• Dass ein plumpes Auftreten schädlich ist, ist unbestritten. Aber ich muss dann doch fragen, ist hier wirklich jemand, der das Bauhaus gut findet?

    Definiere "gut"! Ob es mir gefällt? Nein. Aber wie ich bereit schrieb, wäre ich ein schlechter Wissenschaftler, wenn ich nach solchen Kriterien einteilen würden. Das Bauhaus ist nun mal ein einflussreicher Teil unserer Architekturgeschichte.

    Ein Verweis auf die Architekturgeschichte scheint mir reichlich dünn. Sicher, es ist Teil davon, aber das gilt auch für den Historismus und da gibt es bemerkenswert wenig Beißhemmungen bei sehr vielen Leuten ihn als überladen abzuqualifizieren. Wer sowas sagt, wird kaum schief angesehen.

    Mag sein, dass dies in der Öffentlichkeit noch so wahrgenommen wird, aber in der Wissenschaft und der Denkmalpflege hat sich das Verhältnis zum Historismus in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Die Zeiten, in der in ihm eine minderwertige Architektur gesehen wurde, sind lange vorbei.

    1) Die Bauhaus Gebäude sind in ihrer Funktionalität oftmals zweifelhaft (siehe Neue Nationalgalerie) und folgen eher einer Ideologie, wie Menschen angeblich wohnen möchten statt sich an realen Bedürfnissen zu orientieren.

    Ich würde die neue Nationalgalerie nicht als Bauhaus-Gebäude bezeichnen, muss aber zugeben, dass ich in der Moderne nicht ganz Sattelfest bin.

    2) Das Bauhaus bekämpft das Ornament. Der Mensch ritzt aber seit Anbeginn der Geschichte Ornamente in Tonkrüge, weil er Verzierungen offenbar als schön empfindet. Das Bauhaus ist seinem Selbstverständnis nach funktionell. Kunst ist eigentlich das Gegenteil davon.

    Wie begeben uns auf ganz dünnes Eis, wenn wir Kunst danach definieren, ob sie schön oder funktional ist. Wie definierst du denn Kunst?

    3) Das Bauhaus ist die Bauweise eines eiskalten Kapitalismus. Bloß keinen Cent extra für irgendwas Unnötiges. Nicht für Details, nicht für eine Ensemblewirkung, nicht für etwas Verspieltes. Deshalb hält es sich so hartnäckig. Frühere Generationen wollten repräsentieren, aber auch ein Stadtbild schaffen, heute ist das abgeschafft worden. Es geht nur und ausschließlich um Geld.

    Das Bauhaus als Ausdruck des Kapitalismus? Eigentlich ist es das genaue Gegenteil.

    Eigentlich habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass unsere Position eine Mehrheitsposition ist. Kein Mensch sucht sich als Ziel seiner Städtereise die Innenstadt von Kassel aus, es zieht die Leute nach Rothenburg.

    Das ist sicher richtig, aber die Innenstadt von Kassel hat auch wenig mit dem Bauhaus zu tun. Dagegen zieht es die Leute aber durchaus nach Dessau.

    Mir scheint eine sachliche und kluge Kriegserklärung nötig und die kann eigentlich nur dem Bauhaus und der dahinter stehenden Ästhetik und Ideologie gelten.

    Allen Ernstes eine Kriegserklärung an einen Teil unserer Architekturgeschichte? Mir scheint, du setzt das historische Bauhaus zu sehr gleich mit der schablonenhaften Architektur der heutigen Tage.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Meine Meinung zum Bauhaus ist: eine grandiose Revolution im Produktdesign, die sich bis heute bewährt hat (iPhone und Co wäre ohne Bauhaus in der Form wohl kaum denkbar, ebenso modernes Mobiliar, das man nicht immer schätzen muss- aber ich denke, so ziemlich jeder hier hat irgendein Möbelstück, das dem reduktionistischen Formenkanon des Bauhaus entspricht). Was die Architektur betrifft, die vor dem Bauhaus noch als „Baukunst“ bezeichnet wurde, habe ich hingegen starke Vorbehalte.

    Ich sehe es aber ähnlich wie Andere hier: die Modernisten heutiger Prägung schmücken sich mit dem Zusatz „Bauhaus“, um ihre Stümpereien kulturhistorisch zu veredeln und sie in eine Tradition stellen zu können (ohne eine solche kommen selbst die Modernisten nicht aus). Ein ähnliches Phänomen sieht man auch in der Kunst: viele heutige Künstler fangen dort an, wo Picasso aufhörte und dünken sich deswegen in seinen Fußstapfen- ohne den Weg dahin zu berücksichtigen.

    Ich betrachte Bauhaus ebenfalls aus der Zeit heraus (wie übrigens alles) und dabei muss man sich eben klar darüber sein, dass die deutschen Städte allesamt intakt und unversehrt waren, keiner ahnte, was da kommt und viele „Bauhäusler“ der ersten Stunde hätten mit Sicherheit Alt-Frankfurt keinen Hochhäusern geopfert. Man sollte also nicht so tun, als ob sie die Zerstörungen begrüßt hätten. Man schwamm damals, in den eher reaktionär geprägten 20ern, gegen den Strom des Zeitgeists und hatte mit zahlreichen politischen Widerständen zu kämpfen- wie wir heute auch. Es waren eben keine Konformisten, die es es sich in einem Nest namens „Moderne“ bequem machten und darin den Endpunkt der Geschichte sahen.

    Insofern ist die Geisteshaltung heutiger Architekten eine ganz andere, nämlich die Wiederholung schlechter und formloser Architektur, die sich auf kein Regelwerk stützt, weil Regeln ihr kaum vorhandenes Talent bald offenlegen würden (die Vertreter des Bauhaus kannten immerhin die Traditionen, mit denen sie brachen- etwas, was man vom Gros heutiger Architekten wohl eher nicht behaupten kann. Und sie konnten ihre Entwürfe von Hand skizzieren: an dieser Fähigkeit mache ich in der Regel einen guten Architekten aus). Dass Bauhaus damals als „entartet“ galt, spielt sicherlich auch eine Rolle in der Selbstwahrnehmung heutiger Architekten, dahingehend, dass sie dadurch Kritiker in den Ruch unschöner Ideologien bringen können und sich selbst in der (heute verlogenen) Rolle des missverstandenen Genies suhlen können (eben weil sie es geschickt verstehen, sich selbst als „Bauhaus“ zu vermarkten).

    Also grundsätzlich: Produkt- und Industriedesign top. In der Architektur war es sicherlich ein gut gemeinter Ausbruch (ähnlich dem Expressionismus), aber die Unterordnung der Ästhetik unter die Funktion nimmt dem Wort „Baukunst“ leider die Kunst weg. Sobald dies zum Dogma wird, lockt man eben Menschen in die Architektur, die dort eigentlich nichts verloren hätten.

  • Zusatz: Da das Bauhaus aber als kulturelle und historische Legitimation für moderne Architekten gilt, muss man es selbstverständlich losgelöst von der Tatsache, dass es damals ein geschichtlicher Einschnitt war, auch auf seine Qualität hin prüfen und kritisieren dürfen. Gerade die Ehrfurcht vor der „Geschichtlichkeit“ dieser Epoche (ich nenn es jetzt mal so) verhindert jegliche fundamentale Kritik- nur ist das Alter eines Irrtums kein Wert, den man bei der qualitativen Bewertung von Kunstwerken berücksichtigen sollte. Also: Bauhaus war damals revolutionär und hatte seine Berechtigung. Die Folgen jedoch sind fatal. Es war eine Architektur, die Repräsentation ablehnte- also für den Städtebau abseits der Vororte untauglich ist. Für Deutschland noch fataler, da es sich relativ zeitgleich mit der Zerstörung der deutschen Städte international etablierte. Und es wäre an sich sogar im Geiste des Bauhaus, den Bückling vor dem ‚Alter einer Sache‘ aufzugeben. Die Zeit, die seither verfloss bildet immerhin das Geschichtsbild und die ästhetische Prägung heutiger Architekten, ja selbst ihre Väter wuchsen unter dem Einfluss des Bauhaus auf. So dass es zur Gewohnheit und Routine wurde (und in Deutschland sogar zum vorgegebenen Leitsatz), minimalistisch zu bauen. Also ist Fundamentalkritik richtig und wichtig, auch wenn man im Einzelnen manchem unrecht tut- es wurde ihnen nun lange genug recht gegeben. Seien wir also wie das Bauhaus, brechen wir mit der ‚Tradition der Nicht-Tradition‘, kritisieren wir die heutigen Götzen des Zeitgeists und gehen neue Wege, mit einem radikalen Bruch und einer Rückbesinnung auf die Zeit und Formensprache ‚vor Bauhaus‘.

  • Jetzt muss ich aber doch mal nachfragen: Einerseits wird das heutige Design (von iPhone & Co) in der Kontinuität des Bauhauses gesehen, andererseits schreibt dann tegula, man dürfe die heutige "schablonenhafte Architektur" nicht auf das Bauhaus beziehen. Also auf gut deutsch, wir suchen uns raus wo Bauhaus draufsteht, je nach Popularität? Wenn's funktioniert ist es OK, wenn nicht, dann hat das Bauhaus keine Schuld dran? Genau so argumentieren die Modernismus-Fans auf Facebook übrigens und relativieren damit die ursächliche Verantwortung dieser Bewegung für die architektonischen Defizite der Gegenwart. Man sollte sich doch lieber fragen, warum das Bauhaus im Design eine Erfolgsstory war und in der Architektur eine Katastrophe. Weil Bauwerke eben mehr sind als ein Gebrauchsgegenstand, der vorrangig auf Nutzbarkeit und Ergonomie hin optimiert werden muss. Architektur ist gebaute Umwelt, die länger bestehen muss als irgendwelche Produktzyklen, und deren Ästhetik uns einen beständigen künstlerischen Wert mit geistiger Tiefe vermitteln sollte. Das überfordert eine Philosophie wie das Bauhaus und all ihre Abkömmlinge. Wer heute das Bauhaus ausgerechnet wegen seiner Ästhetik feiert, hat etwas gründlich missverstanden, denn Ästhetik (im geläufigen Sinne) war niemals dessen Maxime, vielmehr die Funktionalität.

    In dubio pro reko

    9 Mal editiert, zuletzt von reklov2708 (23. Februar 2019 um 09:04)

  • Ich habe nur den letzten Beitrag von dir, @Stuegert gelesen und du sprichst einen sehr guten Punkt an, der mir in letzter Zeit vermehrt durch den Kopf gegangen ist hinsichtlicher der Argumentation "Minimalismus ist alles" und die Mobiltelefone haben heutezutage kaum noch einen Knopf (Das neu vorgestellte Galaxy S10 hat den Fingerabdruckscanner sogar im Bildschirm, irre) — Wären da noch der klassische BRAUN-Taschenrechner, eine Glashütten-Uhr oder eben das iPhone. Das alles basiert auf der Mindestanforderungen der Geometrie und es funktioniert besser denn je.

    In der Typografie kann es schon wieder anders aussehen. Sowohl serifenlose als Serifen-Schriften können je nach Attribute wie Laufweite, Sperrung etc. eine gute Leserlichkeit erfüllen. Eine Futura als Fließtext würde schon wieder durchfallen. "Lifestyle"-Marken arbeiten oft mit serifenlosen Versalien-Schriften und großem Zeichenabstand. Fertig ist die hochwertige Marke — man kommt mit dem Nötigsten aus, "Schnickschnack" leisten wir uns nicht.

    Jedes Mal vor und nach dem Sport schweifen meine Blicke unweigerlich durch die Straße und ich fühle jedes Mal dasselbe beim Anblick der Fassaden — abstoßen und anziehend.

    Belgische Botschaft, Jägerstraße:
    https://www.google.de/maps/@52.51414…!7i13312!8i6656

    HGHI, auch Jägerstraße:
    https://www.google.de/maps/@52.51418…!7i13312!8i6656

    Nun kann man es auf meine Vorliebe für historische Bauweise schieben, jedoch merkt man einfach, wie einerseits abstoßend und andererseits anziehend Formsprache sein kann. Woran liegt das? (Stuegert hatte schon seiner Erklärung abgegeben).

    2 Mal editiert, zuletzt von tachMarkus (23. Februar 2019 um 10:53)

  • Wenn wir den Begriff der Ästhetik in den Mittelpunkt rücken: auch das Bauhaus hatte durchaus den Anspruch, ästhetisch zu sein. Es sah seine Qualität darin, die Baukunst vom überbordenden, zum Teil sinnentleerten Dekor des späten Historismus zu befreien (ich teile da den Vorschlag von @East_Clintwood , historisch zu kontextualisieren).

    Andererseits hätte es dazu des Bauhauses nicht bedurft, weil dies schon von den Vorgängern, nämlich der traditionsorientierten Moderne, also von Messel, Behrens u.a. geleistet worden war. Aber als eine Gegenbewegung hin zum Minimalismus und Rationalismus kann man das Bauhaus durchaus verstehen und würdigen.

    Jedoch ist eine Gegenbewegung kein Selbstzweck. Im Grunde hatte das Bauhaus schon Anfang der 1930er Jahre seinen Zweck erfüllt - und wären nicht Nazizeit und Zweiter Weltkrieg gekommen, hätte die Architektur sich organisch weiterentwickeln können - in der Tradition eines Paul Bonatz, eines Walter Schmitthenner, eines Hans Döllgast und der Münchner Schule.

    Aber zurück zur Ästhetik. Ästhetik ist mehr als die bloße Wohlgefälligkeit bestimmter Formen. Ästhetik ist eine Formensprache, die letztlich eine Ordnung ausdrückt - und zwar eine höhere Ordnung, die - ganz gleich, wie man sie definiert - immer dem Wahren, Schönen und Guten verpflichtet sein will. Diese Ordnung hat der griechische Peripteros ebenso zum Ausdruck gebracht wie die altrömische Rotunde, die byzantinische Kreuzkuppelkirche, der ottonische Kastenraum, die gotische Kathedrale, die Palladio-Villa, das Barockschloss, das klassizistische Museum und der historistische Bürgerbau. Es ging dabei immer um zwei Grundwerte: das Dekorum (also die geziemende Wahl der Typologie, des Stils und des Formenvokabulars in Bezug auf den Genius loci, die Funktion des Gebäudes und die Stellung des Bauherrn) sowie der Kosmos (= eine Schönheit und Art der Ausschmückung, die eine universale Ordnung widerspiegelte; kósmos = Universum, Ordnung, Zierde, Schmuck).
    Eben damit hat das Bauhaus gebrochen und darum findet @tachMarkus instinktiv das HGHI schöner als die Belgische Botschaft. Ersteres steht für Dekorum und Kosmos, letzteres negiert diese Begriffe - bewusst oder in diesem Fall wohl eher völlig gedankenlos. Und eben darum sind Bauten wie die Belgische Botschaft nicht ästhetisch.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • @Stuegert Im Produktdesign waren sie nunmal Weltklasse, das sollte man schon sagen dürfen, ohne sie in der Summe zu rechtfertigen. Wenn ich mir ein Le Corbusier-Sofa anschaue (ja, nicht im direkten Kreis des Bauhaus, aber absolut in seinem Geiste und in regem Austausch mit van der Rohe und Gropius), dann hat es für mich einen ästhetischen Wert und entspricht dem von Seinsheim eingebrachten Ästhetikbegriff bzgl Harmonie und Ordnung. Oder wenn wir einen reich verzierten Biedermeierschreibtisch mit einem aufs Wesentliche reduzierten von Bauhaus vergleichen, gewinnt in meinen Augen Bauhaus.

    Fatal wird es aber, wenn man Produktdesign und dessen Logik auf die Architektur überträgt und dadurch letztlich Gebäude ebenfalls als ‚Produkte‘ betrachtet. Ich denke, hier liegt der eigentliche Grund dafür, dass die Ästhetik des Bauhaus in der Architektur so gescheitert ist.

    Hier muss man also klar trennen. Ein Gebäude zeichnet sich durch Einmaligkeit aus, ein Produkt durch Reproduzierbarkeit. Ein Produkt bedarf einer möglichst einfachen Formensprache, die einerseits möglichst kostengünstig produziert werden kann, andererseits trotzdem einen Wiedererkennungswert vorweist und begehrenswert (schön) aussieht.

    Diesen Spagat schafft man in der Architektur aber nicht. Hinzu kommt, dass Gebäude nicht in einem luftleeren Raum stehen, also was bei Produkten geht (internationale Vermarktung) geht in der Architektur nicht, die auf eine Region ausgerichtet sein, handwerkliche Traditionen aufnehmen und als einmaliges Meisterwerk bestechen sollte.

    Deshalb schrieb ich, dass man Bauhaus dort schätzen sollte, wo es wortwörtlich von Nutzen war, während man gleichzeitig jene Teile verwerfen und kritisieren sollte, die zum Schaden unserer Lebensumwelt wurden. Produkte nehmen Rücksicht auf die Bedürfnisse des Käufers, der sie freiwillig erwirbt. Im öffentlichen Raum hingegen fällt diese Freiwilligkeit weg und es wird gegen den „Markt“ und über die Köpfe der „Verbraucher“ hinweg etwas gestaltet, das der Großteil der Menschen ablehnt.

    Kurz: solange Bauhausdesign den Regeln des Marktes folgt, hat es seine Berechtigung. Wo dies endet, wird es zur rücksichtslosen Ideologie.

  • Ich weiß nicht, ob hier die Ausstellung im Willy-Brandt-Haus schon Erwähnung fand. War zu faul alle Kommentare zu lesen 8) . Aber was einige hier schon schrieben, so sind die meisten dort gezeigten Beispiele Solitäre und durchaus angenehm anzuschauen. Im Dialog zu Bestehendem sieht es dann aber meistens mau aus, vielleicht gibt es Scharoun einige Beispiele in Berlin (Kaiserdamm, Hohenzollerndamm).

    Dennoch lohnt es sich dort einmal vorbeizuschauen.

    bau1haus – Die Moderne in der Welt

    Läuft noch bis zum 14. März 2019

  • Ich brachte übrigens bewusst das iPhone bzw Apple in die Diskussion, da Jonathan Ive (der Chefdesigner) sich explizit am Bauhaus orientiert. Apple schafft es meisterhaft, vor allem durch sein reduziertes und klares Design Begehrlichkeiten zu wecken, wie es andere Firmen -bei gleichwertiger Qualität- so nicht zustandebringen.

    Wie ich schrieb: solange die Tradition des Bauhaus sich am Markt orientiert und auf Produkte beschränkt, ist sie gerechtfertigt und darf -bei Erfolg eines Produkts- als ästhetisch geglückt gelten. Aber eben nur dann.

    Wenn ein Produkt dann scheitert, kann eine Firma nicht sagen „die Käufer sind zu dumm, um die grandiose Ästhetik zu verstehen, wir müssen sie zwingen, es zu mögen“ sondern sie müssen ihre Produkte den Bedürfnissen neu anpassen.

    Und nicht umgekehrt, wie es eben in der Architektur der Fall ist.

  • Ich wollte heute ein paar Bildvergleiche heraussuchen, wo sich das Bauhaus denn groß von der modernen Architektur abheben soll und habe deswegen bei Google "Bauhaus Dessau" eingegeben.

    Zu meiner Überraschung wurden mir unter "News" zwei Artikel angezeigt, die das Bauhaus doch sehr stark kritisieren:

    Kritik an Bauhaus-Architektur: Stil ist "Würfelhusten" (MDR)
    Die böse Seite vom Bauhaus (Volksstimme)

    Beim MDR kommen einige Koryphäen wie Mäckler und Guratzsch zu Wort, die die bekannte Kritik an der modernen Architektur vorbringen.

    Die Volksstimme fährt teilweise noch schwereres Geschütz auf, wie in der Einleitung zu lesen:

    Eiskalte Wirtschaftskriminelle, gewissenlose Chefärzte und korrupte Politiker residieren in abweisenden Bauhaus-Villen mit automatischen Toren. Sie lagern auf stählernen Möbeln und balancieren über Treppen ohne Geländer. Verkommene Junkies und üble Messerstecher hausen in Hochhauszeilen. Das Grauen nistet hinter Laubengängen wie sie an der Peterholzstraße in Dessau zu besichtigen sind.
    Egal ob Berlin, Köln oder München: In der Totalen sind solche Hochhaus-Ensembles immer das Signal für Elend und Gewalt. Die Guten leben in gemütlich-unaufgeräumten Altbauwohnungen und Backsteinvillen. Warum passt das Böse zum Bauhaus? Was ist schief gelaufen in der Tradition?

    [...]


    Wenn schon "normale" Medien dazu in der Lage sind, im Jubiläumsjahr des Bauhauses derartige Kritik zu formulieren, wieso sollte der Verein Stadtbild Deutschland auf ein Statement verzichten? Ich habe das schon einmal geschrieben: Dieser Verein und dieses Forum existieren doch nur, weil genug Leute den Minimalismus, das Schmucklose und Sterile der modernen Architektur nicht mehr ertragen wollten.
    Und diese Ideen der Architekturgestaltung haben ihren Ursprung nun einmal im Bauhaus. Wie schon zuvor erwähnt, ist das Bauhaus nicht nur eine Architekturrichtung, sondern auch eine totalitäre Ideologie. Und selbst wenn man das Bauhaus nicht direkt angreifen möchte, sollte man doch zumindest mal darauf hinweisen, was 100 Jahre "Form follows function" aus unseren Städten gemacht haben.

  • Und ehrlich gesagt, wenn ich Bauhaus-Originale aus der Zeit zwischen 1920 und 1940 sehe, dann packt mich schon eine gewisse Faszination. Wenn ich mir dann vorstelle, dass damals drumherum alles überbordender Historismus gewesen ist, dann hat diese Architektur eine logische, folgerichtige und ästhetische Daseinsberechtigung.

    Ich muss gestehen, mich packt sie nicht, ich bin da vermutlich radikaler als die meisten hier. Ich habe keine Schwierigkeiten damit nachzuvollziehen, dass man sich irgendwann im Historimus nicht mehr steigern konnte. Allerdings ist ja der Jugendstil bereits eine Antwort auf diese Tendenzen, eine dekorative Antwort, aber doch auch eine reduzierte. Und dann sollte man nicht vergessen, dass in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg auch im Historismus selbst das Pendel zu einem monumentalen Klassizismus zurückgeschwungen ist.
    Es kann einerseits nichts schaden, Qualitätsunterschiede zwischen verschiedenen modernen Bauten herauszustellen, aber andererseits liegt die Wurzel aller Probleme schon in den ersten Bauten. Sei es so eine banale Sache, wie dass es wegen der Glasfassade "schweineheiß im Sommer, saukalt im Winter" gewesen ist, um den MDR Artikel zu zitieren. ich finde es wichtig, den Sekten-Charakter und vor allem die rücksichtslose Ideologisierung des Bauhauses herauszuarbeiten. Die stets im Hintergrund und auch bei anderen Architekten wabernde Vorstellung, dass sich der Mensch an die Architektur anpassen muss, die eher zu den totalitären Regimes des letzten Jahrhunderts passt als zur demokratischen Bundesrepublik. Die positive Konnotation des Bauhauses mit Fortschritt und Demokratie müsste mal kritisch beleuchtet werden.

  • Also nacheinander:

    1) Ästhetikdiskussionen sind immer subjektiv. Deshalb hielte ich es für absolut notwendig, dass wir unsere subjektive Blase verlassen und eine Studie oder Umfrage in Auftrag geben, bei der repräsentativ mal abgefragt wird, was die Leute eigentlich mögen. Was gefällt den Menschen, eine Fachwerkzeile, ein Gründerzeitensemble oder eine moderne Bebauung? Es wurde hier doch schon mal sowas ähnliches zitiert, aber ich finde, wir brauchen wirklich eine nachvollziehbare Grundlage, damit es nicht immer heißt: nun, ihre Meinung ist eine Meinung, es gibt auch andere. Ich finde schon, dass die Bevölkerung, die ja in diesen Städten leben muss, auch mal sagen sollte, was sie eigentlich will. Wieviele Romantiker wie uns gibt es? Sind all die Initiativen, die Altstadtkerne gerettet haben nur kleine Bildungsbürgergruppen? Ist das den Leuten tatsächlich wurscht?

    2) Zum Historismus: ja, der Historismus ist zu einem gewissen Grad in den Köpfen der Verantwortlichen angekommen. die Denkmalschutzbehörden kartografieren ihn gewissenhaft. Aber, wenn du dir z.B. die Dehios durchblätterst und schaust, welche Gebäude mit Sternchen versehen werden, dann ist häufig Jugendstil und frühe Moderne dabei, aber der echte Historismus selten. Auch in Reiseführern kommt das gut erhaltene Gründerzeitviertel oft nur als Fußnote vor und auch die Tourist-Infos sind oft ratlos, wenn man in die Richtung hin fragt. Auch die Buchregale sind sparsam bestückt, ich suche bis heute eine wirklich repräsentative Geschichte, die all die Stränge mal aufdröselt.
    Und wie gesagt im Gespräch beiläufig anzumerken, dass ein historistisches Gebäude überladen ist, geht eigentlich immer und keine Epoche wird so lässig kritisiert wie diese.

    3) Die Neue Nationalgalerie ist ein Steckenpferd von mir, weil sie so sagenhaft unpraktisch ist und sie gehört durchaus zur klassischen Moderne. Das Übel der Rundumverglasung tritt hier so schön hervor und, wie im vorigen Beitrag zitiert, plagt sie auch das originale Bauhaus. Diese transparenten Glaspaläste sind nicht demokratisch durchsichtig sondern eher eines totalitären Überwachungsapparats würdig.

    4) Ich werde den Teufel tun, mich blamieren und versuchen Kunst zu definieren. Daran sind ungleich größere Geister gescheitert. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass dazu ein spielerisches-dekoratives Element gehört, das die bearbeiteten Objekte aus der reinen Nützlichkeit heraushebt.

    5) Nun, warum ist die moderne Architektur so erfolgreich? Warum bekommen wir seit 100 Jahren Varianten des Immergleichen (zugespitzt formuliert)? Warum ist der zuvor immer schneller werdende Wechsel der Stile plötzlich zum Erliegen gekommen? Doch nur weil die moderne Architektur eiskalt rational ist oder sich wenigstens so gibt. Stuckverzierungen und Skulpturen oder Fassadenmalereien kosten halt Geld und sind entbehrlich.

    6) Ja, ich verrühre das alles etwas unzulässig zu einer großen Soße, da hast du sicher recht. Aber das dahinter liegende Prinzip scheint mir dasselbe. Ich hätte einfach gerne mal wieder durchgebildete Fassaden mit Risaliten, Türmchen und allerlei Krimskrams. Und wenn das nicht zu haben ist, dann doch wenigstens eine schlichte Eleganz a la Eisenzahn 1.

  • 1) Eine Umfrage würde ergeben, dass die Mehrheit eine Bauhaus-Innenstadt als kalt und steril empfinden würde. Ästhetik ist nicht rein subjektiv, es gibt etwas in jedem Menschen innewohnendes, das sich nach einer allgemeinen Schönheit sehnt, die immer gültig ist. So ziemlich jeder würde eine Fachwerkzeile als schön empfinden. Modernisten würden es lediglich ‚ironisch‘ brechen und als „Kitsch“ bezeichnen, aber nicht leugnen, dass es Wohlgefallen beim Betrachter auslöst.

    2) Die Kritik am Historismus bezieht sich zuvörderst auf die Zeit, in dem es entstand. Man assoziiert mit der Gründerzeit Wilhelm II und Größenwahn. Die Debatte ist also politischer Natur. Wäre der Historismus der Stil der Weimarer Republik: er würde gefeiert.

    3) Die Nationalgalerie ist m.E. in der Tat kein guter Bau und, wenn wir hier ebenfalls eine Umfrage machen wollten und die Alte mit der Neuen vergleichen, wäre klar, dass die Museumsinsel hier gewinnen würde. Und du sagst es richtig: Glas ist kein Zeichen von demokratischer Transparenz- mit dieser Suggestion wird in der Regel mehr verschleiert, als offengelegt. Und es ist noch weniger demokratisch, da keinerlei Mitspracherecht vorhanden war und der „Untertan“ ungefragt vor vollendete Tatsachen gestellt wird.

    4) Die Qualität von Kunst kann man von den handwerklichen Fähigkeiten des Künstlers abhängig machen. Deswegen brachte ich gestern das prominente Beispiel Picasso: sein Renommee gründet nicht auf seinem Spätwerk, sondern dem Weg dorthin, er bewies sich also zuvor und wusste genau, wie er wo die Farben setzte. Anhand dieser Souveränität kann man zumindest ein Werk in „gut“ oder „schlecht“ einteilen, unabhängig ob es einem gefällt. Dasselbe gilt in der Architektur: ich dulde ein Gebäude, von einem Könner entworfen, auch wenn es mir missfällt (einiges von Kollhoff zum Beispiel, aber nie kann ich bei ihm die Qualität, eine Rücksichtslosigkeit gegenüber gewachsenen Strukturen oder mangelnde handwerkliche Kenntnis kritisieren). Deswegen habe ich mit dem ursprünglichen Bauhaus nicht so große Probleme: es waren keine Stümper, sondern Menschen, die immerhin genau wussten, mit welchen Traditionen sie brachen.

    5) Der Erfolg gerade in deutschen Städten gründet sich m.E. auch darin, dass man Angst vor der Alternative hat. „Die Stadtensembles sind bereits versaut, wieso soll man hier also teure Ansätze starten, um diesen Zustand ein wenig zu verbessern und schlafende Hunde wecken?“ denken sich viele. Also „weiter so!“. Man macht aus der Not eine Tugend und aus der Hässlichkeit die neue Schönheit. Um das zu bewerkstelligen, gibt man hässlicher Architektur einen intellektuellen Unterbau, gibt Dossiers in Auftrag, die Schrott zu geistigem Gold machen und bekommt dadurch eine Legitimation, die keiner bzw sehr wenige in der Bevölkerung öffentlich anzweifelt aus Angst, ein Dummkopf zu sein, der „noch nicht so weit“ ist.

    6) Das kann ich verstehen, hätten wir alle gerne (und wohl auch die Mehrheit der Bevölkerung), aber die Widerstände sind einfach -noch- zu enorm.

  • @East_Clintwood In der heutigen Architektenschaft stolzieren etliche Kaiser ohne Kleider einher. Und niemand sagt etwas, weil er, wie Du richtig bemerkst, nicht für dumm gehalten werden möchte.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • So, ich möchte dann aber noch meine Frage an @tegula, der zwischen den Stilen differenzieren möchte oder an andere Mitglieder, die dem Bauhaus positiv gegenüberstehen, hier anbringen.

    Also, das ist das berühmte Bauhaus in Dessau:

    Das ist das mittlerweile ebenfalls berühmt berüchtigte Europaviertel in Frankfurt:

    Und hier ein Beispiel aus der von @tegula erwähnten Kasseler Innenstadt:

    Wo ist das eine nun "wahres Bauhaus" mit einer angeblich hohen architektonischen Qualität und das andere hat nichts mit dem Bauhaus zu tun?
    Ich bin kein Architekturexperte, aber meines Wissens nach sind die wichtigsten Eigenschaften des Bauhausstils:

    1. "Form follows function", klare Formen
    2. kein Fassadenschmuck, keine Verzierungen
    3. kubistische Bauweise, Flachdach
    4. Verwendete Materialien: (verputzter) Beton, Stahl, Glas

    Auch die Gebäude auf den beiden unteren Bilder haben doch eindeutig diese Eigenschaften, ich sehe da keinen großen Unterschied zum oberen. Das obere Bild mag das gefälligste der drei sein, aber das liegt auch an der vergleichsweise geringen Größe des Gebäudes. Nun bauen die Menschen aber nicht nur kleine, sondern eben auch große Gebäude, das war schon immer so. Ist der Bauhaus-Stil also komplett ungeeignet für größere Gebäude, da derartige Häuser von Bauhaus-Anhängern dann direkt abgesprochen bekommen, etwas mit Bauhaus zu tun zu haben?
    Oder ist es vielleicht vielmehr so, dass jeder Architekturstil auch seine weniger gelungenen Vertreter hat. Viele dieser eher weniger gut gelungenen Gebäude haben wir nie zu Gesicht bekommen, weil sie schon vor Jahrhunderten abgerissen wurden, oder sind immernoch gut genug, um uns mit ihrer, trotz fehlender Perfektion, vorhandenen Schönheit zu erfreuen. Beim Bauhaus aber versuchen die Anhänger des Stils, diesen reinzuwaschen, indem man den weniger gut gelungenen Vertretern einfach abspricht, überhaupt etwas mit dem Stil zu tun zu haben. Und das ist vielleicht auch dringend nötig, denn die weniger guten Vertreter des Bauhauses sind so mit das hässlichste, was jemals gebaut wurde. Gleichzeitig sind aber die weniger guten Vertreter anderer Architekturstile immer noch besser als 99% von dem, was heute im modernen Stil gebaut wird.

    Aber gut, ich bin immer offen für eine ausführliche Analyse, wieso das eine Bauhaus sein soll und das andere nicht, man lernt ja schließlich nie aus.

  • Man kann sich mit den Folgen des Bauhauses durchaus kritisch auseinandersetzen, ohne dabei das Bauhaus selbst ins Zentrum unsachlicher Kritik zu stellen

    Genau darum gehts doch...


    Zitat von tegula

    Die Gefahr ist doch groß, dass man dabei missverstanden wird.

    Diese "Gefahr" ist keine relevante. Wir sind ja selbst dafür verantwortlich, wie wir nach außen kommunizieren. Der Sender ist in der Pflicht. Und ganz ehrlich, es sollte uns auch mal wirklich wurscht sein, ob wir anecken. Die Frage ist eher: wie erfolgreich ecken wir an? Anecken ist Pflicht für uns, um endlich aus dem stillen Kämmerlein zu kommen. Wir wollen ja den öffentlichen Horizont erweitern und nicht noch weiter einengen. Das geht nur mit steilen Thesen, klaren Botschaften, mutigen Statements!

  • .. aber eben auch mit Professionalität und Expertise.

    Die oben gezeigten Fotos sind ein guter Beitrag zur Diskussion. Ich bin nämlich der Meinung, dass nur das erste Bild wirklich Bauhaus zeigt, Bauhaus, wie es die Architekturbewegung damals gemeint und verwirklicht hat. Wenn man argumentiert, dass auch die beiden anderen Fotos aus Frankfurt und Kassel Bauhaus zeigen, der muss wohl auch akzeptieren wenn man argumentiert dass der Palast des Volkes in Bukarest ein Vertreter des Historismus ist. Ich halte das nach wie vor für dünnes Eis.

    Etwas anderes ist es eben, dass die heutige Architektur sich auf das Bauhaus beruft. Wir sollten aber nicht darauf hereinfallen und das alles als Bauhaus akzeptieren und schlussfolgern, dass Bauhaus etwas schlechtes ist.
    Übrigens, ich bin selbst kein Bauhaus-Fan. Mein Herz gehört dem Jugendstil in all seinen Ausprägungen.

    Wie @Seinsheim schon argumentierte, hatte das Bauhaus in den 1930'ern seinen Zweck erfüllt und ist mit den Kriegszerstörungen und der Nachkriegszeit völlig obsolet geworden. Die Architekturstile der 1950'er bis 1990'er belegen es ja auch, dass das Bauhaus keine ewige Revolution geworden war sondern sich eigentlich als Episode der Architekturgeschichte einreihte hinter Historismus, Jugendstil, Art-Deco usw.
    Es gibt aber Gründe, warum seit der Jahrtausendwende das Bauhaus wieder Mode zu sein scheint, passend zum 100-jährigen Jubiläum. In meinen Augen ist das die Bauweise nach EneV. Übrigens gibt es auch einen Grund, weswegen das v.a. in Deutschland so gefeiert wird. Es gibt mit Dessau einen Ort in Deutschland, wo das alles kulminiert und der in seiner Bedeutung durch keinen anderen Ort in der Welt verschattet werden kann. Hinsichtlich Historismus, Jugendstil oder Art-Deco ist das schließlich so nicht möglich, da gibt es kein Dessau. Wer hier das beste und reinste sehen will muss ins Ausland.

    Das Bauhaus-Jahr wird daher sowohl von Architekten und Stadtplanern willkommen geheißen, weil es einen Bogen spannt zum "real existierenden Bauhaus", der heutigen städtebaulichen Praxis, als auch von Kunsthistorikern und "Antiquitätensammlern", weil es eine wichtige, "heimische" Kunstbewegung ins Rampenlicht stellt.
    Ich wage aber zu behaupten, dass die beiden Zielgruppen Architekten und Städtplaner einerseits und die Kunsthistoriker und Antiquitätensammler andererseits sonst nicht viel vereint. Da sehe potenzial für wirksame und ernstzunehmende Kritik.

  • der muss wohl auch akzeptieren wenn man argumentiert dass der Palast des Volkes in Bukarest ein Vertreter des Historismus ist.

    Insofern man den Historismus als eine Epoche betrachtet, die wohl von ca. 1850 bis ca. 1918 (oder auch nur 1900) andauerte, ist der Palatul Parlamentului kein Vertreter des Historismus. Wenn man unter Historismus den Rückgriff auf historische Stilelemente ansieht, müsste man ihn zweifellos hier einordnen. Aber so wird der Begriff eigentlich nicht verwendet. Der Palatul Parlamentului ist für mich eher in Richtung (spät-)stalinistischer Neoklassizismus (abwertend "Zuckerbäckerstil" genannt) einzuordnen. Eigentlich würde mir das Gebäude sogar irgendwie gefallen, wenn dafür nicht ein Altstadtquartier abgerissen worden wäre. Auf der grünen Wiese wäre es in Ordnung gewesen.
    Das aber nur mal als Exkurs.

  • Einer meiner Hauptkritikpunkte an der Bauhausdoktrin ist nicht der Stil selber - es gibt einige gute Bauwerke - sondern die dahinterstehende Geringschätzung, eigentlich fast schon Verachtung und Bösartigkeit gegenüber allem Vorangegangenen. Sämtliche Architekturstile wurden für "wertlos" genug erklärt, um sie komplett aus dem Gedächtnis der Baukunst zu tilgen. Das muss man sich einmal vorstellen - Renaissance, Barock, Klassizismus, all das wertlos? Wer maßt sich so etwas an? Einfach mal unter "Gropiusstadt" googeln, und auf Bilder klicken. Albtraum pur! Das soll das "Moderne", das "bessere" sein? Ich möchte da ehrlich gesagt nicht wohnen, egal wie toll die Aussicht ist, egal wie hell und sonnig es da ist.

    Das perfide ist die Ideologie dahinter. Es ist eine zerstörerische, sie will zerstören, alles vorhergehende auf den Müllhaufen der Geschichte werfen - tat sie auch - und hat ungüngstigerweise auch noch solche Leute wie Walter Ulbricht dazu inspiriert. Wenn man so will, waren die kulturbarbarischen Sprengungen Ulbrichts in Dresden Bauhaus-Aktionen, hier wurde tatsächlich mit allem gebrochen was vorher da war.

    Mir fällt grade spontan ein, es gab vor langer Zeit einen hervorragenden Essay eines griechischen Wissenschaftlers über die Moderne. Fast nie hat sie jemand so geschickt zerlegt. Er begann damit, dass er feststellte, die heutige Baukunst sei keine Wissenschaft, sondern ein Kult. Er zählte dann die Eigenschaften eines Kultes auf, eine davon war, so der Autor: "Er will zerstören". Dieser Artikel kursierte hier vor über 15 Jahren im Forum , vielleicht erinnert sich jemand an den Namen des Autors. Der wäre nämlich eine hervorragende Grundlage für Kritik an Bauhaus.

    "Die Modernisten sollten sich endlich eingestehen, dass sich die Qualität einer Stadt konventioneller Architektur verdankt" - (H. Kollhoff).

  • Das perfide ist die Ideologie dahinter. Es ist eine zerstörerische, sie will zerstören, alles vorhergehende auf den Müllhaufen der Geschichte werfen - tat sie auch - und hat ungüngstigerweise auch noch solche Leute wie Walter Ulbricht dazu inspiriert. Wenn man so will, waren die kulturbarbarischen Sprengungen Ulbrichts in Dresden Bauhaus-Aktionen, hier wurde tatsächlich mit allem gebrochen was vorher da war.

    Das ist übrigens ein guter Punkt, auf dem wir mal aufbauen sollten — welche Häuser, Sehenswürdigkeiten usw. mussten in der DDR jenen Neubauten weichen?

    Reparationszahlungsforderungen wären ein Anfang oder zumindest die Zahlung für Neu-Bestuckung einst entstuckter Wohnhäuser/Altbauten. Jetzt wo allmählich die DDR-Aufarbeitung mediales Aufsehen erlangt. (Und nein, ich möchte hier keine spezielle Themenabdrift zur DDR. Kontext ist Architektur!)