erst. In unserem Berufsgenre zählt die KUNST und Virtuosität des Architektenhandwerks längst nichts mehr, sie ist degeneriert, tot, ausgestorben. Sie, von der Vitruv sagte: "Die Architektur ist die Mutter aller Künste". Ha, sie ist nur noch der heruntergekommene Schwiegersohn der einstig stolzen Mutter. Als Worpsweder Künstler weiß ich, dass man mich zum Teufel jagen würde, ich würde so arbeiten wie die Architekten heutzutage.

    Nein, aus Ihrer Vision wird nichts werden.

    Es ist nun aber auch nicht gerade schmeichelhaft, sich zu wünschen, ich käme "nicht zum Zuge". Sie wissen nicht, was es bedeutet, immer und immer wieder nicht zum Zuge zu kommen. Vielleicht haben Sie ja ein sicheres Polster, auf dem Sie behaglich hocken, und mussten und müssen nicht immer wieder um Aufträge betteln wie ich, um zu überleben. Sind Sie die "Allgemeinheit", deren "Sicht" sich anzumaßen Sie unternehmen"? Die noch gar nicht einmal weiß, was sie überhaupt will und auch nichts zu entscheiden hat. Zum Glück haben auch Sie in der Sache nicht ein Quentchen zu entscheiden. Was aber soll der Quatsch mit dem "Landvermesser" - ist das nun hier ein "Forum für Klassische Architektur und Rekonstruktion" oder eines für ein ´Literarisches Duett´? Irgendwie sitzen Sie und Ihr verschwurbelter Literaturfreund Ka. auf dem falschen Dampfer, und den armen >Pagentorn<, meinen verehrten Freund und Bremer Vereinsvorstandskollegen, verstehe ich jetzt erst so ganz und gar. Sie haben ihm wohl mit "Kanonaden", wie er mir gestern e-mailte, schwer zugesetzt? Ein Stück Pulverdampf kriege ich ja nun auch um die Ohren, aber für mich sind Ihre Schüsse nichts anderes als das "Hornberger Schießen" in meiner Schwarzwälder Heimat: wirkungslos Pulver verballern. Wer und was sind Sie eigentlich, ein Literaturwissenschaftler? Ich brauche mich nicht hinter anonymen Kulissen zu verbergen und von dort aus auf andere zielen, ich trete offen und mit meiner Familienherkunft auf. Wenn Sie wissen wollen, wer ich mit bürgerlichem Namen bin, drücken Sie die Homepage Stadtbild Deutschland e. V. , unten links >>StadtbildD e. V., dann wieder unten links >>"Ältere Berichte", dann erblicken Sie mich. Den "Landvermesser Z." können Sie sich an Ihren verehrten Literaten-Arsch heften. "Hier geht es", sehr richtig, "um Notre-Dame", literarische Ergüsse sind hier fehl am Platz. Vielleicht suchen Sie sich ein dafür passenderes Forum. :opa:Au revoir, Monsieur.

  • Irgendwie sitzen Sie und Ihr verschwurbelter Literaturfreund Ka.

    Kaoru ist erstens eine Sie und kann zweitens nichts dafür. Ihr Verweis auf den Landvermesser in Kafkas Schloss war ausschließlich nett gemeint, nämlich als Sinnbild ehrlichen Bemühens gegen eine übermächtige Lobby oder Mafia. Von Ratrellis … Ergüssen, um es bemüht neutral zu formulieren, distanziere ich mich, er ist ganz sicher nicht das Forum, auch wenn er diesen Eindruck zu vermitteln bemüht ist.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Snork Da müßte man ja social media gleich samt und sonders mit "in den Mülleimer werfen". Nein, die Meinungsfreiheit und richterliche Bescheide hierzu erlauben - zum Leidwesen mancher Zeitgenossen und höherer Verantwortlicher - ungeheuerliche, unerträgliche Grenzüberschreitungen, wogegen die "Frotzeleien" hier Schmeichelei sind. Man kann sich natürlich wie Robert Habeck beleidigt ganz und gar aus social media ausklinken, währenddessen Frau Merkel die Digitalisierung forciert, und damit selbstredend auch die Meinungsflut via social media. Wer die Geister ruft, wird sie so schnell nicht mehr los. Was lasse ich mir nahezu täglich als Architekt in Facebook-Seiten seriöser deutscher Blätter um die Ohren schlagen, wenn ich nur einen Satz zu einem Architekturthema formuliere: "Kümmer dich besser um dein Künstlerkaff", ist noch zärtlich. "du Rechtsradikaler" schon weniger. Man kann der Allgemeinheit nicht ausweichen und sich, wie hier, Räume schaffen wollen, die die Meinungsfreiheit einengen. Ich erscheine hier als Novize und kriege sofort den "Landvermesser Z." um die Ohren geschlagen. So was ist für mich Müll, der meinetwegen nicht entsorgt zu werden braucht, es gibt ja Meinungsfreiheit. Tut weh, schmerzt, ärgert, macht wütend, provoziert, weil es provozieren will, aber ich kann und darf - zumindest nach grundgesetzlichem Verdikt - parieren. Oder wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Mir unterschwellig via literarischem Orakeln Unglaubwürdigkeit und Unlauterkeit betreffs meines Beitrags und Berufsstatus anzuhängen, dies ohne Ermahnung stehen zu lassen, meine Frotzelei aber in den Müll werfen zu wollen? Dass mir angesichts des absurd und provokativ verliehenen Titels "Landvermesser Z." (Rastrelli) der Kragen geplatzt ist, ist unverkennbar zu lesen. Ist das "nett und sachlich"? Nein, unverschämt und beleidigend, meiner Person und Berufsstatus gegenüber. Auch dies: "VON ZIETEN ist kein Wettbewerbsteilnehmer" (Rastrelli). Aha, ein Aufschneider, also "unzweifelhaft Landvermesser". Ich bin nicht >Pagentorn<, der solcherlei analoge Spitzfindigkeiten und Verbalattacken (wie mich Pagentorn über Rastrellis Auslassungen ihm gegenüber informierte) nicht länger ertragen konnte. Solcherlei Verbalgefechte landeten wohl auch nicht im Mülleimer. Ich werde alles daran setzen, dass Pagentorn als langjährig ausgezeichnet kommentierender Forist in das APH-Forum zurückkehrt. Seine Beiträge sind die ohne allen Zweifel fundiertesten und sorgfältig recherchiertesten, seine Textierung ausgewiesen höflichste in diesem Forum. Diesen feinsinnigen, stets um Harmonie, Fairness und Ausgleich bemühten Mann und herausragenden Kenner der Materie ganz offenkundig brüskiert zu haben, schadet zuvörderst und nachhaltig Stadtbild Deutschland e. V., und damit seinen Zielen und Projekten zur Klassischen Architektur und Rekonstruktion.

    So, ich werde mich fortan um Sachlichkeit und Fairness bemühen, was ich durchaus eingangs meines Debuts getan hatte (s. Montag 21:54).

  • ursus carpaticus, eine "Sie" konnte ich natürlich nicht herauslesen. Da ich aber als langjährig voll berufstätig gewesener Haus- und Familienmann (2 Kinder) ein Anhänger der Gleichberechtigung bin, mache ich keine Unterschiede, nach der Weise: "ach so, eine Sie". Andererseits freue ich mich sehr, auf dem großen Feld männlicher Vorherrschaft in Sachen Städtebau, Architektur und Rekonstruktion auf eine "Sie" getroffen zu sein, Ich hätte ja auch eine "Sie" sein können, aber Frauen sind in der Sache Architekturwettbewerb + Rekonstruktion Notre-Dame nicht in vorderer Front. ´Unsere Dame´ ist Männersache: Macron, Philippe, Riester, Général Georgelin, Villeneuve, Norman Foster...... Zahra Hadid ist tot, sie hätte für La flêche von Notre-Dame ganz bestimmt eine gewaltigere Visualisierung als die von Foster hingelegt. Ist ganz und gar nicht mein Ding, was sie entworfen und gebaut hat. Auch da mache ich keinen Unterschied in meinem Engagement gegen modernistische Architektur, ob von Frau oder Mann gebaut, ist mir egal. Frauen sind da nur in der Minderheit, was nur beweist, dass sich ´Mann´ noch im 21. Jahrhundert als Krone der Schöpfung und auserwählt betrachtet, was diese aber niemals erdacht und vorgesehen hat.

  • @VON ZIETEN

    Könnten Sie Ihre Entwürfe zu Frankfurt oder zum Reichstag in die hierfür in Frage kommenden Stränge einstellen? Das würde mich - und wohl auch viele andere Foristen - sehr interessieren.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die Klarstellung, dass Kaoru eine "Sie" ist, war jetzt nicht unbedingt die Hauptintention meines letzten Beitrages...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ich habe für den Kirchendachstuhl N-D und Basisbau des Vierungsturms nach dem Vorbild Eiffelturm eine historische Eisenkonstruktion (kein Stahl) gewählt, und zwar Schmiedeeisen, das beim Eiffelturm nach dem "Puddelverfahren" hergestellt wurde.

    Das ist ein interessanter Gedanke. Könnte man denn heute noch irgendwo nach dem Puddelverfahren produzieren? Oder denkst du an ein Eisen mit ähnlichen Eigenschaften, das auf einer moderneren Anlage produziert wird?

    Diese Vorgänge stehen auch nicht in der Sensationspresse, auch nicht meine Vorschläge, die sich eng an Viollet le Ducs historisierende Turmversion anlehnen, ohne seinen neogotischen Stil zu kopieren.

    Wie darf ich mir denn das vorstellen? Eine genaue Rekonstruktion der flêche von Viollet-le-Duc sollte man doch anstreben. Dies ist zumindest meine bescheidene Meinung. Die flêche trägt ja doch nicht unmaßgeblich zum äußeren Erscheinungsbild der Kathedrale bei. Mit den Apostelfiguren sind wesentliche Originalteile erhalten. Der ganze Turm ist bestens dokumentiert. Warum also beim äußeren Erscheinungsbild von Viollet-le-Duc abweichen?

    Das innovative Holzverdichtungsverfahren wurde Anfang 2018 von amerikanischen Forschern erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Bis zur Serienreife und Produktion dauert es üblicherweise immer etwas länger.

    Was die innere Konstruktion betrifft, denke ich auch, dass man da nicht alles genauso machen muss, wie es früher war. Dennoch überrascht es mich, dass du als erklärter Gegner der Modernisten auf einen supermodernen Werkstoff setzen willst, der noch gar nicht auf dem Markt ist. Warum ausgerechnet diesen? Gibt es wirklich keine bewährten Materialien für diese Bauaufgabe?

    Für die Eindeckung des Dachs, hast du geschrieben, möchtest du wieder Blei verwenden. Die Frage wird ja kontrovers diskutiert. Wie siehst du denn die Alternative zwischen Bleidach und Kupferdach?

    Solche konkreten Fragen sind für unser Forum interessant, und da können wir sicher einiges von dir lernen. Wütende Tiraden gegen irgendjemanden sind dagegen langweilig. Und wer im Allgemeinen Wert auf Höflichkeit legt, sollte eigentlich keine Schwierigkeiten mit einem sachlichen Umgangston haben.

  • Rastrelli, das ist das ZIETEN-ERBE. Unser berühmtestes Familienmitglied Hans-Joachim von Zieten, Husarengeneral Fr. d. Großen, war ein berüchtigter Haudegen , der seine Feinde im Schlaf überfiel, zugleich war er tief fromm. Leider, oder zum Glück, habe ich diese Neigungen vererbt bekommen. Je oller, je doller, kommt noch hinzu. Siehe Général a. D. Georgelin mit seinem Villeneuve-Maßregelungsappell. Vorsicht Rentner!

    Zu den Fragen: Warum von Viollet-le-Duc abweichen? Weil er selber abgewichen ist. "Seine von ihm restaurierten Bauten konnten in einem Zustand enden, den diese niemals hatten...bisweilen wurde Viollet-le-Duc und seine Schüler als "vandalisme restauratus" bezeichnet." (s. Wikipedia Viollet-le-Duc). Daher ist er bis heute in der Denkmalpflege umstritten. Was ihm recht war, kann mir billig sein. Obschon ich mit meinem Entwurf (s. Foto) nicht von den Maßen, Höhe, Breite, Gliederung, konstruktiver Aufbau und Bleiverkleidung des Turms abweiche. Alleine die gewählte Stilform weicht ab. Es ist kein gotischer Spitzbogen mehr, sondern der von mir sogenannte Triangulare Bogen, welcher aus der diagonalen Quadratteilung hervorgeht. Diese geometrische Basisfigur determiniert alle Teile, vom Arkadenbogen, Maßwerk, Kapitell bis ins kleinste Detail. Hinzu kommt die Würfelfigur , z. B. für Fialenspitzen. Das wäre nach meiner Vorstellung eine ´Stilnovität´, die nach Nikolaus Pevsner immer dann gegeben ist, wenn ein "einheitliches Ganzes" geschaffen wird.

    Warum ein abweichender Stil? Weil ich partout kein Neo-Gotiker bin und sein will. Ich habe vielmehr Spaß am Experiment, am Entdecken und Wagen eines Neuen, das aus dem Alten heraus entsteht. Wie in der Renaissance. Wer nicht genau hinsieht, wird den Unterschied meines Turms zu dem von Viollet-le-Duc kaum merken.

    Warum Bleidach und kein Kupferdach wie Chartres? Es gibt für mich explizit für Notre-Dame keine Alternative zum Bleidach. Blei ist sehr lange haltbar, Kupfer weniger, aber das Erscheingsbild der Kathedrale in Paris kann aus meiner Sicht niemals Kupfer sein. Das Gejammer wegen dem Gift wird bald verstummt sein, wenn sich die Kathedrale wieder in ihrer ursprünglichen Schönheit zeigt. Also nur Blei für das Kirchendach und den Turm. Was darunter ist, sieht man ja nicht, z. B. das von mir angedachte Schmiedeeisen für den Kirchendachstuhl und die Basiskonstruktion des Turms. Erst ab der 1. offenen Galerie bis zur Turmspitze müssen Sie sich hinter dem Blei Holz vorstellen. Ob es das hochverdichete neuartige Holz ist, ist weniger entscheidend, weil das Holz komplett mit Blei verkleidet würde, welches das Holz schützt. In der Tat liegt mir modernes Material fern.

    Das Schmiedeeisen würde nach meiner Vorstellung in eigens gebauten Brennöfen hergestellt, so wie im mittelalterlichen Verfahren. Alleine diese Technik garantiert eine über 1000-jährige Lebensdauer. Sollte ich beauftragt werden - was in den fernsten Sternen steht - würde es auch wieder ein einfaches Holzbaugerüst wie das von Viollet-le-Duc geben. Das sorgfältig gelagerte und getrocknete Lärchenholz für die obere Turmkonstruktion (ist am witterungsbeständigsten) würde per Hand behauen, weil gesägte Balken nichts taugen. Das Bleideckungsverfahren würde ebenso in mittelalterlicher Technik ausgeführt werden. Moderne Maschinen und Kräne kämen mit mir überhaupt nicht mehr zum Einsatz, weil das alles nur klimaschädlich ist, brandgefährlich und kostspielig.

    Leider geistert in Macrons Kopf noch immer der Modernist. Sehen Sie sich die entsprechenden Architekten-Entwürfe an, die sind noch nicht vom Tisch des Élysée-Palasts. Man kann natürlich den Turm von Viollet-le-Duc, so weit heute noch authentisch machbar, auch originalgetreu rekonstruieren. Das wäre für mich aber nicht interessant.

  • Danke, lieber Zieten, das sind interessante Ideen! Ich bin gespannt, was die Forumskollegen dazu sagen.

    Zum Vergleich stelle ich mal ein paar Bilder der Flêche von Viollet-le-Duc ein. Über die Bildlinks lassen sich - insbesondere für die Aufnahmen von Charles Marville - stark vergrößerte Versionen aufrufen.

    Notre-Dame de Paris, der Vierungsturm (flêche) von Südwesten (Foto: Jebulon, November 2011, CC0)

    Der neue Vierungsturm (flêche) von Viollet-le-Duc, Ansicht von Westen um 1860

    (Foto: Charles Marville, Abzug auf Albuminpapier, Library of Congress)

    Mittelschiffsdach und Vierungsturm von Westen, um 1860 (Foto: Charles Marville, Abzug auf Albuminpapier, Library of Congress)

    Das Baugerüst, um 1853 (Foto: unbekannter Fotograf, Charenton-le-Pont, médiathèque de l'architecture et du patrimoine, domaine public)

  • @vZieten

    Ich nehm an, das Zietenschloss in Warmbrunn hat was mit Euch zu tun?

    https://www.google.at/search?q=Warmb…=Bz_rHUqHoAUHoM

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.