Populismus-Vorwurf in der Architektur

  • Trüby verfolgt erfolgreiches Selbstmarketing. Dass sich für die Wahnideen die Medienspalten begierig öffnen, hat etwas damit zu tun, dass der Boden dafür fruchtbar ist. Dies deshalb, weil die politische Kultur in Deutschland zum Teil auf einer Wahnidee beruht. Jener des nachzuholenden Widerstands gegen einen überall vorhandenen, lauernden, aushorchenden, intrigiernden (Neo-)Nationalsozialismus. Hitler lebt und ist überall. Und ständig muss man seine Satrapen und Anhänger bekämpfen, um die Welt zu retten.
    Und gerade in England werden German-Nazi-Storys unglaublich gerne in der Presse verwendet. Der letzte Sieg der British Army ist das letzte Ästchen, an dem sich der Brite festhalten kann. Schließlich hat das einst größte Kolonialreich nach 1945 fast alles verloren hat und ist weltpolitisch nur noch eine tragische Figur. Jede Nazi-Story lässt noch einmal den letzten großen Augenblick Großbritanniens kurz aufblitzen und legt sich wie Balsam über die englischen Seelen.
    Abgesehen davon vermute ich beim Architekturkritiker Rowan Moore eine Affinität für modernistische Architektur, zumindest wenn ich mir auf die Schnelle seine Artikel anschaue. (Hier...) Dann treffen sich auch Gesinnungsfreunde.

  • Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass der Guardian einen Präzendenzfall schaffen kann. Der Guardian ist mittlerweile im politischen Spektrum ungefähr da zu verorten, wo in Deutschland die taz zu finden ist, in der äußerst linksradikalen Ecke. Ich kenne jedenfalls nicht viele Amerikaner oder Engländer, die das dort Geschriebene ernstnehmen.

  • Der Guardian ist immernoch unter den Top3 der britischen Tageszeitungen, das ist in Sachen Meinungsmache keineswegs zu unterschätzen. Auf keinen Fall von der eigenen Echokammer/Wahrnehmungsblase irreführen lassen, den Fehler machen schon die anderen oft genug. "Ich kenne jedenfalls ..." ist ein zu kleiner Maßstab, um daraus Handlungsableitungen für uns zu nehmen.

    Generell können wir davon ausgehen, dass unseren Anliegen die britischen und amerikanischen Blätter deutlich gewogener sind als die hiesigen, einfach weil historisierende Architektur im Anglo-Raum auch noch alltäglicher ist. Und es auch diverse Unis gibt, die klassische Architektur lehren.

  • Der Guardian ist immernoch unter den Top3 der britischen Tageszeitungen, das ist in Sachen Meinungsmache keineswegs zu unterschätzen. Auf keinen Fall von der eigenen Echokammer/Wahrnehmungsblase irreführen lassen, den Fehler machen schon die anderen oft genug. "Ich kenne jedenfalls ..." ist ein zu kleiner Maßstab, um daraus Handlungsableitungen für uns zu nehmen.

    Generell können wir davon ausgehen, dass unseren Anliegen die britischen und amerikanischen Blätter deutlich gewogener sind als die hiesigen, einfach weil historisierende Architektur im Anglo-Raum auch noch alltäglicher ist. Und es auch diverse Unis gibt, die klassische Architektur lehren.

    Ja gut, dann schreiben Sie halt einen Artikel und bieten ihn einer englischsprachigen Zeitung an. Ich halte den Guardian für politisch zu abseitig, um mir so eine Arbeit zu machen.

  • Es war doch das selbe mit Trüby. Ich glaube der Artikel tauchte zuerst in der taz oder FR auf. Da wurde hier auch gesagt "zu unwichtig, Rauschen im Walde, den Wisch liest keiner" usw. - und das Ende vom Lied kennen wir. Am Ende war's in jedem verdammten Medium und wurde permanent thematisiert. Unterschätzen wir NIEMALS mehr unsere Gegner.

  • Mit dem Wahn, überall Nazis zu wittern, ist es wie mit dem Hexenwahn der frühen Neuzeit. In der Regel bekämpfen solche Menschen die Dämonen, die sie in sich selber tragen, und projizieren dabei das eigene Elend auf andere.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Ich vertrete bei der Bewertung des "Trüby-Problems" mittlerweile eine andere Ansicht. Ja, man kann bei jedem Artikel, der in diese Richtung geht, ein Fass auf machen, kann sich darüber aufregen, kann Gegendarstellungen schreiben, etc. Aber was soll damit erreicht werden?

    Man hält das Thema nur weiter in den Medien, zeigt den anderen, dass man diese abstrusen Meinungen wahrnimmt, sich damit beschäftigt und dass es einen anfasst. Ganz ehrlich, das ist dieses Geschreibsel doch gar nicht wert. Wir haben doch alle jetzt unseren Teil dazu gesagt. Die ständige Wiederholung ändert daran auch nix, vielmehr bleibt es eher präsent und setzt sich dadurch in den Köpfen der Leute fest.

    Man sollte es einfach ignorieren und durch Sacharbeit, schöne Städte und die öffensichtiche Widerlegung dieser seltsamen Thesen durch Arbeit vor Ort begegnen. Denn seien wir ehrlich, man wird die TAZ Leser, die Trüby Fans etc. nicht von unsere Position überzeugen, im Gegenteil. Jede Entgegnung führt nur zu einer Bestätigung ihrer These, dass man im Kern ja Recht hat.

    Jeder der die Frankfurter Altstadt sieht, der sieht den ästhetischen und städtebaulichen Gewinn. Da können irgendwelche pseudointellektuellen Zeitungen schreiben was sie wollen, in Wahrheit liest die breite Masse sowas doch gar nicht, das ist ein winzig kleiner Echoraum von immer den gleichen Leuten.

    Die Lösung sind Vorher-Nachher-Bilder. Die sollten wir verbreiten. Denn diese sagen mehr als 1000 Worte oder 1000 Trüby Gedankengebäude.

    APH - am Puls der Zeit

  • Wissen.de, Du hast da völlig Recht. Zwar habe ich mich anfangs sehr über den Geistesdurchfall des Herrn Trüby geärgert, sogar persönlich angegriffen gefühlt. Aber jetzt muss langsam gut sein. Wir sollten solche Leute tatsächlich ignorieren.

    Seien es nun einzelne Personen, oder Anti-Reko Vereine. Sie sind unsere Energie und den Speicherplatz des Forums einfach nicht wert!

  • Hier machen es sich einige wieder sehr einfach. Ignorieren ist ja auch viel leichter, als selber Stellung zu beziehen.
    Denkt dabei auch an Gandhis Worte: "Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du."

    Wie gesagt, konnten wir in den letzten Monaten ja beobachten, wo das hinführt, wenn wir solche Labels einfach zulassen. Die ganze Reko-Bewegung, die Sehnsucht nach klassischen Stadtbildern steht nun in der "rechten Ecke". Es ist unbewiesen und wird kontrovers diskutiert, doch eben auch immer und immer wiederholt.

    Mit Gegendarstellung war auch nicht gemeint, dass unbedingt auf den Guardian-Artikel reagiert werden muss. Sondern dass es positive Darstellungen in den englischsprachigen Leitmedien braucht. Damit aus dem lokalen Erfolg ein globaler wird.

    Insofern: Zustimmung, das Wiederholen von Trüby-"Argumenten" ist eher kontraproduktiv, doch Stillschweigen ist noch schlimmer. Insofern: Meinungshoheit gewinnen und in der Tat die Ergebnisse sprechen lassen, da stimme ich völlig zu.


    PS: Das Kommentieren in diesem Forum hat kaum Auswirkungen auf die öffentliche Meinung, da müssen wir uns nebendran schon andere Kanäle mit deutlich mehr und breiterer Reichweite suchen.

  • Ich kann die Position von @Wissen.de ebenso verstehen wie von @erbse. Rein objektiv gesehen sind Artikel a la Trüby es gewiss nicht wert, dass man auf sie eingeht und sie dadurch aufwertet bzw. ihnen eine Bedeutung beimisst, die sie UNTER REIN SACHLICHEN ASPEKTEN nicht haben.
    Aber habt ihr euch einmal gefragt, woher es kommt, dass in so vielen Bereichen die Linken - selbst mit unsinnigsten Aussagen - das öffentliche Leben dominieren? Und das, obwohl sie eindeutig in der Minderheit sind? Es liegt an ihrer Diskurshegemonie, und diese wiederum kommt von der Passivität (und manchmal auch der Lethargie) der Konservativen. Die Linken sind Aktivisten, sie gehen ständig in die Offensive, sie besetzen jeden Freiraum. Sie provozieren und warten, ob sich Widerspruch regt. Wenn sich kein Widerspruch regt, nehmen sie das Terrain für sich in Besitz und drängen weiter vor. Gegenüber solch einem aggressiv-expansionistischen Verhalten hat der stoisch-gelassene, auf Ausgleich und Konsens bedachte Konservative keine Chance. Er kann allenfalls abwarten, bis die linke Ideologie krachend an der Realität scheitert und eine allgemeine Nüchternheit eintritt - wie das nach jedem Zusammenbruch einer linken Diktatur de Fall ist. Doch schon bald fangen die Linken auf einem anderen Kriegsschauplatz von Neuem an. Die 1989 für tot geglaubte Stasi ist auch wieder längst aktiv, intrigiert und denunziert.
    Und das ist letztlich das Problem, das man mit allen IDEOLOGIEN hat, die den Anspruch erheben, den Menschen, die Gesellschaft, die Welt neu erfinden zu müssen. Sie sind aggressiv, penetrant, rücksichtslos und legen jede Kompromissbereitschaft als Schwäche aus (das gilt übrigens auch für fundamentalistische Religionen).
    Die Gegenoffensive ist daher unerlässlich. Sie muss nicht immer aus einer unmittelbaren Erwiderung bestehen. Aber man muss dort für seine Ideen Überzeugungsarbeit leisten, wo dies erfolgversprechend ist. Dem Florettstich des Gegners ausweichen und dann selber dort zustoßen, wo er es nicht erwartet. Und keinesfalls nur sagen: Ich bin ein friedlicher Mensch, ich kämpfe nicht - schon gar nicht mit einem Herrn Trüby. Ohne ein entsprechendes Parieren hätte ein Wilhelm von Boddien das Berliner Schloss nie wiedererrichten können.
    Also: nicht über jedes Trüby-Stöckchen springen, aber stattdessen eigene Fahnen aufpflanzen. Entschlossenheit zeigen, sich vor allem nicht einschüchtern lassen und gegenaufklären! Auch publizistisch. Entsprechende Plattformen finden sich im Internet mittlerweile zuhauf, und diese zeitigen auch Wirkung.

    Wer einer Halbwahrheit eine weitere Halbwahrheit hinzufügt, schafft keine ganze Wahrheit, sondern eine ganze Lüge.

  • Sehr richtig, das Problem ignorieren zu wollen, weil man z.B. zu faul ist zu schreiben oder zu moderieren, weil es unangenehm ist, sich mit dem Problem zu beschäftigen, löst es aber nicht. Im Gegenteil, das Problem wird größer. Das ist wie in der Ehe, in der sich der Mann jedem Streitgespräch entzieht und, statt sich um seine Frau oder die Erziehung seiner Kinder zu kümmern, lieber im Keller mit der Eisenbahn spielt. Erst einmal ist das bequemer, aber die Probleme werden wachsen und irgendwann auch in den Rückzugsort vordringen.
    Insofern ist auch im Bereich der Rekonstruktionsbewegung von Bedeutung, Angriffe zu beantworten und die Angreifer in ihre Schranken zu verweisen.

  • In unserem Forum ist sicher niemand schreibfaul. Es hat nur keinen Sinn, sich immer und immer wieder über die selben Personen und deren Aussagen aufzuregen. Mittlerweile kennen wir einige von diesen Trübys, und wissen, was wir von deren Veröffentlichungen erwarten können. Ihnen jedoch nicht zu viel Energie und Lebenszeit zu opfern bedeutet aber nicht, daß wir aufhören unsere eigenen Meinungen zu vertreten. Das möchte hier sicher niemand. Wie bereits erwähnt, müssen wir zum geeigneten Zeitpunkt zurückschlagen und für unsere Sache werben. Vielleicht könnten wir uns beim nächsten Angriff auch einfach mal zusammentun und einen Gegenangriff planen, anstatt in forumsinternen Diskussionen unseren Blutdruck zu erhöhen.

  • In unserem Forum ist sicher niemand schreibfaul

    Da sprichst du (vielleicht unbewusst) gleich den Knackpunkt an. Hier im Forum war und ist kaum Schreibfaulheit angesagt.
    Doch wie sieht es darüber hinaus aus? Da wird die Schlacht geschlagen. Bei facebook/Youtube/sozialen Netzwerken, in den Leitmedien, Lokalblättern, in den Stadträten, Landtagen, im Bundestag, Ausschussgremien, Architekturjuries, Verbandskammern, Multiplikator-Netzwerken, ... Wo finden wir da statt?

    Unsere Deutungshoheit auf das Forum zu beziehen ist ungefähr analog zu: "Die Kriegsfront ist zwar 1000km westlich, doch ich werde mal 2000km östlich in der Stube hocken und meinen 7 Kumpels mit Holzschwertern zeigen, wie man große Schlachten gewinnt." Nee, sorry, so gewinnen wir keine Schlachten... :rolleyes::zwinkern:

    Insofern: du hast völlig recht Neußer, bei solchen Situationen ist es besser, nach kurzem Dampf ablassen hier im Forum aus unserer Blase rauszukommen und aktiv zu werden, rauszugehen, uns zu koordinieren. Das hat beim Thema Einheitsdenkmal schon weit über unseren Dunstkreis hinaus geklappt, wenn auch zunächst mit offenem Ergebnis - zeigt es aber doch, dass wir da richtig Schlagkraft entwickeln können, mit entsprechenden leidenschaftlichen Partnern.

  • Mir gefällt diese Gesprächsrunde hier. Vielleicht können wir da tatsächlich etwas entwickeln, um in der Öffentlichkeit deutlicher wahrgenommen zu werden.

    Wir haben hier im APH einige sehr intelligente Leute und überaus begabte und wortgewandte Schreiber beisammen. Es wäre doch ein schlechter Witz, wenn wir nicht zusammen starke Konzepte entwickeln könnten. Wir müssen uns aber besser koordinieren.

  • Ich glaube, dass da etwas missverstanden wurde. Es geht nicht darum, sich nicht zu positionieren, nur halte ich es für nicht zielführend, wenn man ständig völlig aufgekratzt auf jeden Artikel reagiert und dann über jeden Stock springt, der einem hingehalten wird.

    Nicht die Abarbeitung an den Ansichten von Herrn Trüby ist die Lösung, sondern mit Erfolgen werben, die wir erreicht haben. Und dagegen kann Herr Trüby oder irgendein Feuilleton schreiben was es will. Bilder überzeugen, der Besuch in der Altstadt überzeugt, Vorher-Nachher-Bilder überzeugen.

    Darauf sollte man sich konzentrieren und zeigen, was Rekonstruktionen an positiven Aspekten für den Stadtraum bringen. Und dann kann irgendein Architekturprof oder ein Journalist an Ansichten unter die Welt bringen, was er will. Erstens liest die breite Masse das nicht und zweitens müssen wir nicht zuforderst eine links geprägte Medienelite gewinnen, sondern die Menschen.

    Und daher macht es meiner Meinug nach wenig Sinn, immer wieder mit voller Empörung auf diese Artikel zu reagieren, weil all das das Thema nur weiter in den Medien hält und ich prophezeihe, dass man durch die Abarbeitung des Themas marketingtechnisch nichts gewinnen wird, weil für die einfachen Leute wenn überhaupt Schlagworte übrig bleiben und einfache Analogien. Und es ist gleichzeitig ein Thema, dass auch unter den Rekofreunden immer für Streit sorgt. Also warum das weiter zelebrieren, wo es keinen substanziellen Fortschritt mit sich bringt?

    APH - am Puls der Zeit