Kondopoga (Karelien) - Wiederaufbau der Mariä-Entschlafens-Kirche

  • Zitat von russland.reisen

    Die Himmelfahrtskirche in Kondopoga am Onegasee wurde vermutlich das Opfer eines Brandstifters. Der komplett aus Holz errichtete Sakralbau aus dem Jahr 1774 brannte am vergangenen Freitag unwiederbringlich nieder. Laut Experten ist eine völlig authentische Restauration unmöglich.
    Mit 42 Metern zählte die Maria-Himmelfahrtskirche auf einer Halbinsel an der Kondopogabucht des Onegasees in Karelien zu den höchsten Holzkirchen im Norden von Russland. Das Bauwerk war eines der bedeutendsten Denkmälern der nordrussischen Holzarchitektur.

    Quelle:
    http://www.russland.reisen/weltkulturerbe…rannt-mit-video


    Am Ende des Artikels sind 2 kurze Videos verlinkt; das erste (ca. 1 min) zeigt den Brand und den Zustand des Gebäudes danach.



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    Автор: English:Andrew KrizhanovskyРусский: Андрей Крижановский - собственная работа,Общественное достояние, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7854961


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    BRANDSTIFTUNG: :kopfwand:

  • Die Mariä-Entschlafens-Kirche (Uspenskaja-Kirche) in Kondopoga ist als Kulturdenkmal von föderaler Bedeutung eingestuft. Sie steht nicht auf der UNESCO-Welterbeliste, aber jedem, der sich für nordrussische Holzbaukunst interessiert, ist diese Kirche ein Begriff. Entsprechend große Beachtung fand die Brandkatastrophe in Russland. Der Wiederaufbau der Kirche wird vorbereitet.

    Die politische Führung der Republik Karelien bekannte sich bereits kurz nach dem Brand zum Wiederaufbau der Kirche. Das Bauwerk sei identitätsstiftend für Karelien. Da der Denkmalschutz nicht aufgehoben wurde, ist das föderale Kulturministerium involviert. Russland ist ja föderal aufgebaut, durchaus vergleichbar mit Deutschland. In Deutschland würden wir sagen: Hier ziehen Bund und Land an einem Strang. Das ist schon mal gut. Auch die Russische Orthodoxe Kirche ist beteiligt. Sie sammelt Spenden für den Wiederaufbau.

    Am 16. April 2019 bewilligte das föderale Kulturministerium in Moskau 8 Millionen Rubel für die Erarbeitung einer Wiederaufbaukonzeption.

    Dazu ein Filmbericht aus den Regionalnachrichten für Karelien (16. April 2019) mit interessanten Bildern:

    Ab Minute 0:20 - Im Winter wurde ein hölzerner Schutzbau um die Überreste der Kirche errichtet. Archäologen und Restauratoren werden hier noch länger forschen.

    Ab Minute 0:50 - Zu sehen ist Julija Alipowa (Юлия Алипова), die "Landeskonservatorin" der Republik Karelien. Der offizielle russische Titel ist anders, aber die Funktion entspricht der eines deutschen Landeskonservators. Sie sagt, die Restaurierung werde einige Zeit dauern. Bei Holzbauten gehe das nicht so schnell. Man müsse sorgfältig arbeiten, Schritt für Schritt vorgehen, das richtige Material beschaffen usw. Alles erfolge in traditioneller Handarbeit. Qualität gehe vor Schnelligkeit. Sie spricht übrigens die ganze Zeit von "Restaurierung", "restauratorischen Anforderungen" usw.

    Ab Minute 1:30 - eine Ausstellung mit Gemälden nordrussischer Holzkirchen. Hier wird für den Wiederaufbau gesammelt. Bei Minute 1:35 ist vor dem Fenster eine offizielle Spendensammelbox zu sehen. Die Nachrichtensprecherin sagt, dass bereits mehr als 6 Millionen Rubel gesammelt wurden, unter anderem bei Benefizkonzerten und in Ausstellungen. Die Ausstellung, die dort gezeigt wird, ist übrigens eine Verkaufsausstellung. Einige Bilder wurden bereits verkauft. Die Sprecherin gibt an, dass der Wiederaufbau 100 bis 150 Millionen Rubel kosten könnte. Das ist nur eine vorsichtige Schätzung. Konkrete Zahlen können erst angegeben werden, wenn die Planungen abgeschlossen sind.

    Am 25. Mai 2020 wurde der ausgearbeitete Wiederaufbauplan von einem Expertenbeirat des russischen Kulturministeriums gebilligt. Dem Gremium gehören Fachleute für Holzbaukunst und Freilichtmuseen an, deren Urteil Gewicht hat.

    Kondopoga (Кондопога), die Reste der Uspenskaja-Kirche auf einer Landzunge am Onegasee

    (Foto: Timin Ilya, 31. August 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Die Reste der Uspenskaja-Kirche am Onegasee. Sie sind inzwischen durch einen Schutzbau gesichert

    (Foto: Timin Ilya, 31. August 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Die Reste der Uspenskaja-Kirche (Foto: Timin Ilya, 31. August 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Die Reste der Uspenskaja-Kirche (Foto: Timin Ilya, 31. August 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Die Reste der Uspenskaja-Kirche in der Draufsicht (Foto: Timin Ilya, 31. Oktober 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Das Wiederaufbauprojekt in Kondopoga ist auf einem guten Wege. Im Jahre 2002 brannte in Kostroma eine andere bekannte Holzkirche nieder. Sie wurde nicht wieder aufgebaut.

  • Am 10. August 2020 war der zweite Jahrestag der Brandkatastrophe. Es gab Berichte in verschiedenen russischen Medien. Die Kosten für eine Rekonstruktion der Uspenskaja-Kirche in Kondopoga werden auf 80 Millionen Rubel geschätzt. Die Mittel werden aus dem Haushalt des föderalen Kulturministeriums in Moskau bereitgestellt. Im kommenden Jahr soll der Wiederaufbau beginnen. Die Gelder aus der Spendensammlung sollen für Extras verwendet werden, wie z. B. die Anfertigung von Ikonen.

    Dokumentation und Planung sind fertig und wurden gebilligt (Ende Mai 2020, siehe voriger Beitrag). Die Finanzierung der Rekonstruktion ist gesichert. Die Zuständigkeiten sind geregelt. Das sieht alles in allem sehr gut aus.

  • Den noch erhaltenen Resten nach zu urteilen ist das eine sehr einfache(zumindest äußerlich) und kleine Holzkirche.Und deren Neuaufbau soll ca.80 Millionen Rubel kosten??

  • Das sind ca. 870.000 Euro.

    Hierzulande kostet bereits die Anlage eines Kunstrasen-Sportplatzes ca. 450.000 Euro. (Siehe hier) Und ein Fertighaus kostet ca. 325.000 Euro. (Siehe hier) Der Neubau einer Kindertagesstätte schlägt u.a. mit 4,5 Millionen Euro (nicht Rubel) zu buche. (Siehe hier)

    Du musst bedenken, dass bei dieser Rekonstruktion auch Kunsthandwerker beteiligt sind. Es werden sicherlich auch Malereien angebracht.

  • Das folgende Foto ist vom 28. November 2020. Der Schutzbau wurde über dem Altar errichtet. Dort am östlichen Ende der Mariä-Entschlafens-Kirche hat man in der Brandruine die interessantesten Reste entdeckt: Unter dem Altar der aktuellen Kirche von 1774 kam der Altar der Vorgängerkirche zum Vorschein.

    Kondopoga, die Überreste der Mariä-Entschlafens-Kirche mit dem Schutzbau, Ansicht von Norden

    (Foto: Avsolov, 28. November 2020, CC-BY-SA-4.0)

    Zum Vergleich eine Aufnahme, zwei Monate vor dem Brand entstanden, von annähernd dem gleichen Standpunkt. Orientiert euch an dem großen Stein im Vordergrund, der auf beiden Fotos zu sehen ist! Anhand der Menschen im Bild könnt ihr auch erkennen, dass die Kirche ziemlich groß war. Das Zeltdach (schatjor) erreichte eine Höhe von 42 m.

    Kondopoga, die Mariä-Entschlafens-Kirche von Norden (Foto: Ruslanbas, 1. Juni 2018, CC-BY-SA-4.0)

    Die Planungen für den Wiederaufbau der Kirche sind abgeschlossen. Er kann 2022 beginnen. Die Experten rechnen mit vier bis fünf Jahren Arbeit und Kosten von etwas mehr als 143 Millionen Rubel. In dieser Zahl ist die Ausstattung nicht oder nur zum Teil enthalten. Für die liturgische Ausstattung hat die wohltätige Stiftung "Sewerny duchovny putj" bereits 9,5 Millionen Rubel an Spenden gesammelt.

    Quelle: Meldung der Nachrichtenagentur TASS vom 12. Oktober 2021

  • Soviel ich weiß, gibt es allerdings im Dom zu Frankfurt a. M. einen gotischen "Maria-Schlaf-Altar", der den Tod Mariens darstellt.

  • Man findet beide Übersetzungen. Welche besser ist, erkennen wir, wenn wir uns den Inhalt und die genaue Formulierung ansehen. Da haben wir es mit Theologie zu tun. "Himmelfahrt" ist schon im Rahmen der katholischen Kirche nicht richtig. Es heißt "Aufnahme in den Himmel". Und in der Theologie der orthodoxen Kirchen setzt man einen etwas anderen Akzent und spricht vom "Entschlafen der Gottesmutter" - russisch: Uspenije Bogorodizy / Успение Богородицы. "Bogorodiza" ist genaugenommen "Gottesgebärerin", nach griech. "theotokos".

    Maria fällt in einen sanften Schlaf, sie "entschläft". Sie befindet sich dabei im Kreise der Apostel. Dargestellt wird dieses Motiv auch in der abendländischen Kunst. Villa1895 hat den Maria-Schlaf-Altar schon genannt. Die orthodoxe Kirche stellt dieses "Entschlafen" in den Mittelpunkt. Im Lateinischen unterscheiden wir zwischen "dormitio" (Entschlafen) und "assumptio" (Aufnahme). In der englischen theologischen Terminologie finden wir das als "dormition" und "assumption". Tschechisch "zesnutí" und "nanebevzetí" usw. Bei russischen Kirchen heißt das Wort "uspenije", und das wird in den anderen Sprachen ethymologisch und theologisch präzise wiedergegeben: engl: "dormition", poln. "zaśnięcie", tschech. "zesnutí" usw.

    In Wikipedia könnt ihr das leicht überprüfen. Die theologischen Artikel sind dort sehr gut, und ihr könnt zwischen verschiedenen Sprachversionen wechseln. Einen deutschen Artikel zum "Entschlafen der Gottesmutter" gibt es in Wikipedia nicht. Deshalb verlinke ich auf den englischen:

    en.wikipedia.org/wiki/Dormition_of_the_Mother_of_God

    Zitat daraus:

    The Dormition of the Mother of God is a Great Feast of the Eastern Orthodox, Oriental Orthodox and Eastern Catholic Churches (except the East Syriac churches); it celebrates the "falling asleep" (death) of Mary the Theotokos ("Mother of God", literally translated as God-bearer), and her being taken up into heaven (bodily assumption). It is celebrated on 15 August (28 August N.S. for those following the Julian Calendar) as the Feast of the Dormition of the Mother of God. [. . .] In Western Churches the corresponding feast is known as the Assumption of Mary.

    Um den theologischen Sachverhalt zu erörtern, bedarf es eines differenzierten Sprachgebrauchs. Majorhantines erschien die Bezeichnung "Mariä-Entschlafens-Kirche" seltsam, weil ihm der Sachverhalt kulturell nicht vertraut ist.

  • Eine TASS-Meldung vom 3. Februar 2022

    Das russische Kulturministerium hat für den Wiederaufbau der Kirche in Kondopoga Mittel im diesjährigen Haushalt vorgesehen. Das teilte die "Landeskonservatorin" Kareliens, Julija Alipowa, mit. Nachdem die Planungen für die Rekonstruktion abgeschlossen und durchgerechnet sind, ergibt sich eine Gesamtsumme von 129,9 Millionen Rubel. Das ist weniger als die bisherige Kostenschätzung von 143 Millionen Rubel. Es sei nicht ungewöhnlich, dass sich die Zahlen während der Planungen ändern. Es könnte während des Wiederaufbaus aber auch noch zu Kostensteigerungen kommen. Diese würden, wenn sie berechtigt seien, dann auch bewilligt.

    Jetzt werde der Auftrag für die Rekonstruktion ausgeschrieben. Im Frühjahr dürfte das Ergebnis der Ausschreibung vorliegen. Die eigentlichen Arbeiten werden dann vermutlich zweieinhalb Jahre in Anspruch nehmen, schätzt Julija Alipowa.

  • Snork 24. Februar 2022 um 13:31

    Hat den Titel des Themas von „Himmelfahrtskirche in Karelien abgebrannt (Weltkulturerbe)“ zu „Kondopoga (Karelien) - Wiederaufbau der Mariä-Entschlafens-Kirche“ geändert.
  • Hat man den Brandstifter eigentlich erwischt?

    Ja. Es war ein 15-jähriger Jugendlicher aus der Stadt. Er wurde vom Gericht für nicht schuldfähig befunden, da psychisch krank, und in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Denkmalschützer kritisierten nach dem Brand fehlende Brandschutzvorkehrungen. Dies sei generell ein Problem bei Holzkirchen in Russland.

    Beim Wiederaufbau der Uspenskaja-Kirche in Kondopoga soll nun eine Brandschutzanlage eingebaut werden. Dies sagte Swetlana Supak, die stellvertretende Leiterin der Denkmalschutzbehörde Kareliens, im August 2021 im Regionalfernsehen. Die Kirche selbst müsse mit traditionellen Methoden und Materialien wiederaufgebaut werden. Unabhängig davon sei eine Brandschutzanlage zu planen. Wünschenswert sei ein System, das ein Feuer automatisch entdecken und löschen könne. In dem Bericht von SAMPO TV erfahren wir außerdem, dass der Standort der Kirche abgesperrt ist und bewacht wird. Immer wieder kommen Menschen vorbei, die ihre Anteilnahme bekunden. Eine wohltätige Stiftung hat 9 Millionen Rubel an Spendengeldern gesammelt. Ein Stiftungsvertreter betont, dass auch kleine Spenden wichtig sind, weil sie die Verbundenheit der Menschen mit der Uspenskaja-Kirche zum Ausdruck bringen.

    Im Sommer 2022 wurde der Beginn des Wiederaufbaus der Kirche gemeldet. Die Ausschreibung des Auftrags, von der ich in meinem vorigen Beitrag berichtet hatte, war also erfolgreich. Die Finanzierung kommt aus dem föderalen Haushalt.