• Das man eine Verbindung zwischen Stadtschloss und Bruderstraße schafft halte ich für sehr schwierig. Das ehemalige Staatsratsgebäude steht unter Denkmalschutz und wurde von der ESMT European School of Management saniert. Ich glaube diese Frage wird sich in naher Zukunft nicht stellen.

    Ich habe mal eine andere Frage, die mich schon lange interessiert. Wie sah das Stadtschloss eigentlich bis zum seinem Abriss 1950 aus? War das Schloss ein grauer Kasten oder hatte es auch schon so eine helle, freundliche Farbe? Leider finde ich meistens nur Bilder aus schwarz/weiß oder Bilder die gemalt worden sind.

  • Letztlich passiert nun genau das, was die DDR-Nostalgiker von Anfang an befürchtet und die geschichtsbewussten Berlin-Erneuerer gehofft haben: dass mit dem Bau des Schlosses sich auch die gesamte städtebauliche Logik und die gesamten Bezugssysteme ändern. Dass die Stadtarchitektur wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird.

    Als ich gestern um das Schloss lief, stellte ich fest, wie sehr schon jetzt die Schlossfreiheit und auch der südlich gelegene Schlossplatz aufgewertet worden sind, wie immer mehr Leute auch über die Rathausbrücke gehen. Die fertige Kuppel ist zum Magneten geworden, dessen Wirkung sich weiter verstärken wird, wenn das Eosanderportal abgerüstet sein wird. Und wenn dann auch noch die von Stella geschaffene Passage eröffnet sein wird, stellt sich auch die Frage nach der Anbindung der Breiten Straße, die derzeit ja völlig unattraktiv und in Teilen recht hässlich ist.

    Dann geht es darum, wie diese vormalige Hauptstraße von Cölln aufgewertet werden kann. Der Verlust des Cöllner Rathauses am Anfang der Breiten Straße, aber auch der Petrikirche am Beginn der Brüderstraße werden immer augenfälliger werden. Immer offensichtlicher wird werden, wie sehr die Nachkriegsplanung den Stadtkörper verkrüppelt hat.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Habe ich das richtig verstanden, dass die Gegend verkehrberuhigt wird?

    Das käme dem ja entgegen!

    Gibt es schon Initiativen hinsichtlich der Brüderstraße?

    Grüße zurück!

    Mir sind keine Initiativen hinsichtlich der Brüderstraße bekannt.

    Aber der Bau des House of One spräche auch für eine Verlängerung der Brüderstraße hin zur Schlossfreiheit.

    Das wäre bestimmt eine begrüßenswerte direkte Verbindung zwischen dem inhaltlichen Anspruch des Humboldt-Forums im Berliner Schloss und dem interreligiösen Bethaus.

    Von den geplanten und zum Teil schon begonnenen Umbauten im Bereich Grunerstraße, Spittel - und Molkenmarkt ist mir von einer geplanten Verkehrsberuhigung nichts bekannt.

    Inwieweit sich die Umbauten auf das Verkehrsaufkommen auswirken werden bleibt abzuwarten.


    Gruß aus Berlin.

  • Immer wieder habe ich von betagteren Modernisten zu hören bekommen, das alte Schloss sei ein hässlicher, dreckiger Kasten gewesen. Mit dieser Sichtweise korrespondiert die Begeisterung der Moderne für saubere, strahlende Außenhüllen.

    Dies wirft für mich ein bezeichnendes Licht auf die - buchstäblich oberflächliche, nicht mehr morphologisch denkende - Architektur der Nachkriegszeit. Die schönsten Ornamente, die bestproportionierten Gliederungen zählten nichts, wenn sie nicht sauber waren - im Gegenteil, sie waren Dreckfänger. Die glatten, einfallslosen, unstrukturierten Neubaufassaden waren hingegen gut, weil sauber. Am besten waren abwaschbare Oberflächen wie Glas, Stahl oder Fliesen.

    Diese Mentalität erklärt sich aus den Erfahrungen verwahrloster Mietskasernen und schmutziger Kellerlöcher, die im Krieg als Behausungen dienten. Aber dass derartige Traumata die Grundhaltung einer Architekturepoche prägen konnten, ist nur schwer verständlich. Zugleich wird deutlich, wie schnell die moderne Architektur entwertet bzw. in ihrer Dürftigkeit bloßgestellt wird, sobald die Materialien altern.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Es ging mir hier ausschließlich um von Meister Lampe aufgeworfene Frage nach der Farbfassung und, davon abgeleitet, das Phänomen der modernen Oberflächenästhetik.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Der Satz von "1000 Jahren glorreiche deutscher Geschichte" ist deshalb absurd, weil in diesen Jahren nur Erpressung, Ablasshandel, Hexenverbrennung, Ausbeutung, Genozide, Pogrome, Armut, Hunger, Kriege und Schlachten vorherrschten.

    Das ist nicht allein die Geschichte Deutschlands, sondern Europas. Und diese Zeit wurde überwunden und niemand wäre jeh auf die Idee gekommen, das Heutige zu verfluchen und unkritisch das Alte zu glorifizieren.

    Das ist doch getrennt von der Kunst, die Einzelne (!) uns hinterließen.

    Manche müssen schlichtweg weg vom schwarz-weiß-Denken. Ich nehme mal Luther. Da ist es vollkommen richtig zu sagen, dass er unsympathisch war, weil er frauenfeindlich und Antisemit war, aber die Öffnung der Kirche war wichtig und zwar immens! Da kann ich trotzdem doch sagen, dass man ihn nicht mag, statt unkritisch zu sein, weil es doch so bequem ist, gute Taten nur guten, fehlerfreien Menschen zuzuordnen.

    Ich stelle heutzutage immer wieder eine umheimliche Arroganz gegenüber den Menschen früherer Jahrhunderte, unseren Vorfahren, fest. Statt sie im Kontext ihrer Zeit zu sehen, legt man an einen mittelalterlichen Mönch die selben moralischen Ansprüche an, wie an einen Akteur der heutigen Zeit. Dass der mittelalterliche Mönch in einer ganz anderen Gesellschaft und in einer ganz anderen Welt als wir heute gelebt hat, ignoriert man dabei geflissentlich.

    Dass Menschen, die jedes Jahr aufs Neue um ihr eigenes Überleben und das ihrer Familie kämpfen müssen, weil eine Missernte sie in höchste Not bringt, wo Frauen so viele Kinder wie möglich bekommen MUSSTEN, da Fehlgeburten und Tode im Kleinkindalter praktisch jede Familie betroffen haben und nur so ein Überleben im Alter gesichert werden konnte (wenn man es denn erreichte) und wo die Menschen in kürzesten Abständen großes Leid wie Kriege und Seuchen überleben mussten eine andere Moral und Haltung dem Leben gegenüber hatten, als wir heute, ist doch selbstverständlich. Dass auch die Bedeutung der Familie und die Rolle von Mann und Frau eine andere war, als wir es heute gewohnt sind, sollte auch nicht verwundern.

    Natürlich sind auch schreckliche Dinge passiert, Aberglauben, Antisemitismus und Hexenverbrennung sind sicherlich keine ruhmreichen Bestandteile unserer Geschichte, aber kann man der Masse der Menschen mangelnde Bildung vorwerfen, wenn noch nicht einmal der Buchdruck erfunden wurde und es Jahrhunderte brauchte, bis dieser die breite Masse erreichte? Kann man es den einfach Leuten vorwerfen, dass sie sich nicht mit lateinischer Grammatik, den Texten von Aristoteles oder römischer Geschichte auseinandersetzten, während sie jede freie Minute auf dem Feld, im Garten, im Wald verbringen mussten und zum Feierabend noch Handarbeit im Haus wie zB. Spinnen angesagt war?

    Und doch haben die Menschen in jedem Jahrhundert ein klein wenig mehr erarbeitet, als zum Überleben notwendig war und unter anderem Bauwerke und ganze Städte von größter Schönheit erschaffen, wo unsere Gesellschaften heutzutage nur noch in homöopathischen Dosen zu in der Lage scheinen. Sie haben große Köpfe hervorgebracht, die Wissenschaft und Technik mit den einfachen Mitteln, die sie hatten, vorangebracht haben und sie haben sich Stück für Stück auch in Sachen Philosophie weiterentwickelt.

    Und wir mögen heute mit Mitleid auf die Menschen von damals blicken, doch ich glaube, dass die Menschen damals noch andere Dinge hatten, die wir heute nicht mehr haben. Praktisch jeder Gegenstand war von Menschenhand gefertigt, was den Dingen einen ganz anderen Wert verliehen hat. Die Verbindung mit der Natur war viel enger, weil man ihr viel stärker ausgesetzt war. Der erste warme Frühlingstag wurde sicher ganz anders wahrgenommen als heute, wo man sich bloß freut, vom gut beheizten Auto die 200 Meter zum gut beheizten Büro nicht dem kalten Wetter ausgesetzt zu sein.

    Aber warum haben wir heute überhaupt das gut beheizte Auto und Büro? Weil unsere Vorfahren es uns ermöglicht haben. All unser Komfort, unsere Bildung, unsere heutige Gesellschaft, ja, unsere ganze Existenz verdanken wir all den Menschen, die in den vergangenen Jahrhunderten unter teils größtem Leid und Schwierigkeiten weitergemacht haben, die mit größten Anstrengungen und unter höchsten Gefahren Großes geleistet haben.

    Aber was passiert heutzutage? Viele Zeitgenossen sitzen mit der Chipstüte auf dem Sofa und meinen, großen historischen Figuren Vorhaltungen und Vorwürfe machen zu dürfen, weil sie dieses und jenes "falsch" gesehen haben. Sie erhöhen sich selbst und meinen, sie selber hätten zu damaligen Zeit sicher als "richtig" gemacht, ohne auch nur das kleinste bisschen über die damaligen Umstände nachzudenken. Noch schlimmer, man macht den Menschen von damals den Vorwurf, dass sie die Erkenntnisse nicht haben, die erst in nachfolgenden Jahrhunderten gewonnen wurden.

    Die heutige Gesellschaft wird als höherwertig betrachtet, weil man sie nicht an den Möglichkeiten misst, die sie hat (und möglicherweise nicht nutzt), sondern weil man sie mit früheren Gesellschaften mit geringeren Möglichkeiten vergleicht.

    Ich kann nur eines sagen: Sollte unser ganzer Wohlstand aus irgendeinem Grund einmal vernichtet werden oder ein Unfall passieren (zum Beispiel drei Tage Stromausfall), dann möchte ich einmal sehen, wie schnell der Lack unserer heutigen Zivilisation abblättert und wie lange hehre Grundsätze und die hohe Moral halten.

    All dies gilt übrigens nicht nur für die Zitate von @Wassermann (die symptomatisch für einen Großteil der Geschichtsbetrachtung in unserer heutigen Öffentlichkeit sind), sondern es ist genauso eine Reaktion auf die unsägliche Kreuz-Debatte und die mediale Empörung über das vermeintlich so verwerfliche Spruchband, wo man nicht in der Lage zu sein scheint, Dinge als zeitgeschichtliche Zeugnisse und ihren Inhalt im Kontext ihrer Zeit zu sehen.

    Und, um hier den Kreis zu schließen, es hat nicht nur Zeiten mit Fortschritten, es hat auch Zeiten mit Rückschritten gegeben. Bei unserer heutigen Zeit bin ich mir manchmal nicht ganz sicher, ob wir die Dinge wirklich noch verbessern. Was Diskussionskultur und die Fähigkeit, eine reflektierte Debatte zu führen angeht, sehe ich zumindest in unserer Öffentlichkeit doch eher einen Niedergang als eine Verbesserung. Hoffentlich werden sich auch diese Zeiten wieder ändern.

  • 100% Zustimmung. Was noch dazu kommt: diese Menschen sind in der Regel selbst symptomatischer Vertreter IHRER Zeit. Sie übernehmen unhinterfragt jene Denkmuster, die ihnen die neuen ‚Obrigkeiten‘ oder ihr (sich selbst regulierendes) heutiges Kollektiv vorsetzen und sind nicht einen Zentimeter weiter als die Bauern, die die Welt anhand der Kategorien beurteilen, die sie in der Messe oder von ihren Fürsten lernten.

    Derselbe Hang, „Abweichler“ von den heutigen Evangelien öffentlich bloßzustellen, derselbe Geist, der zu den Mistgabeln griff und sich zu einem homogenen Pöbel vereinigte. Was alles noch viel verwerflicher ist, weil man heute -im Unterschied zum Mittelalter- alle Möglichkeiten hat, den eigenen Horizont zu erweitern und sich und seine Umwelt kritisch zu hinterfragen.

    Ich denke mir oft: wie anmaßend viele Kirchenkritiker doch sind, die intellektuell mindestens 1000 Stufen unter Augustin stehen, wenn sie sich (wie Bauern auf Brueghels Bildern) über die „Naivität“ vergangener Epochen mokieren und feixen. Wie arrogant, sich selbst ÜBER den Menschen vergangener Zeiten zu wähnen und den Richter über Jahrtausende zu spielen, weil man ein iPhone bedienen kann.

    Und wie unfähig sie sind, sich ihrer Fantasie zu bedienen, um die gesellschaftlichen/technologischen/psychologischen/politischen/geistesgeschichtlichen/wirtschaftlichen Voraussetzungen vergangener Zeiten mitzudenken, um überhaupt ansatzweise verstehen zu können, warum die Menschen (oder der einzelne Mensch) so handelte, wie er handelte. Er nimmt sich selbst lieber -wie der dümmste Bauer- als absoluten Maßstab für alles und jeden und ist vor lauter Selbstbeweihräucherung nicht mehr in der Lage, zu denken. Er weiß ja schon alles...

  • Centralbahnhof ist in jeder Hinsicht zuzustimmen. Hinzu kommt, dass die Menschen früher nicht nur unter schwierigeren Lebensbedingungen lebten und daher manches nicht besser machen konnten; manches haben sie einfach auch besser gemacht.

    Nennt mir einen Komponisten nach 1900 im Rang von Bach, Mozart, Schubert oder Beethoven.

    Nennt mir einen Maler der Moderne, der es mit Raffael, Tizian, Rubens, Rembrandt oder Tiepolo aufnehmen könnte.

    Welches Bauwerk der letzten 100 Jahre reicht an den Parthenon, an Fontenay, die Saint-Chapelle oder Vierzehnheiligen, an den Schlüterhof, den Dresdner Zwinger oder den Konservatorenpalast heran?

    Welcher Schriftsteller hat heute noch die Sprachgewalt eines Schiller oder den Gedankenreichtum eines Goethe und Hölderlin?

    Und im Gegenzug:

    Welches Jahrhundert hat es zu derartigen Völkermorden gebracht?

    Wann sonst als in der 20. Centurie sind Menschen so systematisch und in so großer Zahl ausgerottet oder unterdrückt worden?

    Wann sonst sind Millionen selbsternannten Heilsbringern nachgelaufen und haben so viele Massenmörder als Messiasse verehrt?

    Wann sonst haben Scharlatane und Blender sich so leicht als große Künstler und erfolgreiche Architekten ausgeben können?

    Wann waren die Städte der Welt jemals so hässlich?

    Es gibt vieles, was wir heute besser können - auch, weil wir auf den Erfahrungen früherer Generationen aufbauen dürfen.

    Aber es gibt auch so vieles, was wir heute nicht mehr können oder schlechter machen. Daher rate ich zu mehr Respekt gegenüber den Altvorderen und mehr Demut für uns selbst.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Luther rief dazu auf, die Bauernaufstände mit äußerster Brutalität niederzuschlagen, Synagogen zu zerstören und den Talmud zu verbrennen. Und auch hier: man muss es aus der Zeit, aus der charakterlichen und religiösen Prägung Luthers, aus den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den Machtverhältnissen usw. betrachten, um es verstehen zu können (was nicht gutheißen bedeutet). Das Problem bei der heutigen gängigen Geschichtsdeutung ist, dass man den Gegenstand von außen kritisiert, anstatt von innen verstehen zu wollen. Man schafft künstlich Distanzen, sobald der Gegenstand sich von gängigen moralisch-ethischen Prinzipien entfernt. Man hat Angst, dass man durch die Innenschau und die Vergegenwärtigung der Umstände die Motive der verwerflich Handelnden nachvollziehen könnte. Und das halte ich für falsch, da man dadurch heutige (wiederum sehr zeitgebundene) Parameter anlegt und sich selbst innerer Erfahrungen beraubt. Geschichte sollte nicht dazu dienen, sich selbst moralisch zu erhöhen (das tut man bewusst oder unbewusst, wenn man anhand heutiger Maßstäbe zu moralisieren, sich zu distanzieren oder gar zu richten beginnt), sondern Prozesse aus der jeweiligen Zeit heraus zu verstehen.

  • Es geht nicht darum, die Vergangenheit zu verklären, sondern die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Und sich auch von den Mythen des Modernismus zu emanzipieren und Ambivalenzen zu akzeptieren.

    Die politische Aufklärung beispielsweise mündete in das Terrorregime der Jakobiner. Der nackte Rationalismus des Fortschrittsglaubens hat im 20. Jh. mehr als irgendwelche Rückwärtsgewandtheiten zu den großen Katastrophen geführt. Auch ging mit der Aufklärung ein ungeheurer Verlust an Bildungswissen einher.

    Auf der anderen Seite hat sie neues Wissen generiert und alten Aberglauben überwunden.

    Wie gesagt, die Dinge sind meist ambivalent.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Das mag sein.

    Aber erstens wären so manche Kriege und Konflikte im 19. und 20. Jh. nicht gewesen, wenn man auf Aufklärer der Literatur gehört hätte, die ja eben ihre eigene Zeit und deren Struktur kritisiert haben.

    Zweitens folgten ja Dinge im 20. Jh. die aufgrund von Rückwärtsgewandtheit erst möglich waren.

    Ich sehe halt Dinge kritisch. Achte Positives, verweise auf Negatives.

    Wenn es den einen oder anderen glücklicher macht, Vergangenes außnahmslos gut zu finden, soll er es machen. Ob es der Realität nahe kommt, ist eine andere Frage.

    Lieber Wassermann,

    ich schätze deinen kritischen Blick und deine Beiträge sehr.

    Aber wenn ich richtig verstehe, dann kritisiert Centralbahnhof nicht eben diesen, sondern die Art und Weise, wie wir teils mit unserer Geschichte umgehen.

    Die Beachtung des geschichtlichen Kontextes soll keiner Entschuldigung oder gar Gutheißung gleichkommen, sondern zu einem größeren Verständnis führen, und letztlich auch für unsere heutige Zeit.


    Gruß aus Berlin.

  • Großartiger Artikel von Centralbahnhof!

    Man könnte auch sprechen von der Arroganz der Heutigen, die ihre Zeit als das non plus ultra ansehen.

    Allerdings ist diese sich selbst überhöhende Sichtweise nichts Neues. Im Barockzeitalter schätzte man die Gotik wenig; und das galt nicht nur für die Architektur. Friedrich der Große meinte über die neu entdeckte Literatur der Minnesänger, sie sei "keinen Schuß Pulver wert", er werde "derart elendes Zeug" in seiner Bibliothek nicht dulden. Nur wenige Jahrzehnte darauf stand die Gotik und Literatur des 13. Jhds. wieder hoch im Ansehen

    Oder - ein SPD-Fraktionsvorsitzender 1991, der die Umbettung der Preußenkönige nachPotsdam kritisierte, weil sie keine Demokraten gewesen seien. Der Alte Fritz hätte sich unter Demokratie vermutlich gar nichts vorstellen können, allenfalls hätte er als gebildeter Mensch an die attische Demokratie gedacht, und die hatte bereits Aristoteles scharf kritisiert.

    Ich habe selbst erlebt, wie man die vom Kriege verschonten Jugendstilbauten abgerissen oder verunstaltet hat, weil eine selbsternannte Elite diese Architektur als Kitsch ablehnte.

  • Genial. Übernehme ich in mein Argumentationsportfolio :)

  • Das stimmt m.E. so nicht ganz. Die Katastrophen waren nicht zuletzt die Folge einer radikalen Demokratisierung der Gesellschaft, die den Einzelnen zum Teil einer homogenen Wirtschaftsmasse degradierte. Die Möglichkeit der Industrialisierung des Mordes war ebenfalls eine ‚Errungenschaft‘ der Moderne, bzw. ohne diese nicht denkbar. Die „Ver(schein)wissenschaftlichung“ und Biologisierung von Menschengruppen wäre im frühen 19. Jahrhundert in dieser Form ebenso nicht denkbar gewesen. Die PR-Kampagnen sind ein modernes Mittel der Massenmanipulation, das bis heute Gültigkeit hat. Die Bürokratisierung, die Menschheitsverbrechen zu einer Frage der Logistik reduzierte, war eine Folge des rationalen Zeitgeists, der kalte Effizienz höher gewichtete, als die Menschen. Von den Mitteln der Kriegsführung ganz zu schweigen. All das waren in meinen Augen ‚fortschrittliche‘ oder zumindest ‚moderne‘ Mittel oder anders gesagt: der Fortschritt in seinen negativsten Ausprägungen (die man nicht wegdenken kann, wenn man das ganze Bild dieser ‚Ideale’ sehen möchte).

  • Die Motive verstehen (und vielleicht nachvollziehen) zu wollen, bedeutet nicht, dass man etwas ‚glorifiziert‘. Und Zeitkontexten mit einem anderen Zeitkontext (unserem) zu begegnen und das Urteil davon abhängig zu machen, ob sie sich decken, ist bestenfalls kindisch, schlimmstenfalls Arroganz.

  • Ich stelle es jetzt trotz der interessanten Diskussion mal rein, man möge mir verzeihen.

    Heute bei schönstem Feiertagswetter gleich mal die Gelegenheit genutzt und nach Berlin gefahren. Es war relativ wenig Verkehr in der Stadt und daher entspannter als an einem Werktag. Eine Runde ums Schloss gedreht, beginnend von der Breiten Straße:

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    Verwaiste Platz von Babber50 ;)

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    Unser "Auge1"

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    Hoffentlich folgt hier bald die gesamte Bauakademie

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    Der Große Meister persönlich

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    Unser "Auge2"

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    Gegenüberstellung Kuppel mit rekonstruierter Fassade...

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    ...und moderner Fassade. Kann jeder selbst urteilen wo die Kuppel besser wirkt.

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    Und zum Schluss ausm Auto, Tschüssi Berlin und bis bald...

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  • Neußer

    Ist das eigentlich machbar? (...)

    Hier ist die dazu passende Antwort aus den FAQ des Fördervereins:

    Warum erhält das Schloss nicht mehr die beiden kleinen Seitenkuppeln neben der Hauptkuppel?

    Die beiden Seitenkuppeln entfallen aus Kostengründen, können aber später nachträglich aufgesetzt werden, wenn später dafür das nötige Geld bereit stehen sollte. Zunächst werden alle Spendengelder in die Fassaden und die Kuppel investiert bis zu deren vollständiger Bezahlung.


  • Gut, wenn es sich darauf bezieht bin ich d‘accord. Ich bin der Meinung, dass weder zu richten (womit ich nicht sachliche Kritik meine), noch zu idealisieren, einer Epoche gerecht werden kann. Und dass rückwirkende moralische Urteile und Benotungen angesichts des situativen, von vielen Faktoren bedingten und letztlich auch getriebenen Charakters geschichtlicher Handlungen keinen allzu großen intellektuellen Mehrwert bringen können, außer der Selbstvergewisserung, ein nach heutigen Maßstäben ‚sehr anständiger Mensch‘ zu sein.

    Was das Schloss betrifft: Die Kritik aus historischer Perspektive am Kreuz und dem Spruchband muss jederzeit möglich sein, keine Frage. Die Voraussetzung einer solchen Kritik ist aber, dass der Gegenstand vorhanden ist, auf den sich die Kritik bezieht. Es ist keine Kritik mehr, wenn man den Gegenstand der Kritik ‚verbieten‘ lassen möchte und die Diskussion damit für beendet erklärt (wie es viele ‚Kritiker‘ ja am liebsten gesehen hätten). Das hat nichts mehr mit Debattenkultur oder gar demokratischem Bewusstsein zu tun.

    Und wie gesagt: ich sehe das Schloss zuvörderst unter ästhetischen und kulturellen Gesichtspunkten, nicht tagespolitischen. Und da eine Rekonstruktion keine moralische „Wertung“ beinhaltet, sondern die Erlebbarkeit eines historischen Bauwerks in seinem authentischen Zustand zum Ziel hat und letztlich einen offenen Interpretationsspielraum zulässt, an dem sich alle beteiligen können, verstehe ich diese hysterischen medialen Diskussionen nicht (womit ich nicht dich meine). Wie übrigens wahrscheinlich die meisten Besucher aus dem Ausland (selbst aus Saudi-Arabien) nicht einen einzigen -sehr deutschen- Gedanken daran verschwenden, wieso da nun ein Kreuz auf der Kuppel ist.