Tobias Wald (CDU) Rekonstruktionen machen keinen Sinn

  • Der derzeitige baupolitische Sprecher der CDU in Baden-Württemberg äußert sich aus seiner Sicht in diesem Interview zu Themen wie Nachverdichtung in Innenstädten, alternativlosen Abbrüchen historischer, nicht denkmalgeschützter Bausubstanz und der Ablehnung von Rekonstruktionen am Beispiel Frankfurt. Eine konservative Haltung im Sinne vom Nichtabrückenwollen der bisherigen wirtschaftsliberalen Positionen ( der Markt regelt das schon ), die zum sichtbaren Dilemma in Denkmalschutz und im Städtebau geführt haben und durch weitere Liberalisierungen, unter dem Diktat der aktuellen und angestrebten Baupolitik, zu einer weiteren Verschlechterung der Situation führen.

    Quelle: https://bnn.de/lokales/buehl/…VZ4yE7Q8JV_L_rI

  • Er und seine Partei vertreten eben die gleiche Linie, die auch die anderen Parteien, die schon länger hier in den Parlamenten sitzen, vertreten. Sie sind unter Zugzwang ihrer eigenen Politik.

    Die Bevölkerung derjenigen, die schon länger hier leben, wächst ja nicht. Das Wachstum kommt von außen. Und wer möchte dieses Wachstum haben? Tobias Wald gibt Antwort: "Weil unsere Wirtschaft boomt, gibt es neue Arbeitsplätze. Wir sind eine Zuzugsregion."

    Die Exportwirtschaft benötigt möglichst billige Arbeiter und Lohndrücker. Denn die erzielten Gewinne landen ja nur sehr begrenzt in den Lohntüten der Werktätigen.

    Für diese Zuzüge muss nun Wohnraum geschaffen werden. Das geht zu lasten des Altbestands. Sonst fliegt ihnen der Kessel sozial um die Ohren. Tobias Wald: "Der Wohnungsbau ist eine Frage des sozialen Friedens in unserer Gesellschaft. (...) Leider lässt sich der Abriss von schönen alten, aber nicht denkmalgeschützten Einfamilienhäusern nicht vermeiden. (...) Bei allem Bedauern sollte man nicht vergessen: Wenn man ein Einfamilienhaus durch ein Mehrfamilienhaus ersetzt, entsteht immer dringend benötigter Wohnraum."

    Angesichts dieser Politik, bei der es einzig und allein um die Gewinnmaximierung der Exportwirtschaft geht, sind Abrisse oder Flächenversiegelung und die Errichtung von Wohnsilos die einzige machbare und rentable Option. Das mag der eine etwas sanfter und rücksichtsvoller realisieren, der andere etwas bracchialer.

    Dass in diesem Denken der Wert eines historischen Stadtbildes oder gar dessen Wiederherstellung an unterster Stelle rangiert, braucht nicht zu überraschen. Heimat ist für diese Leute allenfalls ein Marketingbegriff oder eine Umschreibung für eine gute Versorgung mit Konsumgütern und Freizeitangebot.

    Die Rekonstruktionsbewegung ist dabei in einem Dilemma. Einerseits benötigt sie Geld, um ihre Vorhaben umzusetzen, andererseits ist gerade dieses Zuviel an Geld auch die Gefahr, da es für Investoren umso mehr lohnt an anderer Stelle den Abrisshammer zu schwingen.

  • So eine Einstellung überrascht sowieso nicht, gerade weil sie aus Baden-Würtemberg kommt. Im Ländle herrscht schon geraume Zeit eine politische Stimmung, die zwischen "Grün" und "Schaffe, schaffe" angesiedelt ist und wo die Rekobewegung neben NRW wohl das stiefmütterlichste Dasein fristet.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Vielen Dank, zeitlos. Beim Lesen des Artikels konnte ich nur den Kopf schütteln. Und danke, Heimdall, für die treffende Analyse zu den Hintergründen dieser Politik. Wachstum und Zuzug erscheinen hier als Selbstzweck. Aber wozu? In einer konservativen Partei sollten doch der Erhalt und die Förderung der Heimat im Zentrum stehen.

    Es gibt meiner Meinung nach noch zwei weitere Gründe für die nicht endende Abrißwut und die Ausweisung immer neuer Baugebiete trotz der angeblich schrumpfenden Bevölkerung:

    1. Viele Menschen haben heute den Wunsch nach einem eigenen „Reich“. Großfamilien sind die Ausnahme. Im ländlichen Raum kommt hinzu, daß die junge Generation die Nebenerwerbslandwirtschaft aufgibt. Damit stehen die Bauernhöfe, die das Dorfbild prägen, zur Disposition.

    2. Die Neubauten ab den 60er-Jahren sind heute schon wieder vollkommen unbeliebt und werden bald landauf- landab leer stehen.

    Daraus sollte man lernen und die Fehler von damals nicht wiederholen. Herr Wald kommt aus der ländlichen Ortenau. Es gibt dort zahlreiche mittelständische Unternehmen, die Arbeitslosenquote liegt im Raum Bühl bei 2,1%. Der Großteil der Bevölkerung arbeitet in der Industrie, die ehemaligen Bauerndörfer sind Pendlerdörfer geworden. Wie überall im Land sehen die Neubauten zur Zeit so aus: Beispiel 1, oder auch für „Individualisten“: Beispiel 2.

    Tobias Wald: „Bebauungsplanverfahren sind sehr aufwendig. Deshalb muß man von Fall zu Fall entscheiden, ob ein Bebauungsplan wirklich sinnvoll ist.“

    Wofür ist Baupolitik da, wenn nicht für die Ausarbeitung von Bebauungsplänen? Ein paar Vorgaben und schon würden sich die Neubauten besser einfügen. Und zwar „nachhaltig“, trotz EnEV: Klassische Fenstermaße und -verteilung, ortstypische Dachneigung, Farbe der Dachziegel und des Putzes.

    Dem Befund, daß es in Baden-Württemberg besonders schlecht um die Heimatpflege bestellt ist, muß ich leider zustimmen. Zum Trost las ich nach diesem Interview einen Artikel, der im selben Blatt vor über 100 Jahren erschienen ist. Der Autor, der sich ein „Mann vom Lande“ nannte, kam aus dem Nachbardorf von Herrn Walds Heimatort. Zum Thema Landflucht schrieb er 1901: „In der Landbevölkerung schwinden durch eine materielle Lebens- und Weltanschauung, durch eine sog. moderne Erziehung jene gesunden, jene bindenden und festhaltenden Ideale, jene hohen Begriffe und Ideen von Heimat, von Freiheit, Liebe zum Beruf, von häuslichem und ländlichem Sinn, von der Schönheit der Natur.“ Wie wahr und wie aktuell.

    Ich werde Herrn Wald demnächst schreiben.

  • "In einer konservativen Partei sollten doch der Erhalt und die Förderung der Heimat im Zentrum stehen."

    Ja natürlich, in einer konservativen Partei schon. Die CDU ist aber schon lange keine mehr, das kann dir doch nicht entgangen sein. Diese Partei bewegt sich zwischen Wirtschaftslobbyismus und Anbiederung an den linken Zeitgeist. Gerade letzteres macht sie - nicht nur im Ländle - zum idealen Partner der Grünen. Nur mit konservativer Politik hat das nichts zu tun.

    In dubio pro reko

  • Selbstverständlich ist mir das nicht entgangen. Ihrem Selbstverständnis nach hält sich die CDU/CSU aber durchaus für konservativ. Tabias Wald auf seiner Homepage: "Ich bin heimatverbunden" usw. An der Stelle kann man an diese Politiker auch appellieren und ihnen den Spiegel vorhalten. Immerhin ist ja mittlerweile ein gewisses Korrektiv in den Landtag eingezogen.