Also unter den vermeindlich "ausgewogenen" Berichten, die Tegula verlinkt hat ist eine Meldung des ZDF mit einer Minute Länge (ein sog. NIF, Nachricht im Fernsehen) und ein zweiminütiger Beitrag der Deutschen Welle, die kaum über nenneswerte Reichweite verfügt. Sonst gibt es bei Tegula noch die regionale Knallerzeitung BZ (mit einer Auflage von ca. 50.000 Exemplaren) und einen Bericht der WELT. Ich würde da im übrigen noch den wirklich guten Betrag von Hedwig Richter in der TAZ Auf zum Schloß! ergänzen.
Die übergroße Anzahl der halbwegs überregionalen Medien hingegen berichtet, als stünde die Frage der Rekonstruktion des Berliner Schlosses zur Entscheidung an und keineswegs die Eröffnung des Humboldtforums. Denn, die Rekonstruktion des Schlosses war "umstritten", der Kompromiß mit der modernen Fassade und der Nutzungsidee der Museen der außereuropäischen Kulturen augenscheinlich der Abstimmungsergebnisse dreier deutscher Bundestags keineswegs.
Das hindert natürlich die Überzeugungstäter, für die jede Rekonstruktion deutscher Geschichte nahezu protofaschistoid ist (ausgenommen natürlich die Rekonstruktion von Bauten des Bauhauses), bei Eröffnung die alten Argumente gegen eine vollständige Rekonstruktion zu summieren als hätte 10 Jahre keine Debatte, keine zwei grotesk gescheiterten Architekenwettbewerbe für "moderne" Fassaden sowie keine sich gegenseitig ins Absurdeste steigernden Entwürfe internationeler Spitzenarchitekten für das Schloßareal gegeben. Die drei historischen Fassaden sind doch eine Reaktion auf dieses Scheitern der zeitgenösschischen Architektur, die kongenial unter den Teppich gekehrt wird. Man müßte dringend ein Sammelband mit diesem Panoptikum, ja dieser Geisterbahn an Zerrbildern herausgeben, der jeden Wankelmütigen zu einer Zustimung zu einer Rekonstruktion bringen würde.
Ursächlich für dieses schiefe Bild in den Medien ist aber etwas anderes, ich hatte nicht auf Einsicht oder Kompromißfähigkeit der Ideologen gehofft - die geben erfahrungsgemäß nie auf und beginnen beim nächsten Projekt mit all den gleichen Vorwürfen und Kritikpunkten, die sich gerade als falsch herausgestellt hatten. Ursächlich ist das Fehlen der Bilder von Zehntausenden Berliner und Touristen, die unter normalen Umständen den Bau gestürmt hätten. Diese Bilder, die in der Regel bei der jeder guten Rekonstruktion die Abstmmung der Menschen mit den Füßen zeigen, waren durch die Lockdown-Einschränkungen nicht verfügbar und gaben so den Kritikern mit den bekannten Vorwürfen Raum. Unter solchen Umständigen kommt auch eine einfache Aussage des Botschafters von Benin in die Tagesschau, der sonst nur in der Taz, dem Neuen Deutschland und auf der Website der Architektenkammer zitiert worden wäre.
Deshalb ist das alles ärgerlich aber erklärbar und ich bin guter Hoffnung, daß sich der Publikumserfolg nach der Chinesenseuche einstellen wird - mit allen Konsequenzen. Spiegel, Süddeutsche und FAZ werden dann völlig schamlos genau das Gegenteil berichten, weil nun die Positivmeldungen mehr Klicks und Werbekunden versprechen. Intellektuelle Konsistenz ist ja nicht mehr gefragt.
Also schließe ich mit der TAZ: " Alles spricht dafür: Die Menschen werden wieder zum Schloss ziehen, und sie werden es lieben. Wahrscheinlich werden die Scharen mit großer Unbefangenheit die außereuropäischen Sammlungen bestaunen. Und wie bisher schon wird die neue Aufmerksamkeit auch die Aufarbeitung befördern. Viele werden die furchtbare Geschichte des Luf-Bootes zum ersten Mal hören, das von einem deutschen Überfall gegen eine Inselbevölkerung erzählt und vom tragischen Widerstand der indigenen Männer und Frauen. Sollten wir uns nicht frei machen und gestehen: Könnte es ein schöneres Symbol der bundesrepublikanischen Demokratie geben? Hier kulminiert all das rührend Streberhafte der Deutschen. Alles wollen sie richtig machen: die Fremden umarmen, den Kolonialismus verurteilen, die Bildung fördern, die Tradition befragen und bewahren, oben Kreuz und unten Wippe – und alles wird ein bisschen schief."