• Auch in der NS-Zeit wurde im Bauhaus-Stil gebaut. Allerdings fast ausschließlich im Gewerbebau. Auch eine Anlage wie das KdF-Bad Prora zeigt Bauhaus-Einflüsse.

  • Das deckt sich auch vielleicht mit der Idee in den zwanziger Jahren

    Siehe Herbert BayerDessau, Deutschland, alte Kultur, neue Arbeitsstätten1926

    Ich möchte jetzt nicht zu viel hineininterpretieren. Aber wenn man sich diese Grafik ansieht, war das Bauhaus, wie Wikos bereits paar Beiträge zuvor erwähnte, hauptsächlich (?) für die Industriearchitektur konzipiert worden.

    Und irgendwann ist man falsch abgebogen und dieser Stil *) wurde auf Wohnanlagen, Behörden, Kultureinrichtungen, ausgeweitet und dann auf alles was "neu" gebaut wurde.

    *)Wobei ich der Meinung bin, dass Minimalismus nicht grundsätzlich schlecht sein musss.

    Beauty matters!

  • Das Problem ist, dass mit dem Bauhaus Prinzipien des Industriedesigns, das immer auf Vervielfältigung und Massenproduktion aus ist, auf die Architektur übertragen wurden. Ich habe null Probleme mit Bauhausmöbeln, Bauhausuhren, Bauhauslampen etc. Im Gegenteil halte ich hier vieles für sehr schön und finde es vollkommen richtig, dass Funktionalität und Form eine Symbiose eingehen, sodass Produkte ästhetisch ansprechend, einfach zu handhaben und dennoch bezahlbar sind. Reduktion auf das Wesentliche ist im Produktdesign tatsächlich etwas, das Produkte hochwertiger erscheinen lässt. Aber eben nicht in der Baukunst, die von der Einmaligkeit eines Werkes lebt und kein industrielles Fließband-Erzeugnis sein sollte. Mit dem Bauhaus wurde die Architektur entwertet und zu „Produkten“ degradiert. Das halte ich für das Fatale.

  • Bauhaus-Epigone Ludwig Mies van der Rohe ist ja bekanntlich auch eine zwiespältige Gestalt, wobei sich das aus heutiger Sicht immer alles leicht sagen lässt:

    "Mies van der Rohes Haltung zu den neuen Machthabern ist in der Folgezeit oft als opportunistisch kritisiert worden. Im Jahr 1934 trat er in die Reichskulturkammer ein, am 18. August 1934 unterzeichnete er den Aufruf der Kulturschaffenden zur Unterstützung Adolf Hitlers im Völkischen Beobachter, im selben Jahr trat er in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt ein und nahm an der Ausstellung Deutsches Volk-Deutsche Arbeit teil; auch sein Entwurf für den deutschen Beitrag zur Weltausstellung in Brüssel (1934) kann als Zeichen seines Opportunismus verstanden werden.[5]

    Die Nationalsozialisten grenzten ihn jedoch immer stärker aus und drängten ihn 1937, die Preußische Akademie der Künste zu verlassen.[6] Damit war klargestellt, dass er offiziell abgelehnt wurde. Das hing allerdings nicht mit einer grundsätzlichen Ablehnung der Moderne durch den Nationalsozialismus zusammen, wie die neuere Forschung zeigt.[7] Mies van der Rohe jedoch lehnte eine politisch determinierte Kunst ausdrücklich ab. Demnach war sein Revolutionsdenkmal für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von 1926 keine politische Stellungnahme zugunsten einer sozialistischen Räterepublik, derer er nun verdächtigt wurde, sondern lediglich die künstlerische Umsetzung des Gedenkens an zwei Opfer willkürlicher Gewalt. Seine Fehleinschätzungen politischer Realitäten teilt er mit einigen anderen Künstlern. Bei ihm erklären sie sich vielleicht mit seinem von Freunden konstatierten Desinteresse an politischen Themen."

    https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Mi…onalsozialismus

    "Mies wollte bauen, egal für wen - und so baute er für Kommunisten und Kapitalisten und für die Republik, am liebsten für Mäzene, die ihn machen ließen.

    War er naiv, ohne Durchblick, oder war er abgebrüht und amoralisch, ein Opportunist wie viele seiner Berufskollegen damals?

    Mies war nicht rechts, nicht links, kein Mann der Mitte - das Baugenie war so politisch wie ein Sack Zement. Dennoch (oder gerade deshalb) bekam er Ärger, mit Rechten und mit Linken.


    (...)

    "Die »Weltbühne« sah Mies als einen Steigbügelhalter des Faschismus, sah ihn »vor spießbürgerlichen Elementen scharwenzeln«; die Nazis erblickten im Bauhaus weiterhin ein Virus, von dem es Deutschland zu befreien galt, und in seinem Direktor »einen Herrn Mies van der Rohe, der sich nicht genug tun konnte im Modernsein und die tollsten, sinnlosesten Pläne entwarf«"

    Auch dass das Bauhaus aktiv aus NS-Deutschland "vertrieben" wurde, kann man nicht so platt stehen lassen. Es wurde gegängelt wie viele Institutionen, die Auflösung war aber letztlich eine persönliche und wirtschaftlich getriebene Entscheidung durch Mies van der Rohe, der sich zuvor jahrelang anbiederte:

    "Am 11. April 1933 besetzten Schutzpolizei und SA das Bauhaus. Mies - der um seinen Entwurf für den Reichsbank-Wettbewerb bangte - antichambrierte beim NS-Kulturkämpfer Alfred Rosenberg und drei Monate lang bei der Gestapo. Vergebens. Die Gestapo erteilte ihm dermaßen unverschämte Auflagen, daß er sich am 20. Juli entschloß, das Bauhaus »in Anbetracht der durch die Stillegung eingetretenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten« aufzulösen."


    Doch danach ging die Anbiederung weiter:

    "Mies schlug sich mit den Tantiemen für seine Möbelentwürfe durch und setzte - nachdem Hitler alle Wettbewerbsbeiträge für den Reichsbank-Bau verworfen hatte - seine Hoffnungen auf einen von Goebbels ausgelobten Wettbewerb für einen Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1935 in Brüssel.

    Der Ausschreibungstext ließ keinen Zweifel an dem erwarteten Charakter des Bauwerks. Die »kämpferische Kraft« und den »heroischen Willen des Nationalsozialismus« sollte es »in repräsentativer Form« zum Ausdruck bringen - und tatsächlich trieb Mies, der noch der Republik bei seinem Bau für Barcelona jedes Zugeständnis entschieden verweigert hatte, nun seine Kompromißbereitschaft bis zum Verrat seiner Prinzipien: Er garnierte seinen Kubus mit einem Reichsadlerchen und strichelte an die Marmorwand einer »Ehrenhalle« ein abstrahiertes Hakenkreuz.

    Mies wollte den Auftrag offenbar um nahezu jeden Preis, denn nun folgte er sogar einer Aufforderung der Reichsschrifttumskammer, mit dem »Aufruf der Kulturschaffenden« ein Treuebekenntnis zu Adolf Hitler zu unterzeichnen.

    (...)

    Der Aufruf galt der Volksabstimmung über das »Gesetz über das Staatsoberhaupt«, mit dem, nach Hindenburgs Tod, die Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten vereinigt werden sollten. Das Votum brachte Hitler am 19. August 1934 eine überwältigende Mehrheit: Deutschland hatte seine Führerdiktatur.

    Dem anpassungsbereiten Mies brachte die Unterschrift nichts. Der für Brüssel geplante Pavillon wurde nie gebaut. Hingegen begann nun eine Reihe von Demütigungen, die dem weltweit geachteten Architekten schließlich auf brutale Weise beibrachten, was er nicht wahrhaben wollte: Er war ausgestoßen.

    (...

    Amerika? Mies war nun 50, er sprach nicht englisch, Deutsch war seine einzige Sprache und Deutschland sein kulturelles Umfeld. Alles Amerikanische erschien Mies, wie die Historikerin Hochman interpretiert, als banausenhafte Mischung aus Cowboys und Al Capone, Hollywood und Benny Goodman - und der »Herr Professor« säße mittendrin als Mr. Nobody.

    Mies war für sein Phlegma berühmt und berüchtigt, wortkarg und bewegungsfaul - ein Buddha, ein Mann träger Unschlüssigkeit, der nur schwer (am frühen Nachmittag) in Gang kam und auch dann nur mit Hilfe von Martinis und Zigarren. 30 Jahre lebte er nun in Berlin, 20 in derselben Wohnung.

    »Unerschütterlich«, so Biograph Schulze, zahlte er den »Preis für seine Eigenbrötlerei«, saß bewegungsunfähig in der Nazi-Metropole und betrachtete sich als »Opfer der Umstände«. Er nahm einen mühsamen, einen langen Abschied. Vom Sommer 1937 bis zum Sommer 1938 zog sich seine Auswanderung hin."

    Spannendes Dokument:

    Langer Abschied

    Wie hielt es der deutsche Architekt Ludwig Mies van der Rohe mit den Nazis? Eine US-Kunsthistorikerin hat die Zeit vor seiner Emigration untersucht.

    04.06.1989, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 23/1989

  • Ich finde es bemerkenswert, dass es ausgerechnet der hier so gescholtene Philipp Oswalt ist, der dem Bauhaus und der heutigen Architektenschaft das Festhalten an der Ideologie des Flachdaches vorwirft:

    Zitat

    Wenn man jetzt an Architekturfakultäten schaut und da unterrichtet und auch mit Studenten spricht, auch heute gilt es so, dass ein Satteldach degoutant ist, das kann man nicht machen, das gilt als rückschrittlich, als völlig out. Das ist sehr erstaunlich, wie diese Ideologisierung auch noch 80 Jahre später so vehement fortwirkt.

    Mich freut diese differenzierte Sichtweise.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Diese "Frontlinie" ist alt, im süddt. Raum, also auch bei uns, älter und und ausgeprägter als im Norden. Finsteres Mittelalter gegen lichte Neuzeit - nördliche Gotik gegen südliche Renaissance.

    Letztlich ist alles eine Klimafrage, was zu zB für die Salzburger Altstadt typische Grabendächer geführt hat. Der technische Fortschritt machte das entbehrlich. Ich persönlich finde Flachdächer auch eleganter, bin somit diesbezüglich auf Bauhausschiene. Aber natürlich hat das nicht für zB fränkische Altstadtgebiete zu gelten.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Kurzes Interview mit Christoph Mäckler:

    "Das Sonntagsmagazin in hr1 hat sich mit „rund und eckig“ – Formen des Lebens beschäftigt und ist dabei auch dem Bauhaus-Satz „form follows function“ nachgegangen. 🏠 Christoph Mäckler kritisiert eine stark funktionale Architektur als abweisend und lebensfeindlich. Hier erfahrt ihr, warum."

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  • Ohne das gelesen zu haben ist der Satz "Form follows funktion" eine der Ursünden der Architektur. Menschen haben doch Augen, und sie fühlen, wenn sie Dinge wahrnehmen, wenn sie schön sind oder eben hässlich. Übrigens, wenn "form follows function" in der menschlichen Anatomie gelten würde, sähe der Mensch ganz anders aus als unser Schönheitsideal es zeichnen würde:

    Natur und Umwelt - german.china.org.cn - Prognose: Wie sehen die Menschen in 1000 Jahren aus?

    Nicht schön aber sicher: Graham überlebt jeden Autounfall - AUTO BILD

    Nein, "form follows function" ist eine dystopische Herangehensweise an die Architektur, welche eigentlich die höchste der Künste darstellt, und deshalb verleugnet es unser menschliches Wesen und ruiniert damit unser gebautes Umfeld.

  • Es ist auch immer die Frage, was man unter Funktion versteht. Das Elend der Moderne liegt ja darin begründet, dass sie diesen Begriff auf die praktische Nutzung bzw. die technische Effizienz reduziert hat.

    Funktionen eines Gebäudes sind aber auch:

    - Verschönerung des Stadtbildes

    - Vermittlung einer (höheren) Idee

    - Weckung bestimmter Gefühle beim Betrachter

    - Signalwirkung (als Wahrzeichen, als Landmarke etc.)

    - Vermittlung eines bestimmten Stilideals bzw. einer ästhetischen Grundhaltung

    usf.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.