• Für meinen persönlichen Geschmack sind die Westtürme nie vollendet worden. Aber ich weiß nicht ob es sinnvoll wäre im Nachhinein noch Türme raufzusetzen, man ist des Gebäude ja inzwischen so gewöhnt wie es ist.

  • Ein Fünf-Sterne-General im Ruhestand wird den Wiederaufbau leiten. Er steht laut FAZ für ein "antimodernes Frankreich mit Werten wie Autorität, Verdienst und Glauben". Das eigentlich zuständige Kulturministerium ist davon nicht begeistert, ich hingegen schon.

    Bei diesem General können sich die ganzen modernen Architekten (die sich bei Notre Dame selbst ein Denkmal setzen wollen, anstatt eines wiederaufzubauen) vermutlich warm anziehen.

    FAZ.net

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Hoffen wir es. Notre-Dame ist ja gottseidank auch kein Bahnhof oder eine Messehalle, die für Modernität steht, sondern Sinnbild für Tradition. Ich würde mir wirklich die Augen reiben, wenn sich Irrgeister durchsetzen könnten, die Notre-Dame mit modernen Zustaten völlig verunstalten. Dann wird schnell der Ruf lauter, dass der Bau im abgebrannten Zustand mehr Autorität, Authenzität und Würde ausgestrahlt hat als mit einer gläsernen Zipfelmütze auf dem Dach.

    Der Aufbau der Türme, naja, halte ich fast für wahrscheinlich, dass man das ernsthaft diskutieren kann. Ich finde die Turmhelmlosen französischen Großkirchen bis heute gewöhnungsbedürftig.

  • Die englischen Kathedralen sind - eigenartigerweise - auch weitgehend ohne Turmspitzen.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • David Macauley spricht über seine Art zu zeichnen.
    Ab Minute 2:54 bis 4:05 über sein Kathedralenbuch mit zahlreichen ABBILDUNGEN DARAUS.

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    Hier eine abendfüllende Doku zu den Kathedralen. Rastrelli hatte den Film weiter oben schon mal verlinkt!?

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  • Die englischen Kathedralen sind - eigenartigerweise - auch weitgehend ohne Turmspitzen.


    Vielleicht ist es ja eine deutsche Mentalität den Kirchen Türme aufzusetzen? :koenig:

    Ich denke jedoch daß hier eine zu lange Bauzeit der Gotteshäuser der Grund war die Türme nicht fertig zu stellen - Beispiel Frauenkirche in München....hier sollten gotische Türme rauf, man hat barocke raufgesetzt. Ich denke bei Notre Dame hat man schlußendlich einfach mal vollendst auf die Vollendung der Westtürme verzichtet.

  • Paris. Bilder von den Sicherungsarbeiten an der Kathedrale (Teil 1)

    Die meisten Aufnahmen entstanden Ostersonntag (21. April 2019) am späten Nachmittag.

    Es lohnt sich, die Fotos über die jeweiligen Links maximal zu vergrößern. Um Vergleiche zu erleichtern, nummeriere ich die Bilder dieser Serie durch.

    Bild 1: Ansicht von Süden (Foto: Sukkoria, 21. April 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Die Kathedrale ist im Wesentlichen ein Kalksteinbau. Größere Verluste an der steinernen Substanz gibt es - hier auf den Bildern nicht sichtbar - an folgenden Stellen: Das Vierungsgewölbe ist eingestürzt, das Gewölbe des Nordquerhauses teilweise zerstört. Vom vierjochigen Mittelschiff des Langhauses sind die Joche 3 und 4 ungefähr zur Hälfte eingestürzt.

    Die Gerüste und Sicherungselemente sind teilweise nicht so gut zu sehen. Auf dem Foto oben (Bild 1) sehen wir am 5. Strebepfeiler des Langhauses ein Baugerüst und ein weiteres dahinter, das auf dem Dach der südlichen Seitenschiffe aufsitzt und bis zum Dachansatz des Mittelschiffs hinaufreicht, eingepasst zwischen dem 5. und 6. Strebebogen. Die Beschreibung klingt sicherlich kompliziert. Ihr könnt daran erkennen, was für eine Herausforderung die Kathedrale für die Gerüstbauer darstellt. Die eben beschriebenen Gerüste waren bereits vor dem Brand aufgebaut. Das gleiche gilt auch für Gerüste, die im Chorbereich zu sehen sind.

    Auf dem folgenden Foto (Bild 2) sind die Gerüste an der Südseite des Chores gut zu erkennen. Auf dem Dach über dem Triforium haben die Gerüstbauer einen Gang angelegt. Das Strebewerk über der Südostecke ist eingerüstet. Ähnliche Gerüste gibt es auch an der Nordseite des Chores (zu sehen auf Bild 10). Das untere Foto entstand bereits am Mittag des 16. April, also wenige Stunden nach dem Verlöschen des Brandes. Diese Gerüste sind auch auf Bildern aus der Brandnacht selbst zu erkennen. Es waren also vor Ausbruch des Brandes schon wesentlich mehr Gerüste aufgebaut, als die Öffentlichkeit gemeinhin annimmt. Mediale Aufmerksamkeit erhielt nur das riesige Gerüst über der Vierung. Dieses steht immer noch so gut da, als hätte es nie einen Brand gegeben. Auch das ist ein Beispiel dafür, dass hier absolute Meister am Werk waren. Wir halten also fest: Die vielen Gerüste an der Fassade wurden nicht zur Beseitigung der Brandschäden errichtet, sondern standen schon vorher. Für die Sicherungsmaßnahmen in den ersten Tagen nach dem Brand wurden mobile Arbeitsbühnen an Teleskopmasten eingesetzt. Auf dem Foto oben (Bild 1) sehen wir vor dem Südquerhaus einen solchen Teleskopmast der Firma Schirmer (gelb) und einen Autokran (weiß und rot). Teleskopmastfahrzeuge wurden von der Feuerwehr auch für den Löschangriff beim Brand des Dachstuhls genutzt.

    Bild 2: Der Chor von Süden (Foto: Pyb, 16. April 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Wir haben auf Bild 1 gesehen, dass die große Südrose durch ein Sicherungsnetz abgedeckt ist. Schauen wir uns nun das Nordquerhaus an. Dieses wurde als instabil beschrieben.


    Bild 3: Die nördliche Querhauswand und anschließende Teile des Langhauses (Foto: Sukkoria, 21. April 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Auch hier finden wir wieder Baugerüste an der Fassade vor, die bereits vor dem Brand standen und unter anderem den Zugang zum Gerüst über der Vierung ermöglichen. Ganz unten sehen wir, dass die Leitern gegen unbefugtes Besteigen gesichert sind. An Sicherungsarbeiten sehen wir hier: Die Fialen beiderseits des Querhausgiebels haben "Mützen" bekommen. Der Querhausgiebel selbst wurde eingepackt und zusätzlich nach außen durch Vorlegen dreier Holzlatten stabilisiert. Hinter dem Giebel sind ebenfalls Holzteile einer Sicherungskonstruktion zu erkennen. Auf dem folgenden Foto (Bild 4) ist die hölzerne Stützkonstruktion hinter dem Giebel gut zu erkennen. Das Gerüst im Vordergrund links war vor dem Brand schon da.


    Bild 4: Stabilisierung des nördlichen Querhausgiebels, Ansicht von Osten (Foto: Sukkoria, 21. April 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Auf der Spitze des nördlichen Querhausgiebels befand sich eine Statue. Ihr Pendant auf der südlichen Querhausfassade ist auf Bild 1 noch in situ zu sehen. Die Figur auf dem Nordgiebel wurde abgenommen. Auf dem folgenden Bild 5, aufgenommen am 16. April gegen 14 Uhr, ist die Statue noch deutlich auf dem Giebel zu erkennen (hinter dem Gerüst über der Vierung, rechts vom Kran).

    Bild 5: Ansicht von Südwesten (Foto: Louis H. G., 16. April 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Die Figur auf dem Nordgiebel lässt sich schwer fotografieren, da auf der Nordseite die Bebauung dicht an die Kathedrale heranrückt. Deshalb sind die über die Seine leicht zu fotografierenden Ansichten der Südseite wesentlich häufiger zu finden. Das folgende Bild 6 zeigt aber den Fassadenaufbau am Nordquerhaus sehr gut.


    Bild 6: Nördliche Querhausfassade (Foto: Victor Grigas, Juni 2014, CC-BY-SA-4.0)

    Selten gezeigt und dabei so schön. Ganz oben auf dem Giebel als Abschluss die Figur, die, wie gesagt, nach dem Brand abgenommen wurde. Ich zeige jetzt noch eine Nahaufnahme der Nordrose nach dem Brand.

    Bild 7: Die Nordrose (Foto: Sukkoria, 21. April 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Die Fassade unterhalb des Giebels mit der Nordrose und den beiden flankierenden Posaunenengeln ist intakt. Zum Vergleich noch eine Nahaufnahme der Südrose und des Giebels darüber.


    Bild 8: Die Südrose (Foto: Sukkoria, 21. April 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Obwohl über beiden Querhausarmen der Dachstuhl gleichermaßen niedergebrannt ist, ergeben sich unterschiedliche Schadensbilder. Eine genaue Schadenskartierung ist unumgänglich. Wir müssen zudem berücksichtigen, dass die Kathedrale restauriert werden sollte, also bereits Schädigungen am Außenbau vorhanden waren.

    Als Vergleichsbild zu Nr. 4 (nördlicher Querhausgiebel von Osten) bringe ich hier noch die Seitenansicht des südlichen Querhausgiebels.


    Bild 9: Südlicher Querhausgiebel von Osten gesehen (Foto: Sukkoria, 21. April 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Das große Gerüst im Vordergrund war bereits vor dem Brand da. Es steht ganz im Osten an der Südseite des Chores. Auf dem folgenden Bild 10 ist seine Lage gut zu erkennen, vor dem 6. Strebebogen der Chorsüdseite. Das Gerüst, das an der rechten Seite nach oben führt (Bild 9), ist hingegen Teil des großen Gerüstes über der Vierung.

    Hinter dem Südgiebel wurde keine aufwendige Stützkonstruktion errichtet. Wir sehen aber eine Platte aus hellem Holz, die dort normalerweise nicht zu finden ist und irgendwas mit den Sicherungsarbeiten zu tun hat. Über dieser Platte und rechts von ihr sind jämmerliche Reste des Bleidachs zu erkennen. Auf Bild 8 sehen wir die Holzplatte von der Seite.

    Bild 10: Ansicht von Osten (Foto: Bbmanu92, 21. April 2019, CC-BY-SA-4.0)

    Die Gerüste an der Ostseite waren schon vor dem Brand da. Ganz im Vordergrund steht ein Strebepfeiler, der oben etwas grünlich und angeknabbert aussieht. Der sah vor dem Brand auch schon so schlecht aus. Auffällig die weißen Mützen auf dem Nordgiebel. Die Größe der Stützkonstruktion dahinter wird aus dieser Perspektive erst richtig deutlich. Nicht zu sehen sind die Gewölbeschäden in dem Bereich.

    Es folgen noch ein oder zwei Fortsetzungen.

  • Ich denke jedoch daß hier eine zu lange Bauzeit der Gotteshäuser der Grund war die Türme nicht fertig zu stellen - Beispiel Frauenkirche in München....hier sollten gotische Türme rauf, man hat barocke raufgesetzt. Ich denke bei Notre Dame hat man schlußendlich einfach mal vollendst auf die Vollendung der Westtürme verzichtet.

    Es könnte eventuell auch daran liegen, dass der Bruch mit der Gotik in Frankreich früher und viel einschneidender war als bei uns. In Deutschland hat sich ja die Gotik gegenüber der Renaissance recht lange behaupten können, dementsprechend wurde an den Großkirchen auch länger gebaut. Selbst die deutsche Renaissance zeichnete sich durch eine ziemliche Kontinuität aus und behielt oft den (spät)gotischen Gedanken bei. Eigentlich haben wir Deutschen erst mit dem Barock so ganz von der Gotik abgelassen.

  • Ich finde die hier aufgeworfene Frage sehr spannend, ob der Verzicht auf Turmhelme ästhetische oder chronische Gründe hatte. Sie wird ja auch seit der Romantik immer wieder diskutiert.
    Die Fassaden von Notre-Dame de Paris, Reims, Sanit-Denis, Laon, usf. stammen ja allesamt aus dem 13. Jh., man hätte also noch viel Zeit gehabt, sie zu vollenden. Bei der spätgotischen Fassade von Toul könnte ich mir hingegen vorstellen, dass ein Turmhelm vorgesehen war.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Es könnte eventuell auch daran liegen, dass der Bruch mit der Gotik in Frankreich früher und viel einschneidender war als bei uns. In Deutschland hat sich ja die Gotik gegenüber der Renaissance recht lange behaupten können, dementsprechend wurde an den Großkirchen auch länger gebaut. Selbst die deutsche Renaissance zeichnete sich durch eine ziemliche Kontinuität aus und behielt oft den (spät)gotischen Gedanken bei. Eigentlich haben wir Deutschen erst mit dem Barock so ganz von der Gotik abgelassen.

    Klingt logisch. Es ist leider sehr schwierig geschichtlich Details über die alte Baukunst der Gotteshäuser zu finden - sie wurden einfach mal gebaut, ohne es groß zu kommentieren - im Gegensatz zu den modernistischen Bauten, welche von verspinnertet und verschrobenen Philosphieansichten nur so trotzen....nun ja, historische Baukunst wie die Kathedrale von Notre Dame kommt ohne verschwurbelte Philosophie aus, ein solches Bauwerk beschreibt sich selbst durch sein Gesamtkunstwerk.

    LG
    Henry

  • Die Fassaden von Notre-Dame de Paris, Reims, Sanit-Denis, Laon, usf. stammen ja allesamt aus dem 13. Jh., man hätte also noch viel Zeit gehabt, sie zu vollenden.

    Könnte es an dem Hundertjährigen Krieg liegen? Angesichts all der Verwüstungen und Zerstörungen, die dieser Konflikt über Frankreich brachte, wäre es durchaus verständlich gewesen, wenn man die Ressourcen für andere Zwecke verwendet hätte. Aber andererseits würde das dann ja bedeuten, dass man die Vollendung der Türme erst nach der Errichtung der Restkirche beabsichtigt hätte, was jetzt auch wieder nicht so glaubwürdig erscheint... Wahrscheinlich waren doch die ästhetischen Gründe für die flachen Turmabschlüsse in Frankreich entscheidend (aber dann die Frage, warum das nie nach Deutschland ausstrahlte?).

    Ich muss auch sagen, mir der Entwurf von Viollet-le-Duc überhaupt nicht gefällt, die Türme sind einfach schlecht proportioniert. Da empfinde ich die derzeitige Westfassade der Notre Dame als viel harmonischer und stimmiger.

  • @Suebicus
    Ebenso spannend finde ich den von Dir behandelten Aspekt, wann die Gotik in den jeweiligen Ländern eigentlich aufgehört hat. Saint-Eustache in Paris ist beispielsweise der eindrucksvoll-kuriose Versuch, noch im 16. Jh. das System der Bündelpfeiler unter Verwendung antikisierender Pilaster beizubehalten und das Maßwerk im Sinne der Renaissance zu vereinfachen. Gewölbe und Strebewerk wirken dagegen recht gotisch. Der Bruch erfolgte hier wohl erst im Classicisme des 17. Jahrhunderts - obwohl Mansards Hofkirche in Versailles zumindest in ihren Proportionen und ihren schmalen hohen Fenstern bewusst an die Saint-Chapelle anschließt. Und schon in Saint-Geneviève (Pantheon) hat ausgerechnet der 'Klassizist' Soufflot mit seinen durchbrochenen Pendentivgewölben die Leichtigkeit gotischer Gewölbe zu imitieren versucht.

    In Deutschland lebte die Gotik latent bis ins Ende des 18. Jahrhundert fort, vor allem in den Werken antiklassisch eingestellter Bildhauer. Manche Rokokoform ist sogar eng mit spätgotischer Blattornamentik verwandt. Darüber hinaus hat der Jesuitenstil gotisches Maßwerkformen noch im 17. und 18. Jh. verwendet (St. Mariä Himmelfahrt in Köln, Universitätskirche in Würzburg, Jesuitenkirche in Heidelberg).

    Darüber hinaus frage ich mich, ob die Rhythmisierung von Langhäusern mittels aneinandergereihter, durch Pilaster und Gurtbögen voneinander getrennter Joche (anstelle durchlaufender Tonnengewölbe, wie sie z.B. in Rom üblich waren) ein Anknüpfen an mittelalterliche Raumvorstellungen bedeutet. Nicht zuletzt sind die hohen Doppelturmfassaden (Vierzehnheiligen), aber auch hohe Einzeltürm (Mons, Belgien) gotische Reminiszenzen. Auch die Verschleifung von Gewölbekompartimenten mittels einander überschneidender geschwungener (windschiefer) Bögen, wie etwa in Banz, könnte ein ferner Nachhall gotischer Schlingrippen sein.

    Auch barocke Hallenkirchen mit eingezogenen Strebepfeilern (Wandpfeilerkirchen) sind vom Grundkonzept her gotisch. Ich denke, dass dieser Einfluss auch mit der Barockisierung gotischer Kirchen zusammenhängt. Man überformte mittelalterliche Motive, dann übernahm man sie.....

    Das ganze ist ein sehr weiters Feld. Jedenfalls darf man die Gotik nicht unterschätzen, von ihrem Einfluss auf den modernen Skelettbau ganz zu schweigen!

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Die englischen Kathedralen sind - eigenartigerweise - auch weitgehend ohne Turmspitzen.

    Etliche besaßen aber einst immens hohe hölzerne Turmhelme, die im Laufe der Zeit Blitzschlägen und Stürmen zum Opfer gefallen sind. Die Kathedrale von Lincoln war z.B. (angeblich) zwischen 1311 und 1548 das höchste Bauwerk der Welt.

    Heute: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…coln_Castle.jpg
    Einst: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…_background.jpg

    Erhalten ist der Turmhelm z.B. in Salisbury: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…ght-EastExt.jpg

    Einmal editiert, zuletzt von Tübinger (25. April 2019 um 14:24)

  • Ich hätte in der Tat die Liebfrauenüberwasserkirche als Beispiel gebracht. Man lernt nie aus.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wieso bleibt ihr in der Klärung der Turmfrage bei rein architektonischen-stilistischen Aspekten?
    Ich denke da jetzt mal rein pragmatisch und dann rein geistig-visionär:

    zu 1)

    Die Geldfrage. Ohne Moos nix los, galt ebenso zu Zeiten der Kathedralen. Ging das Geld aus, gab es einen Baustopp. Und dieses Hin und Her konnte sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg ziehen. Irgendwann war Feierabend für die gotische Idee. In Freiburg wurde der Münsterturm vollendet, weil genügend Geld aus dem Silberbergbau der Stadt vorhanden war und eine städtisch-bürgerliche Gesellschaft mit entsprechendem Selbstbewußtsein. Da mochte das Münster als Ausdruck des Glaubens und Identitätsselbstverständnisses zügig vollendet werden.

    Die Materialfrage

    Gab es genügend Steinbrüche, die geeignetes Steinmaterial liefern konnten?

    Meister und Arbeiter

    Ohne Meister kein Plan, wie die Vision umgesetzt werden könnte. Manchmal verstarb der Meister früh und das Werk blieb unvollendet. Es fand sich kein geeigneter Nachfolger oder erst viele Jahrzehnte später. Das sehen wir an Plan- und Stiländerungen. Oder die Bauhütte zog weiter, wegen Geldmangels oder neuer, besserer Aufträge anderswo, abgeworben oder dergleichen. Manche Bilderhauerarbeit blieb dann unvollendet.

    zu 2)

    Politik

    Für Frankreich sollte nicht außer Acht gelassen werden, wie das Schicksal des Templerordens verlief. Die Templer hatten ziemlich zeitgleich mit dem Bau der ersten gotischen Kirchen ihren Aufstieg zu einer europäischen Großmacht (und darüber hinaus) begonnen. Sie waren eine Zeit lang die wichtigsten Geldgeber für den Adel und die Königshäuser.
    Ihr Einfluß im spirituellen, bautechnischen und monetären Bereich auf die Kathedralen dürfte immens sein.
    1314 wurde vor Notre Dame zu Paris der letzte Großmeister Jaques de Molay auf Geheiß des französischen Königs und unter Duldung des Papstes hingerichtet. Die Ordensangehörigen wurden ebenso verfolgt, verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt, sofern sie nicht flüchten konnten. Das Vermögen wurde eingezogen. Ein sicher nicht auszublendeter Vernichtungsstoß auch für die gotische Idee der Kathedralen.

    symbolische Bedeutung

    Allgemein wird gesagt, daß die gotischen Kathedralen das in der Apokalypse des Johannes beschriebene himmlische Jerusalem, die Gottesstadt auf Erden symbolisieren sollten. Das himmlische Jerusalem wurde als mit zahlreichen Türmen umgrenztes beschrieben. So liegt es nahe, daß alle Kathedralen diesem Ideal in ihrer architektonischen Gestalt nahe kommen sollten. Sehr schön sehen wir die vieltürmige Anlage in der Kathedrale von Laon, freilich unvollendet, aber soweit gebaut, daß es die Idealform einsichtig macht.

    https://commons.wikimedia.org/wiki/File:La_c…on_DSC_0707.jpg

    Also für mich steht außer Frage, daß wo Türme geplant und angefangen worden sind, diese auch als vollendet mit Turmspitze gedacht waren!
    Fehlen die Turmspitzen so gibt es gewichtige pragmatische und visionsvernichtende Gründe, warum sie nicht mehr vollendet worden sind!

  • Der Hinweis auf das himmlische Jerusalem ist sehr wichtig, aber ich vermute, er dient eher als Gegenbeweis.
    Im Buch der Offenbarung ist von 12 Toren die Rede (Offb 21,12), nicht von Türmen. In den ikonographischen Adaptionen dieser apokalyptischen Stadtarchitektur (Radleuchter, Buchmalerei) sind die Tortürme meist flach, auf jeden Fall ohne steile Spitze.

    Türme mit Flachdach gibt es auch in den normannischen Wehrkirchen Englands. Daher könnte ich mir vorstellen, dass die flachen Türme mancher Kathedralen - sofern sie so konzipiert waren - eine fortifikatorische Anmutung vermitteln sollten, so wie ja auch der Zinnenrkanz von Saint-Denis auf ein (himmlisches) Stadttor anspielt.

    Der Hundertjährige Krieg und das Ende der Templer spielt sicher auch eine große Rolle, andererseits sind die Arbeiten an den Kathedralen ja nicht zum Erliegen gekommen. Der Nordturm in Chartres zum Beispiel wurde in der Spätgotik noch hinzugefügt; die Kathedrale von Rouen erhielt, gerade nachdem die Stadt Mitte des 15. Jh. von den Franzosen (zurück-)erobert worden war, noch drei spätgotische Turmaufbauten.

    In Deutschland ist das alles viel einfacher. Da war, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Turmspitze obligatorisch.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

    Einmal editiert, zuletzt von Seinsheim (25. April 2019 um 23:43)

  • Also für mich steht außer Frage, daß wo Türme geplant und angefangen worden sind, diese auch als vollendet mit Turmspitze gedacht waren!
    Fehlen die Turmspitzen so gibt es gewichtige pragmatische und visionsvernichtende Gründe, warum sie nicht mehr vollendet worden sind!

    Durchaus interessant zu dem Thema:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kirchturm…acher_Abschluss

    Ich kann mir schon vorstellen, dass man aus der anfänglichen Not später eine Tugend gemacht hat und flache Turmabschlüsse irgendwann bewusst als Abschluss eingesetzt hat (was ja auch vereinzelt in der Neogotik wieder aufgenommen wurde, vgl. Friedrichwerderscher Kirche)

    Auch die in den Nachwehen der Gotik enstandene Kathedrale von Orleans (ab 1601) kann man sich nur schwer mit Spitzen Abschluss vorstellen (auch dieser würde die etwas missglückten Proportionen der einzelnen Turmgeschosse nicht verbessern.)

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…thedrale_02.jpg

    So zeigen uns sowohl Nach- als auch Neotgotik, dass im Bewusstsein vom Vorhandensein flacher Turmabschlüsse diese bewusst als Stilelement eingesetzt wurden, was die Absolutheit SchortschiBährs These bricht. Doch kann es natürlich alles immer noch ein (proto)romantisches Missverständnis sein und sagt dies noch immer nichts über die Intention originärer gotischer Baumeister aus.

    Ich versuche gerade etwas zusammenzutragen über den Sonderfall gotischer Turmmassive. Man vergleiche etwa die neogotischen Lösung für den Konstanzer Münster oder den vollkommen anders gelösten Meißner Dom mit mittelalterlichen Turmmassivspitzen zB. die des Kolberger Doms oder Severikirche zu Erfurt. Doch noch habe ich nichts spruchreifes geschweige denn der eigentlichen Frage dienliches beisammen.

  • Wir hatten hier schon mal einen Hinweis auf die Aussagen ehemaliger Architekten und Mitarbeiter von Notre Dame.
    Hier nochmals ausführlicher. Danach sollte aller Glaube, es sei ein Unfall gewesen, endgültig ausgeräumt sein. Sonst frage ich mich noch, was der "ungläubige Thomas noch alles braucht" 8) :

    Zitat

    Benjamin Mouton, ehemaliger Chefarchitekt der Kathedrale von Notre Dame, hat in einem Fernsehinterview im US-Fernsehen (Quelle) gesagt, dass der Brand von Notre Dame kein Unfall gewesen sein kann. Das Feuer sei entgegen der Behauptungen der Mainstream-Medien nicht dort ausgebrochen, wo die Renovierungsarbeiten beginnen sollten. Zudem hatten die Renovierungsarbeiten noch gar nicht begonnen, bestätigte ebenfalls der aktuelle Chefarchitekt von Notre Dame und Architekt der Historischen Monumente in Frankreich, Francois Chatillon. Deswegen hätten auch keine Schweißarbeiten oder andere Arbeiten stattgefunden, die ein Feuer hätten auslösen können. Lediglich das Gerüst sei aufgebaut worden. Die Arbeiter, die sich in der Kathedrale befunden hätten, seien zudem bereits vor Ausbruch des Feuers nicht mehr in dem Gebäude gewesen. Der Brandschutz (Feuermelder, Rauchmelder) in der Kathedrale sei auf allerhöchstem Niveau und entspreche den neusten Standards, so Mouton. Der Gebrauch von elektrischen Geräten sei ohnehin im Dachstuhl untersagt. Die Sicherheitsvorschriften zum Gebrauch von Feuer und Chemikalien waren außerdem vorher extrem verschärft worden. Der Brand konnte auch nicht von einem elektrischen Kurzschluss ausgehen. Zudem wurde das Dach 24 Stunden überwacht. In der Kathedrale waren zwei Feuerwehrleute rund um die Uhr anwesend, so Mouton weiter. Mouton bestätigte die Aussagen anderer Dombaumeister und Experten alter Gebäude: Eichenholz, das über 800 Jahre alt ist, ist nur sehr schwer entflammbar, da es mit der Zeit zu versteinern beginnt. Der Dachstuhl habe nur durch den Einsatz von Brandbeschleunigern derart lichterloh brennen und das Feuer sich so rasend schnell ausbreiten können. Ein weiterer Hinweis dafür, dass Brandbeschleuniger im Dachstuhl verwendet worden seien, sei die schnelle Ausbreitung des Feuers in alle Richtungen des Dachs, entgegen der Windrichtung. Auch dies sei vollkommen unmöglich, erst recht mit 800 Jahre altem, nahezu versteinertem Eichenholz, so Mouton. Es sei daher vollkommen ausgeschlossen, dass dieses Feuer durch einen Unfall entstanden ist und sich so schnell verbreitet hat, so Mouton. Wer also hat den Brand der Notre Dame in Auftrag gegeben? Wer hat ein Interesse daran, diese Kirche in der Osterwoche anzuzünden und warum? Diesen Fragen nachzugehen und Beweise zu finden, wird sehr schwer sein. ...


    https://www.watergate.tv/ex-architekt-v…all/?source=ENL