Rekonstruktion oder traditioneller Neubau?

  • @ Philon: ein schöner, geistvoller und ästhetischer Beitrag!

    Mir fehlt nur eines bei deinen Überlegungen. Wie würdest du in einer Stadt wie Nürnberg, von der du dir wünschst sie wäre "mit Mann und Maus", also mit jedem einzelnen Haus zu bewahren bzw,. wiederherzustellen, die Transformation in die Gegenwart und Moderne gestalten? Oder würdest du ernsthaft fordern, dass die Altstadt ein riesiges Freiflächenmuseum wird, in dem es keinen Eingriff mehr geben darf? Wo finden sich da die jungen Menschen heute wieder, die ihre eigenen Idee haben eine Stadt weiter zu entwickeln und zu formen? Jagst du die alle auf die grüne Wiese?

    In meinen Gedanken finde ich es faszinierend, das Nürnberg vor 1943 zu sehen, noch mehr würde mich aber interessieren, wie Nürnberg heute aussehen würde ohne Kriegszerstörungen und ohne die schuldbeladene Wiederaufbauepoche, die zuviel Platz geboten hat für futuristische Ideen, z.B. der autogerechten Altstadt. Ich glaube nämlich stark, dass wir auch dann im Jahre 2019 eine nicht unveränderte Altstadt hätten. Ich behaupte, die Forderung von Philon wäre also selbst in einer ideal-heilen Welt nahezu unhaltbar.

    Städte verändern sich, sie dürfen sich aber m.E. nur zum positiven ändern. In Sinne einer örtlichen Tradition, aber durchaus im Geiste der Gegenwart.

  • Man muss nur nach Straßburg schauen um sich vorzustellen, wie Nürnberg heute wohl ohne großflächige Kriegszerstörung aussähe. Sicher nicht ohne diverse Eingriffe jüngerer Zeit, aber im Großen und Ganzen doch intakt und alles andere als ein Freilichtmuseum.

    PS: Sind wir nicht etwas weit vom eigentlichen Strangthema abgedriftet?

    In dubio pro reko

  • Man muss nur nach Straßburg schauen um sich vorzustellen, wie Nürnberg heute wohl ohne Krieg aussähe. Sicher nicht ohne diverse Eingriffe, aber im Großen und Ganzen doch intakt und alles andere als ein Freilichtmuseum.

    Danke, das hätte ich auch geantwortet. Außer Straßburg kann man beispielsweise auch Tübingen, Marburg, Konstanz oder Regensburg nennen.

  • einen neuen zu gründen, in dem es wirklich um Rekonstruktionen geht und nicht um faden, nichtssagenden Neoklassizismus.

    Wenn dir Betonwüsten mit hier und dort kleinen rekonstruierten Inselchen genügen, ist das natürlich deine Sache. Mir genügt das nicht, ich will auch da "Schönheit" und mich wohlfühlen, wo es nichts zu rekonstruieren gibt.

    Aber ein spezialisierter Reko-Verein als Ergänzung wäre sicher interessant.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Exakt, aber wenn ich Philon richtig verstehe genügt ihm das nicht. Ich las, dass er eine 100%-Reko ganzer Innenstädte fordert.

    Oststaatler hat das schon auf den Punkt gebracht. Die verlorenen Innenstädte Dresdens und Frankfurts wurden auf den Mauern ihrer Vorgänger errichtet. Wer Rekonstruktionen fordert muss auch definieren können, was genau rekonstruiert werden soll. Warum soll in Dresden nicht auch romanisches oder gotisches rekonstruiert werden, warum muss genau der Geist des Barock wieder auferstehen, und zwar nur dieser, Dresden ist doch viel älter?
    Oder in Nürnberg ist die Frage für mich noch schwerer zu beantworten, wenn ich z.B. Architekturkritiken aus der letzten Jahrhundertwende lese, in denen es um die Schleifung der Stadtmauer ging, die Errichtung "pompöser" Geschäftshäuser in der Altstadt, der Gerichtsgebäude oder der Abbruch der Hauptmarktkollonaden, dann wird mir klar das man sich schon immer emsig darum stritt, wie man die Stadt sowohl entwickeln und zugleich schöner machen könne. Diese bis dahin gesunde und notwendige Diskussion hat uns das sensationelle Nürnberg beschert, was im 2. WK untergegangen ist. Das Schlüsselargument war immer das traditionelle Bauen, das ist ja keine Erfindung unserer Tage. Im Gegenteil, das ist etwas was verloren gegangen ist.

    Zu Notre Dame: Die internationale Diskussion um ihren Wiederaufbau steuert in meinen Augen schon auf schwere Konflikte zu. Einerseits hat wohl irgend eine Versicherung bereits zugesagt, 1300 hundertjährige Eichenstämme zu spenden, andererseits soll es einen Architektenwettbewerb für den Wiederaufbau geben? Das passt doch nicht zusammen, mir scheint sich derselbe Konflikt anzubahnen, den wir im Forum hier auch immer sehen. Für einen neumodischen Wiederaufbau würde ich jedenfalls nichts spenden, und die 1300 Eichenbalken würde wohl auch keiner brauchen.

  • Mich wundert etwas die Schärfe, das Anklagende und Trennende, das Du hier ziemlich ohne Not in die Debatte bringst, Philon. Die allermeisten hier würden wohl flächige Rekos in zerstörten Altstadträumen neoklassischer Architektur vorziehen, ich halte den Streit und angeblichen Dissens hier ehrlich gesagt für konstruiert und weiß auch nicht recht, was er bringen soll außer einer unnötigen Schwächung unseres Anliegens.

    Es ist völlig in Ordnung, hier verschiedene Schwerpunkte zu haben, das ist das Wesen einer Gemeinschaft. Durch ein Zurückziehen auf Maximalstandpunkte schadet man imho mehr als man hilft. Kein einziges der Rekoprojekte der letzten 20 Jahre hätte in D eine Chance gehabt, wenn sich die Initiatoren von Anfang an auf eine Maximalforderung festgelegt hätten. Es ist nunmal das Wesen einer pluralistischen Gesellschaft, das Kompromisse gefunden werden müssen. Durch eine Ideologisierung des Anliegens kann man sich vielleicht als Vertreter der reinen Lehre vor der Anhängerschaft profilieren, wird aber nichts erreichen. Ich muss bei diesen Prozessen immer wieder an die Gründungsjahre der Grünen (oder jeder anderen Partei, meinetwegen auch der AfD) denken... am Ende trägt eine pragmatische und am Machbaren orientierte Agenda wesentlich mehr Früchte als die sich fast beleidigt zurückziehende Maximalforderung.

    Das heißt explizit nicht, dass wir nicht auch Positionen wie Deine brauchen, die uns immer wieder daran erinnern, warum wir hier eigentlich sind - aber die implizite Forderung, dass wir gefälligst alle so zu denken habe wie Du unter krasser Überbetonung des uns Trennenden, da geh ich nicht mit.

  • Wenn dir Betonwüsten mit hier und dort kleinen rekonstruierten Inselchen genügen, ist das natürlich deine Sache. Mir genügt das nicht, ich will auch da "Schönheit" und mich wohlfühlen, wo es nichts zu rekonstruieren gibt.

    Das habe ich nie gesagt:

    Erstens will ich nicht "Inselchen", sondern großflächige Rekonstruktionen.

    Zweitens kann, soll und muss auch außerhalb der ehemaligen Altstädte wieder besser gebaut werden. Aber das muss nun wirklich nicht immer derselbe Neoklassizismus oder simplifizierte Heimatschutzstil sein.

    Drittens muss ich bei aller Befürwortung von besserem und schönerem Bauen auch außerhalb der ehemaligen Altstädte einfach sagen, dass daran mein Herz nicht hängt. Das ist eine nette Zugabe, aber nicht das, worum es mir bei Architektur eigentlich geht.

  • Aus Hamburger Sicht: Unsere Innenstadt hat in den letzten 200 Jahren mehrere Umwälzungen erlebt, die die bis dahin spätmittelalterlich geprägte Kaufmannstadt praktisch vollständig ausgelöscht haben. Lange vor dem 2. Weltkrieg gab es bereits den Abriss des Doms Anfang des 19. Jahrhunderts, den Großen Brand von 1842, den kompletten Abriss der Bebauung des Wandrahms und Kehrwieders zu Gunsten der Speicherstadt in den 1880ern, die Kahlschlagsanierung in den 1920ern um Platz zu schaffen für das Kontorhausviertel mitsamt Chilehaus, den Abriss der Gängeviertel in der Neustadt in den 00er-30ern.

    Wenn nun ein Grundstück frei wird, dann haben wir diese Situation:

    - die mittelalterliche Straßenführung existiert nicht mehr
    - die Dokumentationslage ist dürftig (bestenfalls straßenseitige Ansicht vorhanden)
    - im heutigen Kontext wäre die Reko ein Fremdkörper
    - politisch wäre eine Durchsetzung ausgeschlossen
    - die ohnehin minimale Chance auf einen traditionellen Bau wäre vertan, sobald ich eine mittelalterliche Reko fordere

  • Kein einziges der Rekoprojekte der letzten 20 Jahre hätte in D eine Chance gehabt, wenn sich die Initiatoren von Anfang an auf eine Maximalforderung festgelegt hätten.

    Warum nicht? Woher willst du das wissen?
    Und selbst wenn: wer sagt dir, dass das aktuell noch genauso wäre, nach Dresden und Frankfurt?


    Es ist nunmal das Wesen einer pluralistischen Gesellschaft, das Kompromisse gefunden werden müssen.

    Natürlich ist es das, aber das ist auch eine Platitüde. Es geht mir darum, dass wir nicht ständig schon mit dem Kompromissvorschlag in die Diskussion gehen statt unsere Position klar zu machen.

  • Philon ich bin da auch 100% bei dir! Ich vermisse auch die Authentizität bei den "neuklassischen" Projekten in Berlin und Düsseldorf... Diese Gebäude haben keine Seele, sie sind sehr oberlächlich in ihren "Verzierungen" sie sind teilweise näher am Art Déco und sehen mMn auch in jeder Stadt irgendwie gleich aus überhaupt nicht auf den regionalen Stil und Baumaterial eingehend...
    Leider stimmt es dass der Verein da auch eher mittlerweile in diese Richtung tendiert, deshalb habe ich schon vor einem Jahr auch an eine Alternative gedacht.

    Doch jetzt kommt das große WIE: wir leben in einer Demokratie wo die Mehrheit entscheidet: leider ist den meisten Ottonornal-Bürgern das völlig egal, das komplette Geschichtsbewusstsein fehlt vor allem in Deutschland! Wie willst du da vorangehen? Wie willst du die Eliten in D damit überzeugen wenn diese selbst leider total kulturlos geworden sind? Und wie willst du das Monopol der modernistischen Architekten brechen? Und wie soll das realistisch ablaufen? Komplettabriss durch Enteignung?
    Die Vision ist traumhaft, aber wie real ist sie?

  • Erstens will ich nicht "Inselchen", sondern großflächige Rekonstruktionen.

    Selbst die großflächigsten Rekonstruktionen sind kleine Inselchen im Vergleich mit der heutigen Flächen-Bausubstanz.

    Keine Ahnung warum du nun unbedingt klare Gegensätze ausarbeiten willst, aber die Feinde der Rekonstruktion sind sicher nicht diejenigen, die sich traditionelle Architektur erhoffen.

    98% of everything that is built and designed today is pure shit. There's no sense of design, no respect for humanity or for anything else. Frank Gehry

  • Drittens muss ich bei aller Befürwortung von besserem und schönerem Bauen auch außerhalb der ehemaligen Altstädte einfach sagen, dass daran mein Herz nicht hängt. Das ist eine nette Zugabe, aber nicht das, worum es mir bei Architektur eigentlich geht.

    Mir persönlich schon. Geschlossene Gründerzeitviertel außerhalb von historischen Alststadten begeistern mich genauso wie eine intakte Altstadt selbst. Hier sollte ebenfalls qualitativ gebaut und weiterentwickelt werden. Viel zu oft bekomme ich das Gefühl dass man sagt "Naja, Hauptsache die Altstadt ist schön"...Der Alltag und die Lebenswirklichkeit spielt sich aber überall ab.

    Ich denke mir immer, hätte es einen Verein wie uns um 1600 schon gegeben, dann hätten wir wohl gegen das Nürnberger Pellerhaus massiv gekämpft. Es ist aber ein so großer Erfolg geworden, dass es eine Ikone des bürgerlichen Bauens in Nürnberg wurde. Manchmal schafft das auch heute noch ein Bauwerk, aber die Trefferquote der Architektenschaft ist niedrig und sie sinkt stetig weiter. Der Neubau des Pellerhauses hat diesbezüglich völlig versagt.

  • Das heißt explizit nicht, dass wir nicht auch Positionen wie Deine brauchen, die uns immer wieder daran erinnern, warum wir hier eigentlich sind - aber die implizite Forderung, dass wir gefälligst alle so zu denken habe wie Du unter krasser Überbetonung des uns Trennenden, da geh ich nicht mit.

    Das ist aber genau der Punkt: Ich nehme keine "Überbetonung des Trennenden" vor. Für mich ist das das Trennende: Mir ist "traditionelles Bauen" letztlich ziemlich egal.
    Für mich liegt die Grenze zwischen "Rekonstruktion vs. Nicht-Rekonstruktion" nicht zwischen "Nicht-Rekonstruktion vs. traditioneller Neubau oder Rekonstruktion".

    Für mich ist ein traditioneller Neubau genauso eine Nicht-Rekonstruktion wie jedes andere Gebäude, das man statt einer Rekonstruktion irgendwo hinstellt. Das ist keine "Überbetonung" eines vermeintlich nebensächlichen Dissenses, sondern ein fundamentaler Dissens.

  • Die allermeisten "Rekonstruktionen" in Dresden, Frankfurt etc. sind aber gar keine. Allenfalls eine relativ dünne Schicht an der Fassade ist rekonstruiert; dahinter ist alles Stahlbeton. Bitte sei also so ehrlich und sage, dass Du eine Rekonstruktion der Außenhaut willst - das ist meilenweit von "Mann und Maus" entfernt.

  • Finde die Misschung von Full-Reko's, "Historisierende" Füllbauten und Neubauten im trad. Stil eigentlich sehr gelungen wenn Reko's wenigstens 40-50% des Ganzen ausmachen. Das ist am Neumarkt, in Potsdam und Frankfurt der Fall. Sehr gelungen weil wenn alles Reko's wären die einzelne Bauten weniger auffallen. Mit Reko's gibt es auch verschiedene Stufen: 100% Reko's wie die Frauenkirche und Reko's wobei nicht alle Bauelementen oder Schmuck, Figuren rekonstruiert werden (können). Berliner Schloss: nur die Aussenseiten sind Reko's, am Innern alles Stahlbeton. In Dresden werden die Mauern noch allen mit einzelne Steinen gebaut, leider wurden viele Keller mit originalen steinen und Gewölben nicht in die Neubauten integriert. Eine grosse Schance vertan um eine Verbinding mit die Vergangenheit zu bewahren.

    So finde ich die Friedrichstrasse, Hausvogteiplatz und Hackischer Markt in Berlin mit Misschung Alt, Alt & modernisiert und "klassisch" Neu besonders gelungen. Vor dem Krieg war das Alles traditionelle Bauten mit wuchtigen Giebel, Türmen und Dächer. Heute sind die verschwunden. Besonders diese möchte ich gerne wieder rekonstruiert sehen...wie die Laternen am Dom. Spitzen und Dächer am Frankfurter Rathaus, Langer Franz. Lukaskirche Dresden, Einfach, billig und mit ein grosses Effekt!! Eine "Augenweide" so zu sagen.

    Sagt mal selbst wie schön jetz die Parochial Kirche mit rekonstruierten Spitze augt!!

  • Für mich wird „traditionelle Architektur“ dann schwierig, wenn diese dem Betrachter suggerieren will aus einer anderen Zeit zu stammen. Also wenn ein neuklassisches Haus den Eindruck erweckt, es stamme aus der Jahrhundertwende. Das macht traditionelles Bauen so schwierig, wenn man einerseits einen historischen Formenkanon fortsetzen will, andererseits die Ehrlichkeit besitzt, das Gebäude als zeitgenössisch erkennbar zu machen. Im Ergebnis sind das dann solche Werke wie von Patzschke, die zwar ansprechend sind, die aber gar nicht dieselbe Anmutung wie die Bauten der Gründerzeit haben können, weil man sonst über den zeitlichen Ursprung getäuscht würde. Wegen diesen Vorbehalten gegenüber traditionellen Neuschöpfungen würde ich auch in jedem Einzelfall, bei dem eine historische Vorlage existiert, eine Rekonstruktion vorziehen. Denn Rekonstruktionen kann man nicht vorwerfen, ein ahistorisches Trugbild zu sein. Sie haben ihre historische Existenzberechtigung und Authentizität. Wo das nicht in Frage kommt bevorzuge ich kreative Architektur wie von Tobias Nöfer, der mit seiner Arbeit nichts imitiert sondern neuartige Symbiosen aus verschiedenen, eigentlich für unvereinbar gehaltenen Baustilen erschafft.

    In dubio pro reko

  • Ich vermisse auch die Authentizität bei den "neuklassischen" Projekten in Berlin und Düsseldorf... Diese Gebäude haben keine Seele, sie sind sehr oberlächlich in ihren "Verzierungen" sie sind teilweise näher am Art Déco und sehen mMn auch in jeder Stadt irgendwie gleich aus überhaupt nicht auf den regionalen Stil und Baumaterial eingehend...

    Eben, das ist genau der Punkt: dieser Neoklassizismus ist genauso seelenlos, flach, fade, geschichts- und ortlos wie der Modernismus.
    Ich verstehe schlicht nicht, wie jemand mit einem ästhetischen und geschichtlichen Verständnis auf diese Projekte dermaßen abfahren kann wie das in letzter Zeit hier vielfach geschieht.

    Doch jetzt kommt das große WIE: wir leben in einer Demokratie wo die Mehrheit entscheidet: leider ist den meisten Ottonornal-Bürgern das völlig egal, das komplette Geschichtsbewusstsein fehlt vor allem in Deutschland! Wie willst du da vorangehen? Wie willst du die Eliten in D damit überzeugen wenn diese selbst leider total kulturlos geworden sind? Und wie willst du das Monopol der modernistischen Architekten brechen? Und wie soll das realistisch ablaufen? Komplettabriss durch Enteignung?
    Die Vision ist traumhaft, aber wie real ist sie?

    Ja, das ist mir bewußt, aber deshalb plädiere ich ja auch dafür, dass wir endlich aus der Defensive herauskommen und ganz deutlich für einen Bewußtseinswandel kämpfen. In den 150 Jahren nach dem Dreißigjährigen Krieg war auch an deutscher Kultur und Vergangenheit niemand interessiert. Alle, vor allem die "Eliten", schauten nach Frankreich so, wie heute alle in die englischsprachige Welt schauen. Und dann kam die Romantik und alles änderte sich. So einen Bewußtseinswandel müssen wir wieder bewerkstelligen; dann ergibt sich alles andere von selbst.

    Für eine weitgehende Rekonstruktion der Altstädte brauchen wir dann auch keinen Komplettabriss durch Enteignung. Die Marktwirtschaft hält da ausreichend Instrumente vor. Was meinst du, wie schnell die Altstädte wieder erstehen würden, wenn man renditeorientierte Investorenklötze durch entsprechende Gestaltungssatzungen unmöglich machen und gleichzeitig ein großzügiges Förderprogramm (steuerlich und/oder durch Subventionierung) für Rekonstruktionen auflegen würde? Ich garantiere dir, dass innerhalb von 30-40 Jahren ein Großteil der Altstädte weitgehend rekonstruiert wäre.

    Aber natürlich: um so ein Programm politisch durchzusetzen brauchen wir erst einmal einen Bewußtseinswandel. Aber den erreichen wir eben nicht, wenn wir gar nicht erst darum kämpfen, sondern immer schon zurückstecken, bevor die Debatte überhaupt angefangen hat.

  • Unser Hauptproblem ist einfach die Haesslichkeit der heutigen “Architektur”. Denn wenn nur Haesslichkeit als “zeitgemaess” gilt, wirken schoene Bauten schon von selbst irgendwie “unauthentisch”. Worauf ich eigentlich hinaus will, ist traditionelles Bauen in lokaler/regionaler Formensprache. Gerade in Nuernberg und im Sueden Niedersachsens (nicht jedes Altstadthaus wurde ja ausreichend dokumentiert, und zumindest das braucht man fuer eine Reko schon)! Es sind nur die sogenannte “Moderne” und die heutigen Arschitekten, die sowas immer wieder verhindern, da seit 1945 nur noch Haesslichkeit als “ehrlich” und “authentisch” gilt!

    Einmal editiert, zuletzt von Niederländer (19. April 2019 um 22:35)

  • Unser Hauptproblem ist einfach die Haesslichkeit der heutigen “Architektur”.

    Genau das sehe ich eben nicht so. Unser (oder meinetwegen: mein) Hauptproblem ist die Abwesenheit unserer steingewordenen geschichtlichen und kulturellen Identität in den Städten.
    Die Häßlichkeit ist ein sekundäres Problem, ein Nebeneffekt.

  • Doch, “Haesslichkeit als ewiger Strafe” duerfte hier der Grund des ganzen Uebels sein! Die mittelalterlichen Haeuser bekommt man ja nicht mehr zurueck, aber man kann doch zumindest etwas sehr Aehnliches bauen, das sich kaum vom Original unterscheidet! Dafuer muessen wir aber erst wieder richtig Bauen lernen. :)