• Bahnhöfe in Japan sind eigentlich immer modern. Sollte es noch historische Bahnhofsgebäude geben, dienen diese als Museum, Touristinformation oder Hotel. Die Kyoto Station ist, modern, gewaltig und zu großen Teilen ein Einkaufszentrum. Zu sehen ist hier nur der oberirdische Teil. (2015)



    Die riesige Treppe in der Kyoto Station ist abends eine Werbefläche.

    Eigene Fotos.

  • Aus irgendeinem Grund ist der Modernismus in Japan zwar noch brutaler, riesiger, ungestümer und unmenschlicher als bei uns in Europa/DE. Doch zugleich wirkt er auf merkwürdige Weise irgendwie ansprechender, stimmiger, vor allem lebendiger. Es muss an diesem kommerziell überfrachteten Chaos liegen, das eine ganz eigene Ästhetik schafft.

    Tolle Bilder jedenfalls! Ich liebe die traditionelle ostasiatische Architektur. Auch wenn sie recht repetetiv ist, schafft sie durch ihre Kohärenz und riesige Ensembles immer wieder beeindruckende Momente.

  • Aus irgendeinem Grund ist der Modernismus in Japan zwar noch brutaler, riesiger, ungestümer und unmenschlicher als bei uns in Europa/DE. Doch zugleich wirkt er auf merkwürdige Weise irgendwie ansprechender, stimmiger...

    Vielleicht liegt es daran, dass die Japaner sich ihre Ordnung und Sauberkeit in Allem (sic!) erhalten und nicht wegzüchten haben lassen. Man sieht, dass die Leute mit dem öffentlichen Raum so umgehen als wäre es ihr eigener. 0 Graffiti und kein sonstiger Dreck auf den Straßen!

  • Wobei die Fotos nie wirklich die Realität zeigen. Tempel, Schreine, Parks sind Inseln im japanischen Chaos. Wenn man die Yamanote Line -in etwa ein S-Bahnring- in Tokyo abfährt, sieht man wenig (europäische) Ordnung. Tempel und Schreine sind praktisch nicht zu sehen.

    Gerade inJapan hat man mit dem demografischen Wandel zu kämpfen. Ländliche, abgelegene Gegenden haben mit Abwanderung und Überalterung zu kämpfen. Besonders krass fand ich das in Kushiro auf Hokkaido. Die Stadt ist schon heute stark perforiert. (2016)

    An der Kushiro Station geht es ja noch.

    Eigene Fotos.

  • In Japan laufen selbst Kinder teils noch mitten in der Nacht durch die Straßen und Gassen. Es gibt einfach kaum Kriminalität im öffentlichen Raum, ein tolles Sicherheitsgefühl.

    Was auch mit gewissen Umständen zu tun hat, die hierzulande zu thematisieren weder erwünscht noch sonderlich gut beleumdet ist. floet:)

    Danke für die Fotos. Schön ist etwas anderes. Dennoch ist es interessant. Architektonisch eine Art Mischung aus amerikanischen Groß- und Mittelstädten jenseits von Ost- und Westküste, einer übertrieben kitschigen Kommerzialisierung und japanischer Tradition in Lebensart und Schrift.

  • Japan hat genauso Probleme mit der Zuwanderung.

    Genauso?... Hier der prozentuale und herkunftsbezogene Vergleich zur BRD. (Wobei die Seite dafür wirbt, dass das "dringend" geändert gehört.) Die Probleme mit den Russen ergeben sich wiederum zum Teil durch den Streit um die Kurileninseln nordöstlich von Hokkaido. Die Russen halten diese seit dem zweiten Weltkrieg besetzt, die Japaner haben nie darauf verzichtet.

    Mich würde aber mal interessieren, wie Japaner eigentlich ihre Stadtbilder beurteilen. Wie stehen sie zu dem Bruch zwischen der traditionellen Baukultur, die in Traditionsinseln erhalten ist, und ihren modernistischen Großblocks? Und, gibt es eine Rekonstruktionsbewegung in Japan?

  • Wie stehen sie zu dem Bruch zwischen der traditionellen Baukultur, die in Traditionsinseln erhalten ist, und ihren modernistischen Großblocks?

    Ich habe mal gelesen, daß die japanische Mentalität durch die Niederlage im Zweiten Weltkrieg einen tiefgreifenden Wandel durchlebt hat. Nicht wie bei uns im Sinne von Schuld und Versöhnungssuche, sondern in der Ablehnung der eigenen Kultur, die sich als zu schwach erwiesen hatte und daher zu verwerfen sei. Die kleinen Traditionsinseln bilden noch die Brücke in die Vergangenheit, doch wurde ansonsten alles aus dem Westen (vorrangig aus den USA) ungeprüft als besser angesehen und übernommen.
    Daher verfolgte man sowohl in der Wirtschaft als auch in der Baukultur kompromisslos einen Kurs der Moderne und der Effizienz. Inzwischen hört man aus Japan aber durchaus wieder andere politische Töne und so könnte ich mir vorstellen, daß es auch im Bereich der Baukultur bal Retro-Bestrebungen geben wird.

    " Dem Wahren, Schönen, Guten "

  • Genauso heißt nicht, dass die Jisen auf Russisch (Bitte beie den Straßenverkehr!). Mit dem Kurilen das nichts zu tun.


    Mich würde aber mal interessieren, wie Japaner eigentlich ihre Stadtbilder beurteilen. Wie stehen sie zu dem Bruch zwischen der traditionellen Baukultur, die in Traditionsinseln erhalten ist, und ihren modernistischen Großblocks? Und, gibt es eine Rekonstruktionsbewegung in Japan?

    Für Einzelobjekte gibt es das. Einebildrekonstruktion ist den Ja offensichtlich feine Hütte stehen. Die Japaner kommen nicht rund nach Parinburg.

    er karg geschmückt, aber mit Tatusgelegt. Die Schuhe muss man e ausziehen.


    Eigene Fotos.

    2 Mal editiert, zuletzt von Stahlbauer (1. Oktober 2019 um 19:49)

  • Erstmal danke für die schönen und bedrückenden Ansichten aus Japan. Das Wetter war dir ja anscheindend leider nicht gerade wohlgesonnen. Zur japanischen Baukultur-Thematik:

    [...] Wie stehen sie zu dem Bruch zwischen der traditionellen Baukultur, die in Traditionsinseln erhalten ist, [...]

    [...] Ich habe mal gelesen, daß die japanische Mentalität durch die Niederlage im Zweiten Weltkrieg einen tiefgreifenden Wandel durchlebt hat. Nicht wie bei uns im Sinne von Schuld und Versöhnungssuche, sondern in der Ablehnung der eigenen Kultur, die sich als zu schwach erwiesen hatte und daher zu verwerfen sei. [...]

    Der Grund weshalb japanische Städte so aussehen wie sie aussehen liegt meiner Meinung nach nicht im Ergebnis und in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und nur kaum in der japanischen Mentalität.

    Es dürfte erstens zu einem gewissen Punkt mit der Geschichte des Landes zutun haben: Bis Mitte des 19.Jahrhunderts war Japan weitgehend isoliert von der restlichen Welt, erst militärische Gewalt der USA und Großbritanniens 1854 zwangen es zur Öffnung. Die dadurch ausgelösten innenpolitischen Verwerfungen führten 1868/69 letzlich zur Abschaffung des Bakufu (feudale Shōgun-Herrschaft) unter Kaiser Mutsuhito und dem Beginn der Meiji-Ära, in welcher sich Japan zur Großmacht in Verwaltung und Militär modernisierte. Das heutige Japan und damit vielleicht sogar die Mentalität fußt auf den Grundsätzen dieser Zeit. Was damals zunächst wirklich auf Ablehnung eigener Traditionen und dem absoluten Bruch mit selbigen hinaus lief, änderte sich schließlich jedoch in das Motto dieser Ära: Wakon yōsai - Japanischer Geist und westliches Wissen. Eine Abneigung der eigenen Kultur kann ich, wie Stahlbauer, bei den heutigen Japanern auch nicht feststellen.

    Der zweite und entscheidendere Grund dürfte aber die Geografie Japans sein. Die japanischen Inseln sind Teil des Pazifischen Feuerrings und die philippinische, pazifische und eurasische Kontinentalplatte treffen dort aufeinander. Erdbeben sind in Japan allgegenwärtig. Das hat zufolge das japanische Städte sogar bis zum Zweiten Weltkrieg überwiegend aus den typischen Holzhäusern bestanden, da diese den Erdstößen besser widerstehen können im Gegensatz zu starren Gebäuden aus Stein. Der Nachteil ist, wie wir ja leider wissen, dass solche Konstruktionen wunderbar brennen. Das wurde vielen Städten schon vor dem Krieg zum Verhängnis, wie zum Beispiel beim Großen Kantō-Erdbeben 1923, dem selbst Gebäude des Historismus nach westlichem Vorbild zum Opfer fielen.


    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…_Earthquake.jpg

    [...] Die bei Erdbeben oft folgenden Großbrände wüteten aus mehreren Gründen hier besonders heftig: Zum Zeitpunkt des Bebens wurde in den meisten Haushalten gerade auf Holz- und Gasfeuerstellen das Mittagessen vorbereitet, die sehr dichte Bebauung mit traditionellen Holzhäusern begünstigte das Übergreifen des Feuers und starker Wind aufgrund eines nahenden Taifuns trieb die Feuer an.

    [...] Da das Erdbeben auch die Hauptwasserleitungen zerstört hatte, dauerte es fast zwei Tage, die Brände zu löschen. Weit mehr als die Hälfte aller Wohnhäuser fielen dem Feuer zum Opfer. Durch die Zerstörungen wurden etwa 1,9 Millionen Menschen obdachlos und die Gesamtschäden wurden auf die damals nahezu unvorstellbare Summe von über einer Milliarde US-Dollar geschätzt.

    Schockierend war, dass nicht nur traditionelle japanische Holzhäuser, sondern auch viele der neuen, im westlichen Stil erbauten Häuser zerstört wurden. Die Backsteinbauten waren zwar einigermaßen feuerresistent, hielten aber den Erdbebenstößen nicht stand. Einzig einige moderne Bauten aus Stahlbeton konnten der Katastrophe widerstehen, weswegen dieses Material auch zum dominierenden Baustoff in Japan werden sollte. [...]


    Zusammengefasst auf Deutschland bezogen wäre es also so, als ob bis 1850 hier nur Fachwerkhäuser gestanden hätten, Renaissance und Neuzeit (also Barock und Klassizismus) übersprungen, direkt Gründerzeithäuser und Historismusbauten errichtet und dann alles großflächig durch die Feuerstürme des Krieges zerstört worden wäre. Da bliebe nur unsere Nachkriegsarchitektur übrig.

    Weshalb...

    [...] Eine Stadtbildrekonstruktion ist den Japanern offensichtlich fremd [...]

    ...es ihnen weniger fremd, sondern einfach nicht möglich ist bzw keinen Sinn machen würde. Altstädte wie in Europa gab es in Japan wohl nie wirklich, zumindest nicht substanziell-architektonisch. Es bleiben nur die vielen Burgen, Tempel, Schreine, diverse kleinere historisch bedeutende Gebäude und die kaiserlichen Palastanlagen in Kyoto und Tokyo. Die Lösung für ein besseres Stadtbild kann für die Japaner meiner Ansicht nach nur eine Kombination aus japanischer Baukunst mit Stahl und Beton sein. Aber vielleicht sind sie da zu pragmatisch?

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Aus irgendeinem Grund ist der Modernismus in Japan zwar noch brutaler, riesiger, ungestümer und unmenschlicher als bei uns in Europa/DE. Doch zugleich wirkt er auf merkwürdige Weise irgendwie ansprechender, stimmiger, vor allem lebendiger. (...)

    Das liegt vielleicht daran, daß man das eigene Land viel strenger bewertet, weil man es gut kennt und jeden Tag dort lebt. Die Bilder aus Japan sind fremd und exotisch. Stimmiger und ansprechender empfinde ich diese kalte moderne Bauweise aber keinesfalls.

    Yokohama:

    Zitat von Stahlbauer

    Dortmund:

    Zitat von Neußer

    Da kann ich, außer den schönen grünen Bäumen, keinen Vorteil für Japan erkennen.

  • Ich auch nicht, im Gegenteil erinnert mich Japan an die vom Krieg am übelsten getroffenen Städte in Westdeutschland. Die Kirchen/Tempel wurden in Schuss gehalten/wiederaufgebaut, der Rest ist geschichts- und geschichtsloser und brutal hässlicher Modernismusbrei der übelsten Sorte.

    Meine Schwester war vor zwei Jahren ebenfalls mal in Japan, hat dort deutsche Bekannte besucht (Ehemann machte dort 2 Jahre "Expat"-Rotation) und kam zu demselben Schluss, interessant, aber nochmal muss sie dort nicht hin.

    Moderationshinweis: themenfremde Passagen gekürzt.

  • Irgendwie auch wieder beruhigend, wenn man sieht, dass es auch „moderne“ Großstädte gibt, die noch etwas hässlicher als die deutschen Großstädte sind. Ich denke, dass der deutsche Weg mit der Rekonstruktion ganzer Plätze auf jeden Fall der richtige Weg ist, um einfach wieder Indentität zu schaffen. Das ist es, was europäische Städte aus und erfolgreich macht - über Jahrhunderte schon!

  • Es gibt eine nichtstaatliche Initiative, den Bergfried des Tokioter kaiserlichen Schlosses zu rekonstruieren. Es handelt sich dabei nicht um Kriegsschäden, da dieser Bergfried schon im 17. Jh. durch Brand zerstört worden war.
    Die Webseite der Initiative: http://npo-edojo.org/

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber die japanischen Städte sind echt grauenhaft. Da passt gar nichts zusammen. Dagegen können wir hier in Deutschland noch richtig zufrieden sein. Meine Meinung

    Genau. Wir sollten nicht soviel schimpfen, unser Erbe bewahren und vielleicht etwas mehr Ordnung halten.

  • Diesen Kontrast zwischen den Panoramalandschaften und der harmonischen traditionellen japanischen Architektur und dem Beton der japanischen Städte muss man wohl erst mal verdauen. Wie hält man das bloß aus, ohne depressiv zu werden?

  • Das sind Stadtlandschaften, die manche Modernisten das Herz aufgehen lassen dürften. Die Frage aber ist, was macht ein tägliches Leben in solchen Stadtbildern eigentlich mit den Menschen? Wie verändert es ihre Psyche? Welche Lebensziele werden ihnen vermittelt? Funktionieren Japaner perfekt als modernistische Rädchen? Leben sie allein zwischen Arbeit/Produzieren und Kaufen/Konsumieren? Oder existiert dort noch ein spirituelles Bewusstsein?

  • Wenn über Bombenkrieg und Wiederaufbau gesprochen wird, vergisst man oft Japan. 60 Grossstädte wurden zerstört, und das gründlich, da sie aus Holz und Papier gebaut waren. Allein beim großen Angriff auf Tokyo im Frühjahr 1945 wurden 40 km2 zerstört und 100000 getötet. Was mich beim Besuch gewundert hat: die Japaner haben ein ästetisches Bewusstsein ohnegleichen wenn es um Kunsthandwerk, Gastronomie und Drücke geht. Die Neubauten sind aber seit dem Krieg unglaublich hässlich. Selbst in Kyoto, dass nicht zerstört wurde, sind 80 Prozent der alten Holzhäuser abgerissen worden. Wirklich tragisch. Dennoch ist Japan unglaublich faszinierend und auf jedem Fall eine Reise wert!

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker