• Mir ist heute auf meiner Festplatte ein Handyfoto aus dem Jahr 2017 aufgefallen. Es zeit die Westseite vom Haus Wertheim bei Abbrucharbeiten für den Neubau der evangelischen Akademie. Ich vermute mal das ist die östliche Brandmauer der Vorgängerbebauung und nicht die Westwand vom Wertheim.

    Nun stellen sich mir 2 Fragen:

    1. Sind das im linken Teil zugemauerte Fenster oder Entlastungsbögen? Die Seite gehörte ja zum Haus Passavant.

    2. Was hat es beim Haus Wertheim mit dem südlichen Steinanbau auf sich? Hier auf der rechten Seite sind ja auch einige zugemauerte Stellen zu erkennen.

    Irgendwelche Infos oder Ideen?

  • Wenn ich die Luftaufnahme betrachte, stand diese Wand 70 Jahre lang grösstenteils frei gegen einen Innenhof:
    https://www.google.ch/maps/@50.10949…t/data=!3m1!1e3

    Rechts der abgerissene Nachkriegsbau, auf der Brandmaueransicht von pietffm der russgeschwärzte Teil (wohl noch vom Feuersturm 1944 her, eher weniger Jahrhunderte alter Russ, der sich vor allem in Küchenbereichen ansammelte). Links oben erkennt man noch die Mansarddach-Kontur des abgegangenen Nachbarhauses "Passavant".

    Zum Bild von pietffm: die unteren zwei Drittel der Brandmauer können durchaus noch (spät)-mittelalterlich sein und zu beiden Häusern (Wertheim und Passavant) gehört haben. Freilich hätte das Wertheim nicht einer so hohen Mauer bedurft, denn die Traufe seines Daches befindet sich etwa auf der Höhe der drei zugemauerten quadratischen Öffnungen. Demnach gehört die oberste Partie links sicher zum abgegangenen Haus "Passavant", als dieses um 1800 sein Mansarddach erhielt (die Vollgeschosse stammten wie das Haus Wertheim aus dem 17. Jahrhundert).

    Die im Mauerwerk erkennbaren Bögen sind schwer zuordenbar. Entlastungsbögen machen hier keinen Sinn; vielfach gab es aber Wandschränke, die als Nischen in gemauerte Wände eingelassen waren. Da müsste man schon eine grössere Ansicht sehen können; zudem sind die Fugen sehr stark überputzt, was das Forschen noch erschweren dürfte.

    Ein Bild vom abgegangenen Haus Passavant findet man in diesem Beitrag und in der Bilderserie zehn Beiträge später, wo ich auch die Stirn der Brandmauer fotografiert habe. Anhand der unterschiedlichen Kragsteine erkennt man, dass die Brandmauer beiden Hausbesitzern gehörte:
    Die Altstadt - früher, gestern und heute

  • Die Sache wirft mehr Fragen auf als es mir lieb ist.

    Also der südlich Anbau ist ja das „Haus Badstub“ von 1340, das 1450 mit dem „Haus Wertheim“ vereint wurde. Beide sind immer die Hausnummer Fahrgasse 1.

    Die Mauer ist ohne Frage die östliche Brandmauer vom „Haus Passavant“ Mainzer 1 und Mainkai 33 nach dem 1944er Plan. Die rechte, geschwärzte Seite, ist die Brandmauer vom Mainkai 33. Das Haus Mainkai 33 schloss direkt an „Haus Badstub“ an und die Nachkriegsbebauung hielt mit seinem Hauptbau Abstand zur alten Brandmauer und hatte zum „Haus Badstub“ einen „Verbindungsbau“. Danke an GoogleMaps mit seinen Fotos von 2008! :)

    Beim nachschlagen von den Häusern bei Battonn wurde ich stutzig und holte ältere Pläne aus der Ablage. Leider sind die Pläne incl. Merian 1628 nicht so genau wie die andren bekannten Vorkriegspläne. Doch zusammen mit Battonn ergeben sie das Bild, dass die Häuserzeile Wertheim, Passavant zum Holzpförtchen in der Mainzer keine durchgehende Zeile war, wie auf dem Ravenstein Plan.

    Ich habe den Eindruck das „Haus Wertheim“(erste Erwähnung 1383) mit seiner Südseite an das „Haus Badstube“ gebaut (und 1450 mit ihm vereint), war aber auf den anderen drei Seiten freistehend. Erst der Bau vom „Haus Passavant“ machte es zu einem Eckhaus.

    Battoon schreibt zum Haus Lit. J No. 63 (Band 5 Seite 24): „Dieses Haus war ehemals mit dem Hause neben dem Fahrthore eine Badestube.“ Lit. J No. 63 ist nach Krug 1850 die Alte Mainzer Gasse 1!
    Gefolgt wird es bei Battonn Haus Lit. J No. 64 (Band 4 Seite 112f.) von dem „Haus Wertheim“ das dort schon 1405 an das „Haus Badestube“ stösst.

    Die Ostseite vom „Haus Badestube“ schloss direkt an das Fahrtor an, das ca. 1840 niedergelegt wurde. Die Mauer vom Fahrtor sieht man noch auf den Fotos von 1861/2 und 1890. Also kann es sein das die Mainzer 1 bis 7, zwischen 1837 – 1860 neu gebaut wurden? Also auch „Haus Passavant“?

    Das ganze erklärt aber nicht die Brandmauer mit ihren Bögen auf dem Foto im ersten Beitrag. Vor dem Krieg und nach dem Krieg ist zwischen Mainzer 1 und Mainkai 33 ein Hof. Vor dem Krieg mit einem niedrigen Bau, der sich an das „Haus Wertheim“ anschließt.

  • Die Brandmauer vom „Haus Passavant“ (Alte Mainzer 1) und dem Haus Mainkai 33 hatte auch einen anderen Nutzen für das „Haus Wertheim“.

    Auf der Westseite des Daches vom „Haus Wertheim“ wurde ein durchgehender Anbau in einer Art von Dachgaube (?) zur Brandmauer angebaut. Dieser Anbau ist niedriger als die östlichen Fenstergauben, dürften aber eine Stehhöhe haben.

    Auf dem „aktuellen“ GoogleMaps Foto ist es nicht zu erkennen, aber auf dem Luftbild von 1925 ist er zu erahnen.

    Ich habe mal versucht eine 3d Skizze zu erstellen, damit es deutlicher wird. Der südliche Anbau vom „Haus Wertheim“, das „Haus Badestube“ ist nicht eingezeichnet und in der 3d Ansicht fehlen die Fenstergauben auf der Ostseite.

  • Zuerst mal zum vorletzten Beitrag:

    Für Detailforschung halte ich von Stadtveduten aus dem 17. und 18. Jahrhundert wenig. Insbesondere Merian pflege ich als "Stadtveduten-Fabrik" zu bezeichnen, da er ja innert weniger Jahrzehnte in ganz Europa solche Ansichten anfertigte. Zudem griff er häufig auf ältere Vorlagen zurück, wo er lediglich die öffentlichen Gebäude und Stadtbefestigungen allenfalls korrigierte. Auch wenn er die privaten Wohn- und Geschäftshäuser sehr detailliert und scharf gestochen hat, heisst das noch lange nicht, dass diese akribisch genau dargestellt sind. Bei zwei- bis dreitausend Gebäuden in der Altstadt war das ein Ding der Unmöglichkeit. Dasselbe gilt noch viel mehr für die Ansicht von 1719, wo nicht einmal die Firstrichtungen stimmen.

    Doch zusammen mit Battonn ergeben sie das Bild, dass die Häuserzeile Wertheim, Passavant zum Holzpförtchen in der Mainzer keine durchgehende Zeile war, wie auf dem Ravenstein Plan.


    Auch Ravenstein (1861) zeigt doch keine durchgehende Zeile:

    Haus "Wertheim" (Am Fahrtor 1) ist durchgehend bis zum Mainkai gezeichnet, was mit den schriftlichen Überlieferungen und dem heutigen Zustand entspricht. Ebenfalls auch mit der heutigen durchgehenden Brandmauer.
    Haus "Passavant" (Mainzer Gasse 1) hatte einen Innenhof zu Mainkai 33 (ohne Nummer) und war durch einen kleinen Hofbau mit letzterem verbunden. Auch dies stimmt mit dem heutigen Bestand an der Brandmauer überein, und auch der Nachkriegsbau hatte wieder diesen Innenhof. Anstelle des Hauses "Passavant" wurde aber nur noch ein zweigeschossiger Bau errichtet.
    Das nächste Haus gegen Westen (Mainzergasse 3) bestand ebenfalls aus einem Vorder- und Hinterhaus, war aber ein Grundstück. Das ist doch ein ganz normaler Vorgang, dass ein Vorder- und Hinterhaus mal in einer Hand vereinigt wurden. Deshalb bleiben doch immer noch zwei Häuserzeilen, auch wenn mal ein Hof gelegentlich überbaut wurde.

    Also genau der Ravensteinplan zeigt im Gegensatz zu den Stadtgrundrissen von 1738 und 1837 keine durchgehende Zeile.


    Ich habe den Eindruck das „Haus Wertheim“(erste Erwähnung 1383) mit seiner Südseite an das „Haus Badstube“ gebaut (und 1450 mit ihm vereint), war aber auf den anderen drei Seiten freistehend. Erst der Bau vom „Haus Passavant“ machte es zu einem Eckhaus.

    Es kann schon sein, dass das Haus "Wertheim" im 14. und 15. Jahrhundert auf drei Seiten freistehend war. Aber das wäre ja noch nichts besonderes; Städte wachsen doch allmählich. Jedenfalls stammt das heutige Haus "Wertheim" aus dem frühen 17. Jahrhundert und war sicher nicht als ein auf drei Seiten freistehendes Haus konzipiert. Wenn ich aber die identischen Stockwerkshöhen und die Gestaltung des Erdgeschosses des Hauses "Passavant" sowie den Zierrat der Brandmauerkragsteine betrachte, sind beide Häuser im frühen 17. Jahrhundert gemeinsam errichtet worden.


    Dunkler Giebel = Haus Wertheim", Fahrtor 1. Haus in Mitte = Haus "Passavant", Mainzergasse 1. Rechts Mainzergasse 3.


    Brandmauerstirn: links Haus "Wertheim", rechts Überreste des Hauses "Passavant" mit beginnendem Bogenprofil

    Das schliesst aber nicht aus, dass die Brandmauer noch aus der Zeit vor dem 17. Jahrhundert stammt. Sie wurde wohl an der Stirn den neuen Fassaden angepasst (Kragsteine) und auch im Dachbereich erhöht. Eine abermalige Anpassung erhielt die Brandmauer auch, als das Haus "Passavant" um 1800 sein Mansarddach erhielt. Vorher bestand wohl auch ein Giebel wie beim "Wertheim".


    Die Ostseite vom „Haus Badestube“ schloss direkt an das Fahrtor an, das ca. 1840 niedergelegt wurde. Die Mauer vom Fahrtor sieht man noch auf den Fotos von 1861/62 und 1890.

    Die Mauer des Fahrtors sieht man doch auch noch heute (und auch den von Dir erwähnten Zwischenbau von Mainkai 33):
    https://www.google.ch/maps/@50.10911…!7i13312!8i6656


    Also kann es sein das die Mainzer 1 bis 7, zwischen 1837 – 1860 neu gebaut wurden? Also auch „Haus Passavant“?

    Wie kommst du darauf? Also das Haus "Passavant" bestimmt nicht! Mainzergasse 3 (s. 2. Foto oben) zeigte eine klassizistische Fassade und wurde wohl in dieser Zeitspanne errichtet. Aber ich sehe da überhaupt keinen Zusammenhang.

    Haus Mainkai 33 war ein historistisches Gebäude mit einem Mansarddach. Wenn ich die Brandmaueransicht betrachte, sieht man, dass die unteren vier Stockwerke aus Bruchsteinen bestehen und im Dachbereich aus Backstein. Für den Neubau des historistischen Gebäudes konnte die Brandmauer ja nicht abgerissen werden, da sonst die Badstube und "Wertheim" ohne Wand dagestanden wären. Deshalb hatte man im 19. Jahrhundert die Brandmauer mit Backsteinen "aufgestockt" (die feine, helle schräg verlaufende Linie im Backsteinbereich ist die Dachkontur des eben abgerissenen Nachkriegsbaus).

    Luftbild von 1925

    Links ist das historistische Gebäude Mainkai 33 zu sehen. Es hatte also zwei Dachgeschosse und einen Flachdachabschluss (auf dem Bild "um 1890" ebenfalls gut zu sehen). Beim Wiederaufbau wurde die Brandmauer auf der Höhe des 2. Dachgeschosses gekappt. Aber die "Mansardschräge" sieht man heute noch!


    Und nun zum letzten Beitrag:

    Die Brandmauer vom „Haus Passavant“ (Alte Mainzer 1) und dem Haus Mainkai 33 hatte auch einen anderen Nutzen für das „Haus Wertheim“.

    Auf der Westseite des Daches vom „Haus Wertheim“ wurde ein durchgehender Anbau in einer Art von Dachgaube (?) zur Brandmauer angebaut.

    Auch das ist ein ganz normaler Vorgang, der in erster Linie nicht der Raumerweiterung diente, sondern ganz einfach der Unbill des Wetters. Im spitzen Winkel von Dachschräge und Brandmauer würde sich mit der Zeit Laub und HInterlassenschaften von Vögeln ansammeln. Auch Schnee würde dort lange hängen bleiben und infolge Schattens nur langsam abschmelzen.

    Bei meinem Haus in St. Gallen war das auch der Fall: mein Haus wurde 1628 oberhalb des Kellers komplett neu erstellt. Als 1659 das Nachbarhaus aufgestockt wurde, wäre bei mir auch ein solcher "Sack" entstanden, und der Zimmermeister stockte mein Dach dann auch einfach auf. Bei uns spielt natürlich die grosse Schneemenge, insbesondere im 17. Jahrhundert, eine grosse Rolle >> klick.

    Einmal editiert, zuletzt von Riegel (18. September 2018 um 11:46)

  • Danke @Riegel

    So… nachdem ich den ganzen Morgen in der ISG DB gewühlt habe und den ganzen Block (Holzpförtchen > Fahrtor) bei Battonn durchgegangen bin, bin ich ein Stück schlauer. In dem Fall vor allem seit langer Zeit mal wieder die Ulrich Pläne von 1811 und 1819 gebraucht.

    Deine „Kritik“ aus Sicht der Bauforschung kann ich nachvollziehen, aber aus meiner Sicht, der Stadtgeographie und Topographie, unverzichtbar. Mir geht es um Straßen, Gassen oder auch Freiflächen. Ist der Hof nun ein Bleichgarten, Obstgarten oder ein nur ein Hof; wieviele Zinnen oder Dachformen sind für mich erstmal Sekundär. Trotz allem muss man selbstverständlich solche alte Vogelschauen, Karten, aber auch Textquellen wie z:B. Battonn kritisch betrachten.

    Deine Aussage zum „Haus Passavant“ und „Haus Wertheim“ ziehe ich überhaupt nicht in Zweifel. Da die Mauer jetzt wieder für Jahrzehnte versteckt ist, hätte ich mir halt gerne eine ergiebigere Erklärung zu den Bögen und den drei „Fenstern“ gewünscht.

    Für diese „Taschenförmige“ Darstellung der Häuserzeile Fahrtor > Holzpförtchen auf den alten Ansichten habe ich folgende Erklärung.

    Das „Rothe Männchen“ (Alte Mainzer 5 & 7, Lit. J No. 60 & 61) besteht wohl schon vor dem 14. Jahrhundert in dieser Hofform.

    Die Alte Mainzer 3 (Lit. J No. 62) trug den Namen „Alte Scheuer“. Gegenüber der Hausnummer 3 an der Hausnummer 7 stand das „Haus Schmaleck“. Dieses Haus ist auf den Ulrichpläne die Lit. J No. 119. Das „Haus Schmaleck“ wurde 1355 erstmals erwähnt und zwischen 1819 und 1850, wo es in Krugs Hausnummernübersicht nicht mehr aufgeführt ist, niedergelegt. Battonn beschreibt das „Rothe Männchen“ mit folgenden Worten: „Das Thor im Gässchen hinter Schmaleck.“. Für das „Haus Alte Scheuer“ (Alte Mainzer 3) setzten die Überlieferungen erst im 17. Jahrhundert ein und sind auch sehr dünn. Auf Grund des Namens und der Lage könnte (!) es einen Bezug zum „Rothen Männchen“ geben. 1809 wird das Haus „Alte Scheuer“ neu erbaut. Vermutlich dürfte es ja das Haus auf dem Foto mit dem „Haus Passavant“ sein. Wie das Haus vor 1809 aussah und vor allem welche Fläche es belegte können wir ja nur raten.

    „Haus Wertheim“ und „Haus Passavant“ wurden in der „heutigen“ Form im frühen 17. Jahrhunderterbaut. Laut Aussage Battonns zum „Haus Passavant“ (Alte Mainzer 1; Lit. J No. 63), dass es vormals zusammen mit dem „Haus Badstube“ (südlicher Anbau von Haus Wertheim, ohne Nummer) eine Badestube war, deutet darauf hin das es nur aus dem späteren Hinterhaus (1944er Plan Mainkai 33) bestand. Da wir nicht wissen welche Form vor 1809 die Alte Mainzer 3 hatte, dürfte es dieser Taschenförmige Darstellung erklären. Da ja „haus Wertheim“ und „Haus Passavant“ im frühen 17. Jahrhundert erbaut worden sind, könnte der Merian Plan von 1628 noch die alte Situation vor dem Bau der beiden Häuser zeigen.

    Der Vollständigkeit zu liebe erwähne ich noch den Belagerungsplan. Im Vergleich zu Merian ist er ja wirklich nur eine Skizze, aber er zeigt uns wohl nur die späteren Hinterhäuser (die noch späteren Häuser Mainkai) und überhaupt keinen Hinweis auf das „Haus Wertheim“.