• Sehr geehrter Niederlander,

    in der Tat war ich mir mit der Identifizierung nicht ganz sicher, was ja auch in der Formulierung 'künstlerische Freiheit beim Turmhelm' zum Ausdruck kam. Danke für diese wichtige Korrektur. Ich hatte insgeheim tatsächlich auf Ihre Expertise gehofft ! Schön, daß diese so umgehend eingetroffen ist !

  • Reko-Desiderat in Reko-Desiderat: Der Haringpakkerstoren


    'Dascha n'Ding' sagt der alteingesessene Bremer, der noch das überkommene 'Missingsch' aus Platt- und Hochdeutsch spricht, wenn er seinem Erstaunen Ausdruck verleihen will, über etwas Unvorhergesehenes.

    Ich tue dies jetzt auch und zwar deshalb, weil ich es bemerkenswert finde, daß auf dem Gemälde aus dem Kanthor (jetzt in der Empfangshalle) - dank 'Niederländers' Aufklärung wissen wir das nun alle - ein Rekonstruktions-Wunsch vieler Amsterdamer zu sehen ist. Und das Abbild dieses Projektes hängt nun in einem Bremer Wiederaufbauvorhaben.
    Faszinierend !

    Abbildung 01
    Vergleich eines Gemäldes von Jacobus Storck, welches den Haringpakkerstoren zeigt, mit dem Gemälde aus dem Essighaus.

    Abbildung 02
    Leuchtende Draht-Visualisierung eines wiederaufgebauten Harringpakkerstoren.

    Abbildung 03
    Luftbild welches die Lage des verschwundenen Turms an der dem Mantelbaanstoren entgegengesetzten Ecke der Amsterdamer Innenstadt zeigt.


  • Vorbild Heinrich Bömers


    - Essighaus als ‚national-bremische Pflicht’-


    Als der ‚Essig- und Liqueur-Fabrikant’ Heinrich Rasch gegen 1893 mit den Emissären des South-Kensington Museums über den Verkauf der Fassade seines Hauses an der Langenstraße verhandelte und der Bremer Architekt Albert Dunkel, sowie die Rohland-Stiftung einen erfolgreichen Abschluß dieser Gespräche zu verhindern suchten, aber nicht über die dafür nötige, volle Höhe des von Rasch geforderten Kaufpreises verfügten, sprang das Weinhandelshaus Reidemeister & Ulrichs mit seinem Chef Heinrich Bömers ein und verhinderte so die Abwanderung dieser köstlichen Architektur nach London.

    Heinrich Bömers (1864 -1932), war seit 1887 Chef der von seinem Vater ererbten Firma, die sich unter seiner umsichtigen Leitung zu einem der führenden deutschen Weinimport-Unternehmen entwickelte. Ähnlich wie bei der Firma Tesdorpf in der Schwesterstadt an der Trave, war man auch bei Reidemeister & Ulrichs auf die Pflege französischer Weine und insbesondere auf deren Ausreifung zum hansischen (Bremer, Lübecker) Rotspon spezialisiert.

    1909 wurde Heinrich Bömers auf Lebenszeit in den Senat gewählt (so war dies bis 1918 üblich), welchem er, mit lediglich kurzer Unterbrechung durch die Bremer Räterepublik im Februar 1919 (die ihn im Ratskeller einkerkern ließ), bis 1931 und damit bis nur wenige Monate vor seinem Tode, ununterbrochen angehörte.

    Als Reichspräsident Paul von Hindenburg 1928 zur Taufe der späteren ‚Königin der Meere’, der unübertroffenen und legendären vierten ‚Bremen’ des Norddeutschen Lloyd- wenn die Bremer von ‚der’ Bremen sprechen, ist fast immer dieses unvergessene Schiff gemeint -an der Weser weilte, übernachtete der Generalfeldmarschall nach dem Staatsbankett im Bremer Rathause in der Villa von Senator Bömers an der Holler Allee. Diese Villa steht heute noch, schräg gegenüber der neuen St. Ansgarii Kirche !

    Senator Bömers gehörte zweifelsohne zu den großen ‚königlichen Kaufleuten’ Bremens und wird gerne in einem Atemzug mit H.H. Meier (Gründer des Norddeutschen Lloyd), Franz Schütte (Internationaler Ölkaufmann und größter Mäzen Bremens), Heinrich Wiegand (Generaldirektor des NDL in den Zeiten des Kopf an Kopf Rennens mit Albert Ballins Hapag) und Ludwig Roselius (Gründer von Kaffee HAG und Initiator der Böttcherstraße) genannt.


    Wie nun seine Firma mit dem‚Essighaus’ umging, ist aus den folgenden beiden Buch-Auszügen zu ersehen:

    - Löbe, Karl: Weinstadt Bremen. 1000 Jahre Umgang mit Wein. Bremen 1981: Verlag Heinrich Döll & Co., S. 140,142.


    - Meyer, Hanns: Gastliches Bremen. Von Gästen und Gastereien, von Gasthöfen und Lustbarkeiten im Wandel der Zeiten. Bremen 1959: Verlag H.M. Hauschild, S. 158 - 160


    Abbildung 01

    Bericht in der ‚Deutschen Bauzeitung’ über den gerade noch abgewendeten Verkauf der Fassade.


    Abbildung 02

    Bremer Adressbuch für das Jahr 1895. Eingekastelt ist die Langenstraße Nr. 13. Eigentümer des Gebäudes ist noch Heinrich Rasch.


    Abbildung 03

    Die Entwicklung der Adreßbucheinträge von 1896 bis 1898, sozusagen von ‚Heinrich (Rasch) zu Heinrich (Bömers)’, auch wenn der Letztere natürlich nicht als Eigentümer erscheint.


    Abbildung 04

    Firmensitz von Reidemeister & Ulrichs ‚Auf der Brake’ in der Nähe des Hauptbahnhofes.


    Abbildung 05

    Luftbild der Holler Alle. Die neue St. Ansgarii Kirche und die Villa von Senator Bömers sind gekennzeichnet.


    Abbildung 06

    Villa Bömers in ihrem heutigen Aussehen. Hier nächtigte Reichspräsident von Hindenburg nach der Taufe des Dampfers Bremen im Jahre 1928.


    Und weil es so schön war, hier nochmals der Kernsatz, der die Beziehung von Senator Bömers zum Essighaus so treffend und – auch für unsere Zeit vorbildhaft – charakterisiert:


    2 Mal editiert, zuletzt von Pagentorn (2. Oktober 2018 um 21:11)

  • R. Thiedes ‚Reisestudien'


    R. Thiede hat seinen bei der Dr. Rokotnitz GmbH in Berlin-Schöneberg gedruckten ‚Reisestudien’ auch zwei Blätter mit Detailansichten des Bremer Essighaus-Giebels mitgegeben. Diese sind von ihm am 26. und 27. April 1907 gezeichnet worden, also ungefähr zehn Jahre nach der Sanierung der Fassade durch Albert Dunkel. Interessant dabei sind die genauen Maßangaben sowie die Profilansichten. Ein drittes Blatt zeigt im Übrigen die Gesamtansicht der Fassade.

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (2. Oktober 2018 um 21:11)

  • Langenstraße Nr. 12


    Das historisch die Nummer ‚12’ tragende Nachbarhaus zur Rechten des Essighauses war mit seiner schlichten, sich selber zurücknehmenden Fassade die ideale ‚Folie’, um das Juwel der Nummer 13 erst richtig strahlen zu lassen. Dennoch gab es mit seinen dezenten Giebelkanten – auf denen ursprünglich auch kleine Obelisken gestanden haben mögen – zu erkennen, daß auch seine Frontseite der Weser-Renaissance entstammte. Es lag insofern eine Symbiose zwischen den beiden Fassaden und Giebeln vor. Leider wird mit dem Vorhaben (gemäß dem aktuellsten [?] Entwurf von Miller & Maranta), den verballhornten Giebel der Sonnen-Apotheke direkt rechts neben den des Essighauses zu setzten, diese harmonische Tradition nicht wieder aufgegriffen. Denn der Giebel der ‚Sonne’ ist selbst sehr anspruchsvoll und dominant. An der Ecke zur Großen Waagestraße bildet eben dieser Straßeneinschnitt eine ausreichende Zäsur, um der Stadtwaage nicht ins Gehege zu kommen und selber bestehen zu können. Es wäre insofern zu begrüßen, wenn man die ‚Sonne’ – entverballhornt und mit ihrem historischen, für die Markt geplanten Unterbau – an ihrer jetzigen Stelle belassen würde und auch nicht den modernen Rasterbau zwischen diese und das Essighaus setzten, sondern die schlichte Fassade der Nr. 12 rekonstruieren würde !

    Im Übrigen machte sich die 1912 von Rudolf Alexander Schröder vorgenommene und die Nr. 12 einbeziehende Erweiterung des Essighauses auch an der Fassade der Ersteren bemerkbar: Durch den Umbau wurden die Fenster im 2. und 3. Obergeschoß zusammmengefaßt – wohl ähnlich wie die dahinterliegenden beiden Etagen. Vermutlich weil in die Nr. 12 nicht etwa weitere Restaurant-Räumlichkeiten (dies wäre wohl auch wegen der unterschiedlichen Geschoßhöhen schwierig gewesen), sondern Wirtschaftsräume, wie die Küche und die Wohnung des Restaurantpächters untergebracht wurden. Ich denke die Wohnung dürfte hinter der neuen – höheren – Fensterreihe gelegen haben. Der Umbau machte sich aber dennoch auch in den Gasträumen des eigentlichen Essighauses bemerkbar: So verschwand die ursprünglich neben der Haupttreppe im hinteren Teil der ‚Diele’ befindliche Theke für den Weinausschank – möglicherweise wurde bis 1912 im Essighaus gar nicht gekocht, sondern nur der Edle Tropfen kredenzt , wozu man ja keine eigene Küche benötigt hätte – und wurde ins Nachbarhaus verlegt. Wo der Durchbruch zu Letzterem lag war noch nicht zu eruieren.

    Abbildung 01

    Die Fassade der Nr. 12 links vor und rechts nach dem Umbau 1912 durch Rudolf Alexander Schröder. Man erkennt die reduzierte Etagenzahl am Wegfall einer ganzen, ehedem eigenständigen Fensterreihe im 3. Obergeschoß.

    Abbildung 02

    Wegfall der Schank-Theke im hinteren Teil der Diele (grün eingekreist) und Ersatz derselben durch weitere Tische für die Gäste.

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (3. Oktober 2018 um 11:06)

  • Manchmal sieht man doch den Wald vor lauter Bäumen nicht…

    Denn auf dem – hier mittlerweile schon mehrfach eingestellten – Bild vom hinteren Teil der Diele, ist doch tatsächlich eine schräg offen stehende Tür (gelb eingekreist) in der östlichen Außenwand, des Essighausese zu sehen. Diese unterbricht dort die Wandvertäfelung und führt in die Wirtschaftsräume (Küche, Lager, Weinkeller, etc.) in der Langenstraße Nr. 12.
    (Auf dem Grundriß erscheint die Tür natürlich nicht, da dieser aus dem Jahre 1900 datiert und damit zwölf Jahre älter ist, als der mit dem Umbau einhergehenden Durchbruch.)

  • Das langgestreckte 'Essighaus' aus der Luft


    Der langestrechte 'Vordertrakt' des Essighauses (Viele würden hier unter Außerachtlassung des Zwischenflügels und des mittelalterlichen 'Steinernen Hauses' vom eigentlichen 'Essighaus' im engeren Sinne sprechen) mal aus verschiedenen Blickwinkeln 'von oben' betrachtet.

    Von Nord - von der Südseite der Obernstraße aus:

    Von Süd - von einem Dach an der Südseite der Langenstraße aus:

    Von West:

    Von Ost - schon mit Kriegszerstörungen in der unmittelbaren westlichen Nachbarschaft:

    Von einem der Türme des St.Petri Doms aus:

    Der Vergleich offenbart: Gegenwärtig wäre das Essighaus vom Turm des St. Petri Doms aus nicht mehr zu erkennen...

  • Ein Nobelpreisträger im Essighaus ?

    Möglicherweise liegt es ja an der spezifischen Verbindung, die Bremen seit jeher mit der Schwesterstadt an der Trave verband (so war z.B. der Lübecker Bischof immer Suffragan des Bremer Metropoliten gewesen und ein wichtiger Bürgermeister Bremens zur Jahrhundertwende, Alfred Dominicus Pauli, entstammte einer in Lübeck verwurzelten Familie), daß mir, wenn ich an den im Essighaus zum Ausdruck kommenden Kaufmannsgeist denke, auch sehr bald die ‚Königin der Hanse’ in den Sinn kommt. Es ist eine Ähnlichkeit im Atmosphärischen, die man so bei der großen Konkurrentin an der Elbe nicht antrifft.

    Deshalb mag es auch nicht verwundern, daß einem beim Lesen von Bernhardine Schulze-Smidts ‚Demoiselle Engel’ immer auch als Vergleich die Buddenbrooks zur Seite stehen.

    Vor diesem Hintergrund stellte sich mir die Frage, ob vielleicht Thomas Mann selber einmal in Bremen und sogar im Essighaus gewesen ist und hier ebenfalls diese ‚Verwandtschaft’ gespürt hat ?

    Nun, Tatsache ist, daß Thomas Mann Bremen zweimal in seinem Leben besucht hat. Das erste Mal hielt er sich vom 11. bis 13. Oktober 1925 an der Weser auf (er wohnte mit seiner Frau Katja im Hotel Hillmann am Herdentor), um in der Buchhandlung v. Halem an der Schleifmühle aus seiner Novelle ‚Unordnung und frühes Leid’ vorzutragen. Außerdem wollte er seiner Tochter Erika die Ehre geben, die als Schauspielerin ein Engagement am Bremer Staatstheater hatte. Während dieses Besuches war auch eine Besichtigung der Stadt vorgesehen (siehe: Heißener, Dirk: Thomas Mann in München IV. Vortragsreihe Sommer 2006. Thomas Mann Schriftenreihe Band 7. München 2006: peniope. S. 196). Zeit für eine Einkehr im damals schon altberühmten Essighause wäre da allemal gewesen. 1928 kam der spätere Nobelpreisträger dann nochmals im November oder Dezember nach Bremen. Auch während dieser Aufenthalte hätte er es König Albert von Sachsen und Sigmund Freud gleich tun und ein Essen im ‚Alt-Bremer-Hause’ einnehmen können.

    Zwar wird er seine ‚Schwester im Geiste’, Bernhardine Schulze-Smidt, nicht mehr haben antreffen können, da diese bereits 1920 verstorben war, aber er hätte sich dennoch Gedanken darüber machen können, an was in Lübeck das Essighaus ihn wohl erinnern würde. Ich denke, das Äußere des Gebäudes und auch die Diele im Erdgeschoß wird ihn sehr an das ihm vertraute – und ja auch in den Buddenbrooks verewigte – Weinhandelshaus Tesdorpf in der Mengstraße gemahnt haben, während die Festräume in den Obergeschossen, insbesondere das Rokoko- und das Barkockzimmer schon sehr starke Anklänge an das Landschafts- und das Götterzimmer des großelterlichen Hauses bei ihm hervorgerufen hätten. Man kann sich Thomas Mann jedenfalls sehr gut mit einem Glas Wein in diesem Rahmen vorstellen. Er hätte dort wirklich hineingepaßt...

    Wenn sich dies verifizieren lassen könnte, dann würde Bremen zukünftig nicht bloß einen Teil des Nachlasses von Günter Grass in der Stadtwaage verwalten, sondern im von Dr. Jacobs ein paar Häuser weiter westlich wiederaufgebauten Essighaus-Ensemble, auch eine Erinnerungsstätte an den Schöpfer der Buddenbrooks haben. Ein reizvoller Gedanke !

    Abbildung 01

    Buchdeckel der ‚Buddenbrooks’ und von ‚Demoiselle Engel’. Man beachte die ähnliche Machart.


    Abbildung 02

    Das Buddenbrookhaus, Thomas Mann, Bernhardine Schulze-Smidt, das Essighaus.


    Abbildung 03

    Die hohe schmale Form des Essighauses, mit seinen aufstrebenden vertikalen Fensterfronten im Erdgeschoß erinnert – trotzt des anderen Baustils: Renaissance und nicht Gotik – strukturell doch schon sehr an das Haus Tesdorpf in der unteren Mengstraße. Auch der straßenräumliche Kontext erscheint sehr ähnlich. Selbst das Ziel der Straßen ist ähnlich: In Lübeck die mächtige Marienkirche, in Bremen der St. Petri Dom.


    Abbildung 04

    Thomas Mann mit einem Glas Wein im Rokoko-Zimmer des Essighauses. Eine nicht undenkbare Vorstellung…


  • Kleine Korrektur: Das von Ihnen in Abbildung 03 gezeigte Tesdorpf-Haus Mengstraße 64 in Lübeck ist mitnichten gotisch, sondern entstammt ebenfalls der - wenn auch frühen - Renaissance (um 1544) - erkennbar an den fehlenden vertikalen gotischen Hochblenden und stattdessen zu sehender geschossweiser horizontaler Fassadenteilung. Dennoch unterscheidet sich die zurückhaltende lübsche Bauweise natürlich deutlich von der geradezu überbordenden bremischen.

    Lûbeke, aller Stêden schône, van rîken Êren dragestu de Krône. (Johann Broling, Lübecker Kaufmann und Ratsherr, um 1450)

  • Sehr geehrter frank1204

    Vielen Dank für Ihren hilfreichen Hinweis !

    Als Dankeschön an Sie noch zwei vergleichende Bilder, welche die die von mir angesprochene große Ähnlichkeit im Atmosphärischen illustrieren sollen. In beiden Fällen sind ‚hintere Dielen’ zu sehen. Links in der Langenstraße Nr. 13, rechts in der Mengstraße Nr. 64 (Tesdorpf). Diese großen ‚Fenster zum Hof’ verströmen ein ganz besonders ‚hansisches’ Flair…

  • In meinem "Archiv" habe ich noch einen kleinen Artikel gefunden, der quasi die beiden Stränge Balgequartier und Ansgariikirche verbindet. Auf der Zeichnung sieht man rechts vom "Spitzen Gebel" (wenn ich es richtig interpretiere) - ein Gebäude, das heute noch steht - die Balge lang fließen sowie die Ansgariikirche im Hintergrund. Alles sehr idyllisch. Es wäre schön, wenn man Teile der Balge wieder aufleben lassen würde - sicher mit verändertem Lauf, könnte doch der Eindruck früherer Jahrhunderte wieder erkennbar werden.

    Der Artikel wurde nach meiner Erinnerung mal von den Stadtwerken Bremen herausgegeben(deshalb die Überschrift: "Entsorgung gestern"). Man beschäftigte sich damit, wie - am Beispiel Balge - früher die Entsorgung funktionierte. Das stank wohl alles sehr zum Himmel. Auf diesem Teil einer neuen Balge könnte man aber getrost verzichten. Wir brauchen natürlich keine Geruchsrekonstruktion - obwohl, olfaktorische Geschichtsvermittelung, dass hätte schon was.

    3 Mal editiert, zuletzt von findorffer (11. Oktober 2018 um 12:05)

  • Essighaus und Ostasiatischer Verein

    Sehr geehrter findorffer,


    wenn auch das Essighaus nicht direkt an der Balge stand, so ist es doch sehr schön, daß Sie mit dem eingestellten Bild vom letzten bis heute erhaltenen gotischen Profangiebel der Stadt die Brücke geschlagen haben zwischen dem nach diesem Flüßchen benannten neuen Quartier und St. Ansgarii ! Ein Verbindung ganz anderer Art wurde einst im Essighaus institutionalisiert. Hier gründete sich nämlich im Jahre 1901 der Bremer ‚Ostasiatische Verein’; sozusagen von den - durch die da schon kanalisierte Balger hervorgerufenen -olfaktorischen Irritationen hin zu den Wohlgerüchen des Fernen Ostens.

    Wer weiß, vielleicht gelingt es ja, den Verein als Unterstützer für den Spellenberg-Plan ins Boot zu bekommen...

    Anliegend das von Arend Vollers verfaßte Kapitel über das ‚Vereinslokal’ Essighaus aus der Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum des Vereins.




  • Der ‚Spiegelsaal’ des Essighauses


    Daß auch das Bremer Essighaus einen ‚Spiegelsaal’ besaß, ist heute weitestgehend vergessen – mir war er bisher auch nicht geläufig. Da dieser stilistisch die Handschrift Rudolf Alexander Schröders trug, dürfte er 1912 eingerichtet worden sein. Seine Lage gibt noch Rätsel auf: Die drei Fenster auf der linken Seite (daß dritte ist hier nur noch durch den Ansatz seines Gardinenbretts erahnbar) könnten darauf hindeuten, daß sich der Spíegelsaal oberhalb des Rokoko-Zimmers befand. Allerdings hatte man dort bisher das Barock-Zimmer verortet. Was eine derartige Lage unwahrscheinlich macht, ist die größere Breite des Spiegelsaals im Vergleich zu Rokoko-Zimmer und darunter liegendem 'Eßzimmer'. Daher spricht eigentlich mehr für eine Lokalisierung des Spiegelsaals im von Schröder umgebauten Nachbarhaus Nr. 12. Bis zur Einsichtnahme in die im Staatsarchiv Bremen lagernden Bauakten wird all das aber vorläufig nur Spekulation bleiben.

  • Innenräume des Essighauses 2018

    @RaHaHe

    Ich bin heute im Essighaus gewesen und habe in der Diele fotografieren dürfen. Mit Ausnahme der Auslegeware, der Deckenlampe sowie dem Sitz-Mobiliar ist diese im wesentlichen noch unverändert. Lediglich der der Diele vorgelagerte Windfang hat jetzt - im Gegensatz zu 1972 - durchgängig eine Verglasung nach Norden hin. An bisher noch nicht bekannten Bau-Spolien waren drei Zier-Fenstersäulen aus dem ehemaligen Dunkel'schen Eßzimmer im Zwischenflügel und eine der gedrungenen Säulen von der Südwand des alten Patriziersaals zu entdecken. Beeindruckend ist die - wie bereits schon 1972 - weiß gefaßte Brüstungsschnitzerei des Hängewerks. Die hinteren Räumlichkeiten und auch die Säle in den Obergeschossen konnte ich nicht einsehen. Diese sind heute reine Büroräume und von der gediegenen Nachkriegsausstattung soll nichts mehr vorhanden sein. Meine Nachfrage bezüglich der querformatigen Wandgemälde mit den Szenen aus dem Amsterdamer Hafen ergab, daß diese im Hause nicht mehr bekannt sind.
    Meine Bitte um Erlaubnis einer Veröffentlichung meiner Fotos hier im Forum wurde abschlägig beschieden. Ich werde da aber noch einmal nachhaken.

  • Ein Juwel im Dornröschenschlaf


    - Durchlässigkeit Teil IV -

    Der ganz überwiegenden Zahl der Bremer dürfte unbekannt sein, daß der historische Nordausgang des Essighauses immer noch existiert ! Auch mir war bisher nicht geläufig, daß das von Professor Seedorf (Seedorf: Alt-Bremer-Haus. Essig-Haus. Historischer Rückblick und Beschreibung. Bremen o.J., S. 24) einst beschriebene Portal mit seiner Inschrift die Zeitläufe des 20. Jahrhunderts anscheinend unbeschadet überstanden hat. Ebenso gibt es den zu diesem hinführenden Gang noch, auch wenn dieser keine Gasse unter freiem Himmel, zwischen zwei Häusern mehr ist. Für den unaufmerksamen Zeitgenossen bildet er nämlich lediglich den Hausflur des Büro- und Geschäftshauses Obernstraße 26 – 28, welcher zu der, die oberen Etagen erschließenden Wendeltreppe führt. Am Ende dieses sehr langen und schmalen ‚Flures’ gabelt sich der Weg: Nach rechts geht es zur Treppe. Nach links gelangt man an eine verschlossene schmiedeeiserne Pforte. Man kann zwar durch diese hindurchschauen, aber was sich dahinter befindet, liegt im Halbdunkel und dürfte von den meisten Besuchern des Hauses nicht weiter beachtet werden. Das Blitzlicht ‚erhellt’ im buchstäblichen Sinne die Situation: Das Gebäude Obernstraße 26 – 28 schließt zwar von Norden her direkt an das ‚Steineren Haus’ an – allerdings nicht in voller Höhe. Wenige Schritte südlich der Pforte endet das ‚Vorderhaus’ und geht in einen niedrigeren Anbau über, der die Verbindung zum ‚Hinterhaus’ des Essighauses herstellt. Oberhalb des Flurendes ist der Anbau der Nr. 26-28 sogar noch um mindestens ein Geschoß niedriger als der übrige Anbau, sodaß eine hofartige Siuation entsteht, die durch eine Rasterdecke spärliches Tageslicht hereinströmen läßt. Blickt man durch diesen ‚Raum’ nach Süden so entdeckt man an der nördlichen Außenwand des ‚Steinernen Hauses’ ein Rundbogenportal, welches in gewisser Weise mit der schmiedeeisernen Pforte korrespondiert. Die Portalwandung ist eindeutig alt. Inwieweit dies auch auf die umgebende, dunkelbraun gestrichene Putzfläche zutrifft ist schwer zu sagen. Aber das dahinter befindliche Mauerwerk dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit mittelalterlich sein. Ja, und oberhalb des Portals befindet sich nun tatsächlich immer noch die von Professor Seedorf ehedem genannte Inschrift:


    DIS HAUS HAT DIE GERECHTIGKEIT DES GANGES

    Mir ist bisher keine Publikation über das Essighaus oder generell über die Bremer Altstadt bekannt, in der dieses Portal oder die Inschrift jemals fotografisch abgebildet worden wäre ! Beide haben somit hier im Forum ihre ‚Premiere’ !

    Ob der Gang (bzw. der Flur) seit der Wiedereröffnung des Restaurants nach dem Krieg wieder als Zuwegung von der Obernstraße aus gedient hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Spätestens mit der Übernahme des Essighauses durch das Bankhaus Martens & Weyhausen dürfte er aber dauerhaft für den Publikumsverkehr geschlossen worden sein.

    Da das ‚Steinerne Haus’ ja selbst nach den Planungen der Architekten Miller & Maranta erhalten bleiben soll, wäre es Dr. Jacobs wirklich anzuraten, diese Passage wieder für die breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Durchlässigkeit des Balgequartiers würde dadurch mit Sicherheit gewinnen ! Dieses Portal ist einfach ein Juwel im Dornröschenschlaf, welches es verdiente ‚wach geküßt’ zu werden…


    Abbildung 00

    Das an der Obernstraße gelegene nördliche Gangende während der Kriegszeit.

    (Bildquelle: Online Kriegsschadensdokumentation des Staatsarchivs Bremen)


    Abbildung 01

    Obernstraße nach Osten mit Blick auf Rathaus und St.-Petri Dom. Der Eingang des Büro- und Geschäftshauses Nr. 26 – 28 aus der Nachkriegszeit ist mit einem grünen Pfeil markiert.

    Abbildung 02

    Der unscheinbare Eingang zu den Büroetagen des Hauses Nr. 26 – 28 zwischen den beiden Ladenlokalen.

    Abbildung 03

    Blick von der Haustür in den langen Flur hinein.

    Abbildung 04

    Blick auf die ‚Gabelung’. Rechts: Wendeltreppe, Links: verschlossene Pforte.

    (Foto: Angela Podbielski)

    Abbildung 05

    Die schmiedeeiserne Pforte und das Oberlicht.

    (Foto: Angela Podbielski)

    Abbildung 06

    Blick durch die Pforte.

    (Foto: Angela Podbielski)

    Abbildung 07

    Der historische Nordausgang des Essighauses in der Nordwand des ‚Steinernen Hauses’.

    (Foto: Angela Podbielski)

    Abbildung 08

    Die auf das ‚Wegerecht’ bezogenen Bauinschrift.

    (Foto: Angela Podbielski)

    Abbildung 09

    Die einschlägige Textpassage bei Seedorf.

    Abbildung 10

    Zusammenschau von Flur und historischem Katasterplan.

    Abbildung 11

    Zusammenschau von historischem Grundriß und Foto des kleinen ‚Hofes’ an der Nordwand des ‚Steinernen Hauses’. (Foto Blick: nach Süd in Richtung Langenstraße).

    Abbildung 12

    Ungefähre Höhenlage der Nordtür; markiert an der Westwand des ‚Steineren Hauses’.

    Abbildung 13

    Nach Durchquerung des Nordportals und des Flures im ‚Steinernen Haus’ gelangte man zur Nordtür des Eßzimmers im Zwischenflügel, welche am Nordtreppenhaus des Essighauses gelegen war. Stieg man auf der Treppe eine Etage höher, so erreichte man die Nordtür des Rokoko-Zimmers, welche die folgende Abbildung zeigt.

    Abbildung 14

    Blick von der Nordtür nach Süd in das Rokoko-Zimmer hinein.

    Abbildung 15

    Umgekehrte Blickrichtung im Rokoko-Zimmer zur Nordtür.

    Einmal editiert, zuletzt von Pagentorn (15. Oktober 2018 um 22:15)

  • ...und Pagentorn ging zum Kleiderschrank, zog sich die Lederjacke über, befestigte sich die Peitsche am Gürtel, setzte den Fedora aufs Haupt und marschierte als Dr. Henry Walton Jones jr. in die Gänge des Hauses Obernstraße 26-28 und brachte der Menschheit verschüttet oder verschollen geglaubte Artefakte.
    ...oder wählte Pagentorn doch den Inverness-Mantel und die Deerstalker-Mütze?

    Wie auch immer. Diesen alten, historischen Teil des Essighauses habe ich so noch nie gesehen. Mir klopft tatsächlich ein wenig das Herz bei dem Anblick des (womöglich) erhalten (wiederaufgebauten?), historischen Portals bzw. Portalrahmens.

    Danke Pagentorn für diese meisterliche Detektivarbeit bzw. Archäologiearbeit.
    Dr. Henry Jones sr. und Sir Arthur Conan Doyle können Stolz auf dich sein.
    Und wir im Forum sind es auch - oder...?

    Klasse Leistung, Pagentorn.

    8o:P8o:D

    Einmal editiert, zuletzt von Jakku Scum (16. Oktober 2018 um 19:56)

  • Der Jacco Scum, der bläst ins Horn: es gibt nur einen Pagentorn
    Ich nehme es dem Scum nicht krumm, man kommt einfach nicht drum herum:
    der Pagentorn, der Pagentorn, der ist - ganz einfach - immer vorn.

  • Hört, Hört!!!
    Der findorffer läuft zu lyrischer Höchstform auf!
    Dafür gibt es von mir auch einen 8o und einen :biggrin: .

    Die kommende Nacht werde ich auch mal mit einem Goethe unter dem Kopfkissen einschlafen...vielleicht bewirkt das ja Wunder.... ^^

    Was ist eigentlich aus der Expo Real in München geworden? Waren dort ebenfalls wie am Sonntag (?!?) in der Obernstraße Dr. Jones oder Sherlock auf der Pirsch? Oder schlich vielleicht ein Pater Brown durch die Messehallen am ehemaligen Flughafen Riem?

    @ Exilwiener
    Wie ist es deinem Mitarbeiter auf der Expo Real ergangen? Hat er den Stand von HPE gefunden - oder gar das neue Modell des Essighauses bzw. des Balgequartiers?
    Ich konnte es leider nicht mehr genauer verifizieren, weil sich meine Quelle nicht mehr gemeldet hat. Und in meinem Urlaub wurde dann aus dem Hotspot ein Coldspot.
    Es ist schon bitter, wenn man in Zeiten von WLAN, Internet und Smartphones plötzlich wie Crusoe auf einer Insel ohne Netz, Steckdose und Elektrizität hockt. - Oder hat einer meine Rauchzeichen gesehen?
    Doch wofür gibt es Gesellschaftspiele? Da wird man glatt zum Lotti Karotti-Meister!
    Bitte Exilwiener, sprich mit uns und teile die Neuigkeiten mit - positive wie negative.