Populismus-Vorwurf in der Architektur

  • Es ist schon erstaunlich, wie sich Geschichte immer wiederholt. Bereits 1993 löste der angesehene Architekturprimus Vittorio Magnago Lampugnani im Spiegel mit einem harmlosen Text zum harmonischen Bauen eine Empörungswelle aus und wurde im so genannten Berliner Architekturstreit als Anhänger der "Neuen Rechten" beschimpft.
    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13683465.html Unbedingt lesenswert!
    Wir sollten diesen Provokateuren, die Stadtbewahrer in eine rechte Ecke stellen, nicht wieder auf dem Leim gehen.

    Weitere Quellen:
    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9229832.html
    https://www.zeit.de/1994/14/die-provokation-des-gestrigen
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/woran-arbeiten…ticle_id=406987

    ...

  • Da ich den Beitrag aus dem Strang Berliner Schloss hierher verschoben habe, er sich aber irgendwie hinter die neueren Beiträge geschoben hat, möchte ich nochmal hierdrauf hinweisen:

    Heute in der FAZ

    Die neuen Erkenntnisse des Herrn Trüby zum angeblichen Rechtsradikalismus traditioneller Ansichten der Architektur und der Rekonstruktion erhalten überzeugend ihre verdiente Analyse und Kritik. Wir werden nicht mit allem einverstanden sein, dennoch eine erfreuliche Klärung.

    Hier: https://edition.faz.net/faz-edition/fe…ef2a2ed?GEPC=s9

  • Ich frage mich gerade, was an einer „populistischen“ (in diesem Fall: einer sich am ästhetischen Empfinden der Mehrheit der Bürger orientierenden) Architektur eigentlich negativ sein sollte? Was wäre denn das Gegenteil einer „populistischen“ Lebensumwelt? Eine sich über bzw gegen den Willen der Mehrheit stellende? Wenn Rekos ‚populistisch‘ sind, wäre dies nicht ein Pro-Argument für Rekonstruktionen? In Zusammenhang mit der Architektur ließe sich der Begriff durchaus positiv konnotieren.

    Natürlich ist hier zuvörderst gemeint, dass sog. „Populisten“ die Rekobewegung angeblich dominierten. Aber wenn „Populisten“ ein besonderes Gespür für die Stimmung in einer Bevölkerung nachgesagt wird, wäre es dann nicht das demokratischste Bauen, das man sich überhaupt denken kann? Ja, sogar um ein Vielfaches demokratischer, als das, was lange Zeit gemeinhin unter dem Slogan „Demokratische Architektur“ propagiert und (das Kopfschütteln und Unverständnis der Bürger ignorierend, die dadurch repräsentiert werden sollten) gebaut wurde?

  • Das machen doch Leute wie Trüby, der die Rekonstruktionsarchitektur für das "Schlüsselmedium der autoritären, völkischen, geschichtsrevisionistischen Rechten" hält oder der OB von Goslar, der die Befürworter historischen Bauens als "Sammelbecken nationalkonservativer Wutbürger" bezeichnet.


    Da stimme ich Dir zu. Gleiches gilt aber auch umgekehrt für mache Befürworter von Rekonstruktionen die bei dem Thema sofort in Beschimpfung von aus ihrer Sicht politisch Andersdenkenden und Eliten einfallen.

    Es ist schon so, dass das Thema Rekonstruktion politisch missbraucht wird.

    Gerade deshalb tut eine sachliche Diskussion - die ja auch von Dir angemahnt wurde-not.

  • Es kommt auch auf den Kontext der Verwendung an. Wenn z.B. in der Tagesschau von „Populisten“ gesprochen wird, dient es der Feindmarkierung, die bewusst in den Köpfen verankert werden soll

    Nur damit ich es nicht falsch verstehe: Wer genau hat wann in der Tagesschau Feinde mit dem Begriff "Populisten" markiert? Dein Einwand klingt nämlich fast so, als wäre es die Redaktion selbst.

    Ich frage mich gerade, was an einer „populistischen“ (in diesem Fall: einer sich am ästhetischen Empfinden der Mehrheit der Bürger orientierenden) Architektur eigentlich negativ sein sollte? Was wäre denn das Gegenteil einer „populistischen“ Lebensumwelt? Eine sich über bzw gegen den Willen der Mehrheit stellende? Wenn Rekos ‚populistisch‘ sind, wäre dies nicht ein Pro-Argument für Rekonstruktionen? In Zusammenhang mit der Architektur ließe sich der Begriff durchaus positiv konnotieren.

    Das ist zwar vordergründig ein reizvoller Gedanke, aber Populismus lediglich als etwas darzustellen, was sich an der Mehrheit des Volkes orientiert, ist enorm verharmlosend. Populismus wird in Bezug auf Politik vom Duden vielmehr so definiert:

    Zitat

    von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen

    Prominente Beispiele für eine solche Taktik: gekürzt, Franka. Ich glaube es ist kein guter Ansatz, Architektur in den Kontext der Genannten zu stellen. Denn damit bekräftigt man nur die Vorwürfe Trübys. Man tut sich keinen Gefallen damit, Populismus und Architektur verbinden zu wollen. Auf keiner Seite.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Im Grunde genommen ist "Populismus " ein modernistischer Ausdruck für "Propaganda " . Es wäre im Grunde genommen auch jetzt nichts verwerfliches, wäre es nicht derart negativ durch entsprechende Unrechtsysteme belastet.
    Für Ziele zu werben hingegen, ist völlig legitim.

  • Bleibt in der Diskussion bei der Architektur. Ich habe die Beiträge deaktiviert, die sich rein um Politik drehten.

    Wir debatieren hier über den Populismus-Vorwurf in der Architektur. Natürlich darf man dann auch einmal den politischen Begriff des Populismus an sich analysieren, aber hier bahnte sich eine rein themenfremde (und sinnlose) Diskussion an.

  • Populismus in der Architektur. Ich sehe zwei Ansätze:

    Ein Bauwerk ist aus populistischen Gründen gebaut und gestaltet worden:

    Das würde heißen, der populistische Bauherr will mit meist übergroß dimensionierten Bauwerken seine Macht vergrößern und festigen, indem er dem Volk imponiert.

    In vielen Diktaturen sind solche Dinge durchaus erkennbar - man denke an die geplante Verwandlung Berlins in Germania. Die Großartigkeit religiöser Bauwerke, gerade der besonders imposanten barocken würde ich aber ausnehmen: Der wie auch immer aufgefasste Bezug zur Gottheit oder zu göttlichen Wesen steht gestalterisch zu sehr im Vordergrund. Dennoch kann man es als Nebenabsicht nicht immer ganz ausschließen - die kath. Kirche z. B. In der Gegenreformation. Dennoch wäre der Begriff des Populismus hier meiner Ansicht nach fehl am Platz.

    Ein Bauwerk wird populistisch beurteilt:

    Der Beurteiler kann populistische Gründe haben. Er weiß, dass er bei einer Mehrheit damit gut ankommt und dadurch persönliche, in diesem Zusammenhang politische, Vorteile hat. Er kann aber mit dem Urteil des Populismus auch recht haben, wie ich es für mich bei meinem Urteil über Hitlers Baupläne in Berlin in Anspruch nehme.

    Ist das Berliner Schloss ein populistisches Bauwerk? Es bringt doch dem Auftraggeber Ansehen und damit Machtfestigung.

    Alles spricht dagegen: Das Schloss ist Zeugnis des Absolutismus und des Gottesgnadentums, beides buhlt nicht um das Volk. Der krumme Fritz brauchte Schloss und Königstitel um seiner selbst Willen, aber auch um vor anderen Mächten bestehen zu können. Im Hintergrund sind noch weiter religiöse Gründe, aber vor allem ästhetische Bedürfnisse. Hier wäre noch viel zu ergänzen.

    Das Berliner Schloss hat mit Populismus gar nichts zu tun!

    Die Kritiker oft schon: Der nötige Aufwand für das Bauwerk kann populistisch missbraucht werden. Wir erleben das ja fast jeden Tag.

    Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

    Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern‘,

    Und verstehe die Freiheit,


    Aufzubrechen, wohin er will.


    Hölderlin

  • Ich frage mich gerade, was an einer „populistischen“ (in diesem Fall: einer sich am ästhetischen Empfinden der Mehrheit der Bürger orientierenden) Architektur eigentlich negativ sein sollte? Was wäre denn das Gegenteil einer „populistischen“ Lebensumwelt? Eine sich über bzw gegen den Willen der Mehrheit stellende? Wenn Rekos ‚populistisch‘ sind, wäre dies nicht ein Pro-Argument für Rekonstruktionen? In Zusammenhang mit der Architektur ließe sich der Begriff durchaus positiv konnotieren.

    Natürlich ist hier zuvörderst gemeint, dass sog. „Populisten“ die Rekobewegung angeblich dominierten. Aber wenn „Populisten“ ein besonderes Gespür für die Stimmung in einer Bevölkerung nachgesagt wird, wäre es dann nicht das demokratischste Bauen, das man sich überhaupt denken kann? Ja, sogar um ein Vielfaches demokratischer, als das, was lange Zeit gemeinhin unter dem Slogan „Demokratische Architektur“ propagiert und (das Kopfschütteln und Unverständnis der Bürger ignorierend, die dadurch repräsentiert werden sollten) gebaut wurde?

    Eine ganz entscheidende Frage, wenn es um Populismus und Reko geht. Der logische Schritt weiter: warum besetzt die Linke nicht selbst eine Position, die dem ästhetischen Empfinden einer Mehrheit Genüge tut? Die Antwort: sie verträgt sich nicht mit der allgemein als links eingestuften Ideologie. Die versagt nämlich dem Wohlstandsbürger ein Leben in Schönheit und Sorglosigkeit, so lange es noch Not und Elend auf der Welt gibt. Dies drückt sich in dem mediengestützten Satz aus: "reine, ungetrübte Freude ist heute nicht mehr politisch korrekt". Und was man nicht selbst besetzen kann, muss man natürlich heftigst bekämpfen.

  • Soeben verteidigte sich Hans Kollhoff im Deutschlandfunk gegen die Anfeindungen von Trüby und Arch+, denen es darum gehe, „eine konservativ-bürgerliche Haltung zur Stadt und zur Frage, wie wir leben wollen in unserem Gemeinwesen, zu diskreditieren und verächtlich zu machen.“

    Hier das ganze Interview.

  • Souveränes Interview. Kollhoff weigert sich vehement, Trüby auch nur das geringste Zugeständnis zu machen und lässt die dumpfen Anfeindungen ins Leere laufen. Was Trüby wohl am Sauersten aufstoßen sollte, ist die Gleichsetzung von Kommunismus und italienischem Faschismus und die strikte Weigerung, sich in irgendeiner Weise von Trübys primitiven Zuschreibungen zu distanzieren. Den Walter Benjamin Platz würde er heute genau so bauen, wie damals. Schön auch der Schluss. Man sollte sich bzgl Trüby wirklich angewöhnen, von einer „Figur“ zu sprechen.

  • Souveränes Interview. Kollhoff weigert sich vehement, Trüby auch nur das geringste Zugeständnis zu machen und lässt die dumpfen Anfeindungen ins Leere laufen.

    Ne, überhaupt nicht souverän. Die Frage der Interviewerin ist, wie denn das Pound Zitat nun auf den Platz kommt. Eine Antwort gibt es nicht, sondern viel Geschwurbel drumherum. Der Verweis auf den anderen, früheren Namen des Platzes macht die ganze Gegenüberstellung Benjamin und Pound, die dann folgt, ohnehin komplett sinnlos.
    Wer einer simplen Frage so ausweicht, der weckt bei mir keinerlei Vertrauen und lässt mich vermuten, dass an der Kritik was dran ist.

  • Esra Pound hat die Narrenfreiheit wie Satre.

    Was hat der Architekt mit Inschriften zu tun? Er ist für die Raumgestaltung verantwortlich, nicht für die Kunst am Bau.

  • Eine ganz entscheidende Frage, wenn es um Populismus und Reko geht. Der logische Schritt weiter: warum besetzt die Linke nicht selbst eine Position, die dem ästhetischen Empfinden einer Mehrheit Genüge tut? Die Antwort: sie verträgt sich nicht mit der allgemein als links eingestuften Ideologie.


    Weil es eben "die Linke" eben nicht gibt. Die Diskussion hatten wir bereits.

    Beauty matters!

  • Zitat von clintwood

    Was Trüby wohl am Sauersten aufstoßen sollte, ist die Gleichsetzung von Kommunismus und italienischem Faschismus

    Zustimmung bis auf diesen Satz.
    mE ein typischer Fehler der konservativen Seite, man bedient sich des Narrativs bzw der Terminologie der Gegenseite. Diese Gleichsetzung trifft Trüby überhaupt nicht, weil seine Seite die Deutungshoheit innehat. Wirkungsvoller wäre gewesen, dem Trüby bzw seinem Hang zum Miesmachen kryptokommunistische Intentionen zu unterstellen oder dies zumindest anklingen zu lasssen. Trüby als Faschist ist lachhaft. Als Kryptokommunist hingegen hätte einen gewissen Rumpelstilzcheneffekt.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    Einmal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (3. Juli 2019 um 10:07)

  • Stimmt, er hätte angriffiger sein dürfen und Trüby mit einem Etikett versehen sollen, das hängenbleibt. In diesem Punkt stimme ich dir bei näherer Überlegung durchaus zu, er bewegte sich zu sehr in der Defensive und wollte seinen Standpunkt für Andere (also Trüby-Anhänger) ‚nachvollziehbar‘ machen. Er ist halt ein Kind der Bundesrepublik, gewisse Verhaltensmuster wird man da nicht los, wie zum Beispiel Herzrasen zu bekommen beim „Vorwurf“, rechts zu sein („nein, weg mit diesem schlimmen Begriff! Sagen Sie konservativ! Oder bürgerlich!“). Oder bei „Faschismus!“ gleich in einen angstgetriebenen Erklärungsmodus zu switchen. Aber insgesamt ist das Interview -für deutsche Verhältnisse- ordentlich.

  • Was hat der Architekt mit Inschriften zu tun? Er ist für die Raumgestaltung verantwortlich, nicht für die Kunst am Bau.

    Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte Kollhoff das einfach sagen können. Die Inschrift wäre ohne sein Wissen angebracht worden, er hätte damit nichts zu tun oder das erst später erfahren oder sich dagegen ausgesprochen ... alles simple Antworten, die die Sache erledigt hätten. Aber genau die Antwort kommt nicht.
    Ihr könnt euch rechts drehen und wenden, wie ihr wollt, aber nichts in diesem Interview entkräftet den Verdacht, dass Kollhoff ein eindeutig antisemitisch konnotiertes Zitat eines pathologischen Judenhassers im Faschismus im Platz mindestens toleriert, wenn nicht gar befördert hat.

    Zudem gibt er ein ganz schwaches Bild ab, wenn er über den italienischen Faschismus spricht. Er redet vage und eigentlich nur davon, dass man das alles irgendwie zeitlich auseinanderhalten und in die Zeit einsteigen muss, auch könne man den deutschen nicht mit dem italienischen Faschismus vergleichen. Nun hatte der aber 1938 bereits Rassengesetze übernommen und Schreihälse wie Pound haben den Boden für eine Radikalisierung bereitet, die zu den Deportationen jüdischer Bürger führte. Insofern unterscheidet sich Italien irgendwann nicht mehr von Deutschland. Wie ein derartiger Mist mitten in einen Berliner Platz eingemeißelt werden kann, ist mir nach wie vor komplett unverständlich.

  • Die entscheidende Aussage ist: wer möchte sich anmaßen, mit der Arroganz des Nachgeborenen über Biografien zu richten, deren Voraussetzungen wir heute nicht ansatzweise nachvollziehen können? Wir urteilen Menschen ab, deren Beweggründe nur aus ihrer Zeit heraus verstanden werden können. Dazu muss man auch sagen: eine Biografie lässt sich tatsächlich nicht vom Werk trennen, beides geht eine Wechselbeziehung ein. Heideggers kritischste Analysen fielen in die Zeit seines Freiburger Rektorats. Cioran, der rumänische Aphoristiker, dem z.B. Sloterdijk ein ganzes (bewunderndes) Kapitel widmete, lebte in den 30er Jahren in Deutschland und war begeisterter ‚Beobachter‘ des Nationalsozialismus. Diese Erfahrungen prägten zwangsläufig auch seine brillanten Aphorismen, die ich persönlich nicht missen möchte. „Wir“ hingegen glauben in unserem Dünkel, dass diese Protagonisten ihr Verhalten vom (uns durch den Luxus des Rückblicks bekannten) Ende her gedacht haben müssen. Was, wenn Deutschland gewonnen hätte oder Mussolinis Italien noch bestünde? Hätten sie dann „falsch“ gelegen bzw würden wir das heute so sehen? Unsere frühkindliche Prägung und Sozialisierung wäre eine ganz andere, dementsprechend auch die Bewertung. Wie urteilt man in 100 Jahren wohl über Grass? Und wie hätte der damalige SS-Grass wohl einen Sieg Deutschlands bewertet? Hätte er eine Blechtrommel geschrieben oder etwas ganz Anderes, das man heute verbieten müsste? Wie wird man dereinst die heutige Presse und die darin vermittelten Wertvorstellungen sehen? Wir wissen es nicht. Und genau dieses Nichtwissen müssen wir auch Pound, Cioran, Heidegger und vielen anderen zugutehalten.

  • Ich wünsche mir für ein Wohngebäude Architektur, die schön anzusehen ist, und angenehm und zivilisiert wirkt. Das sollte das Ziel der Kunst sein.

    Daher kommt für diesen Zweck Betonbrutalismus genauso wenig in Frage wie die heute üblichen Simpelklötzchen. Soweit sind wir uns hier einig.

    Genauso wenig mag ich diesen Generalvorwurf, dass alle schöne Architektur bedenklich sei.

    Genau deshalb möchte ich differenzieren: In rekonstruierten historischen Bürgerbauten, überhaupt in dekorierter Architektur ist nichts bedenkenswertes zu finden, sie wollen vor allem schön und repräsentativ sein; bei Schlössern wäre die Staatssymbolik ggf. eine Betrachtung wert -- aber grundsätzlich sind hier die genannten Vorwürfe falsch, zu pauschal oder zielen einfach daneben.

    Nur, leider mag ich diesen Walter-Benjamin-Platz nicht. Vielleicht ändert sich das, wenn ich ihn mal persönlich zu Gesicht bekomme -- aber das hat bei dem ähnlich gelagerten Eckbau Friedrichstraße/UdL auch nicht gut funktioniert. An letzteren hab ich mich ein wenig gewöhnt -- trotzdem hab ich bei beiden Projekten sofort das Gefühl gehabt, das sieht ja aus wie aus den 30ern. Ein wenig mehr Detailarbeit, trotzdem zu wuchtig, zu pathetisch, irgendwie totalitär. Und der instinktive Eindruck ist gegen alle Rationalisierungsversuche geblieben. Wenn jetzt noch so ein Zitat hinzukommt, was für mich, durch den historischen Kontext, eindeutig in eine antisemitische Richtung geht, so muss ich sagen: Nein, so wünsche ich mir keine konservative, geschichtsbewusste, schöne Architektur.

  • Ich denke, sich über so ein Zitat herumzustreiten und es, obschon so architekturfremd wie nur irgendwas, in kulturphilosophische und architekturspezifische Debatten hineinzukrampfen, hat schon irgendwas genuin Deutsches an sich.
    In einer Stadt eines Nachbarlandes namens Liberec ist der zentrale Markt nach einem gewissen Benes benannt und keinen juckt's, obwohl das wirklich nicht besonders schön ist. Hierzulande kriegen ein paar Muster-Edelmenschen schon den Herzkasperl, weil irgendwo ein dem Wortlaut nach völlig unanstößiges Zitat eines ausländischen Dichters eingeschrieben ist.
    Mir kommt dieses Getue ein wenig übertrieben vor.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.