• Abgesehen von der extrem unattraktiven Architektur des Nachkriegsjapans, die ich oft sogar noch einen Tacken schlimmer finde als die deutsche Nachkriegsarchitektur ist Japan auch ein sehr schönes Beispiel dafür, dass weder der "Dichtestress" noch die Mietpreise nachlassen mit einer rapide schrumpfenden Bevölkerung (2022 voraussichtlich doppelt so viele Gestorbene wie Neugeborene (!)). Die verbliebenen jungen Leute zieht es immer stärker in die wenigen verbliebenen Wachstumszentren (in Japan ist das praktisch nur noch der Großraum Tokio), wo entsprechend weder die Löhne steigen (die andere These, die oft wiederholt und nie bewiesen wird) noch die Mieten sinken.

    Dafür aber, und das ist natürlich wirklich langfristig positiv für Japan, wenn auch zunächst nur für nichthumane Wesen, wird sich die Natur die entvölkerten ländlichen Regionen im Norden und Westen weitgehend zurückholen können. Der Weg dahin ist aber hart und deprimierend mit Dörfern und Kleinstädten, die nur noch von Alten bewohnt werden und in denen die staatliche Daseinsfürsorge immer weniger leistungsfähig ist.

  • Mal schauen, die Zukunft wird erst zeigen, welcher Weg der bessere ist. Vom Sicherheitsaspekt wüsste ich, wem ich den Pluspunkt zu geben habe.

    Aber, bezüglich der Landflucht brauchst Du nicht nach Japan zu gehen. Viele Dörfer auf dem Balkan, aber auch in Griechenland und Italien werden mittlerweile ebenfalls nur von Alten bewohnt. Und die staatliche Daseinsfürsorge schrumpft auch hierzulande auf dem Land. Bisweilen werden händeringend Ärzte gesucht, die auf dem Land ihre Praxis eröffnen wollen.

    Es ist das Wesen kapitalistischer Konzentration, dass die Metropolen wie Staubsauger fungieren. Sie saugen - selbst nicht zu ausreichender Fertilität in der Lage - die Bevölkerung der Dörfer und (im Falle von Einwanderungsländern) sogar anderer Länder auf. Damit die kapitalistischen Städte weiter leben können ("Wachstum" ist die Parole), brauchen sie den ständigen Zustrom von außerhalb. Sie bluten somit weite Landstriche aus.

    Das zu ändern, sofern man das möchte, geht nicht, indem man diese Entwicklung laufen lässt oder gar noch weiter anfacht, sondern indem man eine völlig andere Strukturpolitik betreibt, die auf mehr Ausgleich zwischen Land und Stadt setzt.

  • Dafür aber, und das ist natürlich wirklich langfristig positiv für Japan, wenn auch zunächst nur für nichthumane Wesen, wird sich die Natur die entvölkerten ländlichen Regionen im Norden und Westen weitgehend zurückholen können.

    Das kannst Du doch unmöglich als (bitteren) Positivaspekt darstellen. An der Entwicklung ist rein gar nichts positiv. Sollen 95% der Landfläche Japans ein Naturreservat werden und der Rest Städte, deren kulturelles Erbe hauptsächlich aus den letzten 100 Jahren besteht, sein? Sowas könnte man auch als kulturellen Niedergang beschreiben. Allein der baukulturelle Verlust in den sich entleerenden Landschaften ist kaum bezifferbar.

    Man gibt so eine strukturreiche Formation auf, die es erlaubt sich auszudifferenzieren, die widerstandsfähiger ist. China ist da ein Beispiel, wie wirtschaftliche Prosperität auch heute noch sich entwickelt. Dort haben sich aus strukturellen Gründen an verschiedenen Orten spezifische Wirtschaftsschwerpunkte ergeben, etwas, das man in Deutschland auch kennt oder kannte, z.B. Orte, wo 10 Firmen Besen und alles drum herum produzieren, oder wo Schmuck gefertigt wird. Stichwort Clusterbildung. Dafür sind Großstädte häufig viel zu ähnlich in ihren Bedingungen.

    Aber auch ökologisch ist es illusorisch hier ein rosiges Bild zu zeichnen. Man lässt Bausubstanz und Infrastuktur, welche über Jahrhunderte sich aufbauen durfte, verrotten, nur um sie in zentralisierter Form (damit etwas effizienter), aber komplett neu wieder hoch zu ziehen. Wobei dabei auf Rezepte zurückgegriffen wird, die, anders als bei den Altbauten, aus höchst ressourcenverschwenderischen Zeiten kommen. Und noch dazu durch die immense Geschwindigkeit größtenteils Schrott ist.

  • Ich bin da relativ unemotional, weil es nicht mein Land ist und auch nicht mein Kontinent, ich außerdem auch sonst keine emotionale Verbindung nach Japan habe. Finde es eher aus einem soziologischen Aspekt interessant, da dieses Land der Vorreiter einer Entwicklung ist, die zunehmende Teile der Erde erfassen wird, Heimdall hatte schon korrekt die weitgehende Entleerung ländlicher Räume in Südosteuropa genannt, auch China, Korea (dort mit noch atemberaubenderer Geschwindigkeit als Japan - wenn es jemals stimmte, dass sich ein "Land abschafft", dann gilt das für Südkorea - dort ist die heute geborene Generation nur noch 40% so groß wie die ihrer Eltern - Folge einer totalen Fertilitätsrate von unglaublichen 0,8 und weiter sinkend) und überhaupt Ostasien stehen Prozesse bevor, wie sie in Japan bereits stattfinden.

    Aufgefangen wird das Problem zur Zeit v.a. noch dadurch, dass 1. die geburtenstarken Jahrgänge, genannt "Boomer" in Japan nochmal 10, 15 Jahre jünger sind als in Europa mit einem Geburtenpeak etwa Mitte der 1970er und 2. die wirklich geburtenschwachen Jahrgänge ab etwa Mitte der 2000er Jahre noch gar nicht im Berufsleben angekommen sind und somit (noch) nicht bemerkt wird, was genau passiert.

    Trotzdem ist das, was dort geschieht, absolut brutal. Zur Zeit beträgt das jährliche Geburtendefizit Japans etwa 750.000 Menschen/Jahr, allerdings ist dieses jedes Jahr massiv gestiegen und Japan hat erst seit 2006 (! - Deutschland seit 1973) Geburtendefizite. Noch in diesem Jahrzehnt wird das Geburtendefizit eine Million erreichen und trotz einer Öffnung des Landes für Einwanderung in den letzten Jahren kommen kaum Menschen, da die traditionellen Rekrutierungsländer ebenfalls unter Geburtenschwund leiden und selbst boomen. Die Bereitschaft eines Vietnamesen, nach Japan auszuwandern, ist nicht mehr sehr hoch.

    Insofern ist Japan ein Labor dafür, was im Prinzip einem Großteil der Welt bevorsteht. Und es ist ein reiches Land, anders als viele Schwellenländer, die alt werden, bevor sie reich werden konnten (Südamerika, Südostasien, Osteuropa). Und den Naturschutzaspekt meine ich ganz ernst: Es ist zweifellos ein Gewinn für die Natur, wenn es weniger Menschen gibt. Ich wünsche mir dies zwar nicht für mein Land, weil ich glaube, dass ein schrumpfendes, alterndes und verzagtes Deutschland eine Katastrophe wäre - aber auch da sehe ich eher den Laboraspekt in puncto Rückeroberung von Siedlungsland durch die Natur in Japan. Wie hält man die öffentliche Daseinsfürsorge aufrecht? Wann schließt man die letzte Schule? Wann gibt man gewisse Siedlungen ganz auf, weil die Infrastrukturkosten zu hoch werden?

    Von solchen Dingen werden wir alle zwangsläufig noch viel lesen und viel lernen müssen in Zukunft.

  • Ich sehe das grundverschieden. Wozu brauche ich ein Reallabor, wenn hinlänglich erprobt ist, was funktioniert bzw. hier nur zu lernen ist, wie der Status Quo fortgeführt wird? Es ist typisch für die letzten Jahrzehnte selbst grundsätzlichste bekannte Zusammenhänge komplett neu erforschen zu wollen. Ich führe das zurück darauf, dass Tradition und Vergangenheit so systematisch geringgeschätzt werden. Schrumpfende Bevölkerungen sind schädlich, dafür gibt es sehr viele Beispiele. So hat z.B. der 30 jährige Krieg und die Katastrophen darum herum zu einer schwerwiegenden Schwächung geführt, auch könnte man die nahezu vollständige Auflösung aller Strukturen in Amerika anführen, infolge der europäischen Einschleppung von Infektionskrankheiten. Warum statt zu versuchen so eine Perspektive verwalten zu wollen, sie beherzt nicht besser umzusteuern, wirklich etwas anders machen als andere Länder? Da ist gerade Japan kein Vorbild; ich habe zumindest nichts darüber gelesen, dass die Regierung dort etwas tut, die Geburten wieder zu steigern und der Landflucht zu begegnen. Deutschland verlernt eigene Lösungen zu probieren. Die Schema F Lösungen haben uns bisher mehr geschadet als geholfen. So schafft man zwar im Durchschnitt mitzuschwimmen, aber nicht mehr oben auf zu schwimmen.

  • Es ist das Wesen kapitalistischer Konzentration, dass die Metropolen wie Staubsauger fungieren. Sie saugen - selbst nicht zu ausreichender Fertilität in der Lage - die Bevölkerung der Dörfer und (im Falle von Einwanderungsländern) sogar anderer Länder auf. Damit die kapitalistischen Städte weiter leben können ("Wachstum" ist die Parole), brauchen sie den ständigen Zustrom von außerhalb. Sie bluten somit weite Landstriche aus.

    Das zu ändern, sofern man das möchte, geht nicht, indem man diese Entwicklung laufen lässt oder gar noch weiter anfacht, sondern indem man eine völlig andere Strukturpolitik betreibt, die auf mehr Ausgleich zwischen Land und Stadt setzt.

    Das klingt aber sehr nach bösem Sozialismus ;). Im Ernst, wie willst Du solche Prozesse aufhalten? Es hat aus meiner Sicht wenig mit Kapitalismus zu tun, dass es die Leute in die Städte zieht, das war schon im alten Rom so und auch in sozialistischen Ländern.

    Für die fortschreitende Urbanisierung sind zwei Prozesse entscheidend:

    1. Die massiven Produktivitätszuwächse in der Landwirtschaft, es "müssen" schlicht viel weniger Leute auf dem Land leben, bis weit ins 19 Jhdt. hinein waren über die Hälfte der gesamten Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt. Es ist ja nicht so, dass sich die Leute schon immer nach dem Landleben gesehnt haben, sondern es war schlicht eine Notwendigkeit, nahe am Arbeitsplatz zu wohnen

    2. Die abfallende Fertilität: auch schon früher, selbst vor 1000 oder 2000 Jahren waren die großen Städte "Staubsauger" - der Unterschied ist nun nur, dass nun auch die ländlichen Regionen keine ausreichende Fertilität mehr haben. Von früher meinetwegen 4 Kindern im Schnitt auf dem Land gingen -je nach regionalem Erbrecht- schon immer ein bis zwei in die Stadt, aber es blieben aber eben zwei auch da, ein Sohn übernahm den väterlichen Hof, eine Tochter heiratete einen anderen Bauernsohn.

    Jetzt gehen immer noch 1-2 in die Stadt, aber dann bleibt halt keiner mehr übrig, zumal auch nur noch wenige Familien Landwirtschaft betreiben.

    Das ist jetzt überspitzt formuliert, aber im Kern genau so, wie es sich abspielt. Mit "Kapitalismus" hat das alles wenig zu tun, es ist letztlich für die Menschen logisch, Richtung Städte zu ziehen. Dieses Prozess aufzuhalten würde massive Eingriffe seitens der Politik erfordern, was hier sonst doch immer als kritisch bzw. "sozialistisch" gesehen wird ?!

    Zudem bitte ich zu bedenken, dass Deutschlands föderale Struktur es mal wieder deutlich besser als die meisten anderen Organisationsformen hinbekommen, die ländlichen Räume halbwegs attraktiv zu halten. Jeder, der mal in Frankreich auf dem Land war, wird wissen, was ich meine (obwohl die Geburtenraten dort sogar deutlich höher sind).

    Das, was Dir wahrscheinlich vorschwebt, ist eine Art "Nudging", also durch bestimmte Subventionen oder Steuervorteile sowie der politisch unterstützten Dezentralisierung von Verwaltungs- und Bildungseinrichtungen ländliche Räume zu stützen. Genau solche Dinge werden aber in Deutschland bereits mehr als in fast allen anderen Ländern gemacht. Diese zum Beispiel in Niedersachsen als "Bildungspolitik mit der Gießkanne" verpönten Strukturmaßnahmen mit Universitätsgründungen in jeder zweiten Mittelstadt Niedersachsens führten aber auch zu einer Schwächung der starken Standorte Hannover und Göttingen, was am Ende niemandem zu Gute kommt. Eine Universität in Vechta bleibt dabei aber trotzdem in der Mittelmäßigkeit verhaftet, ähnliches gilt für viele Universitäts- und Hochschulneugründungen in kleineren Städten in Ostdeutschland nach der Wende.

    Hier gilt es also Maß und Mitte zu finden, sonst wird so etwas ein gleichmacherisches Milliardengrab, das nicht nur nicht die erwünschten Impulse für ländliche Regionen liefert, sondern auch noch ohne Not die traditionellen urbanen Standorte schwächt.

    Nicht zum ersten Mal fällt auf, dass es auch im -sagen wir breit- konservativen Bereich stark konkurrierende und sich tlw. offen widersprechende Ideen gibt. Einig ist man sich nur darin, dass man das jetzt irgendwie blöd findet. Wenn ich Leute wie buarque oder den Exilwiener richtig verstehe, wären solche starken und teuren staatlichen Interventionen genau das Gegenteil dessen, was sie sich wünschen. Oder aber, (böse Zungen würden sagen wahrscheinlicher) der Vorwurf "Sozialismus" gilt nur selektiv für alles, was einem selbst individuell stinkt und ist somit eigentlich sinn- und wertlos, eine Worthülse, die man nur nutzt, um politisch missliebige Ideen zu diffamieren.

  • Es ist ja nicht so, dass sich die Leute schon immer nach dem Landleben gesehnt haben, sondern es war schlicht eine Notwendigkeit, nahe am Arbeitsplatz zu wohnen

    Den Satz kann man auch genauso umdrehen. Es ist ja nicht so, dass sich die Leute schon immer nach der Stadt gesehnt haben, sondern es war schlicht eine Notwendigkeit nahe am Arbeitsplatz zu sein. Bzw. im Feudalismus auch autonomer zu sein.

    Diese Mechanismen gelten aber doch heute auch noch, sprich ein einfaches Rezept gegen Landflucht sind Arbeitsplätze und Ausbildung auf dem Land. Dass man damit Städte ,,schwächt" liegt in der Natur der Sache und ist für mich nicht ersichtlich problematisch.

  • Den Satz kann man auch genauso umdrehen. Es ist ja nicht so, dass sich die Leute schon immer nach der Stadt gesehnt haben, sondern es war schlicht eine Notwendigkeit nahe am Arbeitsplatz zu sein. Bzw. im Feudalismus auch autonomer zu sein.

    Diese Mechanismen gelten aber doch heute auch noch, sprich ein einfaches Rezept gegen Landflucht sind Arbeitsplätze und Ausbildung auf dem Land. Dass man damit Städte ,,schwächt" liegt in der Natur der Sache und ist für mich nicht ersichtlich problematisch.

    Vollkommen legitimer Einwand. Das ist aber eine politische Frage, die auch politisch beantwortet werden muss. Ich maße mir die Expertise nicht an, wie man so etwas ausgestalten könnte, gebe aber zu bedenken, dass gerade Bayern seit Jahrzehnten erhebliche Summen aufwendet, um durch eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur (hauptsächlich Autobahnen) und dezentrale Ansiedlungen von Behörden etc. die Möglichkeiten auf dem Land zu verbessern, mit überschaubaren Erfolgen.

    Manche Dinge werden sich wahrscheinlich durch viel kleinere Maßnahmen wie eine verbesserte Internetverbindung sowie dem Kennenlernen des Arbeitens von zu Hause als guter Option in der Pandemie lösen lassen als dadurch, dass man das ganz große Rad dreht.

    Am Ende geht es schon auch darum, dass Ressourcen produktiv allokiert werden. Das wird auch in Deutschland in peripheren Räumen zur Aufgabe von Siedlungen führen, in Bayern etwa in den wirtschaftlich schwachen Regionen des Nordostens. Insgesamt fällt auf, dass die Mittelgebirgsräume in Deutschland überall Fortzugs- und Schrumpfungsgebiete sind, das gilt für die Eifel und den Hunsrück, für den Spessart wie für den Harz. Ich weiß nicht, ob es in Zeiten ingesamt knapper Kassen lohnenswert ist, hier auf Biegen und Brechen eine dichte Siedlungsstruktur zu erhalten. Viel eher sehe ich diese Regionen als Bereiche, in denen die Natur auch wieder mehr Raum bekommt (das geschieht ja schon). Viele Mittelgebirgsregionen sind aufgrund ihrer ungünstigen Reliefstruktur und des kühlen Klimas ohnehin nur "aus der Not" heraus besiedelt worden, oder weil es dort Erzvorkommen gab (Harz, Erzgebirge, Fichtelgebirge). Diese Not besteht nicht mehr und Erz wird dort auch nicht mehr abgebaut.

    Mir ist schon klar, dass ein solcher Prozess begleitet werden muss. Mir ist auch klar, dass es bei einem so emotionalen Thema nicht allein um das gehen kann, was finanziell logisch wäre. Ich möchte auch keine Zwangsräumungen oder Umsiedlungen. Das Problem wird sich in den periphersten Gebieten weitgehend von alleine lösen, die attraktiveren Regionen werden vielleicht noch durch den Tourismus profitieren und die schönsten Bauernhäuser von Städtern zu Zweitwohnsitzen etc. umfunktioniert. Für viele Orte aber sehe ich schwarz. Jeder, der schonmal in den tiefen Tallagen des Westharzes in den Orten war, die nicht vom (ohnehin schrumpfenden Wintertourismus) profitieren können, weiß, was ich meine.

    Hinweisen wollte ich eigentlich nur auf die anscheinend sehr große Bereitschaft zu massiven staatlichen Eingriffen in bestimmten Bereichen, wenn genau dies an anderen Stellen immer wieder stark kritisiert wird. Dieser Zielkonflikt wird und muss gar nicht irgendwie abschließend gelöst werden, es wird ohnehin weitergewurstelt werden - ich wollte nur auf die recht offenkundigen Widersprüche innerhalb der Positionen hinweisen.

  • Ich sehe das grundverschieden. Wozu brauche ich ein Reallabor, wenn hinlänglich erprobt ist, was funktioniert bzw. hier nur zu lernen ist, wie der Status Quo fortgeführt wird? Es ist typisch für die letzten Jahrzehnte selbst grundsätzlichste bekannte Zusammenhänge komplett neu erforschen zu wollen. Ich führe das zurück darauf, dass Tradition und Vergangenheit so systematisch geringgeschätzt werden. Schrumpfende Bevölkerungen sind schädlich, dafür gibt es sehr viele Beispiele. So hat z.B. der 30 jährige Krieg und die Katastrophen darum herum zu einer schwerwiegenden Schwächung geführt, auch könnte man die nahezu vollständige Auflösung aller Strukturen in Amerika anführen, infolge der europäischen Einschleppung von Infektionskrankheiten. Warum statt zu versuchen so eine Perspektive verwalten zu wollen, sie beherzt nicht besser umzusteuern, wirklich etwas anders machen als andere Länder? Da ist gerade Japan kein Vorbild; ich habe zumindest nichts darüber gelesen, dass die Regierung dort etwas tut, die Geburten wieder zu steigern und der Landflucht zu begegnen. Deutschland verlernt eigene Lösungen zu probieren. Die Schema F Lösungen haben uns bisher mehr geschadet als geholfen. So schafft man zwar im Durchschnitt mitzuschwimmen, aber nicht mehr oben auf zu schwimmen.

    Ja, klar, aber das musst Du nicht mir erklären. Ich liebe Menschen und möchte Schrumpfung vermeiden. Es gibt aber eine ganze Klasse alternder Misanthropen, die hier von den Segnungen der Schrumpfung fantasieren. Umgekehrt bin ich Realist genug, zu wissen, dass sich diese Schrumpfung mittelfristig nicht aufhalten wird lassen (außer vielleicht in totalitären Systemen mit Geburtenzwang).

    Wir werden uns also wohl oder übel mit dem Thema beschäftigen müssen. Die meisten fertilitätssteigernden Maßnahmen scheitern, sogar extrem kinderfreundliche Politik wie in Polen und Ungarn hat nicht zu einer Umkehr des Trends geführt. Polen - im Gegenteil- hat nun eine der niedrigsten Geburtenraten Europas trotz eines weitgehenden und verschärften Abtreibungsverbots und massiver staatlicher Unterstützung von Familien mit Kindern. Ein konservativer Rollback mit Propagierung des angeblich "traditionellen" Familienmodells (was eine Erfindung des städtischen Bürgertums im späten 19. Jahrhunderts ist) würde alle Länder Europas zu Italien oder Polen machen mit abfallender, katastrophaler Fertilität.

    Die niedrigsten Geburtenraten haben üblicherweise sozial konservative Länder, die aber schon voll entwickelt sind, siehe Südkorea (oder Deutschland in den 1970ern, oder Italien, oder Polen). Frauen sehen sich dort weiterhin massivem Druck ausgesetzt, nicht schwanger zu werden und sonst eben nach der Geburt zu Hause zu bleiben und entscheiden sich dann für die Karriere und gegen Kinder. Erst langsam steuert die Politik nun gegen, ist aber gegen die traditionell männlich dominierte Managerschicht relativ machtlos, hinzu kommt der Arbeitsfetisch und die Präsenzkultur der Asiaten, wer da um 7 das Büro verlässt, gilt als Schwächling. Wie soll man so eine Familie gründen?

    Aus meiner Sicht besteht die noch beste Option in einer weiterhin familienfreundlichen Politik mit möglichst guten Möglichkeiten für beide Partner, trotz Kindern arbeiten zu können (Cave: Sozialismus), die erfolgreichsten Beispiele westlicher Länder wie Schweden oder Frankreich haben gut ausgebaute Krippensysteme und eine weitgehende berufliche Gleichstellung von Mann und Frau erreicht. Direkte Geldzuwendungen wie das Kindergeld sollten meiner Meinung eher in den Ausbau einer familienfreundlichen Infrastruktur gehen anstatt Leuten wie mir nachgeschmissen zu werden.

    Wir werden sehen, wo die Reise hingeht. Für Deutschland bin ich aber alles in allem recht optimistisch.

  • Abgesehen von der extrem unattraktiven Architektur des Nachkriegsjapans, die ich oft sogar noch einen Tacken schlimmer finde als die deutsche Nachkriegsarchitektur...

    "Einen Tacken" nur? :lachen:
    Ich liebe Japan, fühle mich diesem sehr verbunden, daher darf ich jetzt auch mal ganz ehrlich sein, seine Städte und Städtchen sind potthässlich.

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    Bildquelle: https://www.tokyoupdates.metro.tokyo.lg.jp/en/post-539/

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    Bildquelle: https://de.depositphotos.com/301662136/stoc…esidential.html

    BN-GE926_0101JT_M_20141229165913.jpg
    Bildquelle: https://www.wsj.com/articles/tokyo…uses-1420043290

    Tokyo-0203-2.jpg?fit=1500%2C997
    Bildquelle: http://thewanderbug.com/yanaka-tokyo/

    Tschuldigung, aber Gelsenkirchen, Bottrop und Essen sind Schönheiten verglichen damit. ;)

  • Sicher, man kann natürlich hässlich mit hässlich vergleichen, aber es gibt auch wunderschöne Städte in Japan, wie auch in Deutschland. Hier sind es ausschließlich die historischen Städte mit traditioneller Architektur - zB Kyoto:


    Quelle: beide Google.com

  • Sicher, man kann natürlich hässlich mit hässlich vergleichen, aber es gibt auch wunderschöne Städte in Japan, wie auch in Deutschland. Hier sind es ausschließlich die historischen Städte mit traditioneller Architektur - zB Kyoto:

    Erstens, vergleichten wir Nachkriegsarchitektur. Dass du mit "Aber aber diese schöne Vorkriegsarchitektur!" kommst, macht null Sinn.
    Zweitens, warst du schon einmal in Japan und bist sogar ein Bisschen darin herumgereist? Das was du hier zeigst, sind rarste, kleinste Touristeneckchen. Über 99% von Japan sieht so nicht aus, sondern wie in den Bildern, die ich oben verlinkt habe.
    Deutschland hat es ja schon schlimm getroffen: Keine Ahnung wie viel Altes es hier noch gibt. 20%, 30%...? Aber in Japan sieht das noch sehr, sehr viel trauriger aus.

  • "Einen Tacken" nur? :lachen:
    Ich liebe Japan, fühle mich diesem sehr verbunden, daher darf ich jetzt auch mal ganz ehrlich sein, seine Städte und Städtchen sind potthässlich.

    Tschuldigung, aber Gelsenkirchen, Bottrop und Essen sind Schönheiten verglichen damit. ;)

    Ja, das ist schon irre. Heimdall schrieb es ja auch weiter oben, irgendeine Mischung aus runtergekommener USA-Ästhetik, aber eher Alaska als Georgia, dazu diese oberirdischen Leitungen überall (wegen der Erdbebengefahr, schon klar). Selbst der extrem nüchtern/aufgeräumte Stil der deutschen Nachkriegsmoderne sieht da ästhetischer aus.

    Und selbst die neuen Ergänzungen sehen immer irgendwie müllig aus, richtig billig. Es gibt ja durchaus ästhetische 80er Jahre-Architektur, und selbst ästhetische 70er-Jahre-Architektur in Deutschland. In Japan sehen gerade Wohnstraßen immer aus wie bei uns die schlimmsten Schrebergartenhäuschen.

  • Nicht zum ersten Mal fällt auf, dass es auch im -sagen wir breit- konservativen Bereich stark konkurrierende und sich tlw. offen widersprechende Ideen gibt. Einig ist man sich nur darin, dass man das jetzt irgendwie blöd findet.

    Nun, vielleicht ist das nur deine oberflächliche Wahrnehmung. Es gibt dort im von dir so wahrgenommenen -sagen wir breit- konservativen Bereich sehr ausdifferenzierte Positionen. Nehmen wir mal an, jemand, der sich dem libertären Spektrum zuordnet und jemand, der sich dem national-konservativen Spektrum zuordnet sagen beide, eine gewisse Frau M., geb. K., war der größte "Politikunfall" seit Ende des 2. Wk., beide sind sich darin 100 % einig und verkünden das auch laut. In anderen Bereichen, vielleicht Gesellschaftspolitik hat man aber fundamental andere Ansichten. Also 180° anders. Haben beide also widersprüchliche Ideen? Ja, selbstverständlich, aber es ist kein Widerspruch "in sich", sondern liegt an den unterschiedlichen politischen Positionierungen. Ein H. aus B. würde sie aber unter Umständen trotzdem als "die selbe Soße" wahrnehmen, weil die Kritik an Frau M. vielleicht besonders laut ist und trotz, dass sie aus zwei verschiedenen Ecken kommt - womöglich mit unterschiedlichen Schwerpunkten der Kritik -, wird sie von H. in eine andere Ecke eingeordnet weil beide einfach nicht die Ecken sind, in der H. selber steht, und er auch gar nicht Zeit und Muße hätte, das zu differenziert einzusortieren, da er ja beiden Politikumfeldern eher ablehnend gegenübersteht.

  • Kritik an Frau M.

    Ich kannte mal eine junge Frau namens Mizuho. Kritik gab es an ihr nicht, aber sie war aus Japan. Deshalb finde ich, dass sie hier besser hinpasst. Für die interessante Deutschland-Diskussion in einigen der letzten Beiträge haben wir doch anderswo im Forum genug Platz.

    Mizuho sprach Tschechisch. Sie studierte zusammen mit ihrer Kollegin Hiroko in Prag. Wir saßen oft abends zu dritt in einem Gasthaus, tranken böhmisches Bier, aßen Sauerbraten oder irgendwas anderes mit böhmischen Knödeln und unterhielten uns auf Tschechisch. Japanerinnen haben einen angenehmen Akzent. Die japanische Sprache finde ich auch reizvoll. Ich habe mich auch mal mit ihr befasst. Allerdings hätte ich nicht Japanologie studieren können. Dazu sind meine Augen nicht gut genug. Für Sehbehinderte sind die Kanji, die sinojapanischen Schriftzeichen, eine Zumutung. Deshalb möchte ich nicht in China oder Japan leben. Die vielbewunderte Kalligraphie ist ja nur eine Kunstübung. Im Alltag werden die Kanji mit Kugelschreiber auf Schmierpapier gekritzelt. Diese Kanji sind dann kaum größer als unsere Buchstaben. Nur etwas breiter. Dabei kann ein Kanji aus zwölf oder mehr Strichen zusammengesetzt sein, die man in kürzester Zeit optisch erfassen muss. Für die Augen kann das sehr anstrengend sein. Andererseits macht die Schrift einen wesentlichen Teil der Faszination der chinesischen wie der japanischen Kultur aus.

  • entfernt. Bitte keine Beleidigungen. Franka.

    Exilwiener

    Ehrlich gesagt gefallen mir deine verlinkten Bilder von Kyoto auch nicht. Da haben die Buden auf unseren Adventmärkten ungefähr gleich viel städtebauliche Relevanz.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Japanische Häuser waren schon immer sehr schlicht und funktionalistisch. Darum dienten sie ja den Modernisten von Bauhaus und Co. auch als Vorbilder.

    Einzig die Tempelanlagen, Schreine und Residenzen/Burgen/Schlösser sowie manche öffentliche Bauten wurden in Japan aufwändig gestaltet und verziert. Und selbst unter diesen ist der Akasaka-Palast des einstigen Kronprinzen in Tokio nach europäischem Vorbild wohl der prächtigste. Wobei natürlich auch die reichen Schnitzereien der vielen wertvollen Holzbauten sehr aufwändig gestaltet sind.

    Da ist ein Blick in die "Nationalschätze Japans" interessant, sowas wie das eingetragene materielle Kulturerbe des Landes:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Nationalsch%C3%A4tze_Japans

    Und natürlich das Weltkulturerbe in Japan: https://de.wikipedia.org/wiki/Welterbe_in_Japan

  • Also sprich Heinzer hat recht damit, dass ein großflächiger Rückbau mehr Chancen bietet, weil zumindest der baukulturelle Verlust praktisch nicht existent wäre, von wenigen Highlights abgesehen, die als Touristenanlaufpunkt erhalten werden können? Womöglich spiegelt da die Bautradition auch das Gesellschaftsbild, bei welchem das Individuum kaum etwas zählt, und man somit vermeidet eigenständig und expressiv/protzig mit seinem privaten Eigentum zu erscheinen. (Heinzer, ich habe nicht mehr antworten wollen, weil Wir Uns vom Thema Japan entfernt haben, habe es aber zur Kenntnis genommen)

  • Kyoto

    Die Kyoto-Behörden haben neue Vorschriften für Plakate, Werbung und Reklame genehmigt.

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  • Auch in Japan ist der Wiederaufbau von Kulturdenkmäler im Kommen.

    Unzählige dieser aus Holz gebauten Schlösser sind den Flammen zum Opfer gefallen.

    Japans Schlösser und Burgen versuchen ihre Türme wieder historisch korrekt nachzubauen
    Holz statt Beton. Japans Schlösser und Burgen sollen ihren alten Glanz zurückerhalten und so wird sich aktuell vielerorts darum bemüht, die einst aus Beton
    sumikai.com

    "Moderne Architektur heißt seit über 50 Jahren: Rechtwinklig, weiß, kahl, leer, gebaut von immer schwarzgekleideten Architekten."

    -Gerhard Kocher