Amerikanisierung der deutschen Städte

  • Exakt. Gebäude, darum riesige Parkplätze und mehrspurige Straßen. Auch vor dem Hintergrund der Flächenversiegelung problematisch. Man stelle sich die Gegend um einen deutschen Flughafen (der Bremer mal ausgenommen) vor. Selbst im Gewerbegebiet kann man bei uns zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sein ohne scheel angesehen zu werden. Das ist in Kalifornien eine theoretische Option. Joggen geht gerade noch. In San Francisco ist der Öffentliche Nahverkehr extrem unübersichtlich, aber vorhanden. Wer fort will, braucht Auto oder Uber.

    Die deutsche Stadt ist für Fussgänger entstanden. Der italienische Stadtpalast hat für berittene Personen die großen Tore. Das Auto schafft seine eigene Architektur im Stadtraum. Man kann in 'Kalifornien Zug fahren, aber ist dann ein Freak. Ab Zielstation geht es wiederum nur mit Auto weiter. Bahnstationen sind Parkplätze.

  • Gemischte Hochhäuser in den Städten sind mir lieber als banale Zersiedlung der Landschaft, die wiederum Autoverkehr nach sich zieht.

    Hochhäuser in Innenstädten ziehen gerade Verkehr nach sich. Je mehr Menschen man in die Höhe stapelt, umso mehr Autos finden sich auch in Tiefgaragen und den Straßen, die aber gar nicht für solche Menschenmassen konzipiert sind. Gut, das ist vor allem ein Frankfurter Problem.

    Was Ihr beschreibt, ist ein Berliner Phänomen. Vergleichbar noch mit einigen Innenstädten anderer deutscher Metropolen. Erzählt aber mal einem Bürger z.B. in der Wetterau oder dem Rheingau, der täglich nach Frankfurt zur Arbeit pendelt, er könne ja auch zu Fuß oder mit dem Bus, der alle 60 Minuten durch die Dörfer jockelt, kommen.

    Und da möchtet Ihr, statt Arbeit und Wohnen zu dezentralisieren, diese noch zusätzlich in Wohn- und Bürowolkenkratzern zentralisieren.

  • So ist es, im wesenmtlichen unterscheidet sich in den USA die Großstadt nicht vom ländlichen Gebiet. Mal abgesehen von einem kleinen Stadtzentrum mit Wolkenkratzern, stets dem Geschäftsleben gewidmet mit fast 10-geschossigen Parkhäusern, ist die Bebauung sonst niedrig und alles dem Automobil untergeordnet. Merkt man schon wenn man sich dort ein Mietauto nimmt: Das schnurgerade Straßenraster mit stets deutlich markierten Fahrspuren in Verbindung mit einem hochmotorisierten Automatikfahrzeug sind pure Entspannung.

    Als wir vor Jahren in Las Vegas waren und zu einem der großen Einkaufsparks gefahren sind hat man uns schon komisch angesehen weil wir den Wagen abgestellt haben und die Geschäfte zu Fuß abgelaufen sind. Das macht man schließlich mit dem Auto, die Geschäfte haben deshalb ja auch keine Schaufenster oder gar mehrere Eingänge. Es macht also keinene chten Unterschied ob man in einer Großstadt lebt oder im Ländlichen. Der Alltag ist derselbe, nur die Verkehrsdichte und die Dimensionen sind in der Großstadt andere, aber nicht die Medien und Mittel. Das ist in Deutschland gottseidank anders. Eine Ameriaknisierung kann ich in unseren Städten nicht erkennen, wohl aber auf dem Lande, wo an den Autobahnkreuzen und -abfahrten Gewerbegebiete wuchern, das finde ich wirklich schlimm.

  • Für alle die ein Lobeslied auf die (amerikanisierten) Hochhauskultur in Deutschland singen möchten: https://www.skyscrapercity.com/showthread.php?t=1733928 Aus 300 Hochhäusern sind nur etwa ein Dutzend wirklich sehenswert. Leider gilt das auch für die Frankfurter Skyline. Nach dem Höhenflug mit dem Messeturm kamen nur noch wenige Highlights hinzu. Aus der Ferne noch schön, ist die Skyline direkt im Bankenviertel stehend einfach nur kalt und hässlich. Amerika lässt grüßen...

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  • Hochhäuser in Innenstädten ziehen gerade Verkehr nach sich. Je mehr Menschen man in die Höhe stapelt, umso mehr Autos finden sich auch in Tiefgaragen und den Straßen, die aber gar nicht für solche Menschenmassen konzipiert sind. Gut, das ist vor allem ein Frankfurter Problem.
    Was Ihr beschreibt, ist ein Berliner Phänomen. Vergleichbar noch mit einigen Innenstädten anderer deutscher Metropolen. Erzählt aber mal einem Bürger z.B. in der Wetterau oder dem Rheingau, der täglich nach Frankfurt zur Arbeit pendelt, er könne ja auch zu Fuß oder mit dem Bus, der alle 60 Minuten durch die Dörfer jockelt, kommen.

    Und da möchtet Ihr, statt Arbeit und Wohnen zu dezentralisieren, diese noch zusätzlich in Wohn- und Bürowolkenkratzern zentralisieren.

    Gernau darum gemischt. Ich verstehe ja, warum die Innenhofwerkstätten nicht mehr möchte aber in unmittelbarer Nähe zur Arbeit wohnen zu können, das ist ein Stück Lebensqualität. Nicht nur in Berlin möglich. Wenn Wolkenkratzer gebaut werden, dann kann das für Arbeiten und Wohnen sein, um keine Geisterstädte zum Arbeiten zu bekommen. Dafür braucht man dann gemischte Bebauung, keine reinen Wohn- und Bürostädte mit dem ganzen Pendlerverkehr.

  • ^ Ganz mein Reden! Mehr Amerikanisierung und Anglisierung in architektonischer Hinsicht, bitt!

    Neuklassische Architekten der Qualität und Dimension von Quinlan & Francis Terry oder David M. Schwarz hat Deutschland mE bislang noch nicht vorgebracht leider. Es sollten mehr deutsche Nachwuchsarchitekten den Weg in entsprechend ausbildende britische und amerikanische Colleges finden, z.B. an die Notre Dame School of Architecture oder The Prince's Foundation for Building Community.

  • Nichts gegen die gezeigten Architektur-Beispiele, aber findet ihr diese dutzendsten Aufgüsse von Neoklassizismus, die in den meisten amerikanischen Beispielen zu sehen sind, wirklich architektonisch interessant?
    Ich habe damit dieselben Probleme wie mit Patzschke und Co. Ich finde das einfach öde und auf seine Art genauso beliebig und unspezifisch wie die architektonische Moderne. Und richtige Ensembles entstehen so auch nicht. Mir sagt das alles genauso wenig wie das Bauhaus.

    In die USA mag das alles ja insofern passen, als der Frühklassizismus so etwas wie der amerikanische "Nationalstil" aus der Zeit der Gründung des Landes ist. Aber in Europa?!

  • Es geht ja weniger drum, das 1-zu-1 auf Europa zu übertragen. Als vielmehr diese Fähigkeiten zu entwickeln, wieder für unsere Städte gerechte Architektur zu entwickeln, die gerne auch weitergedacht werden kann. Wie Pier Carlo Bontempi, ein italienischer Driehaus-Preisträger.

    Ich bin schon seit längerem der Auffassung, dass die Architekturwelt nochmal eine Art zweiten Historismus durchleben muss, um aus diesem Fundament heraus wieder eine neue, schöne Architektursprache entwickeln zu können, die weder klassische Prinzipien ignoriert noch langweilig und tausendfach gesehen ist. Ähnlich wie dies dem Jugendstil, Art Deco, Expressionismus usw. gelang.

  • Die Arbeiten von Bontempi sehen mit ihrer Anknüpfung an Renaissance und Barock schon interessanter aus.

    Allerdings fällt mir da gerade etwas auf, was mir so noch nie vorher aufgefallen ist: das Fehlen von Skulpturen, das auch ansonsten bei zeitgenössischer "traditioneller" Architektur zu beobachten ist (aus Kostengründen?). Bei Anknüpfungen an Renaissance und Barock fällt das halt besonders deutlich auf. Es führt irgendwie zu dem Eindruck einer gewissen Unstimmigkeit und Leere, selbst bei den ansonsten tollen Arbeiten von Bontempi.

  • Aktuell wird halt noch stark bei Ornamenten, Skulpturenschmuck usw. gespart, weil es idR alles sündhaft teure Handarbeit ist. Früher war menschliches Handwerk spottbillig. Und zu Zeiten des Historismus wurden Stuck und Applikationen oft massenhaft gefertigt, eine solche "Industrialisierung schöner Architektur" wäre heute wieder realisierbar, sogar individueller.

    Dieses Verhältnis kann sich aber bald wieder umkehren, und das beginnt auch schon. Durch neue hocheffiziente und zugleich individuelle Verfahren wie den 3D-Druck, Hochdruckstrahler und Laserbearbeitung. Wenn hier jemand technisch affin für solche Technologie ist: schnappt euch ein paar findige Künstler und baut 3D-Modelle für Skulpturen und Ornamente die druckfähig sind, mit solchen Templates könnt ihr bald ein Vermögen verdienen - und unsere Städte schöner machen! :engel:

  • Nichts gegen die gezeigten Architektur-Beispiele, aber findet ihr diese dutzendsten Aufgüsse von Neoklassizismus, die in den meisten amerikanischen Beispielen zu sehen sind, wirklich architektonisch interessant?

    Manches ist gelungen und manches nicht. Es gibt ja glücklicherweise kein unumstößliches Gebot, dass nur "Neo-Neoklassizismus" eine Alternative zum Modernismus sein darf. David M. Schwarz hat zum Beispiel auch Art déco im Angebot.

    Ich habe damit dieselben Probleme wie mit Patzschke und Co. Ich finde das einfach öde und auf seine Art genauso beliebig und unspezifisch wie die architektonische Moderne. Und richtige Ensembles entstehen so auch nicht. Mir sagt das alles genauso wenig wie das Bauhaus.

    Auch wenn der karge Stil Patzschkes meiner Meinung nach nicht das Gelbe vom Ei ist, so ist er immer noch deutlich besser als das, was die Bauhaus-Epigonen heutzutage zustande bringen.

    In die USA mag das alles ja insofern passen, als der Frühklassizismus so etwas wie der amerikanische "Nationalstil" aus der Zeit der Gründung des Landes ist. Aber in Europa?!

    Wenn überhaupt, dann ist der Klassizismus der europäische "Nationalstil" schlechthin, weshalb er ja auch immer wieder eine "Renaissance" erlebt.

  • Warum US-Städte und Städte weltweit in den letzten Jahrzehnten immer monotoner und einander ähnlicher werden:

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  • Ja, die Traditionslinie ist nicht so durchschnitten worden wie z.B. in Europa. Es wurde auch im ganzen 20. Jahrhundert weiter klassisch und traditionell (vernacular) gebaut. Unis haben zudem weiterhin klassische Architekturgeschichte und -ausführung unterrichtet (hier eine Übersicht von Unis), sicher auch befördert durch die starke Privatbildungskultur in den Staaten. Das war auch eines der Diskussionsthemen bei der Online-Konferenz "Traditional Architecture Gathering" vom Classic Planning Institute diesen Februar.

    Zugleich gibt es einfach auch eine große Sehnsucht nach dem Alten in den USA. Weil eben relativ wenig wirklich Altes vorhanden ist, oder man sich den ältesten Kernen / Downtowns im 20. Jahrhundert weitgehend entledigt hat. Und das Interesse an Genealogie / Ahnenlinien ist auch sehr groß, man interessiert sich für seine europäischen Vorfahren und deren Geschichte.