Bremen - östliche Vorstadt

  • Also was in Bremen als erstes ins Auge springt, ist, dass es mit der meist 2- und 3-geschossigen Bebauung vielerorts keine einheitliche Traufhöhe gibt, wie z.B. in Hannover. Das bietet natürlich die ungeahnte Möglichkeit das Stadtbild in der Höhe stärker zu rhythmisieren, was zu einem urbaneren Gesamteindruck führen könnte. Diese Unordnung in der Bauhöhe ist ja etwas, was man z.B. in Städten wie New York so bewundert. Sie vermittelt den Eindruck von Prosperität.
    Ich weiß nur nicht, ob der miese Klumpen Am Dobben 95 da nicht zu dicht an dem Neubau steht. Und ich kann auch verstehen, wenn so mancher solche Experimente mit dem Stadtbild ablehnt. Auch soll das jetzt natürlich keine Einladung dazu sein Altbauten abzureißen. Der Bau sieht ganz gefällig aus.

  • und das mit einer zumindest für Bremer Verhältnisse sogar halbwegs gelungenen Gestaltung

    Ganz ehrlich so eine Beliebigkeit ärgert mich ein wenig. Was leistet dieser Bau architektonisch? Die drei Einrückungen erfolgen einfach auf Höhe der Traufkanten der drei umgebenden Häuser. Jedoch nicht aus echter Einpassung, sondern aus Genehmigungsgründen, also einem Sachzwang, keine wirkliche Schaffenshöhe. Dann die Fenster. Man hat ein bodentiefes Fensterformat (also Sachzwang bezüglich Stockwerkshöhe) über die gesamte Fassade gelegt zu einem einheitlichen Raster. Schaffenshöhe hier: Die Zahl der Fenster pro Fassadenseite und die Entscheidung die Gläser zweizuteilen. Ziemlich typische Wahl heute im Neubau, Schaffenshöhe also moderat. Und dann kommen Wir auch schon zur Wand selbst - mehr Gestaltung hat der Bau ja nicht - hier die Wahl von Klinker (komplett gerade durchverlegt) und Absetzung mit weißen Fensterrändern oder versetztem Klinker. Auch hier: Klinker mittlerweile völlig typisch im Neubau selbst hier in Süddeutschland, aufgrund der Absetzung um die Fenster würde ich hier die höchste gestalterische Schaffenshöhe dieses Baus verorten. Fazit: Das Gebäude ist völlig im Einklang mit der derzeitigen Wohnungsbauweise in Deutschland ohne gestalterisch hervorzustechen - völlig unabhängig ob das nun für Bremen so ein Sonderfall wäre, was ich mir nicht vorstellen kann.

    Was wurde dafür aber zerstört: Die feingliedrige Kubatur im Viertel, die übliche Bauhöhe, die Dachlandschaft, der Detaillierungsgrad in den Fassaden, die Parzellenbreite und damit das Verhältnis zwischen Vertikal- und Horizontalstreckung, der Blockrand.

    Was sind die Risiken? Üblicherweise beginnt die Struktur der Viertel genau so in eine Abwärtsspirale zu geraten: Zuerst werden einzelne Sanierungen völlig uneingepasst genehmigt. Dann lässt man mit einzelnen Nachverdichtungsprojekten den absoluten Bruch zu, der Wesenskern des Viertels beginnt sich aufzulösen. Ersatzneubauten werden dann an diesen Pioniernachverdichtungsprojekten orientiert. Dies frisst sich dann durch die Straßen, weil oft in Nachbarschaften immer weitere Grenzen überschritten werden. So sind die beiden Bestandsbauten Am Dobben 95 und 96 bereits Vorbote gewesen. Am Dobben 96 wird infolge bei einem Ersatz garantiert auf die Höhe seiner Nachbarn erweitert, wobei es zweifelsfrei keine Orientierung mehr am ältesten Bestand geben wird (warum auch, die Nachbarn sind ja schon nicht mehr wirklich zuordbar). Es scheint mir viele hier machen sich da überhaupt keine Gedanken bezüglich solcher Effekte und beklatschen impulsiv den kurzfristigen Ertrag einer kontrastreichen Nachverdichtung.

  • Kann die Einwände alle verstehen, sehe es aber trotzdem etwas anders. Mir geht es vielleicht mehr als vielen anderen tatsächlich eher um Verdichtung, diese ist für mich kein Schreckgespenst, sondern eher Ziel. Die Gefahr eines Dominoeffektes in diesem Bereich ist auch eher gering, da fast alles dort unter Ensembleschutz steht. Wie genau der Abriss des Hauses Nr. 95 genehmigt wurde, ist mir nicht ganz klar, das ist natürlich ein potenzieller Schwachpunkt in meiner Argumentation. Trotzdem ist der Abriss Bremer Häuser in diesem Bereich -anders als bis weit in die 1980er Jahre- mittlerweile praktisch zum Erliegen gekommen, das Beispiel Am Dobben 95 wurde quasi stadtweit zum Beispiel dafür, wie man es nicht macht.

    Auch bzgl. der Gestaltung des Neubaus würde ich noch abwarten. Mir gefällt der Stil eigentlich ganz gut, hochwertiger Klinker (keine Spaltriemchen aufs WDVS geklebt), symmetrische Fensteranordnung, auch diese Betonfaschen um die Fenster finde ich, ja, recht schick. Aber das ist natürlich Ansichtssache. In dem Glaskontinuum von ganz leer bis ganz voll tendiert das Gesamtpaket eben für mich Richtung halbvoll statt wie 90% der Bremer Neubauprojekte im Bestand zu halbleer. Ich könnte hier ganze Galerien mit weitaus schlimmeren, destruktiveren oder billigeren/unambitionierteren Neubauten in Baulücken im gleichen Viertel füllen.

  • Snork 29. Oktober 2023 um 20:18

    Hat den Titel des Themas von „Bremen - Östliche Vorstadt“ zu „Bremen - östliche Vorstadt“ geändert.