Mit diesem neuen Strang möchte ich gemeinsam mit den anderen Foristen herausfinden, welche gesellschaftlichen Gruppen für die vielen Abrisse seit Kriegsende die Verantwortung tragen.
Wenn ich mir die verschiedenen Beiträge über die "Veränderungen" unserer Innenstadt in den letzten Jahrzehnten so ansehe, nehme ich Erstaunen, Ungläubigkeit, ja Entsetzen, wahr. Hinter all dem scheint die unausgesprochene Frage zu stehen: WER HAT EIGENTLICH SCHULD AN DIESER VERSCHANDELUNG DER BREMER INNENSTADT? Die Beantwortung dieser Frage wird wohl nicht den einen Schuldigen hervorbringen, sondern eine Art Schuldkonzert. Ich versuche mal, hierzu, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, einige Verursacher zu benennen:
- Da wäre zum einen die Bremer Baubehörde, die die Bebauungsprozesse seit Kriegsende steuert und wie wir wissen, auch ästhetische Vorgaben macht. So wurde der Dudlerbau am Bahnhofsplatz von der Baubehörde auch deshalb favorisiert, weil das Gebäude Klarheit ausdrückt. Gebäude mit "Klarer Kante", mit klaren Linien sind sicherlich von der Baubehörde bevorzugte Objekte - kurz, alles was in Richtung Moderne geht. Dazu habe ich auch ein Beispiel aus der Nachkriegszeit, dass ich noch einstellen werde.
- Die Denkmalschutzbehörde. Es geht erstmal um den Zeitraum der 1940er- bis 1970er Jahre. Die Bauten des Historismus waren nicht angesehen, ja, wurden sogar gehasst. Ab den 1970/80er Jahren wurde es allerdings auch für die Denkmalschutzbehörde immer schwerer, Gebäude unter Schutz zu stellen. Die Gesetze waren erheblich verschärft worden. Auch dazu hätte ich einen Zeitungsartikel.
- Die Politik. Sie trägt die politische Verantwortung für all die Abrisse seit Kriegsende. Mal hat sie selbst Abrisse entschieden (wie im Beispiel Gästehaus des Senats/Parkallee deutlich wird), mal lässt sie die Baubehörde an der langen Leine agieren. Sie könnte den Bürgern bei der Stadtgestaltung mehr Befugnisse einräumen, sie könnte Gestaltungsgesetze, die Innenstadt betreffend, erlassen, sie könnte einen Gestaltungsbeirat ins Leben rufen. Alles leider nicht passiert.
- Die Architekten. Je mehr Zeit vergeht, desto unfähiger scheinen die Architekten zu werden. Vergleicht man Vorkriegsfotos mit der heutigen Situation, so kann man nur feststellen, dass die Stadt hässlicher geworden ist. Das ist Architektenwerk, deren Ausreden wir hier nicht mal diskutieren sollten. Es geht um Unfähigkeit, Hybris einer sich als Avantgarde definierenden Architektenschaft, fehlende Vorstellungskonzepte zm Thema Schönheit sowie die inzwischen weitverbreitete Unfähigkeit, zu zeichnen (sehen mit der Hand). Dazu kommt, dass sich Architekten aus ökonomischen Erwägungen gegenüber dem Investor prostituieren.
- Die Investoren. Eigentlich kann man Ihnen den geringsten Vorwurf machen. Sie wollen Kohle verdienen - das weiß jeder - kommen oft gar nicht aus Bremen, haben deshalb keinen Bezug zur Stadt.
Dies alles wird gerne von der flankierenden "Erkenntnis" des Zeitgeistes eingefasst. Aber der Zeitgeist verkommt heute ähnlich wie die Lieblingsbehauptung der Modernisten, "Schönheit liegt im Auge des Betrachters", zur abgedroschenen Phrase und dadurch zur Ausrede und Begründung für die scheußlichen Gebäude, die in den letzten Jahrzehnten unsere einst so schöne Stadt heimgesucht haben. Wenn alles nur noch im Auge des Betrachters liegt, dann gibt es ja keine Bausünden, keine Kritik mehr.