• Schon das alte Essighaus war von 'Durchlässigkeit' geprägt

    Das Projekt von Christian Jacobs verfolgt u.a. das selbstgesteckte Ziel, den Kern der Altstadt wieder näher an die Weser heranzuführen. 'Durchlässigkeit' ist hier das entscheidende Stichwort, welche durch die Öffnung der ''Jacbos-Höfe' zur Obernstraße und die anzustrebende Barriere-Freiheit der ehemaligen Disconto-Gesellschaft (heute Kontorhaus am Markt) erreicht werden soll.
    Christian Jacobs steht mit diesem Ansinnen in bester Tradition des alten Essighauses, denn auch dieses verband - durch einen schmalen, wurmfortsatzartigen Gang die Obernstraße mit der Langenstraße, was die folgenden Pläne belegen.

    An der Obernstraße - gegenüber von Karstadt - warb eine beleuchtbare Fassadenreklame für das Restaurant. Der Zugang zum Verbindungsgang befand sich unterhalb des Schriftzuges. (Photo aus dem Jahre 1932).


  • Ich zitiere die Blätter für Architektur und Kunsthandwerk des Jahrgangs 1898:

    "Das „Essighaus“ in Bremen, Langenstr. 13 — Besprochen von A. M ä n z.
    Das in Bremen allgemein unter dem Namen „Essighaus“ bekannte Haus, in dessen verwahrlosten Räumen sich um die Mitte der dreissiger Jahre dieses Jahrhunderts eine Essigfabrik eingenistet hatte, machte vor etwa 2 Jahren in der Oeffentlichkeit durch ein Gerücht Aufsehen, dass seine Straßenseite für das South-Kensigton-Museum in London käuflich erworben, abgerissen und nach England übergeführt werden solle. Dass dieser Handel dank den Bemühungen kunstsinniger und für das Wohl ihrer Vaterstadt bedachter Bürger nicht zu Stande gekommen ist, darf als ein Glück für die deutsche Kunst bezeichnet werden, welche in diesem Stücke ein hochbedeutendes, auch kulturgeschichtlich wichtiges Beispiel bürgerlicher Baukunst vergangener Zeiten verloren haben würde. Doch hat er wenigstens das Gute gehabt, die öffentliche Theilnahme mit einem Male wieder auf das verräucherte und fast vergessene, vom Zahne der Zeit benagte, altehrwürdige Haus hinzulenken und so mittelbar den Anstoß zu seiner sachverständigen Wiederherstellung zu geben, so dass es heute innen und aussen wieder im alten Glanze prangend vor uns steht. Allerdings hat das alte Kaufhaus, um auch uns modernen Menschen zweckdienlich und nicht nur eine Rarität zu sein, seine ehemalige Bestimmung abermals mit einer mehr zeitgemäßen vertauschen müssen und: „was ein Essighaus gewesen, zum Weinhaus ward es auserlesen“, wie Arthur Fitger in der an die Wand der Diele geschriebenen gereimten Chronik sagt. Wer Gelegenheit hat, das in eine gemüthliche Weinkneipe verwandelte „Alt Bremer Haus“ zu betreten, wird seine Freude an der Wiederherstellung haben, der es gelungen ist, mit pietätvoller Schonung dessen, was trotz aller Unbill der Zeit sich unter Schmutz und Ruß von der alten Ausstattung erhalten hatte, stilgemäße Ergänzung mittels alter Täfelungen, Thüren, Kachelöfen, Wandfliesen, Ledertapeten und dergl. uns ein bis auf die Beleuchtungsgegenstände echtes Bild des Innern eines „Alt Bremer Hauses“, wie es sich wohl ein reicher Kaufherr „leisten“ konnte, vor Augen zu führen, vorausgesetzt, dass man Phantasie genug hat, sich unter den vielen kleinen und lauschigen Kneipstuben und -winkeln die ehemaligen Wohn- und Schlafzimmer, die Küche und das „Kantor“ (Comptoir) vorstellen zu können. Die Straßenseite, ein tüchtiges Werk deutscher Steinmetzkunst, welche die Liebe unserer Altvordern zu krausem, schnörkelhaftem Zierwerk verräth, und bei allem Reichthum doch einer straffen architektonischen Gebundenheit nicht entbehrt, darf als ein in seiner Art classisches Beispiel des norddeutschen Wohnhausbaues gelten, wie er sich aufengbegrenztem Bauplatz in den schmalen Gassen unserer Handelstädte im Laufe derJahrhunderte entwickelt hat. Dem Raumbedürfnisse konnte nur durch eine möglichst große Anzahl von Geschossen Genüge geleistet werden, welche oft zu überaus schlanken Straßenseiten führten. Dass dem Essighause trotz seiner 5, bezw. 7 Geschosse eine gefällige Wirkung aber nicht abzusprechen ist, beruht hauptsächlich in der geschickten Art, wie seine doppelte Bestimmung, als Wohn- und Lagerhaus, im Aeusseren zum Ausdruck gebracht ist und in den zu beiden Seiten des Eingangs angeordneten Ausluchten, die der Höhe der Diele gleichkommen, obwohl sie der eingeschalteten Galerie wegen zweigeschossig angelegt sind. Sie geben so dem untersten Geschosse das Aussehen eines Hauptgeschosses, dem an Höhe das folgende, den Saal enthaltende Stockwerk schon wesentlich nach steht. Der Saal kennzeichnet sich nach aussen durch große pfostengetheilte Fenster, und erst über ihm beginnen die Lagerböden, deren Fenster ausgesprochen kleiner sind. Während in den unteren Geschossen die Wandfläche fast ganz in breite Fenster und schmale Pfeiler aufgelöst ist, hat die obere Hälfte ein mehr geschlossenes Aussehen, und es sind, vermuthlich um ihr das Lastende zu nehmen, auf den übrigbleibenden Wandflächen um die Fenster herum jene eigenthümlichen, schnörkelhaften Verdachungen und Verzierungen angeordnet, die sich dann im üppigsten Linienspiel namentlich an den Flächen und Einfassungen des Giebels fortsetzen. Dass nun trotz der im Allgemeinen gefälligen Wirkung das Essighaus keinen ganz einheitlichen Eindruck macht, liegt an der verschiedenen Behandlung, welche die Architektur der oberen Geschosse gegen die der unteren erfahren hat. Die äusserst feine Durchbildung der Pfosten und Eckstützen an den Ausluchten und der Fensterpfosten des darüberliegenden Geschosses steht stilistisch noch der Architektur der 1612 vollendeten Hauptseite des Rathhauses, namentlich aber den Holzschnitzereien der erst später vollendeten Güldenkammer nahe. In der straffen Theilung der oberen Geschosse durch vorgekröpfte Halbsäulen ist zwar auch noch der Einfluss des Rathhauses zu erkennen, aber an den barocken Fenstereinfassungen und -Verdachungen, dem Band- und Rollenwerk des Giebels sowie namentlich auch an dem obersten Giebelaufsatz ist deutlich der Einfluss des erst um 1621 erbauten Gewandschneider- oder Krameramtshauses zu erkennen, und es dürfte wohl keine Frage sein, dass die Architektur des Essighauses in seinen oberen Theilen wesentlich das Werk desselben Steinmetzmeisters ist, welchem wir das schöne heutige Gewerbehaus zu verdanken haben. Auf die Aehnlichkeit des Essighauses mit dem Haus Langenstraße No. 16, dessen Giebel auf Tafel 96 des Jahrgangs 1897 abgebildet ist, habe ich bei dessen Besprechung bereits hingewiesen. Die im Friese der Ausluchten angebrachte Jahreszahl „Anno 1618“ dürfte nach Obigem nur einen ungenauen Anhalt für die Zeit der Erbauung des Hauses bieten, und es scheint fast, als ob die beiden Vorbauten überhaupt einem älteren Bau entstammen und erst später dem Essighause vorgesetzt sind. Ihre Architektur schliesst sehr mangelhaft an die des Portals an, in dessen Gliederungen sie willkürlich einschneidet. Auch waren vor der Wiederherstellung des Essighauses Spuren vorhanden, dass vor dem mittelsten Fenster des oberen Saales ursprünglich ein Erker gesessen hat, der vermuthlich bei der Anlage der Ausluchten entfernt worden ist und dessen Eckpfosten dazu verwendet wurden, die leer gebliebenen Pfeiler zwischen den Saalfenstern zu verzieren. Diese hermen¬ artigen, übereckstehenden Pfeiler standen früher zwecklos vor der Fläche, und es fehlten ihnen die jetzt ergänzten und in Consolen überführenden Aufsätze; desgleichen fehlten das mittelste Stück des darüberliegenden Gurtgesimses sowie die beiden Kropfstücke mit den Consolen, an deren Stelle das von der Seite kommende Gurtgesims in schräger Gehrung endete. Bei dem Bau des um 1619 begonnenen Krameramtshauses (dem heutigen Gewerbehause) wird ein Meister Johan Nacke erwähnt, dem die Steinhauerarbeiten des Aeusseren übertragen wurden und der aller Wahrscheinlichkeit nach auch den Entwurf dazu geliefert hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Johan Nacke gleichzeitig auch die beiden Häuser Langenstraße 18 und 13, letztere wenigstens in ihren oberen Theilen, entworfen und ausgeführt hat."

    Ansicht des unteren Teils des Essighauses
    Ansicht des oberen Teils des Essighauses


    Ich zitiere die Blätter für Architektur und Kunsthandwerk des Jahrgangs 1899:

    "[...] über das berühmte Gebäude. Letzteres wurde 1895 von dem Architekten Albert D. Dunkel erworben und in der Zeit vom April 1896 bis zum Oktober 1897 in allen Theilen unter Aufwendung erheblicher Mittel mit großer Sorgfalt und künstlerischen Geschick wiederhergestellt. Der Bremer Rolandverein leistete zu diesen Arbeiten einen Beitrag von 20 000 Mark, der jedoch die Kosten nur zum Theil deckte, üeber die Ausführung giebt uns der Architekt noch folgende Mittheilungen: Die Fertigstellung des Essighauses wurde sehr durch große Schwierigkeiten verzögert, die zum Theil in der mangelhaften technischen Ausführung des alten Baues, theils darin begründet waren, dass es umständlich war, geeignete alte Sachen für die Ausstattung zu beschaffen. Die Fundamente unter dem Vorderbau waren sehr schlecht, sodass die Mauern dort zum Theil bis auf 4,0 m Tiefe unter Kellersohle unterfahren werden mussten. Die Vordermauer hing zum Wesentlichen nur an der Verankerung mit den Balkenanlagen und musste fast bis auf die Erker herab ganz abgenommen werden. Ihr fehlte, wie das bei alten Sandsteinfronten nicht selten ist, eine ordnungsmäßige Hintermauerung, und an vielen Stellen griffen die Quadern der oberen Geschosse tiefer ein als die der unteren, so dass sie zum Theil nur durch den neben der Mauer liegenden Balken unterstützt waren. Der Grundriss des Vorderhauses und der Mittelbau entspricht ziemlich genau dem ursprünglichen Plane. Im Uebrigen war bei der Erneuerung die Absicht leitend, das Haus möglichst so herzustellen, wie es vor etwa 100 Jahren, also nachdem bereits mehre Geschlechter darin gehaust und daran geändert hatten, beschaffen war. Soweit es irgend ging, wurden die im Hause selbst vorhandenen Sachen für den Ausbau benutzt; wo sie fehlten, wurde Passendes aus anderen Bremer Häusern herbeigeschafft. Tafel 85 zeigt einen Blick in die Diele, und zwar gegen den Hof hin. Dieser Raum diente in seinem unteren Theile früher hauptsächlich als Lagerstatt für Kaufmannsgüter und zugleich als Wohnraum, während auf der Gallerie, auch Hängewerk genannt, die die vorderen mit den hinteren Räumen verbindet, Schränke und Truhen Aufstellung fanden. Die Balkendecke ist in allen Theilen reich mit Verzierungen bemalt. Die Mitten der Balkenfelder zeigen Rundschilde mit Brustbildern verschiedener Art. Rechts auf Tafel sieht man den Zugang zur sogen. Küpertreppe, die bis auf die obersten Böden führte. Die Verzierungen an der Umrahmung dieses Zuganges entstammen warscheinlich einer vor rd. 150 Jahren abgebrochenen Wand der oberen Rathhaushalle; sie entsprechen genau den Schnitzereien an der dortigen Gildenkammer. Die mit einem reichen Geländer gezierte Haupttreppe liegt an der Rückseite der Diele. Ihr Tageslicht erhält die letztere vom Hofe her durch ein großes, durch Sandsteinslabwerk getheiltes Fenster. Abends wurde sie durch eiserne mit Oellampen versehene Laternen erleuchtet, die an Ketten von der Decke herabhingen. Heute bildet der Raum eine kühle, gemüthliche Weinstube des Weinhauses Reidemeister u. Ullrichs, die seit 1897 Besitzerin des Hauses ist."


    Innenansicht des Essighauses I
    Innenansicht des Essighauses II
    Innenansicht des Essighauses III
    Innenansicht des Essighauses IV

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)

  • Essighaus und Belletristik

    Die von mir angesprochenen, atmosphärischen Parallelen zum 'Haus in der Mengstraße' finden tatsächlich eine Entsprechung in der Realität, kann doch das Essighaus, ebenso wie das 'Buddenbrookhaus' auf eine 'literarische Karriere' verweisen. Der Bremer 'Thomas Mann' war eine Frau und hieß Bernhardine Schulze-Smidt, ihreszeichens die schriftstellernde Enkeltochter des legendären Bremer Bürgermeisters und Gründers Bremerhavens, Johann Smidt.
    Im Roman 'Demoiselle Engel' werden wichtige Passagen aus der Geschichte des Hauses literarisch verarbeitet. Anbei der sehr bibliophil gestaltete Buchdeckel, welcher sogar die Wappen des Erbauerehepaares des Hauses ( der Ehemann entstammte der Ratsfamilie ESICH (!) ), welche oberhalb des Portals angebracht waren, zeigt. Das Esich-Wappen befindet sich in der rechten, von dem Putto gehaltenen Kartusche.


  • Mahnung zu Besonnenheit und Kritik

    Anbei die - wie ich finde - sehr bedenkenswerte Anmerkung von Axel Spellenberg zur hiesigen Thematik, in der er eindringlich vor Überschwang in der Sache warnt und uns mahnt, zu hinterfragen, was Christian Jacobs überhaupt veranlaßt hat, die Fassade in sein Bauprogramm aufzunehmen. Hier werden wirklich grundsätzliche Fragen aufgeworfen, die wir alle gemeinsam bedenken sollten, ja müssen ! Es ist eine Gewissensfrage.

    Lieber Pagentorn,

    die Diskussion um den Jacobsentwurf ist ja bereits in regem Schwange,
    wie ich in StadtbildD/Forum gelesen habe. Mir sagt die detailliert
    kritische Bewertung von "Riegel" am ehesten zu, er schreibt mir quasi
    aus der Seele. Ich bin eben Architekt und sehe mit den Augen jedes
    mißhellige Detail, vom großen Ganzen einmal abgesehen. Ich wundere
    mich aber, wie geradezu im Sturm es Jacobs gelungen scheint, die
    Herzen zu gewinnen. Wenn das aber so, wie vorgestellt, ausgeführt
    wird, wird es genau jenen ´Disneyland-Effekt´ hervorbringen, den wir
    ja so fürchten. Das wiederaufgebaute Welfenschloss von Braunschweig
    mit hinter den Fassadenkulissen gebautem Einkaufszentrum ist schon
    schlimm genug, gegenüber Jacob´s 3D-Kitsch aber noch ertragbar.
    Die Begeisterung steht meines Erachtens nach eher unter der Warte:
    wenn die Schokoladenseite wieder steht, drücken wir, das dahinter sich
    auftürmende Caruso-St.-John-Plagiat Bremer Landesbank betreffend, die
    Augen zu. Auch zu den Neubauten Richtung Stadtwaage und dem abstrusen
    Giebeltausch des aus der Sögestraße tranlozierten Oberteils. Und: "in
    50 Jahren ist alles vorbei", aber die Essighaus-Fassade steht dann ja
    immer noch. Mag so sein, aber ich halte mich immer an den Spruch in
    meiner einstmaligen Metzgerei in Stuttgart: "Ihr Lob ehrt uns, Ihre
    Kritik hilft uns weiter".
    Eine, an einem bauhistorisch ad absurdum geführten Projekt
    vorgetragene, Kritik wird weiterhelfen, dass die Verantwortlichen,
    allen voran Denkmalhüter Skalecki, das Projekt nochmals überdenken.
    Lob, schon gar überschwängliches, bestärkt den Investor hingegen nur
    darin, das Richtige gemacht zu haben. Niemand verlangt ein solches
    Lob, schon gar nicht Jacobs, der die Essighausfassade vermutlich doch
    nur deshalb als Zuckerbrot unter gleichzeitiger Verabreichung von
    hartem Brot verabreicht, weil er sich mit dem Abriss des
    traditionsreichen Johann-Jacobs-Hauses und Neubaus eines Klotzes an
    der Obernstraße zahlreiche Kritik eingeheimst hat.
    Wie kam Jacobs überhaupt auf das Essighaus, wenn er - und übrigens
    Senat, Bauämter und Denkmalpfleger inbegriffen - vorher auf Tradition
    und Wiederaufbau keinen Pfifferling gab? Und nun dieser
    Überraschungscoup, der uns den Wind aus den Segeln nimmt und den Atem
    raubt, ja unsere kühnsten Träume in den Schatten stellt. Denn von
    einer Modernität, die mit ihrer formalen Wucht und gigantischer
    Volumina die Phantastik der Renaissance des unbekannten Baumeisters
    des Essighauses der Lächerlichkeit preisgibt, hatten wir nicht einmal
    zu träumen gewagt. Nun brauchen wir nur noch darauf zu harren, dass
    auch das von uns mit Liebe durchgeplante und detaillierte Kornhaus als
    Realisierungsprojekt auftaucht, die Renaissancefassaden Lüder von
    Bentheims vorne und hinten auf modernistische, 10-geschoßige Baumassen
    aufgesetzt. Es geht den Investoren doch nicht im Ernst um die Liebe
    zum überlieferten Stadtbild, um Authentizität und Treue zum Plan der
    alten Baumeister und der Kunst der vormals beteiligten Handwerker,
    sondern um einen möglichst hohen populistischen Effekt, selbstredend
    Profit, auf Kosten von Originalität und Wahrheit.
    Der Jacobsplan widerspiegelt nicht im Ansatz das Essighaus, wie es
    einmal in seinem Äußern und Innern dastand, aber die Absicht, mit eben
    dem Zuckerbrot der vermeintlichen, doch leider falschen,
    Historientreue Kritik am, in der Tat und Wahrheit, großklotzigen und
    profitablen Neubauvorhaben Langenstraße von vorneherein verstummen zu
    lassen. Das ist Jacobs auf Anhieb gelungen. Da Sie dankenswerterweise
    nun auch noch die ehemaligen, prachtvollen Innenräume und den
    Grundriss des Essighauses in StadtbildD vorgestellt haben, kann es an
    meiner tiefsten Überzeugung keinen Zweifel mehr geben, dass allein nur
    das historische Haus in seiner äußeren und inneren Traditionsgestalt -
    und nicht die Totgeburt eines 3D-Drucks vor einem Investorenluxusbau -
    einen Wiederaufbau verdient.

    Viele Grüße von Ihrem noch immer fassungslosen und ob Jacobs
    Husarenstreich ziemlich aufgewühlten

    Axel Spellenberg


  • Zitat von Spellenberg


    Da Sie dankenswerterweise
    nun auch noch die ehemaligen, prachtvollen Innenräume und den
    Grundriss des Essighauses in StadtbildD vorgestellt haben,
    kann es an meiner tiefsten Überzeugung keinen Zweifel mehr geben, dass allein nur
    das historische Haus in seiner äußeren und inneren Traditionsgestalt -
    und nicht die Totgeburt eines 3D-Drucks vor einem Investorenluxusbau -
    einen Wiederaufbau verdient.


    Nun ja, mit derartigen unrealistischen Maximalforderungen kann man jedes Projekt zu Tode reden. Ich selbst bezweifle die Redlichkeit dieser Zeilen und zwar aus mehreren Gründen:
    1) sind sie unlogisch. Die Fassade ist ein Kunstwerk, und ein bestimmter Raum im Inneren auch. Beides besteht auch unabhändig voneinander, dh Räume oder Ausstattungsstücke können ausgelagert, Häuser entkernt werden. Die Fassade ist für sich allein als Kunstwerk wahrnehmbar.
    2) Diese Vorblendung der Fassade ist drastisch, aber "ehrlich". Diese Sorte Ehrlichkeit wird ja von Architektenseite mitunter eingemahnt. Hier ist Zerstörung bzw Rekonstruktion gut ablesbar, auch ergibt sich ein harter Kontrast, was Architekten ja mitunter ganz gern haben sollen.
    3) Was das "großklotzige und profitable" Neubauvorhaben betrifft: so ganz "großklotzig" ist es ja nun tatsächlich nicht mehr, überhaupt, wenn man bedenkt, dass "Klotz" begrifflich sehr stark die äußere Erscheinung beschreibt bzw von dieser nicht unabhängig gesehen werden kann. Und was das "profitable" betrifft, so senkt die aufwändige Fassade ganz sicher den Profit. Ohne diese wäre es sicher billiger. Würde der Herr Architekt und Essighaus-Freund auch gegen einen Entwurf OHNE Essighaus-Fassade zu Felde ziehen?

    Finger weg von solchen Freunden.


    Riegel:
    Diesem ärmlichen Ich-will-aber es darf-nix-kosten-pseudohistorischen Neubau auch nur eine Träne nachzuweinen, halte ich für verfehlt.


    Zitat

    Und als Zückerchen soll die rekonstruierte Essighaus-Fassade an den Neubau vorangeklebt werden...

    na ja, weißt, so eine Essighaus-Fassade hat halt schon eine gewisse Qualität für ein bloßes "Zückerchen"...
    Was wollen wir überhaupt? Soll uns das Rathaus in Wesel nicht mehr gefallen? Wäre dieses Projekt ohne Essighaus besser? Was ist "Stadtbild" ohne "Fassadismus"?
    Über einen Punkt kann man diskutieren: das Aufeinanderprallen zweier an sich qualitativer Fassaden ohne rechen Bezug.
    Aber soll man deshalb auf "Qualität" verzichten?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

    2 Mal editiert, zuletzt von ursus carpaticus (4. September 2018 um 11:40)

  • Als kleiner Dank für die engagierten Diskussionsbeiträge hier ein paar alte Litho-Postkarten:

    Außenansicht sowie Eingang zur Nebentreppe zur Galerie und Tür zum Zimmer hinter der östlichen Utlucht -beide von der Diele aus gesehen.

    Der Patriziersaal.

  • Fassade - städtebaulicher Kontext und Details

    Anbei einige Bilder, welche die stadträumliche Einbindung der Fassade, sowie einige ihrer Details illustrieren:

    Blick nach Osten in die Langestraßé. Erkennbar sind die Stadtwaage, ein Domturm, sowie ganz rechts Heinrich Müllers Neue Börse am Markt.

    Die zerklüftete, 'Altstadt-Charakter' verströmende Dachlandschaft rund um das Essighaus. Auf dem linken Bild erkennt man im Hintergrund die Kirche 'Unser lieben Frauen'. Auf dem rechten Photo ist im Hintergrund der St. Petri Dom zu sehen.

    Zeichnung der Fassade von Rudolf Stein.
    (Benennung der unmittelbar hinter derselben befindlichen Räumlichkeiten durch mich.)

    Das Giebeldreieck.

    Der mittlere Teil der Fassade.

    Die untere Hälfte.

    Die Eingangssituation mit Oculus-Fenster und darüber befindlichen Wappen-Kartuschen.

    Lage der Wappen-Kartuschen.

    Wappen der Erbauer-Familie des Hauses. Auch von dieser - und nicht nur von der Nutzung als 'Essig-Fabrik' im 19. Jahrhundert - leitet sich der Name des Gebäudes her.

  • Für Gäste und Einheimische ein wesentlicher Teil Bremens


    Seitdem das Essighaus in den 1890er Jahren in 'letzer Minute' vor einem Abtransport seiner Fassade nach London bewahrt werden konnte, wo letztere als Prunkstück der Sammlungen des Victoria und Albert Museums in Kensington hätte dienen sollen, entwickelten die Bremer ein besonders inniges Verhältnis zu 'ihrem' Essighaus. Es wurde nach seiner Wiedereröffnung als Weinlokal 1901 zu einem fester Bestandteil der örtlichen Festkultur und auswärtigen Gästen als eine der größten Sehenswürdigkeiten der Stadt angepriesen. Im Folgenden einige Belege für das Gesagte:


    Reklame-Annonce um 1900.

    Bremen Reiseführer um 1900. Als Illustration wurde eine Feier im Patriziersaal während der 'Zopfzeit' gewählt.

    Festlich eingedeckte Tafel im Patriziersaal anläßlich eines Konventes der Bremer Handwerks-Innungen.

    Menüfolge aus dem Jahre 1928.

  • Ja, die Innenraeume waren doch schoener, als ich bisher dachte. Dennoch, wenn ich die Bilder der Fassade sehe, kann ich trotzdem nur froh sein ueber die heutigen Plaene. Das war ja eine der 5 grossartigsten Renaissancefassaden Deutschlands!

  • Das war ja eine der 5 grossartigsten Renaissancefassaden Deutschlands!

    Wobei ich glaube, dass es mehr großartige Renaissance-Giebelfassaden ähnlichen Kalibers gibt oder mindestens gab, diese jedoch von der Kunstgeschichte kaum beachtet wurden und m.E. unberechtigt im Schatten der Prominenz beispielsweise des Pellerhauses stehen.

  • Die Zerstörung


    Auch wenn es etwas makaber klingt: Ich habe meinen letzten Beitrag mit einer 'Eisbombe' beendet und will hier daher nun damit fortfahren kurz darzustellen, wie das Schicksal des Essighauses im Bombenkrieg verlaufen ist.

    Zunächst blieb das Haus trotzt schon großflächiger Bombardements in der unmittelbaren Umgebung, von Kriegseinflüssen weitgehend verschont. So überstand das Gebäude den 102. Luftangriff auf Bremen, vom 5. September 1942, dem seine beiden Nachbarn zur Linken zum Opfer fielen, noch komplett unbeschadet. Kein einziger Dachziegel scheint hinabgestürzt zu sein. Der Blick des Betrachters geht hier aus Richtung Obernstraße über das lange Satteldach des Essighauses und die Fassade des heute noch an der Südseite der Langenstraße stehenden Giebelhauses, hin zum Turmhelm der Kirche St. Martini. (Quelle: Online-Kriegsschadens-Bilddokumentation des Staatsarchivs Bremen).

    Auch der 103. Luftangriff, vom 14.September 1942, scheint das Haus nicht tangiert zu haben. (Quelle: wie oben).

    Der 121. Luftangriff auf Bremen, vom 16. Dezember 1943, schlug dann aber mit einem Volltreffer zu. Die edle Fassade war ein Totalschaden.

    Fritz Peters schreibt dazu in seiner Chronik 'Zwölf Jahre Bremen. 1933-1945', Bremen 1951, S.254:
    "121. Luftangriff auf Bremen. Fliegeralarm: 12.04 Uhr. In einem halbstündigen Agriff (von 13.10 bis 13.40 Uhr) werfen starke USA-Bomberverbände (rund 400 Flugzeuge) in Teppich und Reihenwurf 2396 Spreng- und 4296 Brandbomben auf die veschiedensten Teile des Stadtgebiets. [...] Das Essighaus wird völllig zerstört [Anm.; hier kann allerdings nur das Vorderhaus mit der Fassade gemeint sein]."

    Blick von Südost auf die Trümmer. (Quelle: wie oben).

    Gleicher Angriff. Blich von Nordwest. Man täusche sich nicht: Das hohe Satteldach - ebenfalls - ohne Fassade, gehört dem Nachbarhaus zur Rechten des - nun ehemaligen - Essighauses. Letzteres erscheint wie aus der Straßenfront rückstandslos herausgeschnitten. (Quelle: wie oben).

    Blick in die Trümmerfläche hinein. Die im Hintergrund sichtbare Holzstruktur scheint die Innenseite des Giebeldreiecks der Rückfassade des Haupthauses des Essighauses zu sein. Dieses Giebeldreieieck lehnt sich an das aufgerissene, aber trotzdem noch erkennbare Hinterhaus an. Rechts im Bild, an der Außenwand des Vorderhauses, ist der Kamin des Partriziersaales auszumachen (Quelle: wie oben).

    Blick von der Südseite der Langenstraße in das Trümmergrundstück. Das besagte Giebeldreieck der Rückfront des Haupthauses scheint mittlerweile in den Trümmerberg gestürzt zu sein, jedenfalls ist es nicht mehr erkennbar. (Quelle: wie oben).

    SIC TRANSIT GLORIA MUNDI !


    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (7. September 2018 um 14:11)

  • Wiederaufbau


    1. Baustufe

    Nach Beräumung des Trümmerberges 1946 waren von der originalen Fassade nur die Kellerfenster und Teile der Utlucht-Sockel in situ erhalten. Bei der Enttrümmerung konnten jedoch so viele Fragmente der Fassade geborgen werden, daß ein Wiederaufbau der kompletten Fassade möglich schien. Auf den an Ort und stelle verbliebenen Bauteilen wurde zunächst aber eine notbehelfsmäßige, provisorische Baracke (unbekannter Verwendung) errichtet.

    1956 begann man mit dem Wiederaufbau, der zunächst auch eine Fassaden-Rekonstruktion beinhaltete. Ausgeführt wurden allerdings nur die Utluchten und die Türumrahmung.

    Konsolen für die Utluchten.

    Die ergänzte Baudatierung von der östlichen Utlucht.

    Aus - mir - unerfindlichen Gründen wurde noch vor Vollendung der vollen Höhe der Utluchten und somit unter Verzicht auf den Einbau des aus den Trümmern geborgenen Oculus-Fensters, die Rekonstruktion der Fassade eingestellt. Man baute in 'zeitgenössischer Sachlichkeit' weiter. Heraus kam dabei die folgende 'Melange':

    In dieses Gebäude zog wieder ein 'Essighaus' benanntes Restaurant ein. Ob die hier eingebauten geschnitzten Brüstungsflächen von der ehemaligen Galerie des historischen Hauses stammen, scheint möglich, kann aber von mir nicht abschließend beurteilt werden.

    Blick nach Süd, in Richtung Eingang an der Langenstraße. Die große hohe Fensterfront rechts wurde durch den Verzicht auf den Wiederaufbau des Nachbarhauses überhaupt erst möglich. HIer befand sich im historischen Gebäude die hohe Westwand der Diele mit der 'Gebäude-Chronik' von Arthur Fitger.

    Ob das große Schiffsmodel aus der Diele des Vorgängerbaus stammt - dort hing ja ein solches vor dem hohen Fenster zum Innenhof -, vermag ich nicht zu sagen.


    Schrägansicht der Diele in Richtung Eingang an der Langenstraße und großem - ahistorischem - Westfenster.

    Der neue Patriziersaal im Obergeschoß des Vorderhauses.

    Das neue Barockzimmer. Vermutlich im - teils über den Krieg geretteten - Hintergebäude.

    Das neue Bauensemble von Außen - vor der 1971 erfolgten Vereinigung mit den beiden Nachbarhäusern zur Rechten.

    2. Baustufe

    1971 wurde - unter Verwendung von Zierrat des rückwärtigen Giebels vom am Domshof abgebrochenen ehemaligen 'Caesar'schen' Hauses - die Fassade umgestaltet und der bis heute bestehende Außenzustand geschaffen . Seit 1972 nutzt ein Bankhaus das Gebäude. Die große Diele des Nachkriegsrestaurants scheint größtenteils unverändert zu sein.


    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (5. September 2018 um 13:24)

  • Ich dachte stets, das Essighaus sei bis auf die Utluchten zerstört worden. Dass allerdings selbst diese bis auf Bodenniveau zerstört waren, war mir nicht bewusst. Insofern muss man ja fast schon von einer großartigen Wiederaufbauleistung sprechen, betrachtet man das Erdgeschoss inkl. Utluchten. Wie hoch ist denn der Anteil an originalen Fragmenten der originalen Fassade im heute sichtbaren Erdgeschoss?

  • Sehr geehrter Grimminger,

    das ist eine sehr gute Frage, auf die ich Ihnen leider keine fundierte Antwort geben kann. Auf jeden Fall beinhaltet die Baudatierung historisches Material - siehe das obige Bild.
    Aber ich denke, daß diese Frage in den nächsten Jahren von der Denkmalpflege aufgearbeitet werden wird.

  • Schöne Grüße aus Macao...

    Bei dieser Diskussion werde ich innerlich wirklich furchtbar hin und her gerissen. Beide Positionen haben jeweils so Viel für sich. Und ich möchte hier keine wertgeschätzten Freunde düpieren. Einig sind wir uns Gott sei Dank ja alle darin, daß die Rückkehr des Essighauses, in wie vielen Etappen auch immer, einen großer Gewinn für die Altstadt darstellt. Ich kann wiederum nur ein Lanze für den Pragmatismus brechen, der - sofern nötig - auch über unsere eigenen Generationen hinausgehen kann. Wilhelm von Boddien, wenn es nicht vermessen erscheint, sich diesen großen Mann als Vorbild zu nehmen, hat jetzt die drei Barockfassaden, den Schlüterhof und die Kuppel zurückgeholt. Zukünftige Generationen können dann Innenräume und Ostfassade angehen. Warum also, sollte man nicht auch in Bremen derartig schrittweise vorgehen. Bei den jeweiligen Schritten muß man dann aber ganz konsequent sein, daß heißt hier: Keinen 3 D Druck, sondern klassischer Werkstein. Und wenn erst einmal - wie in Macao - die spätestens seit 1900 für Bremen ja ikonische Fassade wieder steht, dann kann man weiter sehen.

  • Als Einstieg nochmal die vorhandenen Visualisierungen (Quelle für alles: Weserkurier):

    Es wäre schon viel erreicht, wenn man bei der Seitenfassade auf zur Schaufassade passende Geschosshöhen achten würde. Dann wäre das Missverhältniss zwischen Vorderfassade und Hinterbau besser aufgelöst. Zudem würde sich dann vielleicht in Zukunft eine zumindest teilweise Rekonstruktion von Innenräumen ermöglichen, wenn daran einmal Interesse besteht, z.B. durch neue Nutzungen.

  • Mir sagt die detailliert kritische Bewertung von "Riegel" am ehesten zu, er schreibt mir quasi
    aus der Seele.

    Seelenverwandtschaft halt :) .


    Letzteres erscheint wie aus der Straßenfront rückstandslos herausgeschnitten. (Quelle: wie oben).

    Wenn man bedenkt, wie filigran die Tragstruktur vor allem auf der Höhe der Utluchten war, und diese das Gewicht der massiven Obergeschosse zu tragen hatte, verstehe ich den Totalschaden.


    Von jemand wurde ein Vergleich mit der Weseler Rathausfassade angestellt, den ich nicht mal unpassend finde. Dort wurde aber bewusst eine massive, sich selbst tragende Fassade vor eine postmoderne Häuserzeile gestellt. Ein Abbruch stand dort nicht zur Disposition; auch ergab sich keine Ecksituation, sodass mindestens dieses Problem nicht auftrat. Eine Weiterführung jener Rekonstruktion ist für künftige Generationen somit möglich.

    Genau gleich verhält es sich auch mit der Pellerhof-Hinterhausfassade in Nürnberg.

    Ein Vergleich sei auch angestellt mit dem Braunschweiger Schloss. Dort wurde die historische Fassade unter Verwendung vieler Spolien vor einen Mehrzweckbau mit kulturellen Einrichtungen, Einkaufscenter und Parkhaus gesetzt. Viele Spolien wurden in der Tiefe abgefräst, weil die neue Fassade nicht in voller Tiefe gemauert wurde. Fassade und Nutzung des Innern haben nichts gemeinsam, was beim Berliner Stadtschloss mit der Nutzung als Humboldt-Forum besser gelöst ist. Der Braunschweiger Lösung kann ich nichts abgewinnen - genau wie ich mich nicht mit der vorgesehenen Lösung in Bremen anfreunden kann (nicht in Bezug auf die Spolien, sondern wegen der Nutzung und auch städtebaulich). Für viele Generationen ist jetzt in Braunschweig ein unbefriedigender Zustand zementiert.


    Faszinierend fand ich beim ursprünglichen Essighaus die Lichtführung des sehr schmalen und tiefen Grundstücks mit dem Lichthof. Gerade auf den Fotos der Gastwirtschaft sieht man die Wirkung des Lichthofes auf die Räumlichkeiten - weniger des Lichteinfalls wegen, sondern viel mehr der unbewussten Wahrnehmung, überhaupt neben einem Fenster zu sitzen. Solche Lichtführungen wären heute noch realisierbar, aber für die meisten Leute unvorstellbar. Somit möchte man jetzt möglich viele Fenster auf der Seitenfassade realisieren, was auch verständlich ist.

    Wäre es nun nicht ein Kompromiss, so wie es Heimdall vorschlägt, mindestens eine vernünftige Raumtiefe im Rohbau (inkl. Dachform) der zu rekonstruierenden Vorderfassade anzupassen? Und beim entsprechenden Teilbereich der Seitenfassade keine (oder mindestens ein kleines Eckfenster) zuzulassen? Somit bestünde dereinst die Möglichkeit, Jahre später Teile der Innenräume zu rekonstruieren - so wie es beim Berliner Stadtschloss für einzelne Räume schon vorgesehen wurde. Quadratmetermässig würde so kein nennenswerter Verlust bei den Vollgeschossen entstehen, und für das Stadtbild würde eine gute Gesamtwirkung erreicht.

  • Ein Vergleich sei auch angestellt mit dem Braunschweiger Schloss. (...) Fassade und Nutzung des Innern haben nichts gemeinsam, was beim Berliner Stadtschloss mit der Nutzung als Humboldt-Forum besser gelöst ist.


    Das stimmt allerdings nicht ganz. Im Gegensatz zum Berliner Stadtschloss wurden in Braunschweig einige Räume teilrekonstruiert und für ein Museum zur Geschichte des Schlosses genutzt. Insofern haben hier die Fassade und die Nutzung im Inneren eigentlich mehr mit der Historie zu tun als in Berlin.

    https://www.schlossmuseum-braunschweig.de/
    (siehe unten: Rundgang mit Bildern)