Dresden - die Pirnaische Vorstadt

  • Japanische Touristen werden auch nicht unbedingt begeistert Fotos von der Prager Straße machen, aber darum geht es nicht.
    Ich stimme Bilderbuch zu, dass die Materialität zu loben ist, aber da hört's dann auf. Auf mich wirkt der Anbau eher bedrohlich. könnte auch eine Zentrale irgendeines osteuropäischen Geheimdienstes aus der Vorwendezeit sein. Abgesehen von der Blockrandbebauung, die hier im perforierten Innenstadtrand wiederhergestellt wurde und der Materialität fällt mir wirklich nichts positives dazu ein.

    Der deutsche Pfad der Tugend ist immer noch der Dienstweg.

  • Lieber Zirp, hättest du die Güte, deinen Kommentar etwas näher zu erläutern? Leider verstehe ich ihn nämlich nicht wirklich.

    Ich kann schon nachvollziehen, was "Zirp" meint. Die ausländischen Touristen haben möglichenfalls nicht so viel Ahnung von der Geschichte und Authentizität eines Ortes. Sie haben aber einen natürlichen instinkt dafür, was "schön" und was "hässlich" oder "langweilig" ist. Und sie haben eine Ahnung davon, was an einen Ort passt (was sie dort jedenfalls erwarten und erwünschen) und was nicht. Das mag naiv sein, aber bisweilen ist Naivität ein besseres Leitbild als das andere Extrem, die intellektuelle Verkopfung, die gerade bei Leuten gepflegt wird, die durch die Mühle der Architektur- und Kunsthochschulen wandern mussten. Insofern sagt "Zirp" aus, dass dieser Bau niemanden faszinieren, fesseln, begeistern, sein Herz erreichen wird. Dass das auch bei der Prager Straße so sein dürfte, spricht zudem nicht für die Prager Straße. Ganz anders die Frauenkirche, der Neumarkt, der Zwinger, eventuell der sanierte Dresdner Hauptbahnhof. Diese Gebäude sollten demnach der Maßstab sein, an dem sich die Architektur orientieren sollte, statt sich in öden Zweckbauten zu erschöpfen. Wobei der hier gezeigte Zweckbau zweifellos sicher einer der besseren seiner Sorte ist.

  • Danke an meine Interpretatoren. Ja, so war der spöttische Satz von gestern Abend gemeint. Ich vergleiche gern mit Fotos der Gegend aus der Vorkriegszeit wie diesem hier (Copyright Deutsche Fotothek, Aufnahme-Nr. df_hauptkatalog_0276078; die Frontseite des Amtsgerichts ist am rechten Bildrand angeschnitten, der Neubau liegt außerhalb des Bildes). Das Amtgericht war schon damals schlichter gestaltet als die Jägerkaserne (im linken Bildteil), doch der Neubau setzt dem die Krone auf. Nicht gerade ein Widerstand zur 70er-Jahre-Plattenbebauung auf der anderen Seite des Sachsenallee...

  • Es ist schon interessant, dass das Meinungsbild zu diesem freistaatlichen Neubau zwischen einem leichten Lob im Angesicht der Bauaufgabe "Verwaltungsgebäude" und der Ablehnung aufgrund der Vorkriegssituation changiert.
    Aber seien wir doch mal ehrlich: in 99% der Fälle halten Neubauten den nicht über die Wirren des 2. Weltkrieges gekommenen Immobilien kaum stand. Insofern ist es schon ein schwieriges Vergleichskriterium, den Erweiterungsbau an deiner schönen Postkarte, lieber Zirp, messen zu wollen. Und es erscheint umso abwegiger, wenn man bedenkt, dass die Pirnaische Vorstadt heute eine aufgelockerte Gartenstadt der frühen 60'er Jahre ist, die mit der Vorkriegssituation nichts mehr gemein hat.

    Ist euch eigentlich schon aufgefallen, dass die gleiche Fassade gerade in einer Art Luxusausführung am Postplatz entsteht? Beide haben die Klinkerfassade mit ihren durch einfache Streifen abgesetzten Brüstungsbändern gemein, die die hochrechteckigen Fensterfronten horizontal unterteilen. Beim Knerer-Bau allerdings sind die Pfosten zwischen den Fenstern gegeneinander verschränkt, was ein interessantes Schattenspiel erzeugen dürfte. Außerdem überzeugen die zweiflügeligen Fenster sowie die Brüstungsgitter im Stil der 50'er am Postplatz weit mehr.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Laut SZ-Bericht schließt das Einrichtungshaus in der Grunaer Straße 20 und zieht in das Robotron. Die Bestandsimmobilie - stadtauswärts nach dem Dorint-Hotel kommend - soll ab Januar 2013 abgerissen und durch eine Wohnanlage mit Einzelhandelsflächen ersetzt werden. Investor ist die hiesige Filiale der TLG.

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  • Kann nicht schaden: Grunaer Straße 20, Dresden - Google Maps

    An dieser Stelle muss ich nochmal erwähnen, wie unglaublich hässlich die Grunaer Hochhäuser sind. Im Vergleich zu diversen Punkthochhäusern Nähe Uni haben ausgerechnet diese zentralen Türme eine wirklich fragwürdige Sanierung erhalten.

    Ich entschuldige mich von Herzen für meine früheren arroganten, provokanten, aggressiven und unfreundlichen Beiträge!
    Jesus ist mein Herr und Retter!

    Einmal editiert, zuletzt von youngwoerth (4. Oktober 2012 um 10:35)

  • In DD kann man momentan wohl kaum was anderes erwarten. Die International-Bauhaus-Welle scheint meterhoch - mal sehen, ob eines Tages wieder moderate Gewässer Einzug halten. Hoffentlich ist die Stadt bis dahin nicht austauschbar.

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  • Dabei wäre genau dort der Ort den Ort zu negieren und dann an diesem Nichtort einen kontrastierenden Bruch vom Feinsten zu kreieren, welcher zudem urdemokratisch daherkommt, weil er Architektur und Ästhetik der Wiege der Demokratie - Griechenland - aufnimmt:

    http://www.abload.de/img/ilgenhaus2lg3s.jpg


    :koenig:


    (Komischerweise werden Kontraste aber genau dann "unverträglich" sobald sich diese dem Kulturpalast und einem Punkthochhaus nähern lt. Frau Engel vom Dresdner Stadtplanungsamt. Vermutlich sind diese Bauten gleicher als andere sprich "engel"sgleich :cool: )

    4 Mal editiert, zuletzt von Henry (4. Oktober 2012 um 14:40)

  • Vielen Dank für den Link, Jan!

    Was man da sieht, ist einfach nur schrecklich. Ich wüsste keine Bebauung, die hässlicher und inadäquater wäre. Ein Laubenganghaus derart zweifelhafter Machart geht in einer Innenstadt einfach nicht und unterschreitet sogar noch das Niveau des Dorint-Hotel.

    Außerdem scheint es sich bei dem Projekt um eine einfache Zeile zu handeln, die keinerlei Kommunikation mit dem Hinterland, dem Robotron, erkennen lässt. Da stellt man sich natürlich die Frage, ob der recht schöne Loidl-Wessendorf-Plan nun gilt oder nicht.

    Studio Wessendorf - Städtebau - Robotron Areal

    Immerhin sehen die Verfasser hier eine Karree-Struktur vor.

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  • In der letzten Sitzung des Bauausschusses am 28.11.2012, wurden erneut die Pläne für die sogenannte Lingner Parkstadt, das ehemalige Robotron, behandelt. Dabei bekam Frank Wießner von der Sivia Baukonzept die Gelegenheit, sein Wohnbauprojekt vorzustellen.

    http://www.sivia.de/Startseite/Akt…tstr10_2_2.html

    Obwohl es keinesfalls den aktuellen Konzepten der Dresdner Stadtplanung entspricht, bekam Herr Wießner viel Unterstützung aus der Politik. Sein Projekt besitzt immerhin den Vorteil, ohne ein zeitaufwendiges Flächenumlegungsverfahren auszukommen. Dadurch könnte der Bau schon 2015 starten.
    Ich allerdings halte eine Bebauung entlang der ehemaligen Johann-Georgen-Allee für falsch. Diese war nach der Niederlegung der Festungswerke als Verlängerung der bis dahin quasi als Sackgasse endenden Moritzstraße angelegt worden. Durch die mehrfache Überbauung von Moritzstraße und Allee nach dem Zweiten Weltkrieg, ist eine Wiederaufnahme der Achse praktisch nicht mehr möglich. Nicht umsonst strebt man nun die städtebaulich wichtigere Betonung der Verbindung zum Neuen Rathaus, die Herkules-Allee, an. Das Sivia-Projekt aber würde diese Sichtachse empfindlich stören und keinen stadtstrukturellen Mehrwert generieren. Insofern plädiere ich für eine Verschiebung des Baufensters in die Flucht der Herkules-Allee.


    Die drei markierten Quartiere würden nach den Plänen der Sivia zu einem Block zusammengefasst und bis zur diagonal verlaufenden Allee vorgezogen werden.

    Bild ist von mir.

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    Ganz nette Visu, nur Mängel wie diese zu würfeligen Erker und ähnliche Elemente und fehlende Kreuzsprossen in den Fenstern sollte man noch abstellen, dann wäre das sehr lobenswert. Die Richtung ist schonmal super, ganz im Gegenteil zu dem was Knerer und Florana so verbrechen. Natürlich immernoch kein Vergleich zur Vorkriegssituation. Die Pflastersteinstraße finde ich super.

    mMn müsste man die Grundform der Vorkriegshäuser, sollte sie gut dokumentiert sein, kompromisslos wieder aufnehmen. Für Stuck und so kann man dann im laufe der Zeit immernoch sorgen. Wenn ich den Bau von 1900 so betrachte, dann sollte das alles andere als ein Problem sein, da es genügend Modernistenmonster gibt, die komplizierter aussehen. Würde sowas wie aus dem Bild "1900" in München oder Düsseldorf stehen, würden dort Porsche vor der Tür stehen …

  • ja, das ist doch mal eine grandiose Architektur, wie ich sie liebe! Im Vergleich dazu ist wirklich alles, was wir hier (zum Teil durchaus lobend) an neuer Architektur besprechen, nur beschämend kunstlos und trostlos.

  • Und wie positioniert ihr euch zur städtebaulichen Problematik? Die auf den Fotos zu sehenden großbürgerlichen Mietshäuser werden ja eh nicht rekonstruiert.

    Wahre Baukunst ist immer objektiv und Ausdruck der inneren Struktur der Epoche, aus der sie wächst. Ludwig Mies van der Rohe

  • Die ausgedehnte, von realsozialistischem Architektur-Schrott durchsetzte Stadtbrache zwischen Hygienemuseum und Rathaus gehört für mich zu den hässlichsten und unterirdischsten Gegenden in ganz Dresden. Gorbitz ist dagegen ein Villenvirtel! Eine Sichtachse in dieser Wüste bedeutet mir nichts. Hier regiert städtebauliches Chaos – ein abstoßender Mix aus Büros, verwaisten Markthallen und Parkplätzen, seit ein paar Jahren geschmackvoll-sensibel und v.a. nachhaltig aufgewertet durch speziell für die Sprayer-affine Skateboard-Szene geschaffene Freizeit-Anlagen (man sehe mir meinen Sarkasmus nach).

    Lasst Herrn Wiessner seine Häuser bauen und der heute völlig bedeutungslosen Lingneralle wieder einen Sinn als Bindeglied zwischen Großem Garten und Innerer Altstadt bekommen. Ein geschlossener Häuserblock mit erkennbarer Gliederung (kein Mäandergeschwurbel), geneigte Dächer, vertikale Fenster, Gesimse, Fenstergewände, akzentuierte Hauseingänge. Gemessen an der heutigen austauschbaren und zu 99% garantiert nicht in den städtebaulichen Kontext passenden Massenware ist das schon ein geradezu königlich ambitioniertes Projekt, und Herr Wiessner ein Visionär, wie es in dieser Stadt viel zu wenige gibt – ich bin auf jeden Fall dafür :)

  • Ich sehe es so wie Tour Dresden und Jan DD, derzeit ist die Gegend völlig unwirtlich, Grünflächen noch und noch, diese haben keine gute Struktur und sind einfach zu groß. Die Entferung zwischen Rathaus und Herulesallee ist so groß, dass eine Sichtverbindung quasi nicht gegeben ist. Funktional betrachtet möchte man idealer Weise vom Rathaus (Stadtkern) in die Hauptallee des Großen Gartens geleitet werden. Insofern ist die Johann-Georgen-Allee genau richtig angeordnet. Ihr erhaltener Straßenkörper allein bieten eine städtebauliche Erinnerung an das alte Dresden und sollte daher durch eine neue Randbebauung wieder einen Sinn bekommen.
    Die erhaltene Parzellenstruktur (Eigentumsverhältnisse) ist dabei eine Hilfe.

    Als einziges altes Gebäude der Johann-Georgen-Allee steht noch eines der Torhäuser am früheren Zugang des königlichen Gartens (Prinzenpalais - Sekundogenitur an der Zinzendorfstr.) - noch immer ruinös. Weiss jemand etwas darüber, inwieweit hier nach Jahrzehnten eine Instandsetzung und Rettung dieses Kleinods geplant ist? Müsste öffentliches Eigentum sein (Grundstück Hygienemuseum).