• Zugegeben, das ist an dieser von dir zitierten Stelle eine recht saloppe Weise, mit der ich mich ausgedrückt habe.

    Allerdings auch bewusst, um zu verdeutlichen, für wie überzogen ich diese Diskussion teils halte.

    Allerdings stimme ich vollkommen mit dir überein, dass ich„die Kritiker"besser differenziert genannt hätte.

    Im Hinterkopf hatte ich dabei ein Interview von Frau Gesine L. und eines Verfassers eines Artikels dazu aus einem einschlägig bekannten Blatt, dessen Abdruck der Bär hinterläßt. ?

    Ich bitte um Entschuldigung.


    Gruß aus Berlin.

  • Wenn ich den Wiederaufbau des Stadtschloss Berlin verfolge und die dazugehörigen Kommentare, inkl. der Krönung des Stadtschloss mit dem Kreuz, bin ich erstaunt das wir solche Debatten überhaupt führen.

    Im Jahr 2019 hat in Paris die Kathedrale Note Dame gebrannt und die französische Regierung hat sich sofort bereit erklärt innerhalb von 5 Jahren die Kathedrale wieder aufzubauen. Auch dort gab es Diskussionen ob man die Kathedrale zeitgenössisch wieder aufbaut oder ob man die Kathedrale rekonstruiert.

    Auf dieser Kathedrale gabe es sicher auch einige christliche Symbole und ich gehe davon aus diese kehren auch zurück werden, ohne dass große Diskussionen geführt werden. Warum schaffen wir es in Deutschland nicht manche Dinge einfach mal positiv zu sehen.

    Ich möchte die Diskussion um Deutschlandfahne und christliche Symbole nicht der "Neuen Rechten" überlassen, ich würde mich einfach mal freuen wenn manche Menschen sich einfach mal freuen würden über das Erreichte. Auch wenn Deutschland ein Einwanderungsland ist, sind wir immer noch ein Land mit christlicher Vergangenheit und jüdischen Wurzeln. Genau deswegen sehe ich das Kreuz an der Spitze der Kuppel.

    Wenn man in der Türkei eine Moschee baut, kommt auch die Halbsichel an die Spitze des Turms und keiner führt Diskussionen aber wir Deutschen, wir führen endlange Diskussionen, statt zu unserer Vergangenheit zu stehen.

  • Lieber Wassermann!

    Jetzt bin ich mal kurz in mich gegangen und habe über deine Worte nachgedacht.

    Danke für deine besonnene Ausdrucksweise, mit der du mich erinnert hast. ??

    Folgendes möchte ich doch noch gesagt haben: Was mich an der Diskussion neben der teils zumindest von mir ausgemachten unversöhnlichen Verbissenheit stört, ist, dass so vieles hineininterpretiert wird.

    Dinge, die so nicht sind und womöglich nie eintreten werden.

    Sei es drum, ich mach' mich jetzt locker, fahre nach Mitte und werde mich freuen.

    Danke noch mal.


    Gruß aus Berlin.

  • Das wäre alles in Ordnung, wenn diese ‚Kritik‘ nicht ein unreflektierter Reflex wäre, der sich an allem, was mit abendländischer Kultur zu tun hat, festbeißt. Es waren bei den ‚Kritikern’ nicht Überlegungen, ob die Hohenzollerndynastie Unfrieden gestiftet hat und das Kreuz von ihnen womöglich (falsch) instrumentalisiert wurde. Sondern, ob man in der heutigen multikulturellen Zeit überhaupt ein Kreuz im öffentlichen Raum zeigen darf.

    Das Kreuz wurde also als Beleidigung anderen Kulturen gegenüber gedeutet, unabhängig davon, was es im Kern repräsentiert und unabhängig davon, ob es an einem Schloss angebracht würde oder einem modernen Zweckbau.

    Und diese Diskussionen halte ich für mehr als nur problematisch. Weil sie keine Diskussion zulassen, sondern sie zu ersticken suchen. Die ‚Kritiker‘ sind an sachlichen Debatten nicht interessiert, weil Emotionen (vor allem Hass, in diesem Fall auf die eigene Identität) die Triebfeder ihrer ‚Kritik‘ sind.

    Wer widerspricht und das Kreuz als prägendes Symbol europäischer Kultur sieht, wird in den Ruch des Faschismus gedrängt (siehe die ängstliche Reaktion der Kirchenvertreter, die sich nun ebenfalls dazu genötigt fühlen, sich daran stören zu müssen).

    Deshalb sollten die ‚Kritiker‘ ehrlicher sein und sagen: „wir hassen das Christentum, wir hassen das Schloss, wir hassen alles, was eine westliche Deutungshoheit beinhaltet. Wir hassen Widerspruch. Wir hassen Diskussionen, da Argumente der Gegenseite unseren Standpunkt widerlegen könnten. Wir hassen Pluralismus, sofern er sich auf Themen bezieht, die nur eine (unsere) Deutung zulassen.“

    Damit könnte man immerhin arbeiten. Und das Traurige ist, dass unter diesen ehrlichen Voraussetzungen vermutlich eine konstruktivere Debatte stattfände, als es derzeit der Fall ist.

  • [...] Die ‚Kritiker‘ sind an sachlichen Debatten nicht interessiert, weil Emotionen (vor allem Hass, in diesem Fall auf die eigene Identität) die Triebfeder ihrer ‚Kritik‘ sind. [...]

    Hallo East_Clintwood,

    auf die eigene Identität? Eher auf diejenigen, die eine Identität haben, denn sie haben keine und spielen sich daher als Richter auf, denn ihre Identitätslosigkeit verwechseln sie mit Objektivität. Daher kommt auch das unerträglich autoritär-arrogante Gehabe, das diese "Kritiker" herauskehren.

    Wenn man sich nur mal die beiden jüngsten Ereignisse am Schloss (die Spatenstecherei mit den paar gedungenen Fotografen und die Kuppelkrönung, die spontanen Beifall der Zuschauer auslöste) ansieht, weiß man, dass sie stets in der Defensive stecken, denn eine demokratische Debatte würde sie endgültig wegfegen.

  • Ich gebe dir in vielen deiner Ausführungen recht. Mit dem Kern des Kreuzes meine ich die Botschaft Jesu, die immerhin den moralischen Kanon begründete, anhand dessen ironischerweise gerade die Kritiker des Christentums argumentieren und politisieren. Dass die Aufklärung in einem dialektischen Verhältnis zum Christentum steht, darf man auch nicht vergessen.

    Was die Presse betrifft: es wäre schön, wenn eine Repräsentation aller Stimmen mit gleicher Vehemenz vorhanden wäre. Zumal da, wie ein Vorredner schrieb, gefühlt 95% der Kommentierenden sich gegen die in den Medien geäußerten „Bedenken“ wenden. Zwischen Kritiklosigkeit und sich als Kritik gebendem Hass sollte es ein Mittelmaß geben. Und in vielen Kritiken sehe ich nunmal letzteres (mal subtiler, mal weniger subtil) als gegeben. Und da sich Entscheidungsträger in aller Regel an dem (relativ unausgewogenen) Medienklima orientieren und weniger am direkten Austausch mit der Bevölkerung, halte ich das nunmal für problematisch.

    Und richtig: es geht um die Rekonstruktion eines historischen Baus, um ein Kunstwerk (unabhängig davon, wer es in Auftrag gab und welchem Zwecke es diente: es spricht -als Kunstwerk- für sich selbst). Möchte man sich kritisch mit der Geschichte der Hohenzollern oder der christlich motivierten Pogrome beschäftigen, gibt es mehr als genug Fachliteratur. Aber architektonische Werke für pädagogische Zwecke zu missbrauchen und die Kunst in den Dienst der Tagespolitik zu stellen (und durch dieses Korsett vermeintlich ‚genießbarer‘ zu machen), halte ich für grundfalsch, zumal die Vorlage gut genug dokumentiert ist und daher keine Interpretationen zulässt. So wie man keine Partituren Wagners umschreibt oder unzeitgemäße Bücher schwärzt, so sollte man bei der Rekonstruktion eines historischen Gebäudes nichts hinzufügen oder weglassen. Und schon gar nicht aus Angst und in vorauseilendem Gehorsam. Für die „kritische Aufarbeitung“ der Geschichte des Gebäudes, gibt es die Regale im Museumsshop.

  • Identität ist etwas zutiefst Subjektives, da gebe ich dir recht. Kulturelle Identität kann jedoch schon eine gewisse Faktizität für sich beanspruchen. Dennoch sollte die Debatte nicht von einem Hang zur Selbstverleugnung dominiert werden (der ebenso subjektiv geprägt ist), die sich in der Relativierung des Eigenen ergeht: unter peinlicher Wahrung der Rücksichtnahme auf das Fremde. Objektivität bedeutet zudem nicht, dass man keine Prinzipien mehr vertritt und zum Neutrum mutiert. Es bedeutet, dass man seine Argumentation sachlich vorträgt und die Voraussetzungen der Argumentation für den Anderen möglichst nachvollziehbar zu machen versucht. Letzteres vermisse ich großenteils in der gegenwärtigen (medialen) Debatte um das Kreuz.

  • Kreuz und Spruchband: Nun sind sie halt da.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Kreuz und Spruchband: Nun sind sie halt da.

    ... und was uns da geschenkt wurde, ist wertvoller als Gold.

    Und wisst ihr was? Ich freu mich drauf!

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Denkmal.

    Wenn ich hier schon Gesagtes wiederholen sollte, tut es mir leid. Ich habe nicht die ganze Diskussion im Blick.

    Eine Rekonstruktion bringt nicht nur ein Kunstwerk zurück und heilt nicht nur eine Stadt - sie ist immer auch die Wiederkehr eines Denkmals der Zeit, in der das rekonstruierte Gebäude entstanden war. Hier ist es die Zeit Friedrich Wilhelms IV., der uns in mancherlei Hinsicht suspekt sein kann: Das militärische Vorgehen gegen die Demonstranten am 18. März 1848 mit den anschließenden Barrikadenkämpfen, die Ablehnung der deutschen Kaiserkrone, die ihm vom Volk angeboten worden war, legitim vertreten durch die Frankfurter Paulskirche. Die geistigen Hintergründe dieser antidemokratischen Haltung des Königs seien an der Schlosskuppel wieder sichtbar geworden. Der Mann hätte den Deutschen und der ganzen Welt vielleicht einen Hitler ersparen können, was freilich Spekulation ist, wenn auch eine einleuchtend begründbare.

    Hält man diese Deutungen der Inschrift um das Oktogon und das sich darüber erhebende Kreuz für die allein richtigen, dann wäre immer noch die Frage, ob man auf eines der unmittelbarsten Zeugnisse eines so gravierenden Geschehens in der deutschen Geschichte verzichten könnte. Ich meine nein!

    Ich deute das Kreuz und die Inschrift freilich noch anders. Das pedantische Pflichtbewusstsein des Soldatenkönigs wie das geniale Friedrichs des Großen wurzeln in der reformierten Tradition des Staates seit dem 16. Jhdt. . Für Friedrich Wilhelm IV. war es eine aus Frömmigkeit folgende Pflicht, am Gottesgnadentum festzuhalten, davon bin ich überzeugt, nicht Machtinstinkt: Die Ablehnung einer Kaiserkrone über das ganze damalige Deutschland, so katastrophal diese Ablehnung auch in der deutschen Geschichte zu verorten ist, spricht gegen jede Machtgier des Königs, wie sie in den meisten Deutungen der Presse dem König unterlegt wird. Man kann diese Haltung Friedrich Wilhelms mit Recht verschroben, aus der Zeit gefallen, unfruchtbar, unklug, schädlich nennen. Doch selbst wenn man der Inschrift Weltherrschaft unterlegt, wie es manche tun, so wäre es kein Größenwahn des Königs, sondern gemeint ist in der Inschrift die Herrschaft Christi, an der die Könige nach der Denkungsart Friedrich Wilhelms teilhaben. Friedrich Wilhelm IV. war ja auch nicht nur der Reaktionär, als der er meist bloß gesehen wird: Er hat z.B. das Alte Museum gebaut, er, der Antidemokrat hat für die Bildung des Bürgertums mehr getan als viele, viele andere. Und er hat dem Schloss mit der Kuppel die Krone, die Vollendung und die neue Ausrichtung auf die Stadt geschenkt und dafür unseren größten Dank verdient!

    Weitere Gedanken will ich am Dreikönigsschrein im Kölner Dom festmachen. Zunächst ist er ein Ergebnis der Machtpolitik des Stauferkaisers Friedrich Barbarossa, der Mailand erobert und dem Erdboden gleich gemacht hat; dabei wurden die Gebeine der Heiligen Drei Könige geraubt und nach Köln gebracht. Dort hat man sie in einem wunderbaren Schrein aus Gold und Edelsteinen beigesetzt, heute noch Höhepunkt des Kölner Doms, ja ein nicht mehr wegzudenkendes Objekt der Identifikation der Stadt. Gleichzeitig aber ist der Dreikönigsschrein ein Denkmal von Krieg, Vernichtung, Raub, Machtpolitik und legt für diese geschichtlichen Tatsachen Zeugnis ab - ist also ein eher unangenehmes Denkmal, und daran ist in keiner Weise zu rütteln, wenn auch die Grundlagen der staufischen Machtpolitik nicht ohne Weiteres mit heutigen Maßstäben bewertet werden können.

    Doch niemand denkt mehr daran: Anderes ist in den Vordergrund getreten. Die Heiligen Drei Könige selbst lenkten den Blick längst ab von den Grausamkeiten, von denen sie nach Köln gebracht worden sind. Sie sind seit Jahrhunderten Ziel von Wallfahrten und Sehnsüchten, ohne sie gäbe es den gotischen Dom nicht, der heute Köln krönt. Für den Geschichtskundigen sind sie immer noch Zeugnis von Schrecken, aber gleichzeitig weiß er auch um die Wandlungen, die Bilder der Geschichte betreffen, von den Wandlungen der Gewichte, die einzelnen historischen Elementen beigelegt werden.

    Kreuz und Inschrift vertragen sich sehr gut mit dem Humboldt-Forum: Längst hat niemand vor der Zerstörung mehr die Vorgänge und Hintergründe der Niederlage der Paulskirche gesehen - fast krampfhaft werden diese Dinge ans Tageslicht gezerrt; aber selbst wenn man sektiererisch den Blick nur darauf richtete, wäre ihre Verleugnung nicht gerechtfertigt. Für die breite Öffentlichkeit aber waren sie längst nur noch Teil der Schlosskapelle geworden und hatten höchstens noch ganz weit im Hintergrund die Frömmigkeit dieses seltsamen Königs bezeugt, der sogar eine Kaiserkrone abgelehnt hat.

    Von der Vollkommenheit der Rekonstruktion, die ohne Kreuz und Inschrift Torso wäre, haben Andere schon das nötige gesagt.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Ich möchte die Diskussion um Deutschlandfahne und christliche Symbole nicht der "Neuen Rechten" überlassen, ich würde mich einfach mal freuen wenn manche Menschen sich einfach mal freuen würden über das Erreichte. Auch wenn Deutschland ein Einwanderungsland ist, sind wir immer noch ein Land mit christlicher Vergangenheit und jüdischen Wurzeln. Genau deswegen sehe ich das Kreuz an der Spitze der Kuppel.

    Wenn man in der Türkei eine Moschee baut, kommt auch die Halbsichel an die Spitze des Turms und keiner führt Diskussionen aber wir Deutschen, wir führen endlange Diskussionen, statt zu unserer Vergangenheit zu stehen.

    Wer ist "manche Leute"? Und warum sollen die sich "einfach mal freuen", wenn sie sich offenbar nicht darüber freuen wollen?...

    Toll auch diese Formulierung: "Auch wenn Deutschland ein Einwanderungsland ist, sind wir immer noch ein Land mit christlicher Vergangenheit und jüdischen Wurzeln." Das heißt anders ausgedrückt: "Dieses Land ist ein Einwanderungsland und es war mal christlich. (=Vergangenheit)" Weshalb soll man dann aber ein Kreuz errichten? Das Land hat auch eine nationalsozialistische und eine DDR-Vergangenheit. Rechtfertigt das, nun Kuppeln mit Hakenkreuzen oder Hammer und Zirkel zu zieren? Das Land hat auch eine heidnische Vergangenheit. Und wäre es dann ebenso gut, sich über eine Irminsul auf der Kuppel zu freuen? Ich würde es tun, aber auch "Meister Lampe"?

    Ich bin, damit das richtig verstanden wird, nicht gegen, sondern für das Kreuz. Aber mit solchen "Argumenten" wird das nichts.

    Und außerdem hat dieses Land keine "jüdischen Wurzeln", sondern germanische. Da möchte ich mich dann doch mal gegen solchen Humbug verwahren. Das Jesus als Jude geboren wurde und mit diesem Glauben gebrochen hat, hat nichts mit den Wurzeln dieses Landes zu tun.

    Wenn die Monarchen in unserem Land human und pazifistisch gewesen wären

    Man nenne mir mal ein Land, dessen Monarchen "human und pazifistisch" gewesen sind. Was immer man auch als "human" verstehen möchte. Frankreichs Sonnenkönig? Oder Napoleon? Oder Russlands Iwan der Schreckliche? Die persischen Schahs? Der afrikanische König Shaka Zulu? usw.usf. Und selbst wenn man einzelne Monarchen findet, die durch glückliche Umstände nie Kriege führen mussten, kann der Zeitgeistjünger weitere Charakterfehler finden. Sie haben dann eben keine bedinungslose Entwicklungshilfe für andere Kontinente geleistet. Sie waren nicht vegan, sondern haben Tiere eventuell bei Jagden selbst getötet. Sie trugen Pelzmäntel. Und wenn als das doch nicht der Fall war, weil sie zufällig eine Fleisch- oder Pelzallergie hatten, haben sie zumindest keine transsexuellen Eheschließungen zugelassen. Irgendwas findet man immer, wenn man finden will.

    Also für mich geht es bei dieser Kreuz-Debatte um Vorzeichen einer weiteren Dekonstruktion der abendländischen Identität. Wenn nämlich - was im Grunde so angedeutet wird - das Christentum im politischen Kern der Historie verbrecherisch war, so dass man sich für ein Kreuz schämen muss, dann war nicht nur die deutsche Geschichte von 1933-45 ein Verbrechen, nicht nur die Geschichte von 1871-1945, sondern die gesamte Geschichte seit der 962 erfolgten Kaiserkrönung Ottos des Großen, der sich als politischer Vertreter der Christenheit interpretierte. Erst die Alliierten brachten uns demnach, dank ihrer pazifistisch-human-monarchischen Vergangenheit, jene Befreiung von den Fesseln der Vergangenheit, die nun konsequent durch die Entkreuzlichung und Globalisierung weitergeführt werden sollte.

    Bin ich der Spinner, das ich das so erkenne? Vielleicht. Aber ich bin der Überzeugung, dass es genau so gemeint ist. Und ich hätte nicht gedacht, dass ich mal ein Kreuz verteidigen würde, wo ich nicht mal Kirchenmitglied bin und von Karl dem Großen überhaupt nichts halte. Ach hätte nur Widukind gewonnen damals. :zwinkern:

  • Hallo Bentele,

    die Ablehnung der Kaiserkrone erscheint aus heutiger Sicht mehr als fragwürdig, wenn man Preußen und FW IV isoliert betrachtet. Ob der Kaisertitel für ihn einen Machtzuwachs bedeutet hätte, ist eher unwahrscheinlich, denn das wäre mit der Annahme einer deutschen Verfassung und eines deutschen Parlamentes verbunden.

    Die "Krone aus der Gosse" hat er nicht annehmen wollen, weil für ihn ein Kaisertitel nur "von Gottes Gnaden" in Frage kam. In diesem Stil hat sich Wilhelm Zwo noch Anfang des 20. Jh. geäußert, als so etwas inzwischen völlig veraltet war.

    Mit der Annahme des Kaisertitels 1848 hätte sich FW IV bei seinen Fürstenkollegen unmöglich gemacht. Das sähe heute etwa so aus, als würde ein Staatschef in Europa, ein Bundeskanzler oder ein französischer Präsident, sich an die Spitze eines anarchistischen Umsturzes setzen und mit dieser Legitimation die Herrschaft über ganz Europa beanspruchen.

  • Was ich bei vielen Debattenbeiträgen in der Presse, etwa bei Bisky, Bernau und Kilb vermisse, und was auf diesem Forum vorbildlich praktiziert wird, ist die Bereitschaft, Geschichte nicht binär, sondern dialektisch zu denken: Monumente in ihrem Kontext zu verstehen und darauf angemessen und souverän zu antworten.

    Dies gilt gerade auch für das Gottesgnadentum Friedrich Wilhelms IV. Natürlich steht es in diametralem Gegensatz zu den demokratischen Bestrebungen um 1848. Aber bei näherer Betrachtung ist es doch auch weitaus mehr als nur eine reaktionäre Frömmelei. Von einer mittelalterlichen Herrschaftsethik geprägt, begriff FW IV sein Königtum nicht als ein durch Geburt verliehenes Privileg, wie es z. B. Ludwigs XIV., und auch nicht als ein Amt, auf das man durch Verdienst einen Anspruch erwerben könne, wie Friedrich I., der sich im Triumphbogen von Portal III in die Nachfolge römischer Imperatoren stellte. Vielmehr betrachtete FW IV seine Königswürde als ein Mandat, durch das er gegenüber Christus in besonderer Weise rechenschaftspflichtig war. In diesem Kontext besagt die Kuppelinschrift, in Christus allein sei das Heil sei und alle Knie hätten vor ihm zu beugen, auch, dass das Heil nicht beim König oder einer staatlichen Institution liege und auch der König sich Gott zu unterwerfen habe. Und die Untertanen beugen ihre Knie nicht mehr vor dem König, sondern Volk und König beugen sie gemeinsam vor Gott.

    Noch deutlicher wird dieser Demuts-Gedanke in Karl Gottfried Pfannschmidts Apsismosaik des Charlottenburger Mausoleums (1849, Foto unten), auf dem Friedrich Wilhelm seine Eltern verewigte, dergestalt, dass sie nach ihrem Tod Christus die ihnen verliehenen bzw. geliehenen Königskronen zurückgeben.

    Ich sehe darin eine klare Abgrenzung gegenüber dem Cäsarenwahn Napoleons, der sich nach seiner Selbstkrönung als Heilsbringer feiern ließ und für die Umsetzung seiner Welterlösungspläne Millionen Menschenleben opferte - wie auch die vermeintlichen politischen Heilsbringer des 20. Jh. Und nicht zuletzt muss man Friedrich Wilhelms persönliche traumatische Erfahrungen mit der napoleonischen Besatzung berücksichtigen (Zusammenbruch Preußens, Tod der geliebten Mutter Luise im Exil).

    Fazit: Die Kuppelinschrift ist einerseits zwar antidemokratrisch, aber auch antitotalitär und darüber hinaus ein sehr wichtiges zeitgeschichtliches Zeugnis. Und als solches muss es sichtbar bleiben, ganz gleich, wie man zu seiner Aussage steht. Denn ein konstruktiver Umgang mit unserer Vergangenheit bedeutet nicht, Geschichte im Nachhinein ideologisch zu bereinigen und zu zensieren, sondern sie zu Wort kommen zu lassen und ihr alternative Gedanken entgegenzusetzen.

    Solch eine gedankliche Alternative lässt sich durch die Nutzung des Humboldt Forums als eines Ortes der Weltkulturen formulieren, aber auch durch das neue Einheitsdenkmal.

    Das Konzept des Humboldt-Forums - und selbst die dürftige Millna-Wippe - werden durch die Kuppelsymbolik nicht konterkariert, sondern erhalten zusammen mit dem Triumphbogenportel Eosanders einen Widerpart, mit dem sie sich auseinandersetzen können. Die Kuppel würgt den Dialog der Kulturen nicht ab, sie ist ein Teil von ihm!

    Statt Geschichte verstummen zu lassen oder pseudohistorische Phantome auf der Grundlage inkorrekter Textinterpretationen zu errichten, sollten wir Geschichte, wie sie war, zu Wort kommen lassen und selbstbewusst auf sie antworten!


    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Interessant, dass Paulick das Kulissendepot (1952-1954) und den Übergang noch so eindeutig auf das Schloss bezogen hat, wobei die Pläne wahrscheinlich vor dem Schlossabriss entstanden sind. Überhaupt ist es wunderbar zu sehen, wie neue, alte Blickachsen im Stadtbild entstehen, so perfekt, als könne es gar nicht anders sein:

    Zitat

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    Bild von Spree-Athener

    Zitat


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    Bild von Spree-Athener

  • Stellt euch vor die KWGK wird auch wieder rekonstruiert, mit Innenräumen und Mosaiken.....In Berlin gibt es heute nur noch ganz wenige Ruinen. Neben die KWGK gibt es noch die ein teil des Anhalterbahnhofs, Klosterkirche, St Michael, Auferstehungskirche und ein Teil der Synagoge.

  • Die Aufwertung des Stadtbildes ist auf diesen Bildern tatsächlich nicht zu übersehen. Aber es macht halt einen Unterschied, ob in einer Mitte ein starkes Herz oder gar nichts ist.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Vollkommen richtig.

    Die ursprüngliche Stadtgestaltung, das Schloss als Zentrum, die Straßenachsen laufen auf das Schloss zu, ist für jeden ersichtlich wieder hergerichtet.

    Und genau deshalb hielte ich es für wünschenswert, nach Lösungen zu suchen, wie man die Brüderstraße wieder bis zur Schlossfreiheit verlängern könnte.

    Mir ist klar, dass das ein schwieriges Thema ist, und auch für mich ist das ehemalige Staatsratsgebäude kein dringender Abrisskandidat.

    Aber die Brüderstraße schreit nach Wiedererrichtung des Schlosses geradezu nach ihrem historischen Verlauf - nicht nur der dann wiedergewonnenen Blickachse wegen, sondern auch, um den südlich des Schlosses gelegenen Stadtraum einzubinden.

    Denn dafür reicht die Breite Straße nicht aus.


    Gruß aus Berlin.