Populismus-Vorwurf in der Architektur

  • Trüby macht uns den Vorwurf, Geschichtsrevisionisten zu sein. Das darf man nicht hin nehmen.
    Bezüglich der Architekturpsychologie scheint tatsächlich viel Material verfügbar zu sein. Dies müsste nun von kompetenter Stelle publikumswirksam aufbereitet und verbreitet werden. Natürlich wird es nicht die Wirksamkeit erzielen, die die derzeit völlig übertriebene Klimahysterie anrichtet.

  • Die von Dir beschriebene "Klimahysterie" macht jeglichen Einsatz für gute Architektur erst sinnvoll. Denn Architektur braucht den Menschen zum Überleben. Der Mensch wird jedoch ohne Einsatz für diese "Hysterie" nicht überleben.
    Luftpost

  • Wenn Trüby „Geschichtsrevisionismus“ bei Menschen verortet, die an den Folgen der Kriegszerstörung leiden und sich nach einer intakten Stadtbebauung sehnen, die dem Betrachter einen Bezug zu vergangenen Epochen ermöglicht, dann sind viele von uns hier „Geschichtsrevisionisten“. Trüby sieht die heutigen Städte als groß angelegtes Mahnmal- was sie durchaus sind. Die Frage ist nur, ob diese Form von generationenübergreifender Strafe auf Dauer gerechtfertigt ist, ob junge Menschen dazu verdonnert werden sollen, in einer hässlichen Lebensumwelt aufzuwachsen, die kaum Orte bietet, mit denen man sich identifizieren kann und die Trost bieten (auch ein Phänomen alter Architektur: sie bietet einem einerseits Gelegenheit, die kurze Spanne seines Daseins zu relativieren, andererseits sich ganz in der Schönheit oder dem „Erhabenen“ verlieren zu können). Die Frage ist, ob die deutsche Geschichte auf diese zwölf Jahre reduziert werden soll oder man einen weiteren Geschichtshorizont entwickeln möchte. Und nun ist die Frage, ob solche Bedürfnisse rechts sind, bloß weil sie von Rechten teils forciert werden. Ich würde sagen: jain. Das Bedürfnis nach Schönheit ist unpolitisch. In den meisten Ländern ist das historische Umfeld eine Selbstverständlichkeit und kein Politikum- man hinterfragt dessen Existenz gar nicht, sondern erfreut sich an ihr. In Deutschland ist es jedoch hochpolitisch, weil man einen Teil der jüngeren Geschichte (mit dem sich die meisten identifizieren wollen: manche Kreise wollen es aber ausschließlich) der älteren opfern müsste.

    „Geschichtsrevisionistisch“ im Sinne Trübys bedeutet letztlich nur, dass man den Blick für die Zeit vor 1933-45 öffnet. Die Trübys wollen das natürlich nicht, da sie zu großen Teilen davon leben, die deutsche Geschichte auf Nazis und Bundesrepublik zu reduzieren. Wenn sie von „Deutscher Geschichte“ sprechen, meinen sie vor allem diese Zeitspanne, wollen ausschließlich negative Assoziationen herstellen bzw suggerieren, dass die einzigen positiven Assoziationen nach 1945 kommen. Dementsprechend ist alles, was davor gebaut wurde, ein Vorspiel des Hitlerfaschismus. Es ist ein kindliches und irrationales Denken, das die Architektur mitverantwortlich für die politischen Entwicklungen der 30er und 40er Jahre macht: so als hätten diese Gebäude einen magischen, hypnotisierenden Einfluss auf unsere moralischen Werte. Das ist natürlich Blödsinn. Aber sie haben durchaus einen Einfluss auf unser Gemüt, wie auch die Betonklötze der Nachkriegszeit eine Depression verstärken können.

    Alles in allem: „geschichtsrevisionistisch“ kann man es nennen, da man die Spuren des Bombenkriegs reduzieren möchte. So wie man bei einer Hand-Amputation die Transplantation der Prothese vorzieht. Der Verlust der Hand wird dadurch nicht aus der Welt geschafft und ist einem stets bewusst, aber es lebt sich erträglicher und „normaler“ mit einer, die der echten sehr nahekommt, als mit einer billigen Prothese aus anorganischen Materialien. Was in der Psychologie des Einzelnen gilt, gilt auch auf ein großes Kollektiv übertragen. Das ist nicht verwerflich und wir sollten uns von Trüby solche Bedürfnisse auch nicht zum Vorwurf machen lassen.

  • Zitat

    Trüby macht uns den Vorwurf, Geschichtsrevisionisten zu sein.Das darf man nicht hin nehmen.

    Nun, über dieses Stöckchen sollten wir nicht unbedingt springen. Schließlich handelt es sich um eindeutig kommunistischen Jargon. Als Revisionisten wurden Ost-Vertriebene, pardon "ehemalige Aussiedler" "beschimpft". An sich wäre an "Revisionismus" nichts Ehrenrühriges. Revision ist ein Rechtsmittel, ein Antrag auf Überprüfung. Mit dem Rekogedanken hat das rein gar nichts zu tun. Auch wenn wir die area bombing directive nicht so sehr mögen, dürfte sie kaum rechtsmittelfähig sein, überhaupt ex nunc.
    Oder ist gemeint, dass man die Zerstörungen möglichst belassen hätte sollen?
    Letztlich wäre ein derartiger "Vorwurf" leicht wirres Gewäsch. Und entsprechend, dh mit milder, überlegener und vor allem ausreichend süffisanter Nachsicht, sollte man reagieren.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • über dieses Stöckchen sollten wir nicht unbedingt springen

    Ein wahres Wort.

    Geschichte ist ohnehin nicht zu korrigieren.

    Was aber zu ändern ist, sind die Ergebnisse geschichtlicher Ereignisse. Sonst würde es ja auch keinen Sinn machen "aus der Geschichte zu lernen". Zu solchen Änderungen gehört es auch Stadtbilder ggf. durch Rekonstruktionen einzelner (mehr sind es ja nicht) historischer Gebäude wieder in Anlehnung an über Jahrhunderte gewachsene Stadträume neu zu gestalten.

    Das allein dadurch geschichtliche Ereignisse oder deren Folgen verneint werden kann ich nicht sehen. Dass bestimmte Ereignisse unterschiedlich bewertet werden, ist ohnehin so - auch ohne Rekonstruktion von Häusern. Das Irgendjemand, der sich für geschichtliche Zusammenhänge auch nur am Rande interessiert ist plötzlich, nachdem er über den Hühnermarkt in Frankfurt zum Dom gegangen ist, meint der zweite Weltkrieg habe nicht stattgefunden oder der Nationalsozialismus sei doch nicht so schlimm gewesen, sonst hätte man die Goldene Waage nicht wieder aufgebaut, scheint mir auch sehr fernliegend.

    Die gesamte Geschichte und die Beschäftigung damit sind keine Domäne der "Rechten". Umgestaltungen des Stadtbildes in diesem Sinne von Anknüpfung an die Vergangenheit auch nicht (selbst wenn in einzelnen Fällen Anregungen zu Rekonstruktion von politisch rechts stehenden Personen kommen).

  • grundsätzliche Zustimmung, aber was ist gemeint mit "verneinung der geschichte bzw ihrer Folgen?" Offenbar nicht Leugnung, aber was sonst? Gutheißung wohl auch nicht. Am ehesten: Nichtsichtbarmachung. Aber das hilft auch nicht viel. natürlich tut man heutige Schlachtfelder kultivieren, und Trümmerfelder beseitigen. wahrscheinlich würde man heute die meisten Trümmerstädte absichern und so stehen lassen.
    wem damit allerdings gedient sein soll?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Wobei ich tatsächlich glaube, dass er reflektierter ist, als viele ihn hier zeichnen und er in vielen Punkten durchaus auf unserer Seite ist.

    Dass T. "auf unserer Seite ist" wage ich schwer in Frage zu stellen. Letztlich ist für mich das Zick-Zack seiner Argumentation mit der Selbstpräsentation in den Medien erklärbar. (Zum Einen der geäußerte Widerwille, in der Frankfurter Altstadt auch nur einen Kaffee zu trinken, zum Anderen die Behauptung, Altstädte zu lieben; Zum Einen Rekonstruktionen als "rechtsradikale" Kulturstrategie zu brandmarken, die in "vielen" Initiativen anzutreffen sei, Zum Anderen angeblich nichts grundsätzlich gegen Rekonstruktionen zu haben...) Es sollte nicht überraschen, wenn zumindest ein Teil der Interviews von eng vernetzten, befreundeten Journalisten geführt wurde und die Fragen wie Antworten bereits teils vorab besprochen wurden.
    Er hat ja mit seinen Thesen durchaus auch Kritik einstecken müssen, wenn auch in für seine Position ungefährlicher Weise. Das war aber schon ausreichend dafür, dass von seinen Mitstreitern geklagt wurde, sein Ruf würde befleckt. Das ist natürlich insofern amüsant, als sich hier jemand um seinen Ruf sorgt, der aktiv daran mitarbeitet, den Ruf anderer Leute zu schädigen.
    Somit sind solche taktischen Abschwächungen seiner Argumentation dem geschuldet, sich bei Medienvertretern auch in Zukunft als seriöser Ansprechpartner, als "Autorität", verkaufen zu können. Würde er als einseitiger Spinner wahrgenommen werden, und die Gefahr bestand, würde er in Zukunft womöglich den Zugang zu den öffentlich-rechtlichen Medien und den großen Zeitungen verlieren. Und darum geht es ja gerade mit dem Konzept "rechte Räume". Sich an einen bestehenden Diskurs anhängen, dadurch für große Medien "Bedeutung" zu gewinnen und sich dort als intellektuelles Sprachrohr ständig reproduzieren zu können. Das ist Kulturstrategie pur. Und die scheinbare Reflexion ist eben Teil derselben.

  • Ja, Trüby schätzt Altstädte. Sofern sie sich außerhalb Deutschlands befinden. Er sieht die architektonische Moderne als Strafe der Deutschen- das wird in allen seinen Äußerungen sehr klar. Jede Rekonstruktion, deren ästhetische Qualität er durchaus erkennt, empfindet er als unverdiente Belohnung. Hier kommt in Trübys Grundcharakter eine äußerst sadistische Note ins Spiel. Wir diskutieren hier darüber, dass Rekonstruktionen eine wunderbare Aufwertung der Städte wären und versuchen ihn zu überzeugen- dem stimmt Trüby ja durchaus zu. Er diskutiert aber auf einer anderen Ebene, nämlich der der moralischen Schuld. Abgesehen davon genießt er natürlich die enorme Macht, die er mit seiner moralisch richtenden Position innehat. Er weiß, dass man, sobald man zu fundamentalem Widerspruch gegenüber seinen Positionen übergeht, stets relativieren muss. Er argumentiert mit Kategorien des „absoluten Guten“, gegen die man -in Deutschland- moralisch stets verlieren muss.

    Insgesamt ist es eine ziemlich perfide Figur, die äußerst zynisch moralische Druckmittel verwendet und Leichenberge für seine Thesen instrumentalisieren muss, weil er einer sachlichen Diskussion, in der seine moralinsauren Appelle nicht als Argumente gelten, intellektuell schlichtweg nicht gewachsen wäre- und das alles tut er, wie es bei solchen Menschen seit jeher zu geschehen pflegt, mit dem allerbesten Gewissen. In Wahrheit geht es ihm weder um die Altstädte, noch die deutsche Geschichte- es geht ihm, dem destruktiven (und letztlich hasserfüllten) Sadisten, einzig und allein um seine persönliche Macht, gesellschaftliche Anliegen zu verhindern und zu verbieten, jene Schönheit nicht wiedererstehen zu lassen, die bei vielen Menschen zu einer Zufriedenheit führen würde, derer er nicht fähig ist.

  • das war wirklich schön gesagt, Clint!
    Ich versuche noch, sozusagen als advocatus boni hominis, eine Widerrede im Sinne erbses zu konstruieren, momentan aber fällt mir nicht viel ein...

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Eine Aussöhnung mit solchen hochbezahlten (...) gekürzt (Moderation) ist völlig unmöglich.


    Bei näherer Betrachtung ist dieser Pessimimus völlig verfehlt. Gräben zu ziehen wird jedenfalls nicht helfen, im Gegenteil.Versucht es mal mit umgekehrter Paranoia. Nicht die ganze Welt ist gegen uns und voller Feinde, sondern die ganze Welt ist für uns, öffnet uns Türen, spielt uns zu. Auch unsere Feinde sind in Wahrheit Freunde.
    wir brauchen Trüby bloß davon zu überzeugen, dass Rekonstruktionen für unsere Altstädte schlecht sind, dass wir dadurch zum internationalen Gespött werden, dass es mutigen zeitgemäßen Bauens bedürfe, und dann wird er als (...) gekürzt (Moderation) Negativist sofort umschwenken und sich für Rekos stark machen. Man muss mit den Leuten reden, auf sie eingehen, sie in ihren Sorgen, Nöten und Befindlichkeiten abholen. Wir positiven Gemüter werden uns wohl mehr zusammentun müssen gegen euch Miesmacher.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Es waren nicht wir, die Architektur mit einer Ideologie verbanden. Wenn also Trüby von „rechten Räumen“ spricht (um gezielt Assoziationen hervorzurufen) und ebenfalls nicht an Polemik spart, muss man mit ähnlicher Schärfe erwidern. Er bekam eine Plattform in einem Leitmedium, das ihm nicht eine einzige kritische Frage stellte. Es war vielmehr ein Duett. Insofern schadet es nicht, wenn diese Kritik hier erfolgt. Noch ein letztes Mal meinerseits zum Thema rechts und Architektur: in Stadträumen, deren Geschichte noch sichtbar ist und als „gegeben“ verstanden wird, erübrigen sich ideologische Diskussionen: es ist dann tatsächlich weder rechts noch links, sondern ein wertneutraler Ist-Zustand. In Stadträumen, die modernistisch verbaut sind und in denen Rekonstruktionen erstritten werden müssen, wird es politisch. Hier muss man ‚demokratische’ Neubauten durch ‚undemokratische’ Rekonstruktionen ersetzen, also einen vergangenen Zustand wiederherstellen (diese Zeiteinteilung in demokratisch/undemokratisch spielt in der deutschen Debatte nunmal ebenfalls eine Rolle). Dies ist grundsätzlich ein konservatives und kein progressives Anliegen. Wenn ein Linker in Deutschland sich nach organisch gewachsenen, jahrhundertealten Stadträumen sehnt, ist er zumindest im Bereich der Architektur konservativ. So wie ich als Rechtskonservativer in einigen Fragen sehr linksliberale Positionen vertrete. Mit solchen „Widersprüchen“ muss man umgehen können.

    Und da du die CDU ansprachst: bzgl konservativ muss man eben auch differenzieren. Die CDU war unter den europäischen Rechtsparteien stets eine Ausnahmeerscheinung, was sich auch im „C“ zeigt, das eine universelle Bezugsgröße darstellt und das Nationale (aus bekannten Gründen) nicht zwingend einschließt bzw es sogar oft ausschließt. Zudem war die CDU seit jeher eine wirtschaftsliberale Kraft: der nationalkonservative Aspekt ist der Ökonomie in 9 von 10 Fällen untergeordnet. Und zuguterletzt fand in der CDU in den letzten 15 Jahren ein massiver Linksruck und Profilverlust statt, der ebenfalls in anderen Ländern in dieser Form nicht vorhanden ist und keineswegs mit einer rechtskonservativen Partei in Einklang zu bringen ist. Man vergleiche die CDU mit den rechtskonservativen Parteien in der Schweiz oder Österreich (oder gar Ungarn) und man merkt bald, dass Deutschland einen Ausnahmeweg geht (die alte CSU ausgenommen).

  • Zitat

    So exakt und tiefgehend manche Trü*by hier analysieren, müssen sie ihn persönlich ja sehr gut kennen... Hat ihn hier überhaupt schonmal jemand persönlich gesprochen?

    Was ist denn das wieder???
    Hat man mit Kant, Schopenhauer, Napoleon, Goethe, Lenin, Stalin etc sprechen können/müssen/dürfen, um gewisse Ergüsse, Schriften oder Programme oder sonst was zu "analysieren"? Was ist das für eine Argumentation?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Diese fast schon paranoide Verengung auf einen zu bekämpfenden Feind, der natürlich links steht ... ich habe gerade eine Galerie von Bad Homburg fertig gestellt, eine wohlhabende Stadt, die durchgehend CDU Bürgermeister hatte. Trotzdem gab es dort gleich zwei (!) modernistische Kurhäuser nacheinander an derselben Stelle, ein monströses Rathaus, mehrere große Kaufhäuser, Hotelabrisse inklusive eines schauderhaften Hochhausturms. Wo zur Hölle sind da denn bitte die linken Mächte?

    Natürlich - es wird hier auch oft übersehen daß auch Kommunalpolitiker nicht immer das letzte Wort haben , wenn es um die Errichtung von Scheußlichkeiten oder gar um Abriß von Kulturdenkmälern geht. Hier sind oftmals Mächte am Werke, welche mittels "Winkeladvokaten" ihr "Recht" einfach mal durchsetzen.

  • Ich denke, wir haben alle in diesem Forum verstanden, wo die jeweils anderen politisch stehen. Das noch weiter auszubreiten, scheint mir nicht zielführend. Ich finde es ungleich interessanter, unsere Seite mit Argumenten zu munitionieren.
    Dazu gehören die Verweise auf Architekturpsychologie, dazu gehören Umfragen, dazu gehören auch etwas abstraktere Erwägungen. Ich weiß nicht, wie der Verein konkret arbeitet, aber ich habe den Eindruck, dass es sich oft um einzelne Initiativen handelt, die immer wieder demselben Katalog an Vorurteilen begegnen.
    Mir schiene ein knackiges und verständliches aber auch fundiertes Positionspapier als Stellungnahme einen gedanken wert. da sollten solche Umfragen wie hier einfließen: https://www.welt.de/finanzen/immob…chwerkhaus.html , aber gerne auch Stimmen von Architekturhistorikern, die Rekonstruktionen befürworten mit Argumenten, warum man sie vorantreiben sollte..

  • Ich finde es ungleich interessanter, unsere Seite mit Argumenten zu munitionieren.
    Dazu gehören die Verweise auf Architekturpsychologie, dazu gehören Umfragen, dazu gehören auch etwas abstraktere Erwägungen.

    Alles wunderbar, aber was hat das mit dieser Debatte zu tun?
    Gerade als Analyse und Argumentation war Clints scharfsinniger wie -züngiger Beitrag doch Weltspitze.
    Ich denke, es ist wirklich sogar von praktischem Vorteil, diesen (wohl von jedem "irgendwie erahnten") Inhalt in derart prägnanten Worten formuliert zu wissen und künftig parat zu haben. Es ist wie die Sache mit Rumpelstilzchen. Die Fähigkeit, zu benennen, auch bloß für sich selbst, wenn gewisse Wahrheiten tabu sind, hilft ungemein.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Insgesamt ist es eine ziemlich perfide Figur, die äußerst zynisch moralische Druckmittel verwendet und Leichenberge für seine Thesen instrumentalisieren muss, weil er einer sachlichen Diskussion, in der seine moralinsauren Appelle nicht als Argumente gelten, intellektuell schlichtweg nicht gewachsen wäre- und das alles tut er, wie es bei solchen Menschen seit jeher zu geschehen pflegt, mit dem allerbesten Gewissen. In Wahrheit geht es ihm weder um die Altstädte, noch die deutsche Geschichte- es geht ihm, dem destruktiven (und letztlich hasserfüllten) Sadisten, einzig und allein um seine persönliche Macht, gesellschaftliche Anliegen zu verhindern und zu verbieten, jene Schönheit nicht wiedererstehen zu lassen, die bei vielen Menschen zu einer Zufriedenheit führen würde, derer er nicht fähig ist.

    Völlig an anderer Stelle und in anderem Zusammenhang fand ich die offensichtliche Ursache für sein Denken, die ich euch nicht vorenthalten möchte:
    "Die reine ungetrübte Freude ist heute nicht mehr politisch korrekt."

  • Also, jetzt habe ich einen Knaller parat... ;)

    Ich verlinke einen Aufsatz, der nicht bei Arch+, sondern aur einer Seite der Neuen Rechten ("Jungeuropa") erschienen ist, von einem Autor, der doch wirklich das "Bauhaus" verteidigt und den Historismus kritisiert.

    Das Bauhaus – eine Korrektur rechter »Kritik«
    von Jörg Dittus
    http://podcast.jungeuropa.de/das-bauhaus/

    Der Aufsatz reproduziert eigentlich nur die typischen modernistischen Argumente. Im Einzelnen:

    - Das Bauhaus habe mit den heutigen Flachdach-Wohnsiedlungen so gut wie nichts zu tun. (Mich erinnert das immer an das Argument, der Kommunismus der Sowjet-Zeit wäre ja gar nicht der richtige Kommunismus gewesen.)

    - Bauhaus stände im Gegensatz zu heutiger Renditearchitektur für Handwerkskunst und ein Gesamtkunstwerk. (Komisch, ich dachte immer, die Ansprüche des Bauhauses und ähnlicher modernistischer Ansätze der 1920er Jahre wären gerade gewesen, die günstige Produktion von Wohnraum für die moderne Industriegesellschaft zu ermöglichen, und zwar durch serielles Bauen, das mit alter Handwerkskunst wenig zu tun hatte.)

    - Ein spitzes Dach spiele in unseren Breiten keine Bedeutung mehr. Es ist bei mangelnder Fassadengestaltung "egal".

    - Zitat: "Der Bruch in der Formensprache, der durch das Aufkommen der Moderne zweifelsohne stattfand, ist nicht allein der Intention ihrer Repräsentanten geschuldet. Vielmehr war die ohnehin in Gang kommende Industrialisierung, der gesamtgesellschaftliche Umbruch aber auch der neue Baustoff Beton ursächlich, Dinge zu versuchen, die vorher – mit Holz und Ziegel – nicht realisierbar, aber längst in den Köpfen der Ingenieure und Baumeister virulent waren." (Diese Sätze beinhalten einen Widerspruch in sich. Entweder spielten die Absichten der einzelnen Architekten nur noch eine untergeordnete Rolle, da sie nur noch Getriebene der neuen Baustoffe waren, oder es war entscheidend, was in den "Köpfen der Ingenieure und Baumeister virulent" war.)

    - Zitat: "Man wollte eine neue Zeit einläuten und den Menschen in den planerischen Fokus rücken. Diesen Ansatz kann man schlecht als etwas Negatives bezeichnen und, vor dem Hintergrund der Tristesse der Neo-Ismen der Jahrhundertwende in planerischer Hinsicht wie auch der Fassadengestaltung, nur begrüßen. Tristesse deshalb, da für die sich uns als besonders pittoresk darstellenden Häuser der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein und derselbe Grundriss immer und immer wieder kopiert wurde. Der Bauherr konnte sich dann den Stil in Form von Verputz und Ornament auf die Fassade klatschen lassen – eine gestalterische Ehrlichkeit, bei der sich die Konstruktion in der Fassadengestaltung et vice versaabbildet und erschließen lässt, gab es nicht. Dies war in der klassischen Antike anders und dies sollte in der Moderne wieder Anspruch sein."
    (Das ist die modernistische Polemik schlechthin. Der Historismus hätte "Tristess" verbreitet, indem der "unehrliche" Fassadenkosmetik betrieben hätte. Der Bauherr "klatschte" irgendetwas an die Wand, ohne sich dazu Gedanken gemacht zu haben. Dann sei die "ehrliche" "Bauhaus"-Moderne entstanden.)

    Als Vorbild erwähnt der Autor die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau bei Berlin. Foto siehe hier und hier. Wenn das also die "rechten Räume" sind, dann bin ich auf meine alten Tage ja doch noch ein Linker geworden. Und alle sich "links" Fühlenden im Forum können sich sogar bestätigt sehen.

    Also, gerne mehr davon. Zumindest unter den momentanen Machtverhältnissen. Ich plädiere für eine positive Besprechung der Zeitschrift "Arch+" in der NPD-Parteizeitung und dafür, dass Le Corbusier von Marine Le Pen nachträglich zum Ritter geschlagen wird... :lachen:

  • Hat man mit Kant, Schopenhauer, Napoleon, Goethe, Lenin, Stalin etc sprechen können/müssen/dürfen, um gewisse Ergüsse, Schriften oder Programme oder sonst was zu "analysieren"?

    Würden sie noch leben, sollte man die Chance nicht nutzen? Trübtassy lebt doch noch und kann entsprechend befragt werden, das Bild auch öffentlich anders gerückt werden. Er muss ja kein Loos 2.0 werden für die Architekturgeschichte, was seine Bedeutung auch deutlich überhöhen würde. Auch wenn einige hier so tun, als wäre er das schon.

    Gerade manche Professoren nutzen gern mal steile öffentliche Thesen, um Aufmerksamkeit für ihren Lehrstuhl zu bekommen und diesen zu rechtfertigen. Schließlich wollen die am Ende des Tages auch nur ihre Schäfchen im Trockenen haben. Hinterfragt sowas immer: was ist die persönliche Motivation für den Einzelnen? Bedenkt, zuerst denkt jeder immer an sich - und als zweites auch. Als drittes dann vllt. an edlere Motive.

  • Die "Rechte" war schon immer für das Bauhaus. Das ist nichts Neues. Verfolgt wurden einzelne Bauhauslehrer im Nationalsozialismus, womöglich von Gestapobeamten, die auf Freischwingern saßen. Ich weiss nicht, ob man die Schulaufsätze der Neuen Rechten unbedingt verlinken muss.

    Wer das Projekt Moderne mit dem Schema rechts-links spielt, manipuliert. Trüby kann man ja mal anhören. Vielleicht weiss er mehr als wir. Bislang halte ich seine Thesen für populistischen Quatsch.

    Aber jetzt noch mal ein anderer Gedanke:

    Wenn Rekonstruktionen nach Trübys Erkenntis tatsächlich rechts wären, wäre es dann nicht harmloser das dieser Gesellschaft immanente Rechte auf diese Weise sich manifestieren zu lassen statt auf anderem Gebiet?