Populismus-Vorwurf in der Architektur

  • ^ Franka, gut. Das ist zumindest bei mir in der Region erreicht (östliches Mecklenburg-Vorpommern). Also waren wir wohl erfolgreich. huh:)

    Vielleicht sollten wir uns an anderer Stelle nochmal genauer über unsere Zielvorstellungen und den Weg dahin unterhalten. Die scheinen hier zum Teil auch sehr weit auseinander zu gehen.


    Clintwood: Meinungsfreiheit ist das Schlagwort des Jahrtausends. Auf deine Beiträge gehe ich nicht weiter ein. Da sind wir beide fest in unserem Denken und nicht offen für Gegenargumente, hat insofern wenig Sinn. Manchmal ist es besser so, als sich immer tiefer in Rage zu reden.

  • Schon ok. Danke dir.

    Meine Botschaft ist übrigens nicht "denkt immer positiv". Da wurde ich missverstanden und entschuldige mich, wenn ich so schwammig kommuniziert habe. Meine Botschaft ist "wenn ihr schon permanent alles kritisiert, dann arbeitet bitteschön auch konkret an Lösungen". Nicht weniger und nicht mehr.

    Sehr wundere ich mich dann eben doch, wo manche sehr laute Leute hier eigentlich stecken, wenn's wirklich ans Eingemachte geht. Um die Organisation von unseren Sprachrohren zum Beispiel, Tagungen wie zuletzt in Dresden wo es um Lösungen geht, die Politik zu verändern, Netzwerke Gleichgesinnter aktiv zu knüpfen, Projekte voranzutreiben... Aber gut, was weiß ich indifferenter Schönredner schon. Wer hätte schon je mit konkreten Taten irgendetwas bewegt! Dient ja letztlich alles nur den Mächtigen, wenn man konkret was tut und in diesem bösen, überkommenen System etwas vor der großen, bestimmt bald kommenden Revolution macht.

    Aber keine harten Gefühle diesbezüglich. Ich schaue immer mit einem weinenden und einem lachenden Auge auf dieses Forum, weil ich es eher locker nehme. Meine Botschaft werdet ihr dennoch in unregelmäßigen Abständen so oder ähnlich immer wieder lesen. Steter Tropfen höhlt den Stein... ;)

  • Das freut mich zu hören, @erbse, ja, die entscheidende Frage ist, das "wie" und nicht das "was" wir erreichen möchten.
    Saat wäre da, aber der Boden ist in den meisten Regionen sehr karg und staubig.

    Beauty matters!

  • Ich bin wirklich der letzte, der die Arch+ verteidigen würde, der Walter Benjamin Platz ist mir in jeder Hinsicht ziemlich wurscht und von der Debatte um das Zitat höre ich jetzt das erste Mal. Dass eine Säulenhalle faschistisch sein soll, ist albern, der Platz sieht aber so toll nun auch wieder nicht aus.
    Aber warum zur Hölle muss man von einem Dichter und de facto Landesverräter, der engagiert in Mussolinis Italien den Faschismus verteidigt hat und nachweislich ein hemmungsloser Antisemit war, ein Zitat in den Boden eines Platzes in Berlin einlassen, in dem es raunend um Usura geht und damit ziemlich eindeutig in Richtung jüdische Wucherwirtschaft? Wenn man kritisieren will, dass der Kapitalismus heute schmucklos, kostengünstig und gleichgültig bauen lässt, während man früher ein Repräsentationsbedürfnis hatte - und da bin ich ja ganz dabei - muss man da ernsthaft zu so einem belastetem Zitat greifen? Da war echt nichts ähnlich kritisches ohne diesen fatalen Kontext zu finden? Sorry, ich finde das total daneben.
    Und der Architekt macht hier https://www.tagesspiegel.de/kultur/berline…n/24416220.html argumentatorisch keine gute Figur, spätestens wenn er Pounds Antisemitismus leugnet. Und bevor das auch nur einer bezweifelt: https://en.wikipedia.org/wiki/Ezra_Pound#Radio_broadcasts

    Pound mag ein bedeutender Lyriker sein, was formale Qualitäten angeht, inhaltlich ist das aber ziemlich dünn. Ich würde die Platte sofort aus dem Platz meißeln. Mich wundert es eigentlich, dass das jemals genehmigt wurde.

  • Damit die Forumsdiskutanten wissen, wovon die Rede ist...
    So lautet das Zitat der Bodenplatte: "Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein / die Quadern wohlbehauen, fugenrecht, / dass die Stirnfläche sich zum Muster gliedert."
    "Usura" ist das italienische Wort für Wucher. Juden können bei dem Zitat gemeint sein (wie gesagt, dass sich Pound antisemitisch geäußert hat, ist unbestritten), genannt werden sie aber nicht.

    Interessanterweise ist das Thema "Wucher" in Berlin und dem Rest Deutschlands sonst völlig opportun und aktuell. Die Morgenpost berichtete vor kurzem von dem Protest einer Anwohnerinitiative in Kreuzberg-Friedrichshain gegen "Mietwucher", die B.Z. hatte einen "Trick gegen Wucher" parat und der Deutschlandfunk spricht gerade vom "Kampf gegen Mietwucher". Und n-tv wusste von einem "Bündnis gegen Wucher" bei Banken und Lebensversicherungen zu berichten. Boerse.de schreibt über "Wucherzinsen" und der "Focus" hat "Wucher bei Medikamenten" seitens der Pharma-Industrie entdeckt.

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    Bezüglich "erbse".
    Also, gegen Deine These, dass eine positive Grundstimmung das Positive anzieht und erschafft, will ich gar nichts einwenden. Ich habe persönlich das Gegenteil erlebt, also man kommt mit positiver Energie und erntet Zurückstoßung, aber man kann es natürlich mit Recht so sehen.
    Aber, Du sollltest dieses Prinzip, alles positiv zu sehen, dann auch auf das Forum anwenden. Warum hängst Du Dich dann an negativ gestimmten Forumsdiskutanten auf? Sage Dir doch, dass das Forum immer fröhlicher wird, immer bessere Beiträge dort erscheinen, immer aktiviere Mitglieder zu erkennen sind, statt alles nur von "von Nein-Sagern, Kulturpessimisten und Schreibtischtätern" bevölkert zu sehen. Du widersprichst nämlich Deinem eigenen Prinzip.
    Ein anderer Grundwiderspruch ist, dass Du von dem "Mikroforum APH, das ist dafür eine zu kleine Bühne" sprichst, und gleichzeitig oft schreibst, wie wichtig es wäre, hier auf die Außenwirkung zu achten, weil das Einfluss auf Rekonstruktionsprojekte hätte. Wenn das aber ein unbedeutendes Mikroforum ist, dann ist doch eigentlich egal, was hier gepostet wird?

  • Warum hängst Du Dich dann an negativ gestimmten Forumsdiskutanten auf?

    Aus genannten Gründen. Mein Befinden ist da völlig nachrangig. Ich seh's persönlich wie gesagt locker.

    Wenn das aber ein unbedeutendes Mikroforum ist, dann ist doch eigentlich egal, was hier gepostet wird?

    Ja und nein. Ich sag's mal ganz platt: Es gibt nunmal da draußen eine Handvoll Journalisten und Architektur-Kommentatoren, die nur darauf warten, dass Forumer hier sich verhaspeln oder Dinge äußern, die man zu einer neuen Story rund um die "neurechte XYZ-Bewegung" aufblähen kann. Kann und soll uns nicht gefallen, ist aber doch latent zu beobachten.

    Zugleich glauben manche Forumer hier offenbar, mit ihren kritischen Beiträgen tatsächlich in größerem Umfang Architekten, Politiker und Entscheider aller Art zu erreichen. Zumindest macht es den Eindruck, oder es wird sich nicht erkennbar bequemt, die Kritik mal außerhalb von diesem Forum darzureichen.

    Das stört mich ehrlich gesagt mit am meisten: dass die viele berechtigte(!) Kritik, die hier oft sogar sehr qualitätvoll geäußert wird, eben überhaupt nicht aus der Forumsblase herausdringt und damit fast im luftleeren Raum verhallt. Schreibt Betroffenen und Entscheidern sowie Medien direkt! Da gehört das alles hin, um etwas zu verändern. Wir als Gemeinschaft wissen um die meisten Problempunkte, da brauchen wir uns nicht in ständiger Selbstaffirmation üben in der APH-Echokammer.

  • Aber warum zur Hölle muss man von einem Dichter und de facto Landesverräter, der engagiert in Mussolinis Italien den Faschismus verteidigt hat und nachweislich ein hemmungsloser Antisemit war, ein Zitat in den Boden eines Platzes in Berlin einlassen, in dem es raunend um Usura geht und damit ziemlich eindeutig in Richtung jüdische Wucherwirtschaft? Wenn man kritisieren will, dass der Kapitalismus heute schmucklos, kostengünstig und gleichgültig bauen lässt, während man früher ein Repräsentationsbedürfnis hatte - und da bin ich ja ganz dabei - muss man da ernsthaft zu so einem belastetem Zitat greifen?

    Die Antwort ist, dass Pound trotz seiner Gefolgschaft für Mussolini und trotz seines Antisemitismus einer der größten Dichter des 20. Jahrhunderts ist und dass seine poetische "Kritik des Kapitalismus", eigentlich der Moderne schlechthin, eine Sprachgewalt und Ausdruckskraft hat, die man bei keiner dünnen, theoretisierenden Kapitalismuskritik findet.
    Ich stelle hier mal den Anfang des berühmt-berüchtigten Canto XLV ein:

    BEI USURA
    Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein
    die Quader wohlbehauen, fugenrecht,
    daß die Fläche sich zum Muster gliedert
    Bei Usura
    hat keiner ein Paradies auf seine Kirchenwand gemalt
    harpez et luz
    oder die Kunde, die zur Jungfrau kommt
    und Strahlenkranz, der vorkragt aus dem Einschnitt
    Bei Usura
    kommt keinem Mann zu Augen Gonzaga, seine Kinder, Kegel,
    Konkubinen,
    es ist kein Bild gedacht, zu dauern, noch damit zu leben
    sondern nur zu verkaufen, schnell zu verkaufen
    [...]

    Das ist wie bei so vielen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts: sie sympathisierten oft genug mit einem der Totalitarismen dieses fatalen Jahrhunderts, eben weil sie unter der zerrissenen Moderne gelitten haben und (zumindest zeitweise) in den Totalitarismen vermeintlich einen Ausweg aus der Sackgasse der Moderne sahen. Dasselbe, was sie anfällig für die Totalitarismen machte, war dasjenige, was sie zu großen Dichtern, Philosophen oder Essayisten machte. Das gilt für Pound wie für Heidegger und für Benjamin wie für Brecht.

    Ebensogut wie man fragen kann, wie man ein Zitat des Mussolini-Sympathisanten Pound in einen Platz einlassen kann, kann man auch fragen, wie man einen Platz nach dem Stalin-Sympathisanten Benjamin benennen kann (komischerweise fragt das niemand, warum eigentlich nicht?). Die Antwort ist aber in beiden Fällen dieselbe: Weil sie beide große Denker und Dichter waren, deren Werk über ihre persönlichen Schwächen und Irrtümer hinausreicht: Pound als Poet und Benjamin als Philosoph, Essayist und Aphorist.

  • Man muss dazu sagen, dass redliche Intellektuelle wie Pound in einer fürchterlichen Situation gewesen sein mussten - wie hatten wirklich nur die Wahl des geringsten Übels - eine Situation, die heute nicht ganz unbekannt sein dürfte und bei der man bekanntlich auf keinen grünen Nenner zu kommen pflegt...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • sie sympathisierten oft genug mit einem der Totalitarismen dieses fatalen Jahrhunderts, eben weil sie unter der zerrissenen Moderne gelitten haben und (zumindest zeitweise) in den Totalitarismen vermeintlich einen Ausweg aus der Sackgasse der Moderne sahen

    Genau wie heute in den politisierten Teilen der Gesellschaft...
    Wenn es Medien-/Nachrichtensperre auf Rezept gäbe, würde das viele gefährliche Leute sehr viel entspannter machen.

  • Man muss dazu sagen, dass redliche Intellektuelle wie Pound in einer fürchterlichen Situation gewesen sein mussten - wie hatten wirklich nur die Wahl des geringsten Übels

    Das Interessante ist ja, dass alle diese Intellektuellen in gewisser Weise von derselben Erfahrung ausgingen: Der Erfahrung der Moderne als einerseits katastrophisch (hier spielt v.a. der 1. Weltkrieg eine entscheidende Rolle), andererseits als Epoche einer ungeheuren Verflachung und eines ungeheuren Verlustes an Tiefe, Schönheit und Viegestaltigkeit.

    Beim Versuch, den Grund zu verstehen, verfallen sie alle auf unterschiedliche Konzepte: Heidegger identifiziert als den Grund die Seinsvergessenheit, Horkheimer und Adorno aufgeklärte Naturbeherrschung und Kulturindustrie, Pound die "usura" etc.
    Letztlich ist das aber immer dieselbe Gedankenbewegung unter verschiedenen Namen.

  • Die Demokratisierung und Ökonomisierung der Kultur sind neben dem 1. Weltkrieg sicherlich auch ein entscheidender Grund. Dies war, unter den Intellektuellen, auch ein wichtiges Motiv, den Ersten Weltkrieg überhaupt gutzuheißen. Der Kampf des klassischen und auch elitären Kulturbegriffs gegen die westliche Zivilisation (die als Synonym für genannten Demokratisierungsprozess des Geistigen gedeutet wurde), die auch letztlich siegte. Oder auch der Kampf der Moral gegen die Ästhetik- ein Kampf, der bis heute geführt wird, wenn wir über Architektur sprechen: Funktionalismus vs Ästhetizismus, der soziale Gedanke vs Genialität Einzelner. Hier boten Totalitarismen zwar keine befriedigende Antwort, aber zumindest eine Gegenbewegung, deren Radikalität und Betonung der „Idee“ (des Geistigen), die über rein pragmatische Überlegungen und Tagespolitik gestellt wurden, auf Künstler und Intellektuelle ohnehin anziehend wirkten. Das damalige Denken ist den meisten heutzutage fremd, wie man auch an der Rezeption von Heideggers Schwarzen Heften sah, die die gesamte Analyse (z.B. die von dir genannte Seinsvergessenheit) nicht verstehen und sie daher nur ablehnen und ironisieren konnte- und sich am Ende an ein paar antisemitisch gefärbten Äußerungen abarbeitete. So auch bei Ezra Pound: eine andere, als eine moralisierende Interpretation seines Schaffens, ist heute kaum möglich. Und den womöglich entscheidensten Faktor für die Demokratieverachtung und die Abneigung gegenüber jeglichen „Herdenidealen“ (Stichwort: „der letzte Mensch“) der damaligen Intellektuellen ist letztlich sicherlich auch der Nietzscheanismus dieser Zeit.

  • Die Antwort ist, dass Pound trotz seiner Gefolgschaft für Mussolini und trotz seines Antisemitismus einer der größten Dichter des 20. Jahrhunderts ist und dass seine poetische "Kritik des Kapitalismus", eigentlich der Moderne schlechthin, eine Sprachgewalt und Ausdruckskraft hat, die man bei keiner dünnen, theoretisierenden Kapitalismuskritik findet.

    Das ist wie bei so vielen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts: sie sympathisierten oft genug mit einem der Totalitarismen dieses fatalen Jahrhunderts, eben weil sie unter der zerrissenen Moderne gelitten haben und (zumindest zeitweise) in den Totalitarismen vermeintlich einen Ausweg aus der Sackgasse der Moderne sahen. Dasselbe, was sie anfällig für die Totalitarismen machte, war dasjenige, was sie zu großen Dichtern, Philosophen oder Essayisten machte. Das gilt für Pound wie für Heidegger und für Benjamin wie für Brecht.

    Ebensogut wie man fragen kann, wie man ein Zitat des Mussolini-Sympathisanten Pound in einen Platz einlassen kann, kann man auch fragen, wie man einen Platz nach dem Stalin-Sympathisanten Benjamin benennen kann (komischerweise fragt das niemand, warum eigentlich nicht?). Die Antwort ist aber in beiden Fällen dieselbe: Weil sie beide große Denker und Dichter waren, deren Werk über ihre persönlichen Schwächen und Irrtümer hinausreicht: Pound als Poet und Benjamin als Philosoph, Essayist und Aphorist.

    Kunst ist Ästhetik aber auch Inhalt. Ich will mich gar nicht über erstere streiten, aber der Inhalt ist eine Bankrotterklärung. Er gehört nicht unkommentiert in einen öffentlichen Platz eingemeißelt. Ob der Dichter ein ästhetisches Genie ist, spielt da keine Rolle. Bloß weil Wagner ein großer Komponist ist, meißelt auch niemand irgendeine verfängliche Zeile aus seiner "Judentum in der Musik" Schrift an eine Musikhochschule.
    Was die Intellektuellen des 20. Jahrhunderts betrifft - nicht alle waren politische Idioten. Es gab auch Leute wie Thomas Mann, die ihre Verirrungen eingesehen haben. Es gab damals sehr wohl eine Mitte zwischen Faschismus und Kommunismus. Niemand wird intellektuell gezwungen, bloß weil er an bestimmten Erscheinungen der Moderne leidet, Schwachsinn von sich zu geben. Schon gar nicht muss man als US-Amerikaner in Mussolinis Italien antisemitische Hetzreden halten. Darin liegt auch der Unterschied zu Benjamin, der lauwarme Sympathien für den Kommunismus hatte, aber sich da nie wirklich engagiert hat und zum Schluss immerhin damit gebrochen hat. Das ist doch eine andere Qualität als Pounds hemmungslose und sehr aktive Kollaboration.

    Ich wollte insgesamt nur zum Ausdruck bringen, dass mir das mit der Tafel neu war und dass Trüby in diesem spezifischen Punkt recht hat. Ich fand das Interview https://www.zeit.de/kultur/2019-06…e-raeume-kritik insgesamt sachlich und interessant. Die Tafel am Trierschen Haus ist eventuell auch ein bisschen unglücklich formuliert, wenn die Wiedergabe korrekt ist. Und mich würde interessieren, ob das belegbar ist, dass Gewinne aus der Kolonie in das Stadtschloß geflossen sind. Man bricht sich da keinen Zacken aus der Krone, wenn man sich Gegenargumente anhört, sofern es nicht absurder theoretischer Kram ist.

    Als Linker verwahre ich mich aber kategorisch dagegen, Rekonstruktionen in Verbindung mit "rechten Räumen" zu bringen. Mir ist auch völlig schleierhaft, warum erst jemand von rechts eine Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt anstoßen muss. Ob rechts oder links, alle sehen gerne eine Altstadt mit Schloss und Kirche. So gut wie niemand fährt in Urlaub und sucht sich etwas wie Halle-Neustadt als Ziel aus. Und wohnen will da eigentlich auch niemand wirklich.
    Außerdem verdankt sich ja die Zerstörung dieser Altstädte rechtsextremer Kriegslust von Seiten der Nazis und chauvinistisch-nationalistischen Vorstellung auf Seite von Harris & Co, dass die Deutschen schon weich werden würden, wenn man sie lange genug bombt, obwohl genau das in Großbritannien nicht passiert war. Die rekonstruierten Räume reichen in Zeiten weit davor zurück, niemand denkt, dass damals alles schöner und besser war, aber das Zeug sieht halt besser aus.

    Ich bin der festen Überzeugung, dass die Öffentlichkeit, ob rechts oder links, grundsätzlich für alte Stadtbilder ist. Alle Umfragen und Abstimmungen zielen immer in diese Richtung hin. Politische Spiegelfechtereien gehen an der Sache vorbei und spielen außerhalb von arch+ und einer kleinen, wenn auch einflussreichen Gruppe von Architekten u.ä. keine Rolle. Nur sollte schon klar sein, welche Verwendung die Rekos finden und wie man sie finanzieren kann. Die entscheidende Frontlinie was die Bevölkerung betrifft, ist das Geld. Ist das aber geklärt, kann man massiven Druck auf Entscheidungsträger ausüben.

    Verein und Forum brauchen eine Art Anti-Charta von Venedig, also ein klares Positionspapier, das theoretisch, aber nicht zu abstrakt darlegt, warum Rekos richtig und notwendig sind. Im Idealfall sollte das von Architekturhistorikern verfasst werden. Man sollte ein paar Leute mal fragen, ob sie nicht Lust hätten, die Argumente mal richtig zu sortieren und niederzuschreiben.

  • Zitat

    Als Linker verwahre ich mich aber kategorisch dagegen, Rekonstruktionen in Verbindung mit "rechten Räumen" zu bringen. ...
    Außerdem verdankt sich ja die Zerstörung dieser Altstädte rechtsextremer Kriegslust von Seiten der Nazis und chauvinistisch-nationalistischen Vorstellung auf Seite von Harris & Co, dass die Deutschen schon weich werden würden, wenn man sie lange genug bombt, obwohl genau das in Großbritannien nicht passiert war.

    Das ist zwar schön und gut und vor allem vernünftig, aber die Teile der Linke, die das so entspannt zu sehen vermögen, stellen eine grausame Minderheit dar. Ich tendierte früher auch zu solchen Träumereien, indes gilt die normative Kraft des Faktischen. Bzw Begriffsbestimmung und Deutungshoheit als letztlich relevante Faktoren. Somit steht Trüby für "links", ob es den Linken und jenen, die sich für solche halten, passt oder nicht.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Sehr schön, wenn auch vorwiegend Innenarchitektur betreffend. Gibt es solche Untersuchungen auch für alte bzw. rekonstruierte oder moderne Innenstädte?

  • Das ist zwar schön und gut und vor allem vernünftig, aber die Teile der Linke, die das so entspannt zu sehen vermögen, stellen eine grausame Minderheit dar. Ich tendierte früher auch zu solchen Träumereien, indes gilt die normative Kraft des Faktischen. Bzw Begriffsbestimmung und Deutungshoheit als letztlich relevante Faktoren. Somit steht Trüby für "links", ob es den Linken und jenen, die sich für solche halten, passt oder nicht.

    Trüby liefert mit seiner Revisionismusbehauptung das Futter für die linke Sturmabteilung, die Antifa. Und die sorgt dafür, dass hartnäckigen Reko-Vertretern gezeigt wird, wer hier das Sagen hat. Beschmieren der Hauswand wäre noch die humanste Methode. Und das nennt sich dann Demokratie in Archtektur-Diskussionen.

  • Versteift euch mal nicht auf das Feindbild Trü*by. Der Typ steht recht isoliert da, je mehr Aufmerksamkeit er bekommt, desto größer wird seine Anhängerschar... Wobei ich tatsächlich glaube, dass er reflektierter ist, als viele ihn hier zeichnen und er in vielen Punkten durchaus auf unserer Seite ist. Da musste nur mal genauer lesen. Gräben zu ziehen wird jedenfalls nicht helfen, im Gegenteil.

    Guter Beitrag von dir @Lubitsch. Politisch kommen wir sicher nicht überein, aber ich freue mich, wenn Etatisten (welcher Coulheur auch immer) zur Einsicht gelangen, dass klassische Stadtbilder einen universellen Wert haben, der über Ideologiegrenzen hinweg zu fördern ist.

    Solche architekturpsychologischen Untersuchungen gibt es...

    Und hier noch einige mehr, Architekturpsychologie ist bereits ein anerkanntes Feld, das wir stärker in der Argumentation nutzen sollten:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Architekt…eratur_(Auswahl)