Instandsetzung eines niederdeutschen Hallenhauses

  • Hallo zusammen,

    Ich hatte bereits ihn einem anderen Thread (Rietberg) schon Mal von dem aktuellen Vorhaben guter Freunde von mir erzählt, die derzeit im Aussenbereich eines kleinen Ortes bei Haselünne unweit von Lingen in Niedersachsen ein altes Hallenhaus wiederherrichten um dort mit Ihren Kindern zu wohnen. Nun möchte ich euch ein paar Bilder von der Baustelle zeigen. Zunächst ein paar Infos:

    Es wurde früher als Heuerhaus genutzt und entsprechend den finanziellen Mitteln regelmäßig Stück für Stück erweitert. Das bedeutet zunächst bestand der hintere Teil als Wohnraum und dieser wurde dann um den Dielenbereich immer weiter Erweitert. Daher besteht das Haus überwiegend aus Fachwerk der Zweitverwendung. Im vorderen Teil befindet sich ein Spruchbalken, welcher auf den Anbau aus dem Jahre 1801 verweist. Das Alter des älteren hinteren Anteils ist unbekannt. Das Haus ist auf Grund seiner Historie und nicht wegen seiner ursprünglichen Substanz denkmalgeschützt und wird mit diesen Anspruch wieder in Stand gesetzt.

    Einmal editiert, zuletzt von Benjamin (20. Januar 2019 um 23:14)

  • Das Haupttragwerk des Gebäudes stammt sehr wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert, zu erkennen an den gekehlten Kopfbändern, die ab dem frühen 17. Jahrhundert in Ostwestfalen aus der Mode kamen. Für noch älter halte ich es nicht, aus verschiedenen Gründen (Häuser des 15. Jahrhunderts sind in Westfalen recht selten, zudem gab es in der Region im 16. Jahrhundert ein starkes Bevölkerungswachstum nebst einhergehendem Bauboom, und die eher geringe Größe des Hauses spricht dafür, dass es in dieser Zeit als Teil eines neuen Hofs erbaut wurde).

    Da man aber derartige Datierungen nie ohne technische Hilfsmittel verifizieren kann, würde ich eine dendrochronologische Datierung empfehlen (solange Interesse daran besteht, das Alter des Hauses genau zu kennen). Die Aussichten auf Erfolg der Datierung halte ich für recht gut, da recht viel Originalsubstanz (diverse Hauptständer, Kopfbänder und Rähme sowie die Querunterzüge) erhalten ist.

    PS: Habe den Beitrag leider nur halb gelesen (bis Rietberg) und daher die Lage völlig falsch verstanden :peinlich: . Teil 1 meines Datierungsversuchs gilt immer noch, Teil 2 ist nun natürlich irrelevent.

    PPS: Ich habe gerade nochmal ein wenig recherchiert - es gibt aus der näheren Umgebung eures Hauses einige Bauten aus dem 15. und 16. Jahrhundert, am bemerkenswertesten ist das Hallenhaus vom Hof Wehlburg in Wehdel (mehr dazu hier, auf Seite 20ff), desweiteren steht im Heimatmuseum Haselünne ein Haus mit einem Innengerüst von 1504 (Hof Klus). Diese Situation würde eine dendrochronologische Untersuchung des Hauses nochmal interessanter machen :D

    2 Mal editiert, zuletzt von Mündener (20. Januar 2019 um 23:13)

  • Hehe, alles gut, vielen Dank für die Unterstützung, ich geb das weiter. Gerne mehr davon! P. S. Nicht verwirren lassen. Wir sind hier nicht in Rietberg sondern bei Haselünne in Niedersachsen unweit von Lingen oder Meppen.

  • Danke für all den Zuspruch und v.a. deine Einschätzung Mündener, ich geb es gern an den Bauherrn weiter. Kennst du dich / kennt sich jemand hier mit dem Thema Dendrochronologie für den Zweck der Altersbestimmung von Häusern aus? Wie würde man bei einer solchen Untersuchung vorgehen und wer kommt dafür infrage?

    In meinem Geographiestudium haben wir solche Untersuchungen gemacht, natürlich für einen anderen Zweck - Rekonstruktion von Klima- und Wetterverhältnissen vergangener Zeiten, nicht von Häusern :) - und da waren alte Balken aus Häusern deren Alter man KENNT gut, um Zeitreihen zu ergänzen.

  • Schönen guten Abend,

    nach meinem gestrigen Ausflug zu unseren Freunden im Emsland nun frische Bilder von der Instandsetzung des Hauses. Zur Erinnerung wie es noch vor einem Jahr aussah:

  • Zur Erklärung, warum nicht alle Fenster weiß sind: Hier waren die Türen und das Tor zur Scheune. An diese wird noch erinnert, wie mir die Bauherren mitgeteilt haben. Wie genau das aussehen soll, werde ich erfahren, wenn es fertig ist. Die braunen Fensterrahmen sollen dann aber passend sein. Angesichts der Detailverliebtheit und dem Willen besonder viel von dem alten Haus zu erhalten, mache ich mir da keine Sorgen.

    Beispiele:
    - Die gekehlten Kopfbänder wurden ergänzt, da nur noch eines erhalten war.
    - Die Eichenpfähle ruhen nun auf Sandsteinblöcken, die auf das neu gegossene Fundament gesetzt wurden.
    - An eine halb zu öffnende Tür wurde gedacht
    - Es wurden echte Sprossenfenster verwendet
    - Es wurden keine Tapeten verwendet sondern das Muster mit einer speziellen gemusterten Rolle aufgebracht
    - Als Erinnerung an den früheren Stampflehmboden wurde ein Epoxidharzboden mit Sandeinstreuung gewählt und und und

    Als Abschluss noch ein Bild der künftigen Küche. Hier erkennt man oben links auch noch eine kleine Tür. Hier war früher der Vorratsschrank. Auch diese Tür wurde restauriert und wieder eingesetzt.


    Und abschließend das Jahr der (Hoffentlich) Fertigstellung

  • Was dann mich dann doch überrascht hat, ist wieviel teurer eine solche liebevolle Sanierung ist. Man kriegt nur wenig von der Stange und kann auch nicht jeden Handwerker nehmen (die eh schon knapp sind). Bei jedem Handgriff an der alten Bauaubstanz kommen Überraschungen zum Vorschein und man muss seine Pläne anpassen.