• Die Vertreter der Bremer Initiative haben sich definitiv nicht genug ins Zeug gelegt und ihre Möglichkeiten nicht genutzt. Das weiß ich aus sicherer Quelle. Auch eine Vernetzung mit Stadtbild Deutschland wurde zwar angedacht, dann aber von dort nicht weiterverfolgt.

    Warum so sibyllinisch, Bagration? Nenne mal Ross und Reiter: Wer sind die Vertreter der Bremer Initiative und - welche Initiative meinst Du. Ich kenne viele Initiativen in Bremen, aber diese ist mir unbekannt.

    Warum sollte sich eine Initiative zur Rekonstruktion der Essighausfassade bilden, wenn der Investor Jacobs diese im Beisein des Bremer Landeskonservators offiziell über die Bremer Presse- und Fernsehlandschaft verkünden lässt. Jeder ging davon aus, der baut das jetzt auch, man kann sich da auf ihn verlassen. Dann baute noch der Dudler-Hofberichterstatter Jürgen Hinrichs vom Weser-Kurier bezüglich Jacobs ein bestimmtes Image auf: der verlorene Sohn der seit 500 Jahren in Bremen ansässigen Jacobs-Familie kehrt zu seinen Wurzeln zurück und investiert in seiner Heimatstadt. Dass Jacobs inzwischen Rechtsanwalt in Hamburg und dort auch seine Firma ansässig ist, ging dabei unter ebenso wie sein Wohnort in der Lüneburger Heide.

    Dass Jacobs ein ganz gewöhnlicher Investor ist, der Gewinne einfahren will, wurde nicht erwähnt. Und so stellt sich für mich die Sache heute so dar, dass die Geschichte mit der Essighausfassade nur ein Fake war. Aber warum?

    Nun, wir kennen das doch aus der Architekten- und Investoren-Szene: Verschriftet durch die berüchtigte Architektenprosa - beschönigende Texte der eigenen Projekte, eingerahmt in Aufbruchs- und Avantgardeerzählungen (Dudler: mein Bau ist zeitlose Architektur) - und bildlich dargestellt durch nicht minder beschönigende Fotos mit fröhlichen Menschen, die über sonnige Plätze vor dem zukünftigen Bau laufen, reden, lachen.... werden die Bürger in "Stimmung" gebracht und manipuliert. Es geht um den Prozess vor der Erstellung eines Gebäudes. Nach mir dann - die Sintflut!

    Und so, vermute ich vor diesem Hintergrund, stellt sich auch die Essighausblamage dar: Den Bürgern wird erst mal, die heutigen modernen Architekten kennen die Sehnsucht der Bevölkerung nach historischen Bauten genau, eine Geschichte erzählt, die nie verwirklicht werden wird, was vorher schon klar ist! Aber es geht ja in dieser Vor-Phase des Prozesses darum, gute Stimmung zu machen und gute Gefühle zu erzeugen, um die Investorenaktivitäten psychologisch abzusichern und die Bevölkerung erst mal positiv zu stimmen. Kommt dann kein großer Widerspruch, folgt - viel Wasser ist inzwischen die Weser herabgeflossen, fast schon ist das Projekt in Vergessenheit geraten - Phase zwei. Nun wird erklärt, dass man von der Rekonstruktion einer Renaissancefassade Abstand genommen habe, aber - aus Respekt vor der Historie - werde man die Erinnerung in einem Schattenwurf auf die Fassade projizieren.

    Was wäre bei einer ehrlichen Darstellung der Pläne, gleich am Anfang, befürchtet worden? Hätte Jacobs gleich seine Absichten kund getan, die Bürger wären gegen den Verlust der Essighausreste und den dahinter bestehenden Renaissancegiebel angegangen. Leserbriefe noch und nöcher, vielleicht eine Initiative, der sich auch Oppositions- und Beiratsspolitiker anschließen. Es hätte die Gefahr bestanden, dass das Projekt kippt. Dann doch lieber die ICH-KOCH-DEN-FROSCH-METHODE. Erst in lauwarmes, angenehmes Wasser werfen und dann die Temperatur langsam immer mehr erhöhen - bis er elendig stirbt.

  • Wer sind die Vertreter der Bremer Initiative und - welche Initiative meinst Du. Ich kenne viele Initiativen in Bremen, aber diese ist mir unbekannt.

    Kannst du auch nicht kennen,denn...

    Vertreter der Bremer Initiative

    ...eine solche Initiative hat es hier in Bremen nie gegeben. Deine sichere Quelle, Bagration, ist also längst nicht so sicher, wie du uns hier weismachen willst. Und dass du, Bagration, dich jetzt hinstellst und sagst, eine gewisse Initiative hätte sich nicht genug „ins Zeug gelegt“,
    finde ich, diplomatisch ausgedrückt, nicht den üblichen, nicht den richtigen Weg.

    Damit die Wellen jetzt nicht zu hoch schlagen, oute ich mich hier.

    Ja, ich habe im Oktober/November 2021 E-Mails geschrieben, telefoniert und recherchiert – oder recherchiert, telefoniert und E-Mail geschrieben. Wie man es sehen will. Und ja, es gab Kontakt, unter anderem, zu einem gewissen Verein. Ich könnte dazu jetzt mehr sagen, aber das gehört hier nicht ins Forum. Ich denke mir dazu meinen Teil, habe dazu etwas im Hinterkopf gespeichert.

    Um das Thema Essighaus weiter zu verfolgen, hat mir 1.) schlicht die Zeit gefehlt. Das ist privat. Dafür habe ich mich vor Nichts und Niemanden zu rechtfertigen.

    2.) frage ich mich seit längerer Zeit, ob diese Stadt mein Engagement verdient. Je mehr ich darüber nachdenke, und je mehr Tage ins Land ziehen, verfestigt sich eine abschließende Meinung in mir: eher nicht. Nein.

    Meiner Meinung nach entwickelt sich Bremen immer mehr zu einem Detroit des Norden. Immer mehr Menschen bzw. Familien ziehen aus Bremen weg. Nach und nach verschwindet die Mittelschicht aus der Stadt. Die Gründe sind vielfältig. Auch ich überlege, ob ich meiner Heimatstadt nicht bald den Rücken kehre. Und das als eingefleischter Hanseat. Das spricht, glaube ich, für sich und bedarf keiner größeren Erklärung. Nur soviel: Ich glaube Strömungen und Tendenzen zu erkennen, die mir nicht mehr gefallen, und denen ich mich nicht mehr ausgesetzt sehen möchte. Vielleicht verlasse ich nicht nur bald die Stadt, vielleicht auch gleich das Land. Spätestens wenn ich – so Gott will – mein Rentenalter erreiche, bin ich weg. Das ganze Jahr über – oder für mindestens 8-9 Monate im Jahr. It depends.

    Warum soll ich mich also noch engagieren?

    Und dann möglicherweise für eine Fassade in Betondruck, die hier – wie HEINZER sehr richtig in bitterer Erinnerung gebracht hat – zerrissen wurde?

    Natürlich könnte ich jetzt Mythen oder Verschwörungstheorien befeuern, da Frau Reuther ihr bekannte Visualisierungen als nicht öffentlich deklariert hat.

    Wahrscheinlicher ist, dass Dr. Jacobs bald die Pläne persönlich vorstellen möchte.

    Und diese gefestigten Pläne hat Dr. Jacobs auch schon im Oktober/November 2021 in der Tasche gehabt. Nur war das damals informativ. Es ging lediglich nur noch ums Baurecht.

    Wenn es etwas ist, was ich vom Medienhaus gelernt habe, dann das: Wenn ein Investor einen Willen hat, dann setzt er diesen Willen auch um. Notfalls mit der Abrissbirne. Da komme was wolle.

    Mit anderen Worten und im Falle des Essighauses: Dr. Jacobs wollte schon länger nur den Schattenwurf. Daran wird sich nichts ändern, daran hätte sich auch nichts ändern lassen. Denn Dr. Jacobs ist Eigentümer. Da fuscht die Stadt nicht rein - es sei denn, er beabsichtigt riesenhafte Türme in der City zu bauen.

    Das Essighaus war Vergangenheit. Es wird weiter Vergangenheit bleiben.

    So schwer die Steine im Magen auch liegen.

    Sie liegen einträchtig neben den Steinen vom Medienhaus.

    Mehr Steine passen da nicht rein.

  • Dr. Jacobs wollte schon länger nur den Schattenwurf. Daran wird sich nichts ändern, daran hätte sich auch nichts ändern lassen.

    Wenn du diese Einschätzung abgibst, dann glaube ich dir das. Dann wäre wohl jedes Engagement vergebens gewesen. Dann brauchen wir auch nicht mehr über geschlagene bzw. ungeschlagene vergangene Schlachten sprechen. Es hätte wohl nichts genutzt.

  • Eines muss auch ich jetzt noch klarstellen: Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen der von mir beschriebenen Uneinigkeit im Verein und dem Scheitern der Essighausfassade. Letzteres war in der Tat von Anfang an ein privates Projekt, das jetzt privat gescheitert ist. Für den Bremer Verein gilt: Ohne irgendeine Form von öffentlicher Wahrnehmung kann man auch keinen Einfluss üben. Das Scheitern der Essighausfassade, dessen zynische Chronologie findorffer wohl gut zusammengefasst hat, hat nichts mit dem Scheitern einer Bremer Vereinigung fürs Stadtbild zu tun.

  • Der Weser-Kurier berichtete am 11.2.22 von den Essighaus-Plänen. Ich zitiere daraus einige Passagen.


    Der Bebauungsplan wurde von den politischen Parteien einstimmig verabschiedet.


    Senatsbaudirektorin Iris Reuter stellte die Pläne für den Neubau vor, der nach Aussage der grünen Bausenatorin Schaefer "ein wichtiges Signal für die Innenstadt" sei. Aber die Animationen und Visualisierungen waren nichtöffentlich. Warum wohl?

    Angestrebt wird durch das "Essighaus" (so nennt sich jetzt offensichtlich der Neubau) eine Wiederbelebung der Langenstraße. Es soll ein "stadtbildprägender Ort" mit exemplarischen Beispielen der Sandsteinrenaissance werden, man baue zahlreiche historische Elemente mit ein. Was heißt das? Dass der Giebel der Sonnenapotheke auf die nicht sichtbare Rückseite gesetzt wird, damit man vorne - die sogenannte Schauseite - ungehemmt seine modernistischen Ideen verwirklichen kann? Das wird uns in Neusprech verkauft: "Der historische Giebel der ehemaligen Sonnenapotheke wird in den Neubau integriert. Etwas zu integrieren, ist natürlich immer eine Super-Sache.

    Geplant ist ein dreiteiliges Gebäude, bei dem auf die "zunächst geplante Historisierung" verzichtet wird. Das hört sich maßvoll, ja bescheiden an, man verzichtet. Stattdessen werden die historischen Gebäude mit "auf die moderne Fassade" aufgebracht, Elemente sollen als - Potjomkin lässt grüßen - Schattenwurf abgebildet werden. Da haben wir´s also, es geht darum, alles abzureißen, um modern bauen zu können. Das war von Anfang an das Ziel des Investors Jacobs. Und es ist der Lieblingsstil dieser Senatsbaudirektorin, die in der DDR auf Plattenbau studiert hat und nun unsere Stadt mit ihrem Lieblingsstil verschandelt. Eine Senatsbaudirektorin steht an der Schnittstelle zwischen Investor und Politik. Diese Frau ist ein einziges Unglück für Bremen, ich verstehe nicht, warum die grüne Senatorin die nicht rausschmeißt.

    Zu allem Ärger gibt jetzt auch noch der junge baupolitische Sprecher der SPD, Falk Wagner, seinen Senf dazu: Die Architektur (also der moderne Neubau) trage dem historischen Umfeld Rechnung. Gut gebrüllt Löwe, äääh- Falke....


    Was läuft hier eigentlich ab?


    - Warum werden "Animationen und Visualisiergen" nicht öffentlich gemacht, warum soll der Souverän nicht frühzeitig informiert werden?


    - Warum werden die Bürger mit vieldeutigen Beschreibungen, wie beispielsweise "Schattenwurf", deren Sinn nicht erkennbar ist, traktiert und auf eine falsche Fährte gelockt.

    - Der jetzige Gebäudebestand ist sicherlich nicht besonders schön, aber er erzeugt doch eine Anmutung, wie diese einst wichtigste Renaissance-Straße Bremens mal ausgesehen hat. Der untere Teil des Essighauses besteht noch, oben ist der rückseitige Teil des Caesar´schen Hauses eingesetzt worden. Dann gibt es zur Schauseite hin den Sonnenapotheken-Giebel, auch der untere Teil des Gebäudes lehnt sich an den Renaissance-Stil an. Und alle drei Gebäude sind in Backstein gehalten.

    Zur Erinnerung, Fotos von Mantikor, # 3:

    dsc02652iccy5.jpg

    Der Bau mit dem translozierten Giebel aus der Sögestraße. Werden die Weserrenaissance-Bossenquader auch erhalten bzw. an die Rückseite versetzt?


    dsc02655yyf01.jpg

    Der translozierte Caesar´sche Giebel auf dem Essighaus. Wo kommt der hin, auf die Müllhalde?


    dsc02657xmd4e.jpg

    dsc026587se37.jpg


    - Von der Rekonstruktion de der beiden Kontorhausgiebel in der Langenstraße wird seltsamerweise nicht mehr gesprochen. Fällt die jetzt auch weg?

    Hier ein Bild - ebenfalls von Mantikor # 42 - mit den beiden Giebeln des Kontorhauses in der Langenstraße, links unten. Diese wurden in den 60er-Jahren abgetragen.

    schnhoff_hb1912wrc19.jpg

  • Ich bin leider nicht firm, was da aktuell in Bremen abläuft, da ich mit der Stadt überhaupt nicht verbunden bin, aber wenn jemand möchte, dass wir uns dazu öffentlich positionieren, dann immer her mit konkreten Formulierungsvorschlägen.

  • Es ist wirklich traurig, dass man die Gelegenheit nicht nutzt, um die Essighaus-Fassade zu rekonstruieren. Man würde mit der Rekonstruktion dieser unglaublich anmutigen, plastischen Fassade enorm viel Schönheit bekommen für's Geld, und das an einer so wichtigen Stelle im Stadtbild. Dagegen kann doch ein "Schattenwurf" nur ein müder, wenig dauerhafter Abklatsch bleiben, den vielleicht die nächste Generation schon wieder überpinselt oder gleich mit Dämmstoff beklebt.

    Übrigens: wie reich und bildhaft, fast literarisch noch in den 1950er Jahren die Texte waren! Fällt mir immer wieder auf. Wie mit der Architektur ging es ab den 1960er Jahren auch mit der Schreibkunst bergab.

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  • Ich bin leider nicht firm, was da aktuell in Bremen abläuft, da ich mit der Stadt überhaupt nicht verbunden bin, aber wenn jemand möchte, dass wir uns dazu öffentlich positionieren, dann immer her mit konkreten Formulierungsvorschlägen

    Ja, das wäre sehr wünschenswert!

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  • Es geht ja bei den ganzen, hier vorgestellten Projekten wie z. B. dem Essighaus auch noch parallel um ein anderes Thema, das m. E. hier etwas stiefmütterlich behandelt wird.

    Alle Macht geht vom Volke aus, heißt es so schön. Bleiben wir mal beim Essighausbeispiel. Wir haben erstens: die politische Ebene, zweitens einen Investor und drittens die Bevölkerung bzw. am Thema sehr interessierte Kreise der Bevölkerung.

    Die politische Ebene versteht sich als Vertreter des Volkes (alle Macht geht vom Volke aus) und verhandelt mit einem Investor, der seine Wunschvorstellung vorlegt. Die Politik versucht nun, selbsterklärt im Interesse der Stadt, Stichwort: Innenstadtbelebung, mit dem Investor zu einem für beide Seiten zufriedenstellendem Ergebnis zu kommen. Dabei entfällt aber das immer wieder von der Politik kommunizierte Ziel, die Bürger in die Prozesse mit einzubinden.

    Das muss man sich dann im Ergebnis mal vorstellen: Die Bürger werden von ihrer eigenen politischen Vertretung als Störfaktoren wahrgenommen, die eine Einigung mit dem Investor konterkarieren. Im Vordergrund steht, ein Projekt in trockene Tücher zu bekommen. Und weil es der Politik, also den Volksvertretern, ziemlich egal ist, was die Bürger wollen, kommt es zu solchen unheiligen, zum Teil auch korruptionsanfälligen Allianzen zwischen Investoren und Politikern, nicht nur in Bremen. Die Bürger, um deren Stadt und Stadtbild es doch eigentlich gehen sollte, bleiben außen vor. In Bremen interessiert nur, was der Investor will, und das soll möglichst schnell, Zeit ist Geld für den Investor, durchgezogen werden. Natürlich alles schön demokratisch legitimiert. Und weil die Bürger mit ihren Wünschen und ideen nicht durchkommen, entstehen, einma,l solche Monsterstadtteile wie die Überseestadt oder das hässlichste aller Viertel, die Neubebauung rund um den alten Wasserturm, oder zum zweiten, passieren solche Schweinerein wie der Abriss des Medienhauses. Volksbeteiligung bei der Stadtgestaltung im ach so linken Bremen - keine Chance. Da ist das konservative Bayern wesentlich besser aufgestellt.

  • Geplant ist ein dreiteiliges Gebäude, bei dem auf die "zunächst geplante Historisierung" verzichtet wird.

    Das ist wirklich eine empörende Wortwahl - so als wäre eine Historisierung etwas Anstößiges, von dem man sich glücklicherweise durch die Besinnung auf höhere moralische Grundsätze habe freimachen können.

    Ich hätte es schon schön gefunden wenn man wenigstens Spenden wie bei der Rekonstruktion beim Dach des Frankfurter Rathauses gesammelt hätte.

    Warum eigentlich nicht? Hier ginge es ja eigentlich in erster Linie nur um die Mehrkosten für die Sandsteinfassade. Allerdings befindet sich das Gebäude ja offenbar in Privatbesitz Da wäre es dem wohlhabenden Besitzer vielleicht nicht recht, bei den Bremer Bürgern für eine schönere Fassaden "betteln zu gehen". Dann lieber die Sache möglichst unauffällig über die Bühne bringen und die Bürger vor vollendete Tatsachen stellen in der Hoffnung, dass sich der Ärger wegen der geschaffenen Fakten bald wieder legt.

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  • Die Politik versucht nun, selbsterklärt im Interesse der Stadt, Stichwort: Innenstadtbelebung, mit dem Investor zu einem für beide Seiten zufriedenstellendem Ergebnis zu kommen. Dabei entfällt aber das immer wieder von der Politik kommunizierte Ziel, die Bürger in die Prozesse mit einzubinden.

    Wie auch immer: eine Stadt wird auf lange Sicht nur anziehend auf Bürger und Besucher bleiben, wenn sie sehr gute, unverwechselbare Baukultur zu bieten hat. Der ideelle Wert herausragender Architektur wird in Zukunft sogar ein noch wichtigerer wirtschaftlicher Faktor für eine Stadt werden als früher, weil die damit verbundene Anziehungskraft die "richtigen" Pull-Faktoren für lohnende Investitionen bringt: Standortentscheidungen - von Unternehmen, aber auch von einzelnen Menschen. Demgegenüber wird die Bedeutung von Einkaufszonen als Wirtschaftsfaktoren nachlassen, was seit Corona noch deutlicher erkennbar geworden ist. Wenn also die Bremer Politiker Innenstadtbelebung wollen, dann sollten sie für ihre Stadt die bestmögliche Entwicklung ihres Schatzes an hervorragender Baukultur im Auge behalten, beispielsweise durch die relativ einfache Wiedergewinnung vergangener Schönheit. Mit moderner Architektur ist es deutlich schwerer, eine nachhaltige überregionale Attraktivität und ein Alleinstellungsmerkmal zu generieren.

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  • Die Bürger werden von ihrer eigenen politischen Vertretung als Störfaktoren

    Das ist so, im Fall des Essighauses nicht richtig, denn es gibt keine Bürgerbeteiligung im Fall des Essighauses. Deswegen ist es falsch, die Bürger als Störfaktor für die Politik darzustellen.

    Es gibt im Beirat-Mitte durchaus Tendenzen, die Pro-Rekonstruktion sind. - Das war auch der Grund, weshalb ich im Oktober/November überhaupt aktiv wurde.

    Der Beirat Mitte hat mich nicht als Störfaktor angesehen.

    Wie ich schon in einem vorherigen Beitrag erwähnte, ist Jacobs Eigentümer der Immobilie Essighaus. Grundsätzlich kann er mit dem Gebäude machen was er will - solange die Landesdenkmalpflege seine Pläne abnickt und er sich an Baupläne/Bauverordnungen/Umweltfragen hält. Da wird der Einfluss der Politik überschätzt (und damit auch die Möglichkeiten der Einflussnahme durch Bürgerbeteiligungen). Wenn Jacobs hoch hinaus will, also eine sehr weite Ausdehnung von Bauverordnungen usw. anstrebt, kann dies die Politk/Bauressort unterbinden. Dafür braucht die Legislative die Bürger der Stadt nicht. Es hilft natürlich, wenn es in der Bevölkerung eine breite Ablehnung oder zumindest eine Polarisierung gibt. Im Bezug auf das Essighaus gab es nichts. Ich wiederhole: Nichts. Nüscht von Seiten einer breiten Zustimmung oder Ablehnung, Pro oder Kontra bezüglich des Essighauses in der Bevölkerung. Und die Bevölkerung hat grundsätzlich schlechte Karten und keine rechtlichen Handhabe gegen Baupläne von Investoren, solange diese sich an bestehendes Baurecht/Bauordnungen/Umweltauflagen halten. Das ist so. Das muss man akzeptieren.

    Gerne verweise ich in diesem Zusammenhang nochmals auf das Medienhaus.

    Es ist daher durchaus möglich, dass Jacobs dieses "Desinteresse" von Seiten der Bevölkerung registriert und somit seine teuren Pläne überdacht hat.

    Den Schattenwurf - so könnte man durchaus legitim und gegenläufig argumentieren - haben sich die Bremer selbst eingebrockt. Weil sie nüscht dazu gesagt haben.

    Da wäre es dem wohlhabenden Besitzer vielleicht nicht recht, bei den Bremer Bürgern

    Sicher, Schütte und Roselius haben nicht auf das Geld geschielt und einfach gemacht.

    In wie weit Jacobs hier aufs Geld geschielt hat, ist rein spekulativ.

    Fakt ist, dass eine Sandstein-Fassade sehr, sehr teuer kommt, Deshalb auch die Idee mit dem Beton-3D-Druck.

    Nun kommt auch sie nicht.

    Warum?

    Bevor Dr. Christian Jacobs die Bremer Bürgerinnen und Bürger um eine Spende fragt (wobei ihm nicht klar ist, ob diese Bürgerinnen und Bürger die Fassade überhaupt wollen oder nicht), warum sucht er sich nicht als sehr gut vernetzter Wirtschaftsmagnat Partner, die sich an solch einem prestigeträchtigen Projekt in der Bremer Innenstadt beteiligen wollen? Steht die Fassade erst, werden die Touristen aus aller Welt kommen und sich Bilder/Flyer/Souvenirs kaufen, auf denen beim Bau beteiligte Firmen werben könnten.

    Und sollten sich nicht genug Partner finden, könnte Dr. Jacobs immer noch bei der Bevölkerung um Unterstützung bitten.

    Mehrkosten für die Sandsteinfassade

    Ich vermute, es geht nicht allein um die Frage Sandstein oder Beton und Mehrkosten im allgemeinen.

    Ich vermute, dass ein anderer Grund für den Schattenwurf verantwortlich ist.

    Dafür muss man sich nur das Essighaus auf alten Bilder anschauen.

    Welche Norm für die Deckenhöhe gab es damals? Lag sie bei 1,80 Meter?

    Wo liegt diese Norm heute? 2,40 Meter?

    Und wie passe ich diese Norm an die alte, zu rekonstruierende Fassade an?

    Wie kann ich Verzerrungen vermeiden und gleichzeitig modern bauen?

    Darf ich heute mit einer Deckenhöhe von 1,80 Meter bauen, um eine Fassade historisch zu rekonstruieren?

    Ich vermute, der Schattenwurf ist die Antwort auf diese architektonische Frage.

    Oder gibt es dazu Antworten hier im Forum?

  • Eine differenzierte Einschätzung, der ich in allen Punkten zustimme, v.a. zu den beschränkten Einflussmöglichkeiten der Politik und dem Desinteresse der Bremer Bürger. Wie gesagt, abgesehen von ein paar Zeitungsartikeln gab es damals praktisch KEINE öffentliche Reaktion auf die Rekonstruktions-Pläne, die trotz der Defizite ein Kracher ersten Ranges gewesen wären für Bremen.

    Kein Widerstand, keine Diskussionen, keine Leserbriefschlachten, die Stimmung war -möchte ich sagen- irgendwas zwischen Desinteresse und vorsichtig wohlwollend. Ich würde behaupten, die meisten Bremer wussten nichts von den Plänen. Das Thema war auch überhaupt nicht kontrovers, Eberhard Syring, ehemaliger Vorsitzender des Bremer Zentrums für Baukultur und definitiv Modernist äußerte sich ganz neutral, in dem er einfach nur beschrieb, dass das Projekt gut in eine Reihe von Rekonstruktionsprojekten passe, er psychologisierte zwar ein wenig von wegen "unsicheren Zeiten, die den Wunsch nach Bewährtem" nährten etc. - aber in anderen Städten wäre er genau der Typ gewesen, der den Widerstand angeführt hätte. Auch von der Linkspartei nichts, im Beirat wie von Jakku korrekt beschrieben Wohlwollen und sogar Freude, und offen geäußerte Enttäuschung nach der Meldung, dass es nichts wird, auch wieder von allen Fraktionen.

    Bremen scheitert an einer Mischung aus Resignation (beispielhaft vielleicht Jakkus kleine Tirade neulich weiter oben - also alles ganz schlimm, Stadt verloren, man müsste eigentlich wegziehen - exakt so, wie auch ich hier schon vom Leder gezogen habe ;)) und Selbstzufriedenheit. Reicht doch. Es nimmt unter den westdeutschen wirklich großen Städten über 500.000 EW eine seltsame Sonderstellung ein mit seiner tatsächlich noch punktuell gut erhaltenen Altstadt. Man ist ganz zufrieden mit seiner "guten Stube" und den paar schönen Straßen drumherum - und es ist ja auch wirklich, wirklich schön, Schnoor, Marktplatz, die Kirchen, Böttcherstraße - im Prinzip einmalig für eine Stadt dieser Größe in Westdeutschland.

    Es besteht anders als in anderen, wirklich schwer zerstörten Innenstädten, kein wirklicher Schmerz, wie etwa in Dresden oder in Frankfurt. Es ist aber umgekehrt auch nicht so schön, dass daraus eine Art Motivation für weitere Verbesserungen besteht, wie vielleicht in Leipzig oder München. Dafür ist das Grauen drumherum zu allumfassend, zu unrettbar, zu erdrückend. Es meckern zwar alle über die Innenstadt und wie sie stürbe, aber bei schönem Wetter ist die Gegend um den Marktplatz doch immer rappelvoll von Touristen und Einheimischen. Es wird nicht erkannt, was alles weg ist und wie viel besser und schöner es noch sein könnte.

    In dieser Gemengelage ist es sehr schwierig, etwas auf die Beine zu stellen. Ich persönlich nehme mich da gar nicht aus. Ich schimpfe hier auch über die Passivität der Akteure, aber das ist leicht, anonym im Internet. Ich bin aber beruflich und familiär wirklich gerade in der Rush Hour meines Lebens, ich habe zwar durch mein Schichtsystem immer mal vormittags Zeit, auf meine Streifzüge zu gehen und verbringe wirklich viel Zeit mit dem Thema Städtebau und Architektur, habe aber NULL Reserve für irgendwelche regelmäßigen abendlichen Treffen oder die Mühen der Vereinsarbeit, die notwendigen Termine, auch weil ich an keinem einzigen Tag der Woche sicher sagen kann, nicht entweder Spätdienst zu haben und erst um 21:00 zu können - oder am nächsten Tag Frühdienst, bei dem ich um 6:00 anfange. Das pack ich nicht neben der Arbeit. Ich bin idealer Mitläufer, kann ganz gut schreiben, bilde mir auch ein, etwas Ahnung zu haben mittlerweile - aber ich bin kein Anführer, kein Politiker, kein vernetzter Typ, der hier die Entscheider kennt, UND durch meine beiden Vereinserfahrungen (einmal Elternverein Kita und einmal unser kleiner Verein hier) auch ziemlich bedient beim Thema Vereine.

  • Im Bezug auf das Essighaus gab es nichts. Ich wiederhole: Nichts.

    Um so lohnender wäre es doch, mal einen Brief an den Eigentümer aufzusetzen und ihm das Signal zu übermitteln, dass es sehr wohl eine ganze Reihe von Bürgern gibt, denen es nicht egal ist, was für eine Fassade das Essighaus bekommt. Und ihm gleich eine Reihe guter Argumente nennen, so wie sie sich hier im Forum finden. Hierfür bräuchtet Ihr noch nicht einmal einen Stadtbild-Ortsverband, Bremer Absenderadressen würden schon ausreichen. Unterzeichner ließen sich doch alleine hier durchs Forum sicher zwei Handvoll rekrutieren. Es ist doch wichtig, dass sich überhaupt mal jemand bei ihm meldet, vielleicht ist er ja durchaus guten Willens. Viele wohlhabende Menschen reagieren sehr wohlwollend und großzügig, wenn sie respektvoll und ernsthaft auf eine Möglichkeit hingewiesen werden, etwas Gutes für ihre Stadt zu tun und zugleich Werte für Generationen zu schaffen. Man würde sich seiner Großzügigkeit in Bremen vielleicht noch in Jahrhunderten erinnern, was bei einer öden "Schattenwurf"-Fassade wohl kaum zu erwarten wäre.

    Eingestellte Bilder sind, falls nicht anders angegeben, von mir

  • Das pack ich nicht neben der Arbeit

    Das kann ich sehr gut nachfühlen. Zeit ist auch bei mir ein ausschlaggebener Faktor. Leider.

    dann immer her mit konkreten Formulierungsvorschlägen.

    Mal ehrlich, sind nicht alle Fakten, Punkte etc. hier zu finden? Welche konkreten Formulierungsvorschläge möchtest du haben? Und könntest du diese bitte nicht selbst ausformulieren? Eine Pressemitteilung wäre mehr wie hilfreich...

    Brief an den Eigentümer

    Ich bin offen für zielführendere Post- oder E-Mail-Adressen...


    Unterzeichner ließen sich doch alleine hier durchs Forum sicher zwei Handvoll rekrutieren.

    Unterzeichner können sich bei mir mit einer PN gerne offenbaren...

  • Um so lohnender wäre es doch, mal einen Brief an den Eigentümer aufzusetzen und ihm das Signal zu übermitteln, dass es sehr wohl eine ganze Reihe von Bürgern gibt, denen es nicht egal ist, was für eine Fassade das Essighaus bekommt. Und ihm gleich eine Reihe guter Argumente nennen, so wie sie sich hier im Forum finden. Hierfür bräuchtet Ihr noch nicht einmal einen Stadtbild-Ortsverband, Bremer Absenderadressen würden schon ausreichen. Unterzeichner ließen sich doch alleine hier durchs Forum sicher zwei Handvoll rekrutieren. Es ist doch wichtig, dass sich überhaupt mal jemand bei ihm meldet, vielleicht ist er ja durchaus guten Willens. Viele wohlhabende Menschen reagieren sehr wohlwollend und großzügig, wenn sie respektvoll und ernsthaft auf eine Möglichkeit hingewiesen werden, etwas Gutes für ihre Stadt zu tun und zugleich Werte für Generationen zu schaffen. Man würde sich seiner Großzügigkeit in Bremen vielleicht noch in Jahrhunderten erinnern, was bei einer öden "Schattenwurf"-Fassade wohl kaum zu erwarten wäre.

    Also, diesen Brief, besser noch Briefe, hatte es vor - ich schätze etwa drei Jahren - schon gegeben. Pagentorn hatte einen Brief, also postalisch, mit Bezug Essighaus, direkt an den Investor Jacobs geschickt.

    Und ich hatte mich per E-Mail bei ihm mit einem historischen Bild (plus Text) für die Rekonstruktion der beiden Giebel des Kontorhauses in der Langenstraße eingesetzt.

    Ergebnis:...............................................

  • Sehr schön, jetzt haben wir einen eigenen 'Argo Nerd' für das Forum. :smile:

    Darauf nochmal diese schönen Worte zum Essighaus, leider jedoch eher als nostalgischer Abgesang.

    hbehfitosk4c.jpg

    Schön ist das, was ohne Begriff allgemein gefällt.
    (Immanuel Kant)