• Vielen scheint es doch zu gefallen , sonst hätten sich mehr Menschen für was schöneres an dieser Stelle eingesetzt ?!

    Ich glaube, das Motiv überschätzt man. Der größte Faktor ist wohl die Gleichgültigkeit. Es ist in Bremen nicht gelungen, Menschen für dieses Thema zu begeistern. Es fehlt einfach an den entsprechenden Strukturen und Vereinen, wie man es zum Beispiel in Dresden oder Nürnberg beobachten kann.

  • Vor den bekannten Hintergründen hier die Metapher vom "neuen" Essighaus ins Spiel zu bringen, bringt wiederum einige neue Metaphern in Spiel, von denen hier aber nicht alle wiedergegeben müssen. Was bleiben wird, ist aber eine tiefe Enttäuchung, eine schmerzhafte Ernüchterung, daß man am Standort eines der einst bedeutendsten Wahrzeichen Bremens für die Zukunft die Chance zu einer hier wirklich notwendigen Stadtreparatur bewußt verspielt... Wohnraum, für die, die es sich leisten können, Stadtreparatur findet nicht statt, ein Weiterbauen am einstigen Stadtorganismus ist nicht gegeben; und das ist leider alles sehr enttäuschend.

    Das ist so wahr und richtig, wir sind Zuschauer eines der schlimmsten Fehltritte der Nachkriegsgeschichte des Wiederaufbaus.

    Die Menschen heute stehen dem Ganzen gleichgültig gegenüber die kennen häufig ihre eigenen Städte nicht.

  • Wobei ich die Aufregung nicht ganz versteh. Klar sieht das hässlich aus, aber das träfe auch auf die DDner Neumarktbauten im Roh-Betonzustand zu. Hat sich denn das Endergebnis geändert? Sind denn die unten auf den Planen affichierten Renderings nicht mehr gültig?

  • Was bei diesem gepfefferten Giftstachel besonders schmerzlich ist, ist die Ahnung, daß es auch nicht das allergeringste Verständnis, nicht die allergeringste Sensibilität dafür gegeben hat, daß man mit diesem Standort ein Haus verknüpft, das zum größtmöglichen Tafelsilber der Stadt überhaupt zählte, eine wahre städtische Ikone war und eine Maßnahme an diesem Standort hier die Wahrnehmung einer ganzen Stadt beeinflußt. Wohlan. Wieder mal solche vollmundigen Sprüche wie "Vielfalt trifft Regionalität", "Hier entsteht Kultur" und weiteres sinnbefreites Blabla, das mit der gefühlten Halbwertszeit des neuen "Essighauses" linear geht. Frust, Enttäuschung und die Einsicht, daß nach den Erfahrungen der letzten 20 Jahre in dieser Stadt der Boden einfach nicht bereitet ist.

  • Der aktuelle Bauzustand lässt sicher schlimmes fürchten aber wenn es fertig ist und so aussieht wie in den Visualisierungen im Artikel unten geht es doch durchaus wie ich finde.


    Neues Essighaus ~ Balgequartier
    Die neue, transparent und filigran gestaltete Fassade im Stil des ursprünglichen Essighauses wird die Geschichte des Hauses von einst dokumentieren, während…
    balgequartier.de
  • Hm, nix Halbes, nix Ganzes,

    mit dem Logo suggeriert es die Rekonstruktion der Essighausfassade plus einen zweiten Renaissancegiebel ...


    Balgequartier - Silhouette Neues Essighaus


    Balgequartier - Visualisierung Neues Essighaus

    Quelle: https://balgequartier.de/neues-essighaus/

    ... und auf der Visu ist's in den Obergeschossen eine billige Applikation von gestaffelten Gesimsen ähnlichen Elementen, inklusive Obelisken artiges, nur im EG/1.OG scheint eine Reko des Essighauses verwirklicht. Was soll das? Entweder, oder!? Na gut, das wurde hier ja schon diskutiert. Hauptsache nordische Backsteine! Wir aus dem Süden kommen uns dann wenigstens wie in einer alten Hansestadt vor ... ! :blink::unsure:huh:)

  • Wie man am Standort eines der bedeutendsten Häuser des alten Bremens unter Verwendung von Backstein mal eben so sieben bis acht Geschosse hinkotzt, es nicht besser kann, es nicht besser weiß, nicht besser wissen will, nebenbei die Bürgerschaft belügt und optisch eine ganze Stadt versaut; siehe hier.

  • Zusammen mit dem nichtrekonstruierten, aber ebenfalls verbauten Giebel des Knipperdollinckhauses in Münster sind das die zwei größten Chancen auf Wiederaufbau einstiger stadtbildlicher Pracht in den letzten vierzig Jahren, die im Nordwesten Deutschlands vertan worden sind.

    VBI DOLOR IBI VIGILES

  • Ich fand den Abriss des Vorgängerbaus schade, da er mir sowohl optisch als auch von der Größe her viel besser gefiel als der jetzige Klotz. Das gesamte Projekt war in meinen Augen von Anfang an zu überdimensioniert, aber selbstverständlich wäre eine rekonstruierte Fassade ein Gewinn für Bremen gewesen. Eine Kröte, die man schlucken musste, nur wurden die Bremer in dieser Hinsicht leider getäuscht. Nun hat man einen zurückhaltenden und guten Nachkriegsbau für so etwas geopfert. Schade Bremen..

  • Puh, ne. Da gehe ich nicht mit. Der Nachkriegsbau war nun wirklich alles andere als "gut". Das war ein ziemlich ungelenkes Haus mit einem merkwürdig steil aufschießenden, im Verhältnis zum Grundkörper unproportionalen Giebel. Da war auch zero Leben drin in diesem Zombiebau, eine Factoring Bank, sonst nichts. Ich bin nun wirklich kein großer Fan des Neubaus und hätte lieber eine Rekonstruktion plus angrenzende Neubauten favorisiert, aber man kann nicht verhehlen, dass in diese Ecke nun ein wenig Leben kommt, besonders nach der Schließung der Storm-Buchhandlung; das merkt man schon am Jacobs Neubau.

  • Auf der Seite kommt aber auch noch ein Giebel.

    Die plastische "Integration" des Essighauses ins Ganze scheint misslungen. Ohne diese (dh hier als Doppel- statt Tripelhaus) wäre das Projekt so übel nicht. Geben wir ihm eine Chance und schimpfen wir erst dann, wenn wir es sehen können und es uns dann nicht gefällt. Dafür dann aber ordentlich.

  • Sieht aus wie von 1977. Hat also auch was Historisierendes.

  • Puh, ne. Da gehe ich nicht mit. Der Nachkriegsbau war nun wirklich alles andere als "gut". Das war ein ziemlich ungelenkes Haus mit einem merkwürdig steil aufschießenden, im Verhältnis zum Grundkörper unproportionalen Giebel. Da war auch zero Leben drin in diesem Zombiebau, eine Factoring Bank, sonst nichts. Ich bin nun wirklich kein großer Fan des Neubaus und hätte lieber eine Rekonstruktion plus angrenzende Neubauten favorisiert, aber man kann nicht verhehlen, dass in diese Ecke nun ein wenig Leben kommt, besonders nach der Schließung der Storm-Buchhandlung; das merkt man schon am Jacobs Neubau.

    Dazu gibt es zwei Aspekte zu berücksichtigen:

    1. Zum einen ist das natürlich richtig. Der Bau war dreigeteilt: Unten Weser-Renaissance, oben ein Barockgiebel und in der Mitte 60er-Jahre-Ziegelstein.

    Bild Mantikor

    Bei dem Barockgiebel handelte es sich um den rückwärtigen Giebel des Caesar´schen Hauses am Domshof. In den 60er-Jahren abgerissen. Da war so was in Bremen möglich: Abriss eines Barockgebäudes (natürlich für höhere Ziele). Die Denkmalschützer versuchten wohl, diesen Giebel zu schützen und ihn wieder ins Stadtbild einzugliedern, um wenigsten die Erinnerung daran zu bewahren. Auch wenn mir dieses Sammelsurium am Essighaus ebenfalls nicht gefiel, war ich doch froh, den Barockgiebel zu erblicken.

    Wenn wir aber die Perspektive wechseln, weg vom Einzelbau hin zum Ensemble, dann stellten die vier Gebäude - also inklusive der Stadtwaage - eine stimmige Reihung da durch die Verwendung von Backstein, ihre Giebelständigkeit und ihre aufeinander abgestimmte Bauhöhe.

    dsc02652iccy5.jpg

    Bild Mantikor

    Dieser harmonische Zustand ist nun durch den Neubau beendet worden, die Stadtwaage wird förmlich eingezwängt und nicht zu sagen erdrückt, die Jacobs-Reihe ist viel zu wuchtig geworden, es fehlen die an diesem Standort die seit Jahrhunderten dominierenden Giebel und das, was hier neu an Giebeln geboten wird, sind ja lediglich Giebelandeutungen - auch, um die Bauhöhe von 7 Etagen zu kaschieren. Der Zweck dieser Giebelandeutungen ist also nicht ein Erinnerungszeichen an die Baugeschichte, sondern eine Verfälschung der wahren Bauhöhe. Diese Verfälschung wird aber als Erinnerung kommuniziert.

    2. Es wird in letzter Zeit auch unter dem Eindruck der Klimakatastrophe von der Grauen Energie gesprochen. Mir ist aufgefallen (ich habe das hier schon irgendwo geschrieben), dass es immer nur bei den Gebäuden aus den 60er, 70er, 80er und 90er-Jahren um Graue Energie geht. Ich vermute, die Architektenschaft und auch die Politikbemühen sich nur um den Erhalt der unansehnlichsten Gebäude aus dieser Zeit. Die meisten sind doch Bausünden. Man will sich die Moderne retten.

    Gab es vor Abriss des Essighausensembles auch eine Diskussion über Graue Energie, gab es diese vor dem Abriss des Medienhauses? In dieser Richtung war es erstaunlich ruhig. Ich habe jedenfalls von Seiten der Architekten keine Einwände mitbekommen. Graue Energie-Diskussionen sind bei historischen Gebäuden wohl eher störend.

    Zurück zum Essighaus. Wie zu lesen war, kamen Touristen aus der ganzen Welt, um dieses Renaissancegebäude zu sehen. Es schien so manchem wichtiger zu sein als das Bremer Rathaus. Ein Wiederaufbau wäre angesichts dieser Bedeutung angebracht gewesen. Aber in dieser Stadt ist sowieso Hopfen und Malz verloren, wenn es um die Wiederherstellung von Gebäuden geht.

    Wahrscheinlich wäre es Bestandteil eines WELT-Artikels des Journalisten und Kunsthistorikers Rainer Haubrich geworden, der sich immer wieder für die Rekonstruktion von Gebäuden eingesetzt hat. Ich hoffe, der LINK ist zu öffnen, das klappt leider nicht immer. Vielleicht kann jemand anderes davon was machen.

    https://deref-web.de/mail/client/sL…gs%252Fm2%252F4

    Ansonsten hier noch die Überschrift des Artikels:

    MEINUNG
    ARCHITEKTUR
    Notre-Dame als Event-Location? Warum es gut ist, historische Bauwerke zu rekonstruieren
    Von
    Rainer Haubrich
    Stv. Ressortleiter Meinung