Zitat von @Lingster
"Ein Fünf-Sterne-General im Ruhestand wird den Wiederaufbau leiten. Er steht laut FAZ für ein "antimodernes Frankreich mit Werten wie Autorität, Verdienst und Glauben". Das eigentlich zuständige Kulturministerium ist davon nicht begeistert, ich hingegen schon.
Bei diesem General können sich die ganzen modernen Architekten (die sich bei Notre Dame selbst ein Denkmal setzen wollen, anstatt eines wiederaufzubauen) vermutlich warm anziehen."
Zitat von @Pagentorn
"Das ist eine sehr beruhigende Nachricht, insbesondere vor dem Hintergrund der vorherigen Politikeräußerungen hinsichtlich einer 'erstrebenswerten zeitgenössischen Gestaltung' von Dach und Dachreiter."
Nochmals an alle: Solche Politikeräußerungen gibt es nicht. Wer meint, dass ich mich irre, möge bitte konkret Namen und Funktion der Person nennen, die Aussage zitieren und dies mit einer französischen Quelle belegen.
Die Berichterstattung in deutschen Medien ist leider so schlecht und unzuverlässig, dass ich in der Sache Notre-Dame nur noch französische Medien nutze. Ich hatte entsprechende Informationen bereits mehrfach in diesem Strang veröffentlicht. Wäre schön, wenn auf Versachlichung gerichtete Beiträge auch zur Kenntnis genommen würden, statt nochmal und nochmal auf irgendwelchen Falschmeldungen herumzureiten und nicht zu merken, dass das Pferd längst tot ist.
Die Ernennung von General Georgelin zum "Monsieur réconstruction de la cathédrale" (der wird im Französischen wirklich so bezeichnet), hatte ich bereits vor Lingster gebracht. Welche Bedeutung diese Funktion in der Praxis haben wird, steht offensichtlich noch nicht fest. Eine Recherche - welch schönes französisches Wort - in französischen Medien ergibt für mich folgendes Bild: Georgelin wird eine Art Sonderbeauftragter, Koordinator, Organisator und das Gesicht an der Spitze. Wir haben im Deutschen ja die Redewendung "etwas generalstabsmäßig planen oder machen". Das passt hier auch gut. Der Wiederaufbau der Kathedrale ist ein so wichtiges nationales Projekt, dass man es "generalstabsmäßig" angehen muss. So ist die Ernennung Georgelins wohl zu verstehen.
Wir müssen dabei berücksichtigen, dass das Verhältnis zwischen Staat, Gesellschaft und Militär in Frankreich ein ganz anderes ist als im heutigen Deutschland. Die Pariser Feuerwehr ist eine Abteilung der Armee. Sie wird von einem General befehligt, der vor und nach seiner Dienstzeit als Feuerwehrchef andere wichtige Aufgaben bei den Genietruppen (Pionieren), anderen Teilen der Landarmee oder in höchsten Stabsfunktionen wahrnimmt. Somit war es die französische Armee (!), die die Kathedrale gerettet hat. Und jetzt soll ein hochangesehener Militär a. D. den Wiederaufbau leiten. Georgelin war Chef des militärischen Stabes bei Präsident Jacques Chirac (Chef de l'état-major particulier du président de la République), Generalstabschef der französischen Streitkräfte und zuletzt Großkanzler der Ehrenlegion. In der Zeitschrift "Le Point" wurde er als "Baumeister der nationalen Verteidigung" bezeichnet.
Den FAZ-Artikel fand ich nicht gut. Ich würde dem folgende Einschätzung entgegensetzen:
Jean-Louis Georgelin steht für das konservative Frankreich in der Tradition von Charles de Gaulle. Er ist bekennender Katholik (wie de Gaulle), stammt aus der Provinz (Département Haute-Garonne, de Gaulle war aus Lille) und ist gerade ungefähr in dem Alter, in dem General de Gaulle seinerzeit die V. Republik begründete. Georgelin bezieht sich explizit auf de Gaulle.
Bezeichnenderweise nennt die FAZ-Korrespondentin Michaela Wiegel den Namen de Gaulle kein einziges Mal in ihrem Artikel, und den Begriff "das konservative Frankreich" scheint sie auch nicht zu kennen. Zudem unterläuft ihr bei den Ämtern ein gravierender Fehler: Sie schreibt, Georgelin sei "der persönliche Stabschef" von Präsident Chirac gewesen. Das erweckt den Eindruck, als handle es sich um ein politisches Verwaltungsamt, in etwa wie "Stabschef des Weißen Hauses", also eine nichtmilitärische Funktion. Tatsächlich ist aber der spezielle militärische Führungsstab gemeint, der direkt dem Präsidenten der Republik zugeordnet ist (es gibt noch andere Stäbe), um ihm die Mittel zu geben, seine Rolle als Oberster Befehlshaber der französischen Streitkräfte (das ist nämlich kein Militär, sondern der Präsident) kompetent wahrzunehmen. Billige Effekthascherei seitens der FAZ-Autorin ist zudem die Bezeichnung "Fünf-Sterne-General". Die Rangbezeichnung ist "General" oder noch genauer: "Armeegeneral" (général d'armée). Er trägt zwar fünf Sterne, entspricht im Rang jedoch einem "Viersternegeneral" anderer NATO-Armeen. Somit irreführendes Wortgeklingel und nicht die in Frankreich übliche Bezeichnung.
Bei der FAZ hätte ich wirklich mehr Niveau - noch so ein schönes französisches Wort - erwartet.