Leipzig - Reudnitz - Dresdner Straße

  • Da Kaoru die Situation der inneren Ostvorstadt ansprach, muß dies natürlich für Auswärtige plausibel dargestellt werden, um das "Nirvana" aufzulösen.

    Adolph Werl stellte die Dresdner Straße im frühen 19. Jahrhundert so dar:

    Johanniskirche mit Blickrichtung Grimmaischer Steinweg

    Seitlich gesehen wurde das "schöne Alt-Leipzig" mit dem Alten Johannis-Hospital (was dann für den Straßenbau vorbereitet wurde) ebenfalls dokumentarisch festgehalten.

    Man muß sich dabei vor Augen halten, daß es in diesem Bereich im wesentlichen dann zwei Bebauungs- bzw. Überbauungsstrukturen gab. Zum einen die wohl am ehesten noch naturgebundene Zeit mit den Neubauten des Schumann-Hauses ab 1840 und in den 1850ern, als Clara und Gustav Theodor Fechner in die Blumengasse alias Scherlstraße bzw. Dresdner Straße einzogen, und die Verdichtung zur Gründerzeit, die wir noch weiter unten sehen.

    Jedenfalls beginnt die Dresdner Straße an der Ecke Salomonstraße:

    Dresdner Straße 1 im Jahre 1899

    gelaufen am 5.3.1913 nach Hamburg

    gelaufen am 12.5.1903 nach Passau

    Vergleich (wie alle weiteren aktuellen) am 29. September 2018

    Dresdner Straße, gelaufen am 27.4.1904 nach Erfurt

    Vergleich stadtauswärts

    Dresdner Straße 2a, gelaufen am 1.6.1933 nach Berthelsdorf b. Freiburg

    Vergleich 2018

    Dresdner Straße 7 , Auguste-Schmidt-Haus, gelaufen am 1.6.1925 nach Schleiz

    Vergleich 19.6.1997

    aktuell, 2018

    Daneben folgt die Inselstraße.

    gelaufen am 5.4.1909 nach Freiberg/Sa.

    um 1910 nach Hamburg

    aktueller Vergleich 2018

    Natürlich gibt es weitere Aufnahmen, die nicht alle gezeigt werden können. Das betrifft auch das Schumann-Haus in der Inselstraße.

    um 1910

    aktueller Vergleich 2018

    Man beachte, daß die Kopfplastiken in der Fassade noch erneuert werden müssen.

    Dresdner Straße stadteinwärts, links Kurze Straße, rechts die Ecke zur Blumengasse bzw. Scherlstraße

    gelaufen am 12.3.1905 nach Gerbersdorf (Schlesien)

    Kurze Straße, nur die rechte Seite erhalten. Die linke Seite wurde zu DDR-Zeiten abgerissen.

    Dresdner Straße 19, gelaufen 3.6.1939 nach Dahlen/Sa.

    Dresdner Straße 19 2018

    Lange Straße um 1930

    Lange Straße 19 im Jahre 2005

    Lange Straße 2018

    Lange Straße Ecke Dresdner Straße um 1905

    Vergleich im Jahre 2016

    Hier nochmals die unterschiedlichen Bebauungsstrukturen

    gelaufen am 13.4.1924 ins Oetztal Tyrol

    Vergleich 2018

    Damit mein Rechner nicht abstürzt, splitte ich den Beitrag, denn es folgt die Beantwortung der Frage: Was geschah im weiteren Straßenverlauf?

  • Straße der Befreiung 8. Mai 1945

    Über fünfzig Jahre (von 1951 bis 2001) trug die Dresdner Straße diesen Namen. Doch wovon befreite man sich wirklich und was war das Ergebnis? Das folgende Foto ist Teil von großen Aufstellern - direkt aus der "Straße der Befreiung", was ich vermutlich 1985 aufgenommen habe:

    Damit haben die Kollegen der DEWAG ihre Auskommen gehabt - zum Sieg des Sozialismus.

    Da die aktuellen Fotos bereits die sanierten Zustände der baulichen Meisterwerke zeigen, möchte ich zumindest andeuten, daß auch dieser Teil Leipzigs von akutem Zerfall bedroht war.

    Hier kann mal einige Beispiele erstöbern: http://home.uni-leipzig.de/fechner/schumann.htm

    Es ist nicht auszudenken, wenn es noch mehrere Jahre so "befreit" weitergelaufen wäre. Jedenfalls wurde u.a. die linke Seite der Kurzen Straße abgerissen, damit dort eine Großdruckerei für das Zentralorgan der SED ersteht. Da auch dies wirtschaftlich ins Wasser fiel und die Grube gefüllt werden mußte, kamen dort mehrere Wohnwürfel hin.

    Dresdner Straße 2018

    Dresdner Straße 2018 (wie gesagt, bereits "nachwendisch" saniert)

    Auch nach der Ecke Grenzstraße sind die Glanzleistungen sozialistischer Baukunst in der Dresdner Straße zu bewundern:

    Gegenüberliegend:

    Dresdner Straße 2018

    Weiteres kann man sich ja z. B. bei Suchmaschinenanbietern anschauen.

    Seit dem Jahre 2005 hat es sich kaum geändert:

    Stephaniplatz im Jahre 2005

    Crusiusstraße aktuell im Jahre 2018

    Dies sind folglich die sozialistischen Errungenschaften, mit denen man bürgerliche Baukultur auf den Müll der Geschichte warf, nach Kriegszerstörungen mutwillig Straßenverläufe änderte, Bauakten vernichtete und u.a. die Stadtbildsammlung verschwinden ließ. Um dieses sozialistische "Nirvana" aufzulösen und städtische Kulturwerte wieder nutzbar zu machen, nützen Stasiakten nichts.

    Darin wird man die folgenden Aufnahmen auch nicht finden. Vieles muß also weltweit wieder eingesammelt werden, damit man am Entstehungsort wieder anknüpfen kann, um geschichtliche Kontinuität und bedeutende Leistungen der Altvorderen langfristig wieder aufleben und in künftige Architektur einfließen zu lassen. Dazu einige Aufnahmen mit Variationen:

    Partie am Stephaniplatz um 1920

    Crusiusstraße Ecke Stephaniplatz um 1930

    Dresdner Straße 32 (Ecke Göschenstraße) um 1910

    Dresdner Straße um 1930

    Stephaniplatz um 1935

    Stephaniplatz, gelaufen am 18.5.1911

    Stephaniplatz 1903, gelaufen am 6.8.1903 nach Kaltennordheim Th.


    gelaufen am 16.11.1906 nach Berlin

    Dies vielleicht erst einmal gegen das "Nirvana". Städtisches Leben fängt dann in der Dresdner Straße wieder an, wo die Altbauten wieder zum Leben erweckt werden.

    Dresdner Straße mit Blick zur Markuskirche

    29. September 2018 Blickrichtung zum hinteren Teil der Dresdner Straße in Reudnitz

    Da die fehlende Markuskirche nebst Umgebung auch der Erläuterung bedürfen, kommen gelegentlich noch einige Beispiele ...

  • Ja,Leipzig hat leider auch viele Kirchen nach dem Krieg verloren.Man kann auch sagen wurden mutwillig abgerissen.
    Der in der Wiederherstellung befindliche Turm der Johanniskirche- Sprengung Mai 63
    Die unversehrte Paulinerkirche Sprengung Mai 68.
    Und eben hier die Stadtteilprägende Markuskirche Sprengung März 78

  • Reudnitz hat auch sämtliche "Wahrzeichen" eingebüßt: Das Rathaus, den Eilenburger Bahnhof, die Markuskirche, zuletzt den Straßenbahnhof: alles weg. Nun gibt es auch noch viele intakte Straßenzüge, das Gründerzeitquartier zwischen Täubchenweg und Reichpietschstraße -so klein es ist- dürfte zu den schönsten Gründerzeitvierteln der Stadt zählen. Aber das Herz von Reudnitz ist heute der Kaufland, so banal und blöd es klingt. Mit gutem Willen auch noch der Lene-Voigt-Park auf dem Gelände des ehemaligen Eilenburger Bahnhofs und der Reudnitzer Park auf dem ehemaligen Reudnitzer Friedhof.

    Einmal editiert, zuletzt von Kaoru (1. Oktober 2018 um 11:53)

  • Forumsbeiträge sind ja zumindest in der Weise spontan, daß man hier den abgesendeten Artikel nicht mehr korrigieren kann, und aufgrund der Beiträge entstehen andere Verläufe, als ursprünglich gedacht. D.h. eigentlich wollte ich nur etwas zur Dresdner Straße beschreiben. Und aufgrund der von Kaoru angesprochenen Defizite müssen diese etwas erweitert und ggf. sichtbar gemacht werden.

    So ist z.B. festzustellen, daß auch das Diana-Bad den Krieg nicht überstand:

    Diana-Bad - Langestr. 8/10 Elegante Schwimmhalle - Dampf-, Licht-, Wannen- u. Kurbäder Schwimm-Unterricht

    1914 (rückseitiger Stempel: Arbeiter-Schwimmverein e.V.)

    Es ist nun nicht auszudenken, wenn sich die Staatenlenker vor dem "Meer der Tränen" bei der Einweihung des Leipziger Völkerschlachtdenkmals im Jahre 1913 für eine friedliche Entwicklung entschieden hätten. So begann aber ein verhängnisvolles Geschehen, das letztlich nicht nur den Niedergang der Architektur betraf, sondern jeden, auch wenn es noch scherzhaft begann.

    Daß im II. Weltkrieg alles noch schlimmer kam, dachte man damals bestimmt nicht. Jedenfalls können wir heute von Glück reden, was die Bombardierungen des II. Weltkrieges überstand.

    Breitkopfstraße um 1910

    Vergleich 2006

    Vergleich 2016

    Wattenbachs Garten um 1910

    Vergleich (wie alle weiteren aktuellen) am 3. Oktober 2018

    Kohlgartenstraße 58 Ecke Dresdner Straße, ehemals II. Realschule
    gelaufen am 31.8.1905 nach Zittau / Sachsen

    Vergleich aus dem Jahre 1996 (derzeit ungenutzt)

    Weiter rechts stand dann bis zur Vernichtung zu DDR-Zeiten die Markuskirche:

    gelaufen am 18.7.1917 nach Triptis Th.

    aktuelle Aufnahme

    Zum Tag der Deutschen Einheit als Feiertag war die Dresdner Straße recht leer. Wochentags ist hier die Haltestelle Reudnitz/Köhlerstraße als Umsteigehaltestelle dagegen sehr belebt und man ist geneigt, diesen Ort wieder möglichst schnell zu verlassen. Kaoru kann vermutlich einiges dazu konkretisieren.

    Ursprünglich war rechterhand der Straßenbahnhof Reudnitz.

    Nun nahm ich an, daß dort auch die Aufnahme mit den abgebildeten Kollegen (um 1905) entstand. Dies konnte der Straßenbahnverein noch nicht bestätigen. Und als ich ein Vergleichsfoto für folgende Aufnahme machen wollte:

    war dies schon nicht mehr möglich. Denn inzwischen ist alles zugebaut.

    Aufnahme vom 3.10.2018

    Jedenfalls mündet danach die Dresdner Straße rechts in die Breite Straße und links (nicht mehr zu Reudnitz gehörend)
    in die Wurzner Straße. Hierzu hatten wir bereits u.a. bei den gelösten Fällen einige Aufnahmen, so daß einfach nur
    der gegenwärtige Zustand festgehalten werden soll.

    aktuell: Kulturcafé Knicklicht Dresdner Straße 79

    Blick in die Wurzner Straße

    ohne Kommentar

    Breite Straße. gelaufen 09.01.1909 nach Plauen im Vgtl.

    Vergleich 2016

    Vergleich aktuell

    Wie angesprochen führt es dann rechts (außerhalb Reudnitz) in die

    Zweinaundorfer Straße um 1930

    aktueller Vergleich

    Stadteinwärts geht es dann in den Täubchenweg nach einem kurzen Break.

  • Weshalb die gegenwärtig in einigen großen deutschen Städten grassierende Mietastronomie in Leipzig nicht funktionieren wird, kann man deutlich betrachten, wenn man z.B. den Täubchenweg wieder stadteinwärts läuft:

    Täubchenweg stadteinwärts um 1935

    Vergleich im Jahre 2005

    Das Täubchen vom Täubchenweg befand sich an dem zweiten desolaten Gebäude rechts.

    aktueller Vergleich

    Auch wenn das Täubchen wieder angebracht werden sollte, wird es kaum die Einfaltslosigkeit der Neubauten retten.

    Vergleich nochmals Richtung Breite Straße 2005

    aktueller Vergleich

    Im weiteren Verlauf stadteinwärts

    Neben den bereits gezeigten DDR-Neubauten hier ebenfalls aktuell die Crusiusstraße.

    Dahinter wurden gerade die letzten Spuren der Zollverwaltung der DDR bis auf Kellerebene beseitigt, so daß am
    Täubchenweg nur auf der anderen Straßeseite ein ebensolches Wunderwerk noch zu sehen ist:

    Und man kann hier wohl erahnen, daß im Verlauf der Göschenstraße - so man die historisch bewährten Straßenverläufe wieder aufnimmt - perspektivisch noch viel Platz ist:

    Noch mehr Platz ist sogar im Bereich des Eilenburger Bahnhofs.

    gelaufen am 10.3.1908 nach Wittenberg (Aufnahme vermutlich 1905)

    Hierzu kann man sich vielleicht vorstellen, daß später weitere Anbauten hinzukamen, daß viele kleine Firmen bzw. Kleinbetriebe sich rundherum angesiedelt hatten und ihr Auskommen hatten, so daß das Gebiet sehr belebt war.

    Aktuell dazu einige Vergleichsaufnahmen, auch wenn Drohnenflüge bestimmt einen besseren Eindruck liefern können:

    Einige aktuelle Vergleiche zum Standort Eilenburger Bahnhof

    Gegenwärtig gibt es wieder mal Fördergelder für die Straßen der Anlieger im Bereich Eilenburger Straße.

    ohne Kommentar (im Hintergrund links "Haus des Buches", rechts saniertes Buchgewerbehaus)

    linker Bahnhofsteil

    Leipzig innenstadtnaher Bereich im Jahre 2018

    Foto ebenfalls seitlich von der Reichpietschstraße aufgenommen

    Es ist sehr schön, einen Teil des Geländes den Namen von Lene Voigt zu übertragen. Zumindest können hier erst einmal Bäume wachsen.

    Dennoch, dieses als "Park" zu bezeichnen, dazu fehlt es noch der Gestaltung ...

    Wichtig indes ist es, daß es hier Auslauf gibt, zahlreiche - auch rege genutzte - Flächen für Ballsportarten! Auch Kinderspielplätze gibt es in Reudnitz in größerer Zahl.

    Dies ersetzt aber leider nicht die fehlenden Orte für Massenveranstaltungen, egal ob für Kurzweil, Konzert, Tanz oder Stätten der "Entschleunigung" und Besinnung, wie es die Kirchen waren. Und es fehlen adäquate Treffs für Schüler und Jugendliche, wo Freizeit zur außerschulischen Bildung, für Hobbies und generationsübergreifende Kommunikation u.v.a. genutzt werden kann. Aber dies waren nur einige unmaßgebliche Anregungen zur Diskussion ...

  • Dank Jürgen Winter kann ich noch etwas ergänzen, allerdings nur, weil sich beim gestrigen Ansichtskartentausch niemand entsprechend für Reudnitz interessierte und die Sammler bereits abgezogen waren. Aus diesem Grunde kamen drei Karten in den Bestand - nun mit den Vergleichen vom heutigen Sonntag:

    Kohlgartenstraße um 1905, Ecke Lilienstraße

    aktueller Vergleich (Aufnahme wird gelegentlich erneuert, wenn die Baustelle weg ist und ohne Sonnenstrahlen die Kontraste besser ausgeleuchtet werden können)

    Wichtig ist indessen die folgende Ansicht:

    Im Vergleich lassen sich recht viele Unterschiede feststellen, nicht nur bezüglich der Unachtsamkeiten bei Sanierung und bei Straßenverbreiterung. Eine Baulücke besteht weiter an der ehemaligen Feld- und jetzigen Anna-Kuhnow-Straße.
    Das kleine Eckhaus wurde abgerissen. Im Atmosphärischen ermangelt es der Häuserzeile bisher, daß ihr die ästhetische Würde noch wieder zurückgegeben ist. Dies sollte bedacht werden, auch wenn einmal und gerade die Traufhöhen mit Neubauten angeglichen werden.

    Und von Kaoru bereits angedeutet:

    "Möbius-Platz" gelaufen nach Müritz am 17.7.1929 (Aufnahme vermutlich um 1920)

    Aufgrund des schönen Herbstwetters heute nur andeutend. Eine Aufnahme hatten wir bereits im xy-Thema, wo schon festgestellt wurde, daß dies mit einigen Umgebungsstraßen Gegenstand für eine Galerie wäre (vermutlich im kommenden Frühjahr, wenn die Sonne wieder höher steht und sich das Grün noch zurückhält).

  • Im Vergleich lassen sich recht viele Unterschiede feststellen, nicht nur bezüglich der Unachtsamkeiten bei Sanierung und bei Straßenverbreiterung. Eine Baulücke besteht weiter an der ehemaligen Feld- und jetzigen Anna-Kuhnow-Straße.
    Das kleine Eckhaus wurde abgerissen. Im Atmosphärischen ermangelt es der Häuserzeile bisher, daß ihr die ästhetische Würde noch wieder zurückgegeben ist. Dies sollte bedacht werden, auch wenn einmal und gerade die Traufhöhen mit Neubauten angeglichen werden.

    Ja, da besteht heute viel Verbesserungsbedarf. Das kleine Haus links, so man es erhalten möchte, neu streichen bzw. vom Graffiti befreien. Dem recht gut erhaltenen Gründerzeitler in der Mitte seinen kleinen Giebel wieder geben. Das Haus rechts daneben wieder mit dem einst entfernten Stuck aufwerten. Und beim Haus rechts das Dach- und Erdgeschoss besser mit der historischen Fassade abstimmen.