• Es steht doch überhaupt nicht in Abrede, dass das Schloss einen sinnvollen Zweck gebraucht hat. Aber wenn ich mich erinnere, gab es auch noch andere Optionen, die weniger im Widerspruch zum Äußeren gestanden hätten, wie die z.B. die Gemäldegalerie.

    Ob da ein "Widerspruch" zwischen äußerer Hülle und Verwendungszweck besteht ist doch reine Definitionssache. Die Gemäldegalerie im Schloss wäre huntertprozentig passend gewesen, weil ihre Sammlung Gemälde vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert umfasst?? Gut, so schlicht kann man das ja sehen. Aber was wäre mit Kunstwerken aus späteren Epochen bzw. von späteren Künstlern? Wäre ein van Gogh, Kirchner, Beckmann, Picasso und Richter dann nicht auch wieder eklatant widersprüchlich zur Fassade? ... Ich denke die meisten "Widersprüche" sind (dogmatisch) definiert und vor allem konstruiert.

    Hinzu kommt dass der Umzug der Gemäldegalerie ins Schloss nie eine ernsthafte Option war. Die Gemäldegalerie hat einen vorzüglichen Bau am Kulturforum, der zwar unter seiner unwürdigen Eingangssituation leidet, aber ansonsten seine Aufgabe sehr gut erfüllt. Zudem haben die Ethnologischen Sammlungen (v.a. in Verbindung mit dem ganzen Drumherum) weitaus mehr Platzbedarf als die Gemäldegalerie, insofern hat das Schloss rein aus Raumkapazitäten-Sicht betrachtet schon den richtigen Inhalt bekommen. Das einzige was ich mir für die Zukunft wünschen würde ist dass die banale Zeitgeist-Ausstellung "Berlin-Global" auszieht und dem Museum Europäischer Kulturen Platz macht. Dann wäre das Humboldtforum inhaltlich wirklich eine runde Sache.

  • Also wenn ich das nächste mal nach Berlin komme schaue ich mir das Schloss ausführlich an, werde aber das HF nicht besuchen. Ob1818 ich damit repräsentativ bin weiß ich nicht, aber mich persönlich interessiert nur die Architektur dieses Gebäudes und nicht irgendwelche Ausstellungen, die im gewollten Widerspruch dazu stehen, und deren Macher wohl selbst gerne einen anderen Ort dafür hätten weil sie das Schloss nicht mögen.

    Entschuldigung für das off topic, zurück zur Bauakademie.

    Wieso werden die Ausstellungen überhaupt als widersprüchlich angesehen? 1. Ist der Inhalt ist doch Teil vom Preußischen Kulturbesitz deren Aufgabe es ist die Kulturgüter des ehemaligen Landes Preußen zu bewahren und die waren ja mal königlicher Besitz, oder?.

    Und 2. gibt es ja im Schloss/ im Forum einige Bezüge zum Schloss:

    -> Der originale Keller der viel über die Entstehungszeit des Schlosses erzählt.

    -> Die teilweise ganzen originalen Skulpturen aus dem Schlüterhof sowie weitere Fragmente und Spolien.

    -> Überall im Schloss gibt es Stationen "Geschichte des Ortes" bei denen entweder ausgestellt oder auch nur per Infotafel auf das Schloss verwiesen wird.

    z.B.:

    - im UG bei den Toiletten ein Hinweis auf die Toilette von Wilhelm II

    - ein riesiges Silberschiff von der Silberschiff - Sammlung im Videopanorama (auch das ist super) das auch früher im Schloss stand.

    - Die Figuren aus dem Weißen Saal im 1. OG bei den Rolltreppen

    - Die Ausstellung Berlin Global veranschaulicht gut die Revolution 1918 die sich am Schloss abspielten (ich meine auch dort gibts originales aus dem Schloss zu sehen)

    - Baldachinfragment aus dem Thronzimmer (bei den ethnologischen Sammlungen und asiatischer Kunst)

    usw.

    Klar, es darf gerne noch sehr viel mehr sein !

    Es wäre auch schön wenn zB das vergoldete Silberbüffet aus dem Schloss in Köpenick wieder zurück in den nicht rekonstruierten Rittersaal käme. Und auch weiteres Mobiliar was verstreut dort ist und auch im Kunstgewerbemuseum.

    ABER es ist nicht so dass das Innere komplett losgelöst von der Hülle sei!

  • Und noch etwas zur jetzigen Nutzung.

    Mittlerweile ist ja der Souvenirshop / Café im EG rechts vom Hauptportal ausgezogen und es ist dort ein "Ort der Wärme" für die die es brauchen entstanden. Mit kostenlosem Kaffee und Kuchen.

    Ich finde das noch recht witzig - soll noch einer sagen das Schloss wäre irgendetwas elitäres, abgehobenes....

    Nein es ist ein Ort für jeden tatsächlich. Ist doch super.

    Berliner Johanniter öffnen Ort der Wärme im Humboldt Forum | Johanniter

  • Ich bin überhaupt kein Museumstiger und werde seeehr schnell müde von diesem Wechsel Herumstehen - ein paar Schritte Gehen. Durch eine Innenstadt kann ich stundenlang gehen. Ich mag eigentlich nicht, mir irgendein Objekt sozusagen auf Zeit anschauen zu dürfen und habe daher auch grundsätzlich etwas gegen Führungen. ich setz mich lieber länger in einen Raum und lass diesen auf mich wirken. Um ein Gemälde wirklich würdigen zu können, muss es dir gehören, dh immer wenn du willst und solange du willst für dich zur Verfügung stehen. "Stammkunden" eines bestimmten Museums sehen das wohl auch so. Um ein solcher zu werden, bin ich zu passiv. Mit deri Zurschaustellung anderer Exponate ist es noch schlimmer. In so kurzer Zeit und in dieser Menge kann ich da einfach keine Beziehung aufbauen.

    Daher ist mein Zugang grundsätzlich auch so wie der von Reklov. So Sachen wie der Pergamon-Altar sind ja "leider" eh ,unvermeidlich.

    Das HF war sicher ein schlauer Schachzug, um den ideologischen Widerstand zu überwinden. Dass man sich dabei eine Art Zeitfenster zunutze machte, war wohl kaum wem bewusst. Wahrscheinlich wäre das "Schloss" heute ohnedies unmöglich, schon unter allgemein ideologischem Verweis auf die "Kosten".

  • Nach dem Bundestagsbeschluss zum Wiederaufbau 2002 hätte es einfach viel schneller gehen müssen.
    2008 gewann Franco Stella erst den Wettbewerb und dann hat es nochmal lange bis zur Grundsteinlegung gedauert, bis zum 12. Juni 2013. Dann war der überwiegende Teil der Bauarbeiten 2020 abgeschlossen, wobei das freilich auch zur Unzeit kam. Da war zwischendrin viel zu viel Leerlauf (=Zeit zum rumlamentieren) und die Feierlichkeit mit Menschenmassen zur Eröffnung wie bei der Dresdner Frauenkirche und Co. fehlte.

    Irgendwann braucht das Berliner Schloss nochmal einen großen freudigen Anlass, der viele tausend Menschen anzieht und begeistert. Um die medial verhunzte Eröffnungsphase zu überschreiben.

    Immerhin was Kleines, sehr zeitnah: Die Grundsteinlegung feiert also in einem Monat ihr Zehnjähriges (12. Juni 2023), das darf ruhig auch gefeiert werden! :blumen:

  • Ich finde, wir können uns langsam eine neue Nutzung für das Berliner Schloß ausdenken: die aussereuropäischen Kulturobjekte sollen ja alle zurückgegeben werden.

  • Die Deutsche Welle hat einen englischsprachigen Beitrag zum Humboldt-Forum produziert.
    Natürlich bleiben hier die Kontroversen und der "Antagonismus des Preußenbarocks" nicht unerwähnt, doch insgesamt ist es ganz nett gemacht:

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    The Humboldt Forum – Is Berlin's Latest Tourist Attraction Worth a Visit?

  • Ich finde, wir können uns langsam eine neue Nutzung für das Berliner Schloß ausdenken: die aussereuropäischen Kulturobjekte sollen ja alle zurückgegeben werden.

    Nur zu. Dann wäre endlich Platz für die Wiederherstellung der historischen Innenräume.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Der Berliner Tagesspiegel hat sich am 10.05.2023 mit der Stiftung Humboldt Forum und dessen Gutachten zum Großspender Erhard Bödecker in einem Artikel befasst. Offen judenfeindlich war er nicht, aber seine Schriften offenbaren antisemitische Topoi, Relativierungs- und Entlastungsmuster. Das Gutachten, im Umfang von 146 Seiten,ist jetzt in Gänze einsehbar (siehe Artikel).

    https://www.tagesspiegel.de/kultur/gutacht…rt-9797735.html


  • Ich habe bislang drei Bücher von Erhard Bödecker gelesen (viele Bücher hat er ja nicht geschrieben) und keine judenfeindlichen Äußerungen festgestellt. Mir scheint, hier WILL jemand etwas finden, um ihn zu diskreditieren. :sad:

    Wissen allein bringt nichts. Nur das angewandte Wissen verändert die Dinge.

  • Ich hatte bereits in einem Artikel aus dem November 2021 dazu geraten, weniger Energie darauf zu verwenden, Bödecker zu verteidigen als vielmehr die richtigen Lehren aus der Causa zu ziehen. Denn dass dieser sich bereits damals als zu ehrender Großspender disqualifiziert hatte, war nicht zu übersehen und ist nun durch das Gutachten abschließend geklärt. Ich glaube dennoch nicht daran, dass es alle notorischen Zweifler, die so im weiten Netz ihren Senf zu der Thematik abgelassen haben, überzeugen wird. Anstatt zu akzeptieren, dass Bödecker kein gutes Aushängeschild für den Wiederaufbau des Schlosses gewesen ist (wie Bödeckers Familie es bereits recht schnell selbst erkannt hatte) und Strategien für weitere Fälle dieser Art zu entwickeln, wird weiterhin darüber lamentiert, dass bestimmt jemand jemanden diskreditieren wollte.

    Ich empfehle dagegen: Zur Kenntnis nehmen, aufarbeiten, Lehren ziehen, Mund abwischen und weiter machen mit der Unterstützung von Rekonstruktionen.

  • Ich habe in dem Artikel keine Aussage gefunden, die mich zu der Schlussfolgerung führen würde, ihm das Spenden für Rekonstruktionsprojekte zu verbieten. Seine Meinung mag kontrovers sein, aber er wollte ja auch kein bedeutendes Regierungsamt oder dergleichen übernehmen, sondern nur für eine harmlose Sache spenden.

    Dass er vielleicht nicht als Aushängeschild geeignet war, kann ich verstehen, aber dazu wollte ihn doch auch keiner machen, oder? Die Ehrentafel hat er doch nur wegen der Höhe seiner Spende bekommen. So wie alle anderen auch, die in ähnlicher Höhe gespendet haben.

  • Ich habe in dem Artikel keine Aussage gefunden, die mich zu der Schlussfolgerung führen würde, ihm das Spenden für Rekonstruktionsprojekte zu verbieten.

    Das würde bei einem Toten auch wenig Sinn ergeben. Es ging ja letztlich um die Frage, ob man einen solchen Spender auch noch ehren sollte. Diese Frage haben die Famile und die Stiftung bereits 2021 eindeutig mit nein beantwortet. Das Gutachten bestätigt diese nun in ihrer Entscheidung. Und meiner Ansicht nach hätten weitergehende Konsequenzen über das Ziel hinaus geschossen.

  • Erhard Bödecker war ein euphorischer Preußen-Enthusiast mit Tendenz zur Naivität, der wie Opa Hoppenstedt selig war, wenn er einen preußischen Marsch hörte und sich an die "guten alten Zeiten" erinnern konnte. Nicht mehr und nicht weniger. Aus diesem Mann einen Skandal zu machen war völlig unangebracht.

    Die Schlosshasser deklarierten Bödecker zum Sinnbild bzw. zum Prototypen des Schlosspenders generell, reaktionär, monarchistisch und irgendwie vollkommen "von gestern". Ein regelrechtes Zerrbild der Spender wurde gezeichnet, das die linken Medien immer wieder gerne aufgriffen wurde.

    Übrigens: Bödekers "Großspende" für die Schlossfassaden betrug deutlich weniger als ein Prozent der Gesamtsumme, so ein "gewichtiger" Spender war er nun wirklich nicht.

  • Würdest du also sagen, dass der Anteil der "nostalgischen Preußenfans" unter den Schloss-Spendern unbedeutend gering ist?

    Das kann ich nicht beurteilen, aber ich denke ja. Aber das spielt auch keine Rolle, außer für Oswalt und Konsorten. Jeder kann für das spenden was ihm beliebt. Keiner hätte sich darüber aufgeregt, wenn Bödecker für Unicef, Brot für die Welt oder Erdbebenopfer gespendet hätte.

  • Das seh ich grundsätzlich genauso. Mit meiner Frage habe ich diesen Teil deiner Aussage aufgegriffen, da ich mich frage, inwieweit wir beurteilen können, ob es sich dabei um ein "Zerrbild" handelt. Ganz unwichtig sind diese Fragen zumindest für die medial dargestellte Öffentlichkeit heute eben nicht, wer mit welchen Interessen etwas unterstützt. Je genauer wir selber sowas wissen, desto besser können wir auch darauf reagieren.

    Die Schlosshasser deklarierten Bödecker zum Sinnbild bzw. zum Prototypen des Schlosspenders generell, reaktionär, monarchistisch und irgendwie vollkommen "von gestern". Ein regelrechtes Zerrbild der Spender wurde gezeichnet, das die linken Medien immer wieder gerne aufgriffen wurde.

  • Ich habe das Bödecker-Gutachten aus Zeitgründen nur überflogen. Aber mir scheint, dass die beiden Verfasser es schon recht mainstreamförmig formuliert haben. Das verwundert auch nicht. Wer heute im Wissenschaftsbetrieb etwas gelten oder etwas werden will, muss sich opportun verhalten. Wer es nicht tut, wird ausgegrenzt oder macht keine Karriere.

    Was mir konkret aufgefallen wird. Wenn Bödecker beispielsweise den Briten vorwirft, im Burenkrieg schwere Verbrechen begangen zu haben, wenn er kritisiert, dass die USA im Ersten Weltkrieg und während des Versailler Vertrags keine sehr rühmliche Rolle gespielt und somit das Aufkommen Hitlers mitbegünstigt hätten, so ist das historisch korrekt. Der Umstand, dass die Nazis diese Fakten für ihre Propaganda missbraucht haben, ändert daran nichts. Aber genau so werden Assoziationsketten konstruiert.

    Ebenso ist Bödeckers Feststellung richtig, dass die - durchaus berechtigten - Schuldgefühle der Deutschen wegen der Shoa eine nicht unwesentliche Hemmschwelle bildeten, die Kriegsverbrechen der Alliierten in den beiden Weltkriegen zu kritisieren. Ihm deswegen zu unterstellen, er halte die Schuldgefühle der Deutschen generell für unangebracht, ist eine unzulässige Schlussfolgerung.

    Ein anderes Argumentationsmuster des Gutachtens ist die Art, wie einander widersprechende Äußerungen Bödeckers gewichtet werden. Ein Beispiel: Bödecker gibt sich punktuell judenfreundlich, punktuell judenkritisch. Daraus kann man drei Schlüsse ziehen:

    1.) Sein Verhältnis zu Juden war uneinheitlich.

    2.) Seine Kritk an Juden lässt vermuten, er sei judenfeindlich gewesen. Jedoch zeigen seine judenfreundlichen Äußeren deutlich, dass dem nicht so war.

    3.) Seine teilweise geäußerte Sympathie gegenüber einigen Juden lässt vermuten, er sei kein Antisemit gewesen. Eindeutig judenkritische Aussagen zeigen aber das Gegenteil.

    Wie mir scheint, überwiegt im dem Gutachten Deutungsmuster 3.

    Ich will damit keine definitive Äußerung zu Bödecker abgeben. Ich sage nur, dass ich das Gutachten tendenziell für tendenziös halte.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Das würde bei einem Toten auch wenig Sinn ergeben. Es ging ja letztlich um die Frage, ob man einen solchen Spender auch noch ehren sollte. Diese Frage haben die Famile und die Stiftung bereits 2021 eindeutig mit nein beantwortet. Das Gutachten bestätigt diese nun in ihrer Entscheidung. Und meiner Ansicht nach hätten weitergehende Konsequenzen über das Ziel hinaus geschossen.

    Ich würde sagen, die Familie ist vor dem Zeitgeist eingeknickt, die Stiftung lebt den Zeitgeist.

    Dass damit bewiesen ist, dass Herr Bödecker nicht zu ehren sei, kann man eigentlich nur behaupten, wenn man den Zeitgeist selber für gut befindet.

    Dass die kritisierten Aussagen von Herrn Bödeker ihm allenfalls mit viel bösen Willen negativ ausgelegt werden können und er sich an anderer Stelle genau gegenteilig geäußert hat, wurde damals ebenfalls in aller Breite hier dargelegt.

    Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass nicht die Aussagen von Herrn Bödecker das Problem sind, sondern diejenigen, die aus jedem Halbsatz einen Skandal machen, während man der eigenen Klientel Unfähigkeit, Korruption und totalitäres Denken durchgehen lässt, ohne mit der Wimper zu zucken.

    Ich denke, man kann die Hoffnung haben, dass sich der Zeitgeist auch wieder drehen wird, dass dann auch derart absurde Diskussionen ihr Ende finden und ein Herr Bödecker auch wieder zu der Ehrung kommt, die ihm zusteht, wie allen anderen Spendern auch.