• Die Hysterie spielte sich vor allem in den Medien ab und in Teilen der Öffentlichkeit, wo es dann hieß, man könne Notre-Dame - rein technisch - nicht so wiederaufbauen, wie es war, und man dürfe Notre-Dame - moralisch gesehen - nicht wieder so aufbauen, wie es war. Beides ist Unsinn.

    Der Architekt Philippe Villeneuve ist mir sehr sympathisch. Bei ihm sind Herz und Verstand in einem guten Verhältnis. Mir hat an der ARD-Doku zudem gut gefallen, dass neben all den Industriekletterern und Baufachleuten auch der Priester zu Wort kam, der die Kathedrale während der Bauzeit betreut. Er sprach die spirituelle Dimension an. Das ist ein wichtiger Aspekt. Ergreifend die Bilder der Pietà von Nicolas Coustou mit den verkohlten Holzbalken im Vordergrund! Ich war erstaunt, dass man die Skulpturen des Binnenchors nicht eingehaust hat, wenn man sie schon nicht ausbauen konnte. Das Chorgestühl ist ebenfalls ungeschützt am Ort verblieben. Die kostbaren Reliefs der Chorschranken wurden offenbar abgedeckt. Jedenfalls sieht es in einer Szene der folgenden arte-Doku so aus, in der Villeneuve den Chorumgang inspiziert:

    arte - Der Wiederaufbau von Notre-Dame - Frankreichs offenes Herz (verfügbar bis 30. Juni 2020)

    Sehenswert ist auch die Notre-Dame-Sendung aus dem Wissenschaftsmagazin Xenius:

    arte - Xenius: Notre-Dame - Wiederaufbau eines Wahrzeichens (verfügbar bis 13. Juli 2020)

    Darin heißt es, dass über die Art des Wiederaufbaus zwar diskutiert werde, es aber am wahrscheinlichsten sei, dass die Kathedrale so wiederaufgebaut wird, wie sie vorher war. Es wird sogar dafür plädiert, den Dachstuhl aus Eichenholz zu bauen. Das habe schließlich jahrhundertelang gehalten und sei für die Statik des Gesamtbaus das beste. Ebenso könne man auch wieder ein Bleidach errichten.

    Die Kathedrale von Reims erlitt 1914 übrigens größere Schäden als Notre-Dame de Paris im vergangenen Jahr. Beim Wiederaufbau wurde in Reims ein neuer Dachstuhl aus Stahlbeton konstruiert, das Dach aber mit Blei eingedeckt. Das ist eine andere Lösung als seinerzeit in Chartres.

  • Bei Wikimedia gibt es eine ganze Reihe Fotos von der Kathedrale nach dem Brand. Viele Aufnahmen ähneln sich, viele haben kaum Aussagewert. Zudem ist das Material kaum geordnet. Deshalb habe ich eine Bildauswahl zusammengestellt, die als Illustration zu den Fernsehdokus der letzten Tage dienen kann. Ausschlaggebend war für mich der dokumentarische Wert der Aufnahmen.

    Die Westseite der Kathedrale und die Schäden an der Ostseite des Südturmes

    Die beste Ansicht der Westseite ist die folgende Aufnahme bei Abendsonne. Sie erleichtert den Blick durch die obere Galerie auf den Westgiebel des Mittelschiffsdaches. Er wurde schon wenige Tage nach dem Brand durch ein Gerüst gesichert. Das Bild lässt sich über den Link stark vergrößern, dann ist das noch besser zu erkennen. Die eigentliche Westfassade der Kathedrale ist tadellos. NIrgends eine Spur von Ruß.

    Paris, Kathedrale Notre-Dame, Westfassade bei Abendsonne, 29. Juli 2019 (Foto: Thomon, CC-BY-SA-4.0)

    Und noch eine aktuelle Ansicht. (Auch hier lohnt sich eine Vergrößerung über den Bildlink.) Auf dem Parvis und an der Südseite wurden Zelte für die Bauleute aufgebaut. Der Turmdrehkran wurde erst im Dezember oder Januar aufgestellt.

    Notre-Dame von Westen, 18. Januar 2020 (Foto: Thesupermat, CC-BY-SA-4.0)

    Bei den Türmen gibt es äußerlich sichtbare Schäden nur an der Ostseite des Südturmes (Schwärzungen) und besonders an der Nordostecke dieses Turmes zum verbrannten Dach hin, also unterhalb des Glockengeschosses. Hier gab es Substanzverluste am Stein. Große Teile der Ecke sind brüchig. Ungefähr Anfang Mai wurde dort ein Gerüst angebaut.

    Blick von Südosten, rechts im Bild die durch ein Netz gesicherte Südrose, in der Mitte die Ostseite des Dachgiebels, links die geschädigte Partie des Südturmes, 24. April 2019 (Foto: Sukkoria, CC-BY-SA-4.0)

    Blick von Südosten auf den westlichen Dachgiebel und die benachbarten Turmpartien, 24. April 2019 (Foto: Sukkoria, CC-BY-SA-4.0)

    Blick von Südosten, die Nordostecke des Südturmes ist inzwischen eingerüstet, 10. Mai 2019 (Foto: Chabe01, CC-BY-SA-4.0)

    Später wurde das Gerüst am Turm voluminöser und eingepackt.

    Südseite, Südturm mit Gerüst an der Nordostecke und die anschließenden Langhauspartien, 24. August 2019 (Foto: Thesupermat, CC-BY-SA-4.0)

    Von den drei Dachgiebeln abgesehen sind die Schäden am Galeriegeschoss des Südturmes die einzigen von außen sichtbaren Schäden am Steinmaterial der Fassaden. Geschädigt wurden die Gewölbe unter dem niedergebrannten Dachstuhl. Das Vierungsgewölbe ist eingestürzt. Im Langhaus und im nördlichen Querhausarm klafft jeweils ein größeres Loch. Das äußere Strebewerk der Kathedrale und auch die Pfeiler im Innern waren jedoch nicht direkter Hitze ausgesetzt. Das tragende System des Bauwerks müsste stabil sein, und es hält ja nun auch schon seit einem Jahr.

  • Das äußere Strebewerk der Kathedrale und auch die Pfeiler im Innern waren jedoch nicht direkter Hitze ausgesetzt. Das tragende System des Bauwerks müsste stabil sein, und es hält ja nun auch schon seit einem Jahr.

    Das größte Problem zur Zeit ist doch das verformte Gerüst darauf. Wie will man bei diesem geschmolzenen Knäuel entscheiden, welchen "Stab" man als erstes herausnehmen kann. Das ist wie Mikado... Ich stelle mir das so vor, dass so ein Gerüst ähnlich einem Fachwerk wie ein geschlossenes System wirkt. Im "unversehrten" Zustand gibt es Stäbe, die keine oder nur Nebenspannungen aufnehmen (Nullstäbe). Die könnte man gefahrloser entfernen als andere. Aber durch die Verformung haben alle Stäbe inzwischen ganz andere Funktionen (Lasten, Spannungen) im System übernehmen müssen. Mit jedem entfernten Stab werden die Karten neu gemischt, alles ändert sich wieder. Und das bei über 300 Tonnen Gewicht...

    Und wie dann überhaupt? Mit 'ner Flex kopfüber im Gurtgeschirr am Kran aufgehängt arbeiten, dazu in voller Schutzmontur? :augenkrummblau:

    Und auch bei besten Absichten und statischen Berechnungen kann es zum Versagen der Konstruktion kommen wie beim Knick-Ei von Halstenbek.

  • Die Südseite

    Ansicht von Südosten, 2. November 2019 (Foto: Qwertzu111111, CC-BY-SA-4.0)

    Südseite der Kathedrale, 7. Februar 2020 (Foto: Olevy, CC-BY-SA-4.0)

    Anfang Februar 2020 war das Dach nicht mehr mit einfachen Planen, die auf Stahlträgern ruhten, abgedeckt, sondern es war ein Holzgerüst aufgebaut. Diese Holzgerüststruktur dient wohl dazu, Arbeiten auf dem Gewölbe (Reinigung, Untersuchung) zu ermöglichen. Der Aufbau des Holzgerüstes erfolgte erst über den Chorjochen von West nach Ost, dann über den Langhausjochen von Ost nach West. Inzwischen dürfte das Holzgerüst über dem gesamten Mittelschiff fertig sein. Das Stahlgerüst über der Vierung aus der Zeit vor dem Brand wurde inzwischen teilweise eingerüstet. Außerdem wurde es rundum mit roten Stahlträgern eingefasst, und zwar in zwei Ebenen übereinander. All das ist auf dem Foto oben zu erahnen. Man kann es über den Link vergrößern und sieht dann etwas mehr. Seltsam finde ich, dass die Nebengebäude an der Südseite des Chores eingepackt wurden. Die Südfassade des Querhauses wurde eingerüstet. Ob dies mehr mit dem Abbau des alten Gerüstes über der Vierung zu tun hat oder tatsächlich den Arbeiten an dieser Fassade gilt, kann ich nicht beurteilen. Generell ist der Gerüstbau bei einer fünfschiffigen Emporenbasilika sehr anspruchsvoll. Da ist der Aufbau eines Gerüsts an der einzigen Wand, die senkrecht bis zur Mittelschiffshöhe hinaufführt, noch am leichtesten.

    Die nördliche Querhausfassade wurde noch nicht eingerüstet (kommt nachher noch auf Fotos). An der Nordseite ist die Kathedrale nur durch eine schmale Straße von den benachbarten Häusern getrennt. Der Hauptzugang für den Gerüstabbau und andere Arbeiten muss daher von Süden erfolgen.

    Südseite des Chores, 7. Februar 2020 (Foto: Olevy, CC-BY-SA-4.0)

    Ansicht von Südosten, 18. Januar 2020 (Foto: Thesupermat, CC-BY-SA-4.0)

    Auf diesem Bild ist der Ostabschluss des Holzgerüstes auf dem Dach gut zu erkennen. Ebenfalls recht gut zu sehen ist die neue Einrüstung des alten Gerüstes über der Vierung. Ein Gerüst um ein Gerüst. Das gibt es auch nicht alle Tage und sieht schon sehr verworren aus.

    Südseite des Chores, 18. Januar 2020 (Foto: Thesupermat, CC-BY-SA-4.0)

    Ansicht von Süden, Querhaus und Mittelschiffsjoche, 18. Januar 2020 (Foto: Thesupermat, CC-BY-SA-4.0)

    Hier ist die Einrüstung des alten Gerüstes über der Vierung noch am besten zu erkennen. Auch die roten Stahlträger, die das alte Gerüst zusammenhalten und sichern sollen, sind bei den Lichtverhältnissen auf diesem Foto recht gut zu sehen.

  • Auch wenn es in den Medien oft so gesagt wird: Das alte Gerüst ist nicht geschmolzen. Infolge der Hitzeeinwirkung lassen sich die einzelnen Teile des Gerüstes nicht mehr so voneinander lösen wie vorgesehen. Und es gibt etliche Stangen, die verformt sind, vor allem zum Brandherd hin. Aber die Gerüststruktur ist im Wesentlichen erhalten und nicht geschmolzen. Das Blei ist geschmolzen. Da ist das Schadensbild ein ganz anderes.

    Blick zur Südwestseite des alten Gerüsts über der Vierung, rechts im Bild ein Teil des Südquerhauses, 1. Mai 2019

    (Foto: Jeanne Menjoulet, CC-BY-2.0)

    Südseite des Chores und Südostseite des alten Gerüsts, 24. August 2019 (Foto: Thesupermat, CC-BY-SA-4.0)

    Auch auf diesem Foto, das sich stark vergrößern lässt, ist die Gerüststruktur gut zu erkennen. Außen wurde bereits ein neues Gerüst mit Plattformen angebaut. Man wird das alte Gerüst vorsichtig zurückbauen. Ich vermute mal, von oben nach unten und von innen nach außen. Das ist sehr schwierig, vor allem auch anstrengend, aber machbar. Die roten Stahlträger, die außen herumgelegt wurden (im August waren sie noch nicht da), bilden eine Art Karkasse. Sie sind rot, damit man sie von den beiden Gerüsten unterscheiden kann.

    Würden Pfeiler im mittleren Bereich der Kirche einzustürzen drohen, wäre die Sache schlimmer. Es ist gut, dass die Pfeiler alle tragen.

  • "das Gerüst ist nicht geschmolzen"... und wie nennst Du das?

    Quelle: Google Suche (auf der Seite der New York Times gefunden)

    Können wir uns auf "durch Hitze und durch Einschlag des Vierungsturmes verformt" einigen?

  • Die hölzernen Stützkonstruktionen unter den Strebebögen

    Südseite des Chores, 31. Juli 2019 (Foto: Jeanne Menjoulet, CC-BY-2.0)

    Südostseite des Chores, 31. Juli 2019 (Foto: Jeanne Menjoulet, CC-BY-2.0)

    Die Fenster des Obergadens wurden ausgebaut, ihre Öffnungen durch Holzgerüste stabilisiert. Darunter sieht man den oberen Abschluss des Emporengeschosses über dem inneren Seitenschiff. Die Fialen im Vordergrund markieren den Rand des äußeren Seitenschiffs. Die beiden Seitenschiffe bilden an dieser Stelle den Chorumgang. Die großen Holzgerüste zur Stabilisierung der Strebebögen wurden am Boden vorgefertigt. Zwischen die Bögen aus Stein und aus Holz wurden noch kleine "Holzplättchen" und ein Tuch oder eine Folie gelegt. Das ist schon eine kunstvolle Bastelei.

    Nordostseite des Chores, 24. August 2019 (Foto: Thesupermat, CC-BY-SA-4.0)

    Nordseite des Chores, 24. August 2019 (Foto: Thesupermat, CC-BY-SA-4.0)

  • Zuletzt die Nordseite

    Die Nordseite von Osten, rue du Cloître, 7. Februar 2020 (Foto: Olevy, CC-BY-SA-4.0)

    Nordseite, 8. November 2019 (Foto: Polymagou, CC-BY-SA-4.0)

    Die Baustelle ist gut gesichert. Graffitifreier Zaun, Stacheldraht, Wachschutz, Videoüberwachung. Die Fassade des Nordquerhauses wurde nicht eingerüstet.

    Die Nordseite zwischen Querhaus und Nordturm, 11. September 2019 (Foto: Ricardolovesmonuments, CC-BY-SA-4.0)

    Ungefähr da, wo auf dem Bild vom September ein Kran steht, befindet sich heute ein Gerüst.

  • Wurde eigentlich schon diese Dokumentation des historischen Dachstuhls von Notre Dame gezeigt? Sehenswert!

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  • Wirklich eine tolle Dokumentation. Die Zusammenhänge sind gut erklärt, sprachlich ist das Ganze auch eine Meisterleistung - stilistisch wie in der Präzision der Darstellung!

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Gerne stelle ich mich hier als Novize vor. Es ist für mich beeindruckend und bewegend, wie fundiert und kenntnisreich Sie sich alle zum Thema Notre-Dame erwiesen haben. Manches konnte ich in meine Überlegungen zum Wiederaufbau einflechten. Kurzum, ich bin einer der bewerbenden Architekten zum internationalen Wettbewerb Wiederaufbau von Notre-Dame, den Premierminister Edouard Phillippe schon 2 Tage nach dem Brand ausgerufen hat. Meine Entwürfe wurden durchaus respektiert. Der leitende Chefbauleiter, Général d´armée Jean-Louis Georgelin hat mir wenige Monate nach dem Brand sehr freundlich und persönlich geantwortet. Er zeigte sich "gerührt" von meinen Glückwünschen zu seiner Wahl durch Präsident Macron, und über meine Entwürfe, man könne jedoch zum Zeitpunkt die insgesamt eingegangenen Entwürfe noch nicht bewerten. Er wolle sich so bald als möglich wieder bei mir melden, um, ggf. , "weitere Schritte mit mir zu vereinbaren." Ich kann nur sagen, die französischen Verantwortlichen sind von einer ausgewiesenen Höflichkeit und Respekt gegenüber uns Architekten. Ich habe auf meine Schreiben an Präsident Macron, Premier Philippe und Kulturminister Riester stets eine sehr höfliche und freundliche Antwort von höchster Stelle erhalten. Das habe ich in Deutschland in vielen Jahren Berufstätigkeit so nicht erfahren.

    Es ist für uns Wettbewerbsteilnehmer dennoch sehr schwer, so lang im Unklaren gelassen zu sein, was denn nun mit unseren Entwürfen geschieht. Sie sind derzeit irgendwie in den Schubladen verschwunden, und man müht sich ab mit dem Abbau des Metallgerüsts. Und die Bauaufgabe ist extrem schwer, der Wiederaufbau des filigranen Vierungsturms äußerst kompliziert, vor allem, wenn man sich dem historischen Vorgängerbau von Viollet le Duc annähert. Die Frage Holz oder ein alternativer, brandsicherer Baustoff bewegt viele und auch mich seit Monaten. Ich habe mich wegen der Brandgefahr gegen Holz entschieden, d. h. Holz aus Gewichtsgründen nur für den Dachstuhl des Spitzhelms, unter Verwendung eines 2018 völlig neu entwickelten Holzes, ein chemisch hoch verdichtetes Holz, das so hart ist wie Stahl, jedoch 6 x leichter und sehr dauerhaft. Und für die historische Bleideckung, mit der der Vierungsturm insgesamt verkleidet würde. Es ist die wohl schwerste aller derzeitigen Bauaufgaben, das Schwerste ist die Einsamkeit des Architekten in den Entscheidungen. Ich weiß nicht, ob es noch zu einem zweiten, konkreteren Wettbewerb kommt, alles ist für uns offen. Vielleicht hat jemand hier eine Kenntnis, wie es denn nun konkret mit den Plänen und dem Wiederaufbau weitergehen soll. Man kann ja nicht ewig ein Baugerüst abbauen, das Viollet le Duc in dieser Dimension, Kompliziertheit und Schwergewichtigkeit nicht brauchte, als er den Turm völlig neu erbaute.

  • @VON ZIETEN

    Ich wünsche Ihnen viel Glück. Der Aspekt des verdichteten Holzes ist spannend. Wie bekommt man das hin?

    Apropos leichter Dachstuhl: Es wäre zu überlegen ob die größere Auflast hölzerner Dachstühle nicht auch konstruktive Vorteile hatte: Der Druck minderte wohl die Auswirkungen der Schubkräften von Gewölbes und Windlast.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Es gibt noch keinen Architekturwettbewerb. Ich verweise auf einen Beitrag von mir vom 6. April:

    Zwei Tage nach dem Brand war ein Architekturwettbewerb angekündigt worden. Darum ist es inzwischen still geworden. Eventuell gibt es einen Wettbewerb zur Neugestaltung des Parvis (Vorplatzes).

    Zum weiteren Vorgehen:

    Villeneuve wollte bis Juni einen Schadensbericht erstellen. Das wird sich wohl verzögern. Dieser Bericht wird Grundlage der weiteren Maßnahmen sein. Denn man muss erst mal wissen, wie belastbar die baulichen Strukturen sind. Man muss auch überlegen, wie man die Bleireste entfernt usw.

    Bevor der Wettbewerb nicht offiziell gestartet ist, kann "VON ZIETEN" kein "Wettbewerbsteilnehmer" sein.

  • Sehr geehrter Seinsheim, danke herzlichst für die Glückwünsche. Das innovative Holzverdichtungsverfahren wurde Anfang 2018 von amerikanischen Forschern erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Bis zur Serienreife und Produktion dauert es üblicherweise immer etwas länger.

    Ich habe für den Kirchendachstuhl N-D und Basisbau des Vierungsturms nach dem Vorbild Eiffelturm eine historische Eisenkonstruktion (kein Stahl) gewählt, und zwar Schmiedeeisen, das beim Eiffelturm nach dem "Puddelverfahren" hergestellt wurde. Der Turm ist in bestem Zustand, obwohl das Eisen, das beständig mit Schutzanstrich versehen werden muß, weit über 100 Jahre lang der Witterung ausgesetzt war, ein Kirchendachstuhl hingegen nicht. Vorbild sind mir auch der Eisendachstuhl Kölner Dom und Chartres, weniger der Betondachstuhl von Reims, den ich für ein mittelalterliches Bauwerk unpässlich finde. Die von mir geplante massive Eisenkonstruktion hat ein Gewicht analog Holz, wobei es sowohl Druck- als auch Zugspannungen gibt. Der Vorteil: Schmiedeeisen kann über 1000 Jahre alt werden und halten, wie z. B. die Eisenanker im Dachstuhl des Aachener Doms. Mit Brandschutzanstrich versehen, hält es jedem Feuer bei weitem länger stand als Holz, das bekanntlich ein vorzüglicher Brennstoff ist. Wären der Dachstuhl und Turm von Notre-Dame in solchem Eisen erbaut worden, ich glaube, es hätte keine derart verheerende Brandkatastrophe gegeben. Das filigrane Metallgerüst ist ja auch nicht lichterloh verbrannt und eingestürzt wie der Turm. In dieser entscheidenden Frage bin ich mit Général Georgelin einig, der den Chefarchitekten Villeneuve aus meiner Sicht zurecht, wenn auch etwas brüsk im Militärton, verwiesen hatte: "Halten Sie mal die Klappe!", palaverte Villeneuve doch pausenlos vom historischen Holzdachstuhl, der nur in Frage käme. Das ist aus meiner Sicht Unsinn weil erneute Gefährdung der Kathedrale im Brandfalle, denn Holz brennt lichterloh wie Zunder, wie man gesehen hat, und einen nochmaligen Brand wird die schwer beschädigte Kathedrale nicht überstehen.

    Sehr geehrter Rastrelli, vielen Dank für den Hinweis. Es gab bislang nur keinen Wettbewerb nach den üblichen Regularien einer offiziellen Ausschreibung, sondern nach dem Aufruf von Premier E. Philippe vom April 2019 an die internationale Architektenschaft. Daraufhin wurden zahlreiche, z. T. kuriose Vorschläge eingereicht, die noch immer im Internet kursieren. An diesem internationalen, wegen der Dringlichkeit und nationalen Bedeutung ausserordentlichen und übergeordneten, Architektenwettbewerb habe ich teilgenommen, somit ist VON ZIETEN Wettbewerbsteilnehmer und als solcher sowohl von Macron als auch Général Georgelin persönlich kontaktiert worden. Ich möchte die entsprechenden Schreiben hier nicht publizieren. Diese Vorgänge stehen auch nicht in der Sensationspresse, auch nicht meine Vorschläge, die sich eng an Viollet le Ducs historisierende Turmversion anlehnen, ohne seinen neogotischen Stil zu kopieren. Die Franz. Nationalversammlung hat im übrigen auch die geltenden Bestimmungen des Denkmalschutzes für Notre-Dame ausser Kraft gesetzt, wohl zum Leidwesen tausender Denkmalhüter und Fachspezialisten, um die nationale Aufgabe schneller durchzuführen und den von Macron vorgegebenen Zeitraum der Wiederherstellung bis 2024 einzuhalten. Für dieses Ziel hatte Macron den General und ehemaligen Oberbefehlshaber der franz. Streitkräfte als Chefbauleiter eingesetzt, wiederum zum Leidwesen tausender Fachleute. Sollte es einen neuen Wettbewerb geben, der frühestens im Sommer, eher Herbst 2020 starten kann, wäre wegen der Bearbeitungszeit der Architekten und Vorprüfung der Arbeiten durch den Auslober eine Juryentscheidung nicht vor Frühjahr 2021 möglich. Eher Sommer 2021. Eine Beauftragung könnte frühestens im Sommer 2021 erfolgen. Danach ist eine mindestens 1-jährige Planungszeit erforderlich, somit wäre ein Baubeginn erst ab Sommer 2022 möglich. In nur noch zwei verbleibenden Jahren Bauzeit, bis 2024, kann man Notre-Dame beim besten Willen nicht wieder aufbauen. Der Macron´sche Plan lässt sich damit nicht einhalten. Ich vermute daher, es wird keinen Wettbewerb mehr geben.

  • Darauf würde ich aber Wetten annehmen...

    Meine letzte Frage an Macron, Januar 2020, was denn nun mit dem Wettbewerb sei, wurde natürlich nicht vom Präsidenten persönlich, sondern i. A. vom Chef de Cabinet du Président, Francois-Xavier LAUCH, beantwortet. Leider nicht konkret. So sind Politiker nun mal. Ich vermute, man rotiert derzeit gewaltig um N-D herum. Ein neuer, offener Wettbewerb wäre mir mehr als recht, denn dann kann jeder Architekt sein Talent, Viollet-le-Duc nachzueifern, auf fairem Wege unter Beweis stellen. Und nicht auf dem Wege des Herumschwirrens irrer Visualisierungen im Netz. Ihr Wort in Gottes Ohr.

  • Gut, dass du Architekt und kein Landvermesser bist. ? Ein bisschen erinnern mich deine Schilderung da an was.

  • Für die, die Kafka nicht so gut kennen:

    Ob K. wirklich Landvermesser ist oder nicht, lässt sich nicht eindeutig aus dem Romanfragment ableiten. Max Brod verwendet in seinem Nachwort zum Roman die Formulierung „der angebliche Landvermesser“. Der weitere Verlauf des Romans weckt Zweifel an der Glaubwürdigkeit K.s, insbesondere an seinem beruflichen Status.