Liebe Interessenten,
schon länger wird in diesem Forum das Unbehagen darüber geäußert, dass die gegenwärtige Denkmalpflege hinsichtlich des Städtebaus, des Umgangs mit historischen Monumenten und der Rekonstruktion historischer Bauten oder ganzer Quartiere in Theorie und Praxis nicht mehr auf dem neusten Stand ist bzw. - bei den vielen Verdiensten, die sie unbestritten hat - der Entwicklung hinterherhinkt. Georg Dehios Motto "Konservieren, nicht rekonstruieren", das in der Denkmalpflege noch immer als Dogma gilt, letztlich aber nur im damaligen Kontext (nämlich als Widerspruch zu dem historische Monumente eigenwillig verfälschenden Historismus) zu verstehen ist, muss ebenso hinterfragt werden wie die Vorstellung, dass ein moderner Anbau sich in Materialität und Formensprache von zu ergänzenden Altbauten zu unterscheiden habe. Ebenso problematisch ist der Substanzbegriff der Denkmalpflege, der bisweilen in einen völlig übertriebenen - und historisch gleichfalls nicht haltbaren - Materialfetischismus abgleitet.
Die Resultate dieser problematischen Grundhaltung können wir vielfach beobachten:
- Punkto Rekonstruktion: beim Widerstand gegen Wiederaufbau des Berliner Schlosses, des Dresdner Neumarkts und nun der Schinkelschen Bauakademie.
- Punkto kontrastreiches Weiterbauen: Bei der "Wiederherstellung" des Neuen Museums in Berlin, dem Anbau für Schloss Gottdorf in Schleswig-Holstein oder dem Neubau der Kantine des Mainzer Landtags.
- Punkto Substanzbegriff: Die Restaurierungen des Berliner Zeughaus, des Charlottenburger Schlosses oder dem Amtsgerichts in Charlottenburg sowie die Farbfassung des Berliner Schlosses folgen ausschließlich der Materialität der Bauteile und stehen somit in völligem Widerspruch zur architektonischen Syntax oder den von den damaligen Architekten intendierten Erscheinungsbild - ganz im Sinne des Klassizismus und Historismus (von denen man sich sonst in Fragen der Rekonstruktion und rekonstruierender Ergänzungen scharf abgegrenzt).
Ziel ist es mittelfristig, Argumente und Anregungen für eine neue Charta zusammenzutragen. Das klingt auf den ersten Blick sehr ambitioniert, aber ich bin sicher, dass sich hinreichend Kunsthistoriker, Architekten, Städteplaner und auch Denkmalpfleger finden werden, die hierbei mitmachen bzw. sich anschließen, wenn erste Ergebnisse zur Diskussion gestellt werden - zum Beispiel im Rahmen einer Tagung.