• SchortschiBähr Wie bei Allem, sollte man auch hier aus verschiedenen Richtungen auf die Dinge blicken: Der aktuelle Blick der Webcam auf die Nordfassade zeigt leider: Noch etwa sechs „Rippen“ fehlen. Aber dann ist es soweit!

    Bis Mitte nächster Woche brauchen wir wohl noch Geduld, dann haben die Jungs es geschafft! Vielleicht auch rascher. Vor zwei Wochen waren sie bei 70km/h Sturm da oben - alle Achtung!

    Jetzt beständiges Wetter! Und her mit der Laterne und fort mit allem Gerüst!

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Ich hatte als Kind schon das Gefühl, dass Berlin irgendetwas fehlt, eine Entität, die die Stadt zu etwas Herausragendem macht. Vor dem Krieg war es wohl das Schloss, ob dies in Zukunft auch so sein wird? Ich störe mich nach wie vor sehr an der meines Erachtens scheußlichen und widerwärtigen Ostfassade, die symptomatisch ist für moderne Architektur - durchdrungen von Seelenlosigkeit.

  • @ Bentele, danke für Deine Aufmerksamkeit, oh ja, da ist die Begeisterung mit mir ungeprüft durchgegangen.

    Sind wohl doch noch deren sechse. :peinlich:

    Aber ein Lob an die Spengler war's bei dem Wetter trotzdem gut, oder!?

  • Hallo zusammen,

    hier mal ein paar Gedanken zum Ostflügel, über den man sich so bitter beklagt:

    Das Schloss, bzw. seine Rekonstruktion war von Anfang an als ein für Museen o.ä. errichteter Zweckbau geplant. Gleichzeitig gab es massiven Widerstand gegen überhaupt eine Rekonstruktion. Daher können wir in erster Linie froh sein.

    Froh auch über den Ostblock, der erst in ein paar Jahren seine ganze Hässlichkeit entfalten wird, wenn Algen, Rost und Salzausblühungen seine Oberfläche noch mehr verunstalten.

    Was wäre die Alternative gewesen? Idealerweise natürlich die archäologische Rekonstruktion. Aber die hätte nicht mit der vorgesehenen Nutzung des Schlosses zusammengepasst. Man hätte einen Anbau geschaffen, der keine Funktion hat, so wie der obere Raum unter der Kuppel (Dieser Kuppelraum ist im Original erst in den 1850ern entstanden, und man hatte den Raum über Portal III dafür gründlich entkernt, um eine Kirche einzubauen, die nicht rekonstruiert wird).

    Die Ostfassade aber ist während Jahrhunderten gewachsen. Jede Bauphase hatte eigenes, charakteristisches Material verwendet, diverse Stile von der Gotik im Schlingrippengewölbe der Erasmuskapelle bis zum Klassizismus finden sich darin.

    Die Rekonstruktion der Ostfassade wäre eine komplexe und langwierige Aufgabe, ähnlich wie die Rekonstruktion der Dresdner Frauenkirche, nur ohne vorhandene Trümmerteile.

    Hätte man die Ostfassade jetzt rekonstruiert, wäre bestenfalls nur eine halbe Lösung dabei herausgekommen: Ein Betonkern mit modernen Räumen, angepasst an die vorgesehene Nutzung und nur äußerlich ähnlich dem Original.

    Jetzt steht dort gar nichts außer ein banaler Betonbau, der unweigerlich schon bald vergammelt aussehen wird. Von dem kann man sich leicht trennen. Gekostet hat er vermutlich auch nicht viel.

    Wenn dort jetzt eine äußerlich wieder aufgebaute Ostfassade stünde, wäre ein Abriss auch später undenkbar! Der jetzige Ostblock ist nur ein Platzhalter.

    Und wo die Schlossapotheke gestanden hat, braucht man für die Rekonstruktion nicht mal etwas abzureißen.

    Die könnte wieder interessant werden, wenn der Autoverkehr einmal nicht mehr zwischen Schloss und Lustgarten tobt, sondern herumgeführt wird um die Spreeinsel. Dann wäre eine komplette Rekonstruktion auch dieses Abschnitts möglich - wobei zu überlegen wäre, ob man den Zustand vor oder nach 1888 wiederherstellt, als ein Drittel der Apotheke abgerissen wurde, um den Weg von der Kaiser-Wilhelm-Brücke nach Unter den Linden freizumachen.

    Ostfassade und Apothekenflügel sind keine stilistisch homogenen Teile des Schlosses wie die Barockfassaden. Ebenso wie beim Querbau standen Abriss oder völlige Neugestaltung bei fast jedem Herrscherwechsel als Möglichkeit im Raum, und man verzichtete hauptsächlich aus Kostengründen darauf. So hat sich bis zur Zerstörung ein einzigartiges, nie geplantes Ensemble aller Stile der früheren Epochen angesammelt.

    Das zu rekonstruieren wäre eine Aufgabe mit völlig anderer Zielsetzung als der Aufbau des Barockschlosses als HuFo. Vielleicht ist es gut so, dass dort jetzt nur ein nach Abriss schreiender Block steht.

  • Ob Umgestaltung (Begrünung) oder gar ein späterer Abriss nach Platzhalterdasein (was ich noch weniger glaube, dass man dem Architekten diesen eigentlichen Plan vorenthalten hat...) - nochmal meine Frage: Hat Herr Stella nicht ein Urheber- und damit Widerspruchsrecht?

  • classica Natürlich hat er das. Insofern sind alle Fantasien bezüglich Begrünung, Abriss und/oder Ergänzung müßig - es sei denn, jemand kennt Herrn Stella persönlich und kann ihn überzeugen, solche substanziellen Veränderungen an seinem Entwurf zu genehmigen.

  • Der aktuelle Stand der kupfernen Kuppeleindeckung vom heutigen Morgen (7. März 2020):

    Auf den 4 WebCams kann man 15 fertiggestellte Rippen erkennen. Vermutlich fehlen jetzt noch 9 Rippen. Bei einigermaßen gutem Wetter müsste das in einer Woche zu schaffen sein.

  • Ich möchte mich mit diesem Beitrag nicht an der grundsätzlichen Infragestellung der Ostseite beteiligen, sie ist nun mal Realitat und mit ihr Gott sei Dank auch sehr sehr viel vom historischen Schloss mitsamt vielen baulichen Optionen im Innern.

    Ich möchte einen anderen Gedanken aufgreifen, der mehrfach genannt wurde. Immer wieder lese ich, dass der Renaissance-Flügel der Nutzung als HF entgegen stehen würde. Warum eigentlich? Der Stella-Anbau hat doch keine größere Fläche als das alte Schloss, oder? Eher weniger. Gewiss, es sind andere Raumaufteilungen, aber es ist doch nicht so, dass in einer rekonstruierten Ostfassade keine geeigneten Museums-u.Austellungsräume hätten untergebracht werden können. ? Also mir leuchtete dieses Argument nie ganz ein...aber das nur so als Gedanke.

  • Bei allem Verständnis für einige Foristen, dass die nicht enden wollende Kritik an der Ostfassade des Stadtschlosses Augenrollen verursacht, so ist mein Verständnis für die Kritiker und deren Äußerungen ungleich größer.

    Gerade eine Plattform wie diese sollte dafür ein Forum sein - stets!

    So wie die Wiederentstehung des Berliner Stadtschlosses als Humboldtforum einen Prozess darstellt, so sind eben auch die Meinungen und Stimmungsbilder diesem Prozess unterworfen.

    Ich selbst war nach der langwierigen öffentlichen Debatte und der anschließenden Pro-Entscheidung auf politischer Bühne derart erleichtert und froh, dass ich die zu erwartende Tristesse der modern zu gestaltenden Ostfassade schlicht beiseite schob, nicht weiter beachtete.

    Das Schloss würde kommen - puh!

    Heute ist die Ostfassade Stein gewordene Realität, die ich beinahe täglich betrachte.

    Das löst ganz reale Emotionen aus, die auch ich gefühlt täglich auszudrücken vermochte.

    Enttäuschung, Entsetzen, Traurigkeit, Unverständnis...

    Ich halte mich zurück, was aber von niemandem erwartet werden sollte.

    Und doch bin ich natürlich auch froh und dankbar.

    Dankbar, dass wir Herrn Stella viel mehr Schloss zu verdanken haben, als lt. Bundestagsbeschluss vorgesehen war.

    Und er uns noch viel mehr Schloss möglich gelassen hat...

    Der Prozess geht weiter. ??

    Aber eines kann ich sagen @ Solinger: Das Stadtschloss ist schon jetzt wieder das schlagende schöne Herz Spree-Athens.


    Gruß aus Berlin.

  • Stella hat ein ganzes Gebäude gebaut, nicht nur einen Anbau. Dieses gesamte Gebäude hat wesentlich mehr Nutzfläche als das historische Schloss. Der Eosanderhof wurde überbaut, und es gibt teilweise andere Raumhöhen. Es ist nicht richtig, die Ostfassade isoliert zu betrachten. Sie ist Teil eines Konzeptes. Aus diesem Gesamtkonzept heraus wäre für Stella auch eine Wiedererrichtung des Apothekenflügels nicht akzeptabel. Stella hat das Schloss zur Stadt hin als blockhafte Vierflügelanlage mit gleichmäßig durchlaufenden Fassaden aufgefasst. Dabei werden die barocken Teile bewusst in Szene gesetzt. Der Apothekenflügel würde das konterkarieren und die Sicht auf die Lustgartenfassade behindern. Die grandiose Schrägsicht aus östlicher Richtung könnte man von einem Fenster des Apothekenflügels nicht mehr so fotografieren, wie Maecenas und andere das gemacht haben. Hier irrt UrPotsdamer.

    Natürlich kann man eine Fassade bauen und dahinter Räume errichten, die keinerlei Beziehung zu ihr haben. Für das Projekt Humboldt Forum hatte man sich aber darauf festgelegt, nur die kunsthistorisch bedeutenden Barockfassaden zu rekonstruieren, nicht aber die unbedeutende Ostseite. Also hat kein Architekt versucht, die alte Ostseite zu rekonstruieren. Letztlich wird aber mehr Historisches rekonstruiert als anfangs gedacht. Das Eckrondell zur Rathausbrücke ist nachträglich in die Planungen eingefügt worden. Die Schlosskuppel wird gebaut und die Innenportale und Torduchfahrten. Die Hofseite des Eosanderportals wie einen Bühnenprospekt in das Foyer einzubeziehen, ist eine geniale Idee Stellas.

    Es kommt immer auf das Nutzungskonzept an und auf das, was der Bauherr will. Und der Bauherr wünschte eine Mischung aus Alt und Neu.

    Die Behauptung, die Ostfassade werde schon nach kurzer Zeit abrissreif aussehen, ist völliger Nonsens. Solche absurden Behauptungen sind hier im Forum aber nicht neu. Bei der James-Simon-Galerie behaupteten auch einige, die weiße Fassade werde nach nur einem Jahr völlig verdreckt sein. Jetzt steht sie schon mehrere Jahre und ist unverändert. Auch die Ostfassade des Humboldt Forums ist schon eine Weile fertig und sieht wie neu aus. Da rostet nichts. Es handelt sich auch nicht um einen Billigbau, wie einige hier behaupten. Die Baukosten liegen - ohne die historischen Teile! - bei mehreren hundert Millionen Euro. Ich halte von der Diffamierungsstrategie gegen die modernen Teile des Humboldt Forums gar nichts. Von einigen Foristen wird das geradezu kampagnenartig betrieben. Was soll das bringen?

    Die Stiftung Humboldt Forum ist erstmal damit beschäftigt, das Hufo zu eröffnen. Dann hat sie jährlich enorme Betriebskosten und so viel Programm, dass die Öffentlichkeit und Medien über Inhalte diskutieren werden und nicht über Fassaden. Es geht hier um einen Kulturbetrieb und nicht um eine Fototapete.

  • Lieber Rastrelli,

    ich stimme dir in all deinen Ausführungen voll und ganz zu. Ich habe mich in vorangegangenen Beiträgen ebenfalls bereits dahingehend geäußert. Deshalb habe ich in meinem vorangegangenen Beitrag auch betont, dass dies kein Schlechtreden des Ostflügels, sondern eine von der Architektur-u. Konzept-Frage losgelöste Betrachtung sein soll. Klar, das HF als Ganzes hat natürlich eine größere Raumfläche als das historische Schloss.

    Mein vor mich Hinsinnieren über den Ostflügel beinhaltet dennoch eine isolierte Betrachtung desselben, ohne irgendeine Forderung nach Abriss etc. Kunsthistorisch wertvoll war er möglicherweise nicht, aber mit Sicherheit von großer stadtgeschichtlicher Bedeutung. Und wiederum abgesehen von jedem Architekturkonzept wage ich zu behaupten, dass man auch im rekonstruierten Ostflügel ein Völkerkundemuseum untergebracht hätte, wie hinter den restlichen Fassaden auch. Mehr wollte ich gar nicht anzetteln.

  • Ich will hier keine Privatdiskussion anzetteln - aber warum sollte dieser Blick aus dem Fenster des Apothekenflügels nicht möglich sein? Und - darüber hinaus - was ist an dieser einen Ansicht so besonders? Mit dem wiederaufzubauenden Apothekenflügel im Rücken sollte sich mehr oder weniger dieselbe Ansicht ergeben. Falls es doch einen glasklaren Grund gibt, hat ihn Rastrelli nicht sehr gut rübergebracht...

  • Jetzt, da die Eindeckung der Kuppel vor der Vollendung steht, denkt man immer mehr an die Vorgänge unter dem Gerüst, die in der Webcam kaum zu erahnen sind: Wie weit ist an der Fassade des Eosanderportals die Montage der Bild- und Schrifttafeln und des großen Adlers unter den bekrönenden Voluten vorangekommen?

    Vielleicht können Eigeborene, die mit eigenen Augen hinter die Gerüste blicken können, von ihren Beobachtungen berichten. Für mich ist das eine überaus spannende Frage, weil von ihr auch die Antwort abhängt, wann die letzten Gerüste entfernt werden - ein Tag, den sich hier wohl jeder ersehnt.

    Freilich muss zunächst auf die Kuppel wohl die Laterne kommen.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Rastrelli Wie kommst Du darauf, daß Ost- und Apothekenflügel kunsthistorisch unbedeutend gewesen seien?

    Ich halte von der Lobhudelei gegenüber den modernistischen Teilen des Humboldt Forums gar nichts. Von einigen Foristen wird das geradezu kampagnenartig betrieben. Was soll das bringen?

  • Rastrelli Es ist doch vollkommen in Ordnung, dass der Ostflügel ‚modern‘ (was auch immer das stilistisch heißen soll) gebaut wurde. Dennoch muss man deshalb das Ergebnis nicht gutheißen und Stella zum Genie stilisieren, der das Unmögliche möglich gemacht hat und eine Harmonie zwischen Alt und neu herstellte, die weltweit ihresgleichen sucht. Das ist -sorry- Unsinn.

    Ich kann mit dem Ergebnis sehr gut leben. Aber muss es mir deswegen nicht besser schreiben als es ist. Das käme mir (natürlich nur im übertragenen Sinne) wie eine Geiselnahme vor, in deren Verlauf ich mich -da ich ohnehin nichts mehr ändern kann- mit dem Kidnapper solidarisiere.

    Mit deiner Argumentation könntest du übrigens auch eine moderne Bauakademie legitimieren, da ein Nutzungskonzept des 21. Jahrhunderts zwangsläufig nicht mehr mit dem Gebäude in Beziehung stünde.

    Ein gefährliches Spiel, wenn selbst wir uns zu solchen Aussagen hinreißen lassen und die Modernisten mit relativierender Munition beliefern.