• Ist doch wunderbar, dass dieser Ort für kulturelles Angebot genutzt und angenommen wird. Das ist eher im unseren Sinn als eine, mehr oder weniger, nur Interessierten vorbehaltenen Musealisierung der Architektur.

  • Equester

    Den Schlüterhof in seiner Schönheit wirken zu lassen, wie er ist - als Anziehungspunkt für hunderttausende von Besuchern - hat nichts mit Musealisierung zu tun.

    Und ja, historische Architektur gelegentlich auf angemessene und würdige Art für kulturelle Veranstaltungen zu nutzen, ist das eine. Irgendwelche albernen Aktionen wie das Aufstellen von Kegelbahnen, von überdimensionale Bauklötzchen, kakophonische Klanginstallationen oder Bühnenbauten, die den Hof zustellen, sind das andere. Hier geht es ganz offensichtlich darum, die barocke Architektur, deren Rekonstruktion bei manchen Modernisten und einigen (Peuso-)Linken narzisstische Kränkungen ausgelöst hat, ihrer Wirkung zu berauben..

    Wir haben es mit einem ganz einfachen Phänomen zu tun. Die heutigen Kultur"eliten" können etwas Schönes nicht einfach nur schön sein lassen. Sie müssen alles konterkarieren und verfremden. Nur dann fühlen sie sich wohl. Dass sie damit den meisten Menschen enorm auf die Nerven fallen, stört sie nicht. Im Gegenteil, sie kommen sich dann umso avantgardistischer vor....

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Sie müssen alles konterkarieren und verfremden.

    Das ist doch auch ein Kaschieren ihres eigenen Unvermögens. Sie haben gar nicht mehr die Fähigkeit zur Erschaffung von Schönem und nachhaltig Wertvollem. Also müssen sie sich mit minderwertigem Klimbim zu Erhöhen versuchen, um die narzisstische Kränkung, die in ihrem Innersten nagt, überspielen zu können.

  • Seinsheim

    Nun, wir werden hier nicht auf einen Nenner kommen, aber ich möchte doch noch mal schlussfolgern, dass hier also die Frage entscheidend ist; ab wann die Architektur durch die Nutzung konterkariert wird. Ein solches konterkarieren wäre i.d.R. nicht erstrebenswert, da sind wir uns vermutlich einig. Ich würde auch zustimmen, dass dies vor allem durch zu große räumliche Abmessungen der Objekte geschieht, z.B. durch Bühnen. Wie das in diesem Fall aussieht, geht aus dem Link jedoch nicht hervor und muss dann wohl später bewertet werden.

    Hier kommt jetzt der Faktor der "Würde" hinzu. Sie stellen sich als würdevolle Veranstaltung vermutlich ein klassisches Konzert oder ähnliches vor. Das würde auch meinem persönlichen Geschmack mehr treffen, aber ich möchte doch frei nach Bourdieu darauf hinweisen, dass Geschmack eine sehr klassisitische Kategorie ist. Diese Empfindung ist extrem relativ und wird nicht von allen gesellschaftlichen Mileus geteilt. Deswegen war mein Argument, die Nutzung nicht mit so elitären Hemmschwellen zu behaften und möglicht viele Menschen dort eine gute Zeit verleben zu lassen. Vielleicht ja auch viele Familien mit Kindern. Ich bin mir sicher, dass Schlüters Architektur sich auch in Kombination mit dieser modernen und unkonventionellen Nutzung behaupten kann, dafür ist sie einfach viel zu qualitativ (Bedingungen natürlich wie im ersten Absatz). Wenn eine Rekonstruktion dieser Größenordnung erfolgreich sein will, muss sie ein Ort für alle sein. Folglich muss man auch mal über die Grenzen seines eigenen Habituses springen, auch wenns nicht schmeckt. Das klassische Konzert hat natürlich dennoch ebenfalls seine Daseinsberechtigung.

  • Was ich nicht verstehe ist: Die Potsdamer Schlösser und Gärten haben haufenweise Kübelpflanzen in schönen Pflanzgefäßen.

    Warum stellt man davon nicht eine Auswahl über den Sommer dauerhaft in den Schlüterhof? Es eignen sich neben Palmen vor allem Oleander und man staune: Staudensonnenblumen. Das wäre eine zauberhafte Kombination.

  • Deinen Vorschlag finde ich super, Goldstein. Jedoch bräuchte man dann auch eine Orangerie (Winterquartier für exotische Pflanzen).

    Wissen allein bringt nichts. Nur das angewandte Wissen verändert die Dinge.

  • Geschmack eine sehr klassisitische Kategorie ist

    Dann ist die Schlosshof-Bespielung allerdings Teil des Klassenkampfes von oben. Denn es sind ja nicht Arbeiter oder authentische migrantische Hartz IV-Empfänger, die diesen Geschmack bestimmen, sondern ein bestimmtes, heute tonangebendes und staatlich alimentiertes Milieu im Kulturbetrieb und einige ausgewählte Exponenten der Kunstszene, gemeinhin Leute, die global aufgestellt sind und sich durch Mitschwimmen gut ihr Brot verdienen, darunter also nicht allzu wenige weiße Besserverdiener.

    So wurde das Open Air "Durchlüften" z.B. gestaltet durch die Künstlergruppe "Parasite 2.0", eine "design and research agency" mit Basis in Mailand und London, bestens vernetzt vertreten u.a. bei der Triennale Milano oder der Venice Architecture Biennale, gegründet u.a. von Stefano Colombo. (Vgl. hier) Oder man betrachte das zeitgeistig-"antikolonialistisch" bzw afrozentristisch ausgerichtete Programm, das von Melissa Perales kuratiert wird, die wiederum von Chicago nach Berlin zog, um dort ein Filmfestival zu organisieren, Live-Shows und Konzerte zu veranstalten. usw.usf.

    Dieser "Klassismus" ist also einer, der von einer linksliberalen Kulturblase und deren Förderern in den Chefetagen ausgeht. Jemand wie "Seinsheim", der sich vielleicht ein klassisches Konzert wünscht, ist für diese Leute ein konservativer weißer Kleinbürger, an den sich deren Angebot zu großen Teilen bewusst nicht richten soll.

  • Deinen Vorschlag finde ich super, Goldstein. Jedoch bräuchte man dann auch eine Orangerie (Winterquartier für exotische Pflanzen).

    Für den Dresdner Zwinger werden die Pflanzen über den Winter in der Orangerie des Barockgartens Großsedlitz gelagert. Warum nicht einfach die Pflanzen für das Berliner Schloss in der Orangerie von Schloss Charlottenburg oder Schloss Sanssouci lagern?

  • ^Die Orangerie des Schlosses Charlottenburg ist eine Eventlocation, da kann man keine Zitrusbäume mehr lagern. Sanssouci hat keine Orangerie, die Orangen und Palmen stehen im Orangerieschloß - da ist der Platz bis auf den letzten Meter ausgebucht.

  • In der Tat wird unser Kulturbetrieb mittlerweile von Leuten dominiert, die ihre politische Ideologie über die natürliche Wahrnehmung stellen. Und eben weil sie politische Ideologen sind, können sie das Schloss auch nicht mehr als Kunstwerk anerkennen, sondern nehmen es nur noch als eine Machtarchitektur wahr. Und diese gilt es natürlich in ihrer Wirkung auf andere Menschen zu sabotieren.

    Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Veranstalter tatsächlich glauben, man dürfe den Menschen den unmittelbaren Kulturgenuss nicht zugestehen, man müsse die barocke Architektur - wie eine Wagneroper im modernen Regietheater - verfremden, weil sie letztlich eine falsche Botschaft aussende. Das sind dann aber meist dieselben Leute, die sich beim Nobelitaliener echauffieren, wenn der Rotwein nicht vollumfänglich harmoniert, weil er ein paar Grad falsch temperiert ist, wenn das Hauptgericht nicht schön angerichtet ist oder die Sauce nicht ganz zum Lammfleisch passt. Ich wüsste gerne, wie diese Herrschaften reagieren würden, wenn Aktionist-Innen ihnen die Restaurantbesuche gezielt und dauerhaft verderben würden: mit Blick auf den Hunger in der Welt, das Artensterben, den schädlichen CO2-Abdruck des Lammfilets oder die Treibhausgase infolge des aus Australien importierte Shiraz.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Interessant, wie die die Löcher in den Platten zuzumachen gedenken. Sind die Teile schon gefertigt und werden vorgeblendet? Oder wird das per Hand frei von den Bildhauern gefertigt? Ich bin gespannt.

    Mantikor und unify hatten dazu ja schon Infos geliefert. Wenn man dann noch weiß, dass die zu sehenden Platten aus jeweils 12 Einzelstücken bestanden, die zusammengeschweißt wurden (davon ist ja überhaupt nichts mehr zu sehen), darf man optimistisch sein, dass wirklich alles gut wird!

    Quote

    In der Werkstatt der Skulpturengießerei Knaak in Berlin-Schöneweide befinden sich die beiden je 4,20 Meter breiten und 2,40 Meter hohen figürlichen Relieftafeln „Grundsteinlegung des Schlosses im Juli 1443“ und „Vorführung des Schloss-Modells durch Schlüter im Jahr 1699″ in der Endfertigung. Jeweils 12 einzelne Tafeln wurden schon bzw. werden gerade noch in Bronze gegossen, dann verschweißt und ziseliert.

    Quelle (Februar 2022)

  • Das ist aber kein Widerspruch. Es geht den von Sinsheim erwähnten vermutlich nicht darum Menschen einen "unmittelbaren" Genuss barocker Kunst nicht zuzumuten zu können oder diesen verhindern zu wollen. Es werden ja auch nicht dauernd "Events" wie die im Humboldtforum in barocken Schlössern veranstaltet oder Konzerte mit Werken von Bach oder Telemann in verfremdenden Insznierungen dargebracht. Das Gegenteil ist der Fall. Hier achtet man sehr wohl auf das Authentische (wenngleich es auch hier bei manchen Bühnen Ausnahmen gibt, aber zumindest die Musik selber davon nicht betroffen ist).

    Etwas anderes ist das aber gerade beim Berliner Schloss. Das scheint dann doch zum einen zu ideologisch beladen zu sein. Hinzu kommt, dass bei den Verantwortlichen des Humboldtforums ja offensichtlich eine Angst herrscht, sich wegen der Sammlungen irgendwie unkorrekt zu verhalten. Nur dies macht dir aktionistische Vorgehensweise verständlich.

    Dem würde ich aber nicht damit entgegen treten, dass man das Schloß selber ideologisch überhöht. Das wird zu einer für alle akzeptablen Lösung nicht beitragen. Hätte Herrn von Boddien so agiert, stünde an der Stelle des Humboldtforums heute bestenfalls nichts.

    Da kann man nur hoffen, dass sämtliche Akteure mal in sich gehen.

  • Friedrich II

    Chvrfverst zu Brandenbvrg (v = u)

    Churfuerst zu Brandenburg

    XXXI IVL. MCCCCXLIII = 31. Juli 1443

    ISS WOL EINEN IDERMAN WITLICK DAT WY SINT

    ALL VNSSE LEVEDAGE NA HADER EDDER KRIGE NY

    BESTAN GEWESST, VND BEGERNN NOCH HVTIGES

    DAGES NICHT ANDERS DANN MEN ERE VNND RECHTS

    Plattdeutsch