• Die stoische Philosophie hat Herakles darüber hinaus als Inbegriff des geduldigen Tragens von Mühsal und der heroischen (Selbst-)Aufopferung gedeutet, die Kirchenväter haben später Analogien zu Christus (Herkules Christianus; Bibliothekssaal Stift Melk) oder Petrus gesehen (claviger = Keulenschwinger, aber auch Schlüsselbesitzer; in diesem Sinne wurde beispielsweise ein karolingischer Thron, der antike Elfenbeintafeln mit den Herkulestaten enthält, als die originale Cathedra des Apostelfürsten verehrt).

    In der Staatskunst Karls VI. wurden die Herkulestugenden Fortitudo und Constantia (Tapferkeit und Ausdauer/Standhaftigkeit) durch zwei Säulen verbildlicht: auch in Anspielung auf die Säulen des Herkules bei Gibraltar (damit verbunden der Anspruch auf den spanischen Thron) sowie auf die Säulen des salomonischen Tempels Jachin und Boas, die so ziemlich dasselbe bedeuten (Er steht fest, in ihm ist Kraft). Herausragendes Beispiel: die Karlskirche in Wien.

    Die von Herkules erworbenen Hesperidenäpfel wiederum wurden einerseits mit den Pomeranzen gleichgesetzt, andererseits aber auch mit dem Reichsapfel, weshalb die Herkules-Hesperiden-Ikonographie v.a. bei den Kurfürsten eine besondere Rolle spielte: zu denken wäre hier besonders im als Orangerie errichteten Dresdner Zwinger, an "Pommers-"felden, aber auch an Heidelberg und Mannheim (Reichsapfel im Wappen der Kurpfalz).

    Herkules ist somit das exemplum virtutis schlechthin. Der Figurenschmuck an barocken Schlössern diente also nicht nur der Selbsterhöhung des Herrschers, er war auch ein Fürstenspiegel. Entsprechend sind die Treppenhäuser v.a. des süddeutschen Barock als herkulische Tugendwege gestaltet, die aus dunkler Enge in lichte Weite führen, per aspera ad astra. Herrschaft musste im Sinne adliger Standesethik zumindest formal durch Verdienst erworben werden - anders als in Frankreich genügte die Geburt nicht. Die Adelskultur des Heiligen Römischen Reiches war immer auch meritokratisch-kompetitiv, was sich auch im Wetteifern auf dem Feld der Schlossbaukunst zeigte.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Als ich die Herakles-Statue von Andreas Schlüter zum ersten Mal sah, stieg sogleich ein anderes Bild vor mir auf: Nemea, der Ort, an dem Herakles, wie SchortschiBähr schreibt, den Nemäischen Löwen getötet hat.

    Ich war hier 1963 auf einer Radfahrt nach und durch Griechenland. Ein glücklicher Ort, gebettet zwischen Olivenhainen, Weinreben und Mandelbäumen in einem weiten grünen Tal. Der Zeustempel lag noch mitten in den Reben, die Trauben waren gerade reif, die Mandeln, mit einem Stein herausgeschlagen, schmeckten wunderbar dazu. Die meisten Säulen des Tempels lagen in Reihen von Trommeln noch auf dem Boden, nur drei oder vier standen aufrecht. Heute hat man weitere aufgerichtet - ich denke, ein Gewinn.

    Heute steht die prächtige Kopie der Statue des Herakles von Schlüter auf dem Großen Risaliten im Schlüterhof mit Keule und dem Fell des Nemeischen Löwen und vervollständigt für mich die alten Erinnerungen in sehr beglückender Weise.

    Der Tempel des Zeus in Nemea:

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Ich denke, es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, daß die hellenistische Baukunst in unsere Architektur des Klassizismus Einfluß nahmen.

    Diese sind insbesondere auch beim Schloß zu bemerken.

  • Die ZDF-Doku "Protz, Prunk und Preußen" über das neue Berliner Schloss ist online. Inhaltlich ist neben schönen Fassadenaufnahmen aber nicht viel Neues zu sehen, die Doku ist überwiegend ein Neuzusammenschnitt von Beiträgen, die schon im Rahmen der Eröffnung Mitte Dezember gezeigt worden sind. Aber immerhin, die Berichterstattung ist recht ausgewogen, und das ist in der heutigen Zeit ja schon sehr viel Wert. :wink:

    https://www.zdf.de/dokumentation/…eussen-100.html

  • Hat sich mal jemand die Kommentare unter dem ZEIT-Artikel durchgelesen? Es ist erschreckend, wie viele dort den Bau nur durch eine pauschale Symbolbrille betrachten können ...

  • Hat sich mal jemand die Kommentare unter dem ZEIT-Artikel durchgelesen? Es ist erschreckend, wie viele dort den Bau nur durch eine pauschale Symbolbrille betrachten können ...

    Ja, aber es sind auch viele Kommentare dabei, die aufzeigen, was dieser Lederer für ein widerlicher Typ ist. Hier ein Artikel aus der Welt über ihn. Solche Leute regieren in Berlin (sic!!!)?

    https://www.welt.de/debatte/kommen…nismus-pur.html

    Klar, dass dieser Lederer in seiner Eigenschaft als kommunistischer "Kultursenator" nicht besonders geil auf das wiederaufgebaute Stadtschloss ist, das seine eigenen, (jedoch) kulturlosen Vorgängergenossen sprengen haben lassen. Der Palast der Republik mitsamt der der dortigen Volkskammer wäre ihm selbstverständlich lieber...aber zum Glück leben wir nun in einer Demokratie und das ist gut so! Lassen wir ihn doch bitte ganz weit links liegen und freuen wir uns einfach über dieses zurückgekehrte Stück Hoch"kultur" ;) !

  • Hier noch das Letzte vom vergangenen Jahr. Bilder vom 30. Dezember.

    Schloss mit Gleditschienhain (Foto: Fridolin freudenfett, 30. Dezember 2020, CC-BY-SA-4.0)

    Was ist eigentlich dieses runde Ding, das sich da im Kreise der Gleditschien niedergelassen hat?

    Schloss mit Bushaltestelle (Foto: Fridolin freudenfett, 30. Dezember 2020, CC-BY-SA-4.0)

    Nach den Füßen zu urteilen ist die Bushaltestelle wohl noch nicht sesshaft.

    Schloss mit Fernsehturm (Foto: Fridolin freudenfett, 30. Dezember 2020, CC-BY-SA-4.0)

    Bei den Fahrradanlehnbügeln hat sich das erste Veloziped eingefunden.

    Schloss mit Platz und Fernsehturm (Foto: Fridolin freudenfett, 30. Dezember 2020, CC-BY-SA-4.0)

    Auch auf dem Schloßplatz (nur echt mit ß) hat sich so ein rundes Ding eingeschmuggelt. Die langen Bänke sagen mir nicht zu. Sie wirken wie unnötige Barrieren.

    Schloss mit Straßenbeschilderung, Ampelanlage und Fernsehturm (Foto: Fridolin freudenfett, 30. Dezember 2020, CC-BY-SA-4.0)

    Hätte ich auch im Umfeld-Strang posten können, aber ich dachte: Das Schloss ist der eigentliche Gegenstand. Jetzt wo die Baustelle verschwunden ist, wirkt es nochmal ganz anders. Es kann sich nun mit dem umgebenden Stadtraum verzahnen.

  • Die "runden Dinger" sind Mülleimer.

    Diese haben ein unterirdisches Reservoir - erkennbar an der Stahlplatte.

    Die Stahlplatte wird aufgeklappt und der Inhalt des Reservoirs mit Sauger entleert

    Hier das gleiche Modell am Pariser Platz:

  • Man kann eine gewisse Ensemblewirkung nicht leugnen:

    Foto: Fridolin freudenfett, 30. Dezember 2020, CC-BY-SA-4.0)

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    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • ^ Das sehe ich auch so. Die Schlossfassade und Sankt Walter bilden zusammen ein faszinierendes Bild und vermitteln wechselseitig eine ungeahnte Monumentalität. Nichtsdestotrotz ist der Schlossplatz in seiner neuen Erscheinungsform viel zu langweilig und trist.

  • Vielleicht ein kleines Schmankerl für ein paar, die es kennen: İm recht beliebten Handyspiel "Mario Kart Tour" von Nintendo gilt das Berliner Stadtschloss (mit Kreuz) schon als Wahrzeichen der Stadt.

    İn jeder Saison gibt es jeweils eine Tour durch eine Weltstadt, dieses Mal durch Berlin.

  • Da hat man das Schloss aber deutlich schmaler gemacht. :biggrin:

    Kürzlich habe ich das Schloss auch bei einem Interview der Tagesschau im Hintergrund gesehen. So schleicht sich der tolle Bau langsam in das Unterbewusstsein der Bevölkerung ein und wird als selbstverständlicher Teil unserer Hauptstadt wahrgenommen.

  • Schön, dass das Schloss so schnell angenommen wird und bereits in die Popkultur einwandert. Das Stadtschloss war ja auch schon vor einigen Jahren in einem der Marvel Avengers Filme zu sehen. Als Computergrafik bereits vollendet. In wenigen Jahren wird das Schloss bereits zu einer der Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt avancieren, fast so als ob es niemals weggewesen wäre.

    Die Berlin Tour is Nintendo übrigens sehr gut gelungen. Berlin sieht richtig schön und stattlich darin aus. Kann sichabsolut mit den Touren von London und Paris messen. Perfekte Promo für die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten.

  • Ja, eine sehr schicke Strecke. Neben dem Schloss sieht man die Schlossbrücke, den Dom, das Brandenburger Tor, den Tiergarten mit der Siegessäule, das Bodemuseum, den Hauptbahnhof, die Neue Synagoge und den Fernsehturm und Umfeld. Ich hoffe, nichts vergessen zu haben.