Populismus-Vorwurf in der Architektur

  • Ja, es bringt nichts, denen entgegen zu kommen, wie es endlich am Potsdamer Rechenzentrum bewiesen wurde.
    Es bringt uns aber noch weniger, die mit solchen "Diskussionen" zu füttern und damit Argumentationsgrundlagen zu liefern die aufgrund der Häufigkeit des Auftretens doch relevant zu sein scheinen. Auch wenns hier immer wieder nur die gleichen 10 Hanseln sind, die einfach nur massenhaft (politischen Müll-tschuldigung) posten...

  • Ich gebe zu, dass ich mich in Rage schrieb, nicht weil ich Gegenthesen nicht dulden kann, sondern weil hier m.E. versucht wurde, eine Diskussion zu unterbinden und mit „Mitlesern“ argumentiert wurde, anstatt in der Sache. Ich gebe dir recht, dass -sobald man mit echten Menschen und keinen abstrakten politischen Prägungen- zusammenarbeitet, sich vieles lösen lässt. Ich schrieb neulich übrigens auch, dass man sich vermehrt der muslimischen Community zuwenden sollte, da dort ein immenses Potenzial zu finden ist. Dennoch ist das gesellschaftliche Klima tendenziell gegen Rekonstruktionen, darum ging es mir zuvörderst.

  • Nein, das gesellschaftliche Klima ist ganz klar pro Reko! Siehst du an allen Umfragen und Erhebungen zum Thema.

    Die Meinungsmachenden sind allerdings in der Mehrheit dagegen. Weil die sich wiederum von einer Community leiten lassen, die u.a. hier fleißig mitliest und eben leider auch noch Futter für ihre Thesen von der "rein nationalkonservativen" Stadtbildbewegung findet.

    Diskutieren könnt ihr alle lustig wie ihr wollt. Doch bedenkt bitte die Folgen und was es für jene bedeutet, die konkret Projekte vorantreiben! In ihrer Freizeit, mit all ihrem Herzblut und teils hohem finanziellen Aufwand.


    Heinzer: du triffst den Nagel auf den Kopf! Ähnlich wird das jeder sehen, der konkret an Lösungen arbeitet, vor Ort, gemeinsam. Alle anderen sind leider wirklich nix als Internetmaulhelden, Schreibtischtäter. Kann ich schwer ernst nehmen.

  • „"rein nationalkonservativen" Stadtbildbewegung“

    An welcher Stelle sprach ich von einer „rein nationalkonservativen Stadtbildbewegung“? Ich sagte, dass die Bereitschaft für Rekonstruktionen bei Rechtskonservativen im Schnitt (!) eher gegeben ist, als bei Progressiven.

    Dazu Trüby:

    „Wenn Rechte über Architektur sprechen, dann sprechen sie nahezu immer über Rekonstruktion (stimmt). Mit dem scheinbar harmlosen Wiederaufbau beispielsweise einer Altstadt versuchen sie die Mitte der Gesellschaft zu erreichen (absurd)“

    Er (und viele andere) versucht mit einem Taschenspielertrick Assoziationen herzustellen, die du unhinterfragt übernimmst:

    Rechte sind böse
    Rekonstruktionen sind rechts
    Also sind Rekonstruktionen böse

    In diesem Gedanken ist einiges schief. Rechte sind nicht „böse“, sondern unverzichtbarer Teil des demokratischen Meinungsspektrums. Rekonstruktionen sind nicht rechts, sondern sprechen ein ästhetisches Bedürfnis im Menschen an. Wenn Rekonstruktionen vornehmlich rechts sind, sagt das in erster Linie aus, dass das ästhetische Empfinden und das historische Bewusstsein bei Rechten ausgeprägter ist. Dagegen ließe sich „moralisch“ nichts einwenden und Trübys verschwörungstheoretischer Gedankengang fällt in sich zusammen. Hinzu kommt, dass die Trübys den Rechten unterstellen, irgendeine „Agenda“ zu verfolgen. Meine „Agenda“ ist, die Städte wiederherzustellen, Geschichte erlebbar zu machen, in einen Dialog mit vergangenen Epochen eintreten zu können, die Schönheit der eigenen Lebensumwelt wiedererstehen zu lassen.

    Du, lieber Erbse, machst dir aber genau Trübys Argumentation, ob du willst oder nicht, zu eigen und übernimmst die Voraussetzungen der Trüby-Thesen bzw fürchtest dich vor diesem Syllogismus, der tatsächlich a) in dieser Ausschließlichkeit und aufgrund seiner sehr subjektiv gefärbten Werturteilen falsch ist und b) einseitig von einem anderen radikalen Standpunkt aus ins Spiel gebracht wird. Du könntest nun souverän reagieren und sagen: ja, ihr lieben Trübys, und worin besteht nun genau der Vorwurf? Es gibt linke und rechte Rekobefürworter, wobei es auf die gesamte Gesellschaft hochgerechnet durchaus mehr rechte gibt. So what? Oder aber, wie du und andere es hier regelmäßig machen, dich distanzieren, dich für Äußerungen anderer Forumsteilnehmer entschuldigen, die Voraussetzungen und Wertungen des Gegenübers unhinterfragt übernehmen und jedem, der sich anders positioniert den Trüby-Syllogismus um die Ohren hauen und die konstanteste Basis für Rekonstruktions-Projekte vergraulen.

  • Trüby hat eine recht seltsame Einstellung zur Architektur und Ästhetik, aber wir sind ein Land in dem Meinungsfreiheit herscht, und somit muß man auch solche Menschen irgendwie hinnehmen.

  • Eigentlich führt bei diesem aktuellen Streit, die Klassifizierung "rechts" - "links" etwas in die Irre. Es geht bei diesem Streit um etwas ganz anderes.

    Wenn ich das alle lese, sehe ich den Streit zwischen zwei ganz unterschiedlichen Herangehensweisen an die Problematik. Beide haben ihre Berechtigung und ihre Schwachstellen. Ich nenne sie mal Typ 1 und Typ 2.

    Die Einen wollen in der Praxis einige Projekte verwirklichen. Dies erhoffen sie über gute Kontakte und wohlwollende Politiker in den etablierten Parteien zu erreichen. Sie glauben, der Zeitgeist sei mit ihrem Anliegen. So meinen sie, mit nur etwas mehr Engagement und Schwung ließen sich Berge versetzen. Chaka. Deshalb sind sie geneigt, das Thema "rechts" möglichst zu verschweigen oder zu ignorieren. Sie denken: "Wenn die Reko-Bewegung mit `rechts´ identifiziert wird, schwinden unsere Chancen. Denn die herrschende Politik will mit `rechts´ nichts zu tun haben, steht dem ablehnend gegenüber." Deshalb versuchen diese Reko-Freunde möglichst unpolitisch aufzutreten. Wollten sie weiter gehen, könnten sie sich sogar als politisch, aber in diesem Fall als liberal oder gar "links", darstellen. In der Hoffnung hierbei zusätzliche Sympathien in Medien und Politik zu gewinnen. Wollen sie noch weiter gehen, könnten sie Rekonstruktionsvorhaben auch als eine Art "Antifaschismus" verkaufen. (Das könnte man mit Verweis auf NS-Wurzeln in der Nachkriegsmoderne sogar irgendwie konstruieren.) Auch wenn dann irgendwann die Glaubwürdigkeit stark darunter leiden würde. Die Hardcore-Ideologen von "Arch+" wird das auch überhaupt nicht überzeugen, aber diese Reko-Freunde hoffen eben, dass am Ende sie mehr Einfluss auf Bürgermeister und Stadtplaner ausüben können als die modernistischen Kulturstrategen.
    Für diese Reko-Freunde ist jedenfalls es ein Störfeuer ihrer Bemühungen, wenn z.B. in diesem Forum, Leute in irgendeiner Weise als "rechts" oder konservativ interpretierbare Gedanken formulieren. Dies könnte nämlich die eigene Strategie zunichte machen, Sympathien bei den Mächtigen zu erzeugen. Man müsste sich eventuell rechtfertigen. Man müsste sich distanzieren. Es könnte irgendwo etwas zitiert werden. Deshalb versuchen sie zu "rechts" so viel Distanz zu halten, wie nur möglich.

    Die Schwachstelle dieser Position ist, dass sie zwar praxisorientiert ist, etwas erreichen will, aber wenig Tiefgang hat. Sie meint, sich besser nicht mit den herrschenden Tendenzen des Zeitgeistes beschäftigen zu sollen, da das nur in ein negatives Fahrwasser führe. Das führt dazu, dass die großen Zusammenhänge der Problematik nicht gesehen werden, stattdessen jedes Mal Euphorie wegen einer wieder angebrachten Rocaille und einem rekonstruierten Dachgiebel ausbricht. Zugleich hat die ständige Furcht, bei den Mächtigen in Ungnade fallen zu klönnen, teils Ansätze zu einer Angstneurose. Das geht dann bis zu ausgewachsenen Ängsten, die "andere Seite" lese ständig mit und zitiere aus dem Forum und setze dies dann als Position von Stadtbild Deutschland in die Welt. (Ich hätte gerne mal ein paar Links, die zeigen, dass das jemals relevant in dieser Form gemacht worden ist).

    Die Anderen (Typ 2) nehmen den Fehdehandschuh auf, den ihnen die Modernisten schon vor vielen Jahren hingeworfen haben und stellen hierzu Fragen. Ihnen geht es nicht darum, jetzt ein paar Barockornamente an einem alten Gründerzeithaus in Kleinkleckersdorf zu rekonstruieren. Sie wollen verstehen, was im größeren Maßstab vor sich geht. Für sie ist die aktuelle Rekonstruktionsbewegung von zu wenigen Erfolgen gekrönt, und sie sehen die Ursache dafür gerade im Zeitgeist. Sie sehen bei den Reko-Freunden von Typ 1 die immer gleichen Abläufe: Euphorie - Enttäuschung, Euphorie - Enttäuschung (die ein bisschen schöngeredet wird), Euphorie - Enttäuschung, Euphorie - Ein klitzekleines Projekt wird verwirklicht. Hurrrraaaa! Ein klassizistisches Schloss in Nordosthessen bekommt, weil der Bürgermeister gnädig gestimmt war, sein einst abgerissenes Klohäuschen mit Dreiecksgiebel zurück. Und da sitzen die Forums-Teilnehmer dann Monate lang vor der Webcam und begutachten jeden Backstein und erfreuen sich dran. (Ich überspitze natürlich satirisch, aber das ist gar nicht böse gemeint; manchmal gehöre ich ja auch zu diesen Leuten.) Den Reko-Freunden vom Typ 2 ist das zu wenig. Sie sehen keinen langfristigen Erfolg ohne eine weitergehende Analyse, die sich der gesellschaftlichen Situation stellt. Sie fragen sich, worin die Ursachen liegen, dass das hiesige Baugeschehen zu gefühlt 99 Prozent immer noch klar modernistisch geprägt ist, während um jede kleine Rekonstruktion (sofern sie nicht in Hinterwaldmoorhausen entstehen soll) hart gekämpft werden muss. Und einem dabei oft nicht nur linke "Nazi"-Vorwürfe entgegen fliegen, sondern Kopf schüttelnde Kulturschaffende, höhnende Journalisten, ablehnend-knauserige Politiker. Und in dem Versuch einer sozialpsychologischen Analyse dieser misslichen Lage gehen sie sehr tief. Und bei dieser Tiefe stoßen sie eben auf kollektive Neurosen und grundlegende mentale Unterschiede in der Gesellschaft, die sie mit "links" und "rechts" klassifizieren (weil das auch von anderer Seite stets so gemacht wird). "Links" und "rechts" sind dabei Ordnungsschemata, um die Realität analytisch zu erfassen.
    Diese Analyse aber wollen die Reko-Freunde von Typ 1 gar nicht hören, denn sie gelangt häufig zu dem Schluss, dass Rekonstruktionen irgendwie schon eine Angelegenheit "rechter" oder konservativer Mentalität sind. Das aber würde die Strategie von Typ 1 stören.

    Die Schwachstelle dieser Position ist, dass sie eine theoretische ist. Die Reko-Freunde von Typ 1 werfen dem Typ 2 durchaus berechtigt vor, in der Praxis mit dieser Bestätigung der verhärteten Positionen nichts erreichen zu können. Die aktuelle Situation wird also nicht entschärft, sondern "Arch+" und Co. wird bescheinigt, eigentlich Recht zu haben. Nur die negative Wertung der linksradikalen Modernisten wird von Typ 2 der Reko-Anhänger zurückgewiesen. Typ 2 kann auf Vorwürfe von Typ 1 natürlich kontern, dass eben nur eine tiefergehende und längerfristige Veränderung einen wirklichen Umschwung in der öffentlichen Ästhetik bewirken kann, der über den zähen Kampf um irgendein Kleinprojekt hinausgeht. Das gehe eben nur durch schonungslose Lagebestimmung. Eine weitere Schwachstelle der Argumentation von Typ 2 ist, dass sich linksgerichtete Rekonstruktionsfreunde ausgegrenzt, missachtet und vor einen falschen Karren gespannt fühlen können. Das säht den Keim von Zwietracht unter Leuten, die eigentlich ästhetisch das Gleiche möchten.

    Ich selbst neige bisweilen sogar Typ 1 zu, wenn sich damit etwas erreichen lässt. Wenn z.B. Mäckler sich für den "Langen Franz" einsetzt, dann soll man ihn machen lassen. Wenn sich SPD-Oberbürgermeister Feldmann als großer Freund der Frankfurter Altstadt feiern lassen möchte, dann lasse ihn feiern. Meine persönliche Erfahrung ist aber, dass man früher oder später mit den harten Realitäten konfrontiert wird. Ich persönlich habe das oft genug erlebt, und dabei auch die ganze menschliche Schäbigkeit von Leuten/Untertanen des Typ 1 (womit ich niemand im Forum meine, sondern bewusst einige Vertreter lokaler Initiativen). Somit wurde mir letztlich gar kein anderer Weg gelassen, als sich in die Tiefen der kritischen Analyse zu begeben, wie sie Typ 2 vornimmt. Das mag anderen anders gehen. Aber deshalb bekommt "East_Clintwood" für seine intellektuelle Schärfe von mir jetzt einfach mal ein Like. Mein ganz persönliches Ding, und natürlich kritisierbar. :zwinkern:

  • Vollste Zustimmung @Heimdall ! Habe diese beiden Gruppen in der Rekoszene auch schon seit Längerem bemerkt. Tendiere auch eher zur zweiten Gruppe: mMn sind Rekonstruktionen nicht nur wegen der "Schönheit" ausschließlich attraktiv ( gerade wenn man nur dieses Argument bringt, hat man bei den Ultra-Modernisten und heutigen Architekten sowieso nur Spott und Häme übrig, denn "Schönheit liegt im Auge des Betrachters"...). Nein Rekonstruktionen und neue traditionelle Architektur sind viel mehr: sie sind ein Abbildung der Geschichte unseres Volkes, unserer europäischen Zivilisation und zeigen die Schöpfungskraft die in unserer Volksseele tief drin steckt! Sie sind keine leere "schöne" Hülle ohne Geist, ohne Idealismus, sondern ein Höhepunkt einer Kultur. Man hat damals im Glaube an Gott oder das Kaiserreich diese Bauwerke errichtet und gleichzeitig auch aus ästetischen Gründen Baustile entwickelt.

    Ich finde es auch opportunistisch sich dem Zeitgeist deshalb anzubiedern nur für eine Reko oder zwei mehr (wobei ich die Gruppe 1 ein wenig verstehen kann, wenn es ein klein wenig der Sache dient)... Man sieht es sehr deutlich in Potsdam wo die Siftung der Garnisonkirche die Preußenfreunde vergrault hatte zu spenden, da diese nicht in diese "bunte Gesellschaft" passen würden... Es läuft wirklich sehr zäh und das hat sehr wohl mit dem masoschistischen Bild der europäischen Gesellschaft zu tun. Dies muss endlich überwunden werden, damit wir zur Ruhe kommen. Erst dann kann wirkliche Dynamik entstehen für Neues im Gewann von früher. Denn Tradition bedeutet nicht, Asche anzubeten, sondern die Weitergabe des Feuers!

  • Hervorragend zusammengefasst, lieber Heimdall. In der Tat sind „links“ und „rechts“ vereinfachende Platzhalter für eine wesentlich komplexere Grundhaltung. Nehmen wir einen konservativen katholischen Priester, einen neurechten Verleger, einen nietzscheanisch geprägten Moralkritiker und einen Libertären: sie unterscheiden sich bzgl der jeweiligen Gewichtungen, Zielsetzungen und Biografien vehement untereinander. Dennoch sind sie allesamt rechts- es gibt eine gemeinsame Grundhaltung, die sie abseits der Partikularinteressen eint, und die man vereinfachend mit „rechts“ beschreibt.

    Den Punkt bzgl der Zwietracht zwischen links und rechts, die entstünde, wenn Rekonstruktionen einseitig vereinnahmt würden, sehe ich so nicht ganz, aber verstehe die Bedenken natürlich. Wie du sagst, eint beide ein gemeinsames Ziel, das unabhängig von theoretischen Differenzen bestehen bleibt. Wir können leicht an uns selbst den Test machen: angenommen die Linkspartei oder die Grünen setzten sich für ein Altstadtprojekt ein (was ja durchaus zu geschehen pflegt)- mir käme es gar nicht in den Sinn, an diesem Projekt zu rütteln, bloß weil mir die Protagonisten -abseits der Reko- zuwider sind. Wieso sollten das die andere Seite tun? Wo liegt der Sinn, seine ästhetischen Ideale zu opfern, bloß weil die Gegenseite ähnliche oder die gleichen hat? Geschmack lässt sich nicht aufgrund ideologischer Differenzen abschütteln, man könnte es auch als irrationalen „Trieb“ umschreiben, der unabhängig von rationalen Gründen Wohlgefallen angesichts historisch gewachsener Stadträume empfindet. Ein Trieb, der sich sicherlich nicht von Beiträgen in Internetforen zerstören lässt. Und wenn er sich doch davon abkehrt, erkennt man, dass Städtebau allenfalls ein austauschbares Hobby war, wie Ping Pong oder Modellflugzeuge bauen. Auf solchen ließe sich langfristig ohnehin nichts aufbauen.

    Nur, wie du auch richtig sagst, bleibt es auf jener Seite oftmals bei etwas halbem, weil der echte Stadtbildgenesung bedingende Geist fehlt und es lediglich bei kleineren Einzelprojekten bleiben wird. Man sieht z.B. die Frankfurter Altstadt als abgeschlossen, ein Projekt, dem man von Anfang an skeptisch gegenüberstand fand endlich ein Ende, die lästigen Rekobefürworter sollen nun Ruhe geben. Während es von „uns“ als Anfang verstanden wird. Ich schrieb neulich sowohl dem OB , als auch dem Stadtplanungsamt Frankfurts und sagte, dass das Schopenhauerhaus, als Museum, Mittel- bis langfristig ein lohnendes Projekt wäre. Es kam nichts zurück- ein Interesse an derartigen Projekten ist anscheinend nicht vorhanden. Schauen wir uns hingegen die Situation der Hochhaus-Projekte an, sieht man einen anderen Geist: mehr müssen es werden! Höher und heller müssen sie werden! Man schämt sich sogar dafür, dass es noch so wenige Wolkenkratzer hat, während man den Mangel eines historischen Zentrums als irrelevant begreift.

    Und das ist der entscheidende Punkt: solange kein langfristiger Bewusstseinswandel einkehrt, wird man jede Gaube und jeden Giebel dem Zeitgeist mühsam abringen, sich an tausend Podiumsdiskussionen rechtfertigen müssen, man muss erklären, warum ein attraktives Stadtbild nicht bloß ein verzichtbarer Luxus ist, sondern ein menschliches Bedürfnis. Solange Rekonstruktionen vom Zeitgeist als Fremdkörper empfunden werden und nicht als Teil der eigenen Geschichte, bleibt es tatsächlich nur Disneyland, Attrappe, Mummenschanz. Es ist nie etwas Ganzes. Man greift nicht einmal auf die Möglichkeit zurück, Neubauten mit Auflagen zu versehen, wie es in Italien und Frankreich z.B. die Regel ist. Schauen wir uns nur das Romantik-Museum an, das un- bzw anti-romantischer nicht ausfallen könnte. Dieser Bau ist die steingewordene Verachtung gegenüber der deutschen Kulturgeschichte.

    Jede erfolgreiche Rekonstruktion wird von der Politik als ein Knochen verstanden, den man uns Querulanten in einem Anflug von Milde hingeworfen hat. Und immer schwingt dabei unterschwellig die Hoffnung mit, dass diese ‚Spinner’ eh bald ausgestorben sind. Unter diesen Bedingungen, die man mit einem Herr/Knecht-Verhältnis umschreiben könnte, bin ich nicht bereit, den devoten Bittsteller zu spielen oder mich zu maskieren.

    Meine Hoffnung ist immer noch, dass das Stadtbild irgendwann die politische Relevanz erhält, die heute z.B. Umweltthemen haben (im weitesten Sinne sind sie es auch). Dass die Skepsis, die gegenüber der Presse und der etablierten Politik herrscht und jährlich zunimmt, sich dereinst auf die Architektenschaft und ihre politischen Auftraggeber überträgt. Dass moderne Monstrositäten als ein Affront wahrgenommen werden, der sich gegen die eigene Bevölkerung richtet. Und ich bin fest davon überzeugt, dass mittelfristig die Chancen nicht schlecht dafür stehen und ein Druck seitens der Bevölkerung -vor allem in Ostdeutschland- entsteht, der die lokalpolitischen Entscheidungsträger (sofern sie wiedergewählt werden wollen) dazu zwingen wird, im Interesse des Stadtbilds zu handeln.

    Einmal editiert, zuletzt von East_Clintwood (12. Juni 2019 um 02:38)

  • Auch von mir ein großes Kompliment für die hervorragende Analyse der Problematik. Ich denke einmal, dass sich vielen darin durchaus wiedererkennen werden.

    Ich selbst würde mich auch eher bei "Typ 2" verorten. Als ich vor über 15 Jahren auf das Thema gestoßen bin, war ich zunächst auch euphorisch, weil es endlich eine Perspektive zu geben schien, die von mir immer schon schmerzlich empfundene Geschichtslosigkeit der Nachkriegsstädte zu beheben. Nach und nach habe ich dann aber auch bemerkt, wie schwierig und mühevoll die Durchsetzung von Rekonstruktionsprojekten in diesem Land, wie sich alles im Klein-Klein, im Kampf um jeden Erker und jede einzelne Fassade verliert.

    Und da habe ich dann eben angefangen, mir die Frage zu stellen, warum das so ist und was sich ändern muss, damit z.B. ein großer Teil der Frankfurter oder Nürnberger Altstadt rekonstruiert werden und nicht immer nur ein paar Häuser oder nur ein Haus. Ich bin auch zu dem Schluß gekommen, dass es eines grundlgenden Bewußtseinswandels bedarf (Dresden ist auch deshalb eine Ausnahme in Deutschland, weil dieser Bewußtseinswandel da gar nicht erst nötig war).
    Ich sehe meine Aufgabe auch inzwischen eher darin, an diesem Bewußtseinswandel zu arbeiten, als mich im Klein-Klein der Rekoinitiativen zu verlieren. Das heißt auch, dass ich die Früchte dieses hoffentlich kommenden Wandels wohl selbst nicht mehr werde genießen können - aber das finde ich am Ende gar nicht so schlimm.

    Nur vielleicht eine Korrektur zu deiner "links-rechts"-Einschätzung: wie ich oben ausgeführt habe, denke ich, dass dieses Schema im Hinblick auf die Rekonstruktionsfrage nur für eine bestimmte Ausformung dieses Gegensatzes gilt. Ein Vertreter der von mir so bezeichneten "romantischen Linken" der 70'iger Jahre könnte sich ebenso auf der Seite der "Fundamentalkritik", also bei Typ 2 verorten.

  • Diese bipolare Analyse halte ich für unzutreffend und simplifizierend, genauso wie das überholte "Links-Rechts-Schema". Ich sehe zudem auch einen kompletten Bewusstseinswandel als nötig an.

    Über das "Wie" lässt sich ja vortrefflich streiten. Ich bin immer ein Freund des "Modelling of Excellence" - wo funktioniert es und wie? Die genannten Schreibtischtäter bleiben leider den Beweis schuldig, dass ihr Ansatz überhaupt Früchte trägt. Es wäre ja schon etwas erreicht, würden sie überhaupt aktiv etwas tun, statt immer nur zu lamentieren.

    "Sich im Klein-Klein der Rekoinitiativen zu verlieren" ist eine recht absurde Angst. Klar, punktuelles Engagement allein verändert nichts dauerhaft. Es muss sich etwas in der Architekturlehre verändern, in vielen anderen Bereichen, in der geistig-politischen Elite. Doch das geschieht aus meiner Beobachtung vor allem durch erfolgreiche Reko-Projekte. Gerade auch, wenn Architekten der "reinen Lehre" mit einbezogen werden, wie wir in Frankfurt, Dresden und teils auch Potsdam und Berlin beobachten konnten. Es ist ein mühsamer Prozess und viele wollen eine Abkürzung. Diese gibts aber im zähen Deutschland nicht.

    Nochmal: es bringt nix, von hier aus in den digitalen Äther zu blasen und auf eine Welle der Veränderung zu hoffen. Wir müssen raus an die Leute, an die Entscheider, an künftige Macher und Denker, immer wieder das Gespräch suchen. Bewusstseinswandel kommt nur durch Bewusstseinskommunikation. Ich spreche z.B. mittlerweile gezielt Nachwuchsredakteure und Nachwuchsarchitekten usw. in meiner Region an. Das wirkt.

  • Ach komm, auf solch einen Pfad sollte man sich nicht bewegen.

    Insbesondere, da es seltsam ist, durch Europa zu reisen und anderen Ländern ein Label aufzudrücken.
    Ich kenne Polen und Italien recht gut und ich weiß zu unterscheiden.

    Beauty matters!

  • @Königsbau Wenn es wenigstens Polemik wäre, dann könnte man sich endlich daran abarbeiten. Ich frage mich, was möchte er erreichen? What is the message? Er spricht zwar von rechten Räumen, aber geht nie konkret darauf ein?
    Ist es es mangelnder Sinn für Psychologie? Oder ein Übermaß an Moral?
    Ich habe das Gefühl, dass er eine festgefahrene Vorstellung hat, die er überall zu bestätigen versucht.

    Beauty matters!

  • Ich nehme aus dem Interview eigentlich nur mit, dass Herr Kollhoff - vermutlich wegen seiner konservativen Architekturauffassung - diskreditiert werden soll. Ich hoffe natürlich, dass das ein Rohrkrepierer ist.

    In dubio pro reko

  • Ja, und andauernde Wiederholung, dass die Rekonstruktion in Frankfurt auf Extremisten zurückgeht. Ich war selbst auf der Tagung in Frankfurt - Städte brauchen Schönheit und Seele -, wo die beiden besagten auch zu Gast waren . Und Nein, ich gehe garantiert auf keine Extremistenveranstaltung.

    Eine offene Gesprächsrunde wäre ein Ansatz, wo Architekturkundige, Bedenkenträger etc. aufeinander treffen könnten.
    Irgendwie ist die Moderne zu Konservativ, um sich von der Stelle zu bewegen.

    Beauty matters!

  • Das fand ich an dem Interview auch am Unangnehmsten: diese Denunziation von Leuten als "Rechtsradikale", ohne dass dafür irgendwelche Belege angeführt werden (weil es die offenbar nicht gibt).
    Aber darauf beruht halt letzten Endes die ganze windige Argumentationskette. Wissenschaftlich seriös ist das nicht und normalerweise würde man das auch im Wissenschaftsbetrieb niemandem durchgehen lassen. Aber unter dem Deckmäntelchen "Kampf gegen Rechts" scheint ja inzwischen alles durchzugehen.