Die Stuttgarter Weißenhofsiedlung ist ja hier schon mehrfach genannt, jedoch nie vorgestellt worden. Im Allgemeinen gilt sie als "die Bauhaussiedlung" neben der Dessauer Siedlung Törten sowie den Dessauer Meisterhäusern und dem Neuen Frankfurt von Ernst Mey.
Auch wenn die Bauhausmoderne es m.E. nie geschafft hat, ein auch nur annähernd so beeindruckendes Stadtbild zu erzeugen wie es alle vor ihr kommenden Architekturen geschafft hat, so hat sie im Wohnungsbau sowie im Einfamilienhausbau durchaus beachtliches geleistet. Vor dem Hintergrund der damaligen städtebaulichen Situation sind deren Ansätze durchaus innovativ gewesen. Im Gegensatz zum Mittelalter und der Neuzeit, wo Städte moderat gewachsen sind und sich entwickeln konnten, setzte mit der Industrialisierung eine nie dagewesene Verstädterung ein, die nur mit schnellen und billigen Wohnvierteln bewältigt werden konnte. Es entstanden die typischen Arbeiterviertel mit den später als Mietkasernen bezeichneten Gebäuden, von denen vielleicht das Vorderhaus und der erste Hof noch einigermaßen Gestaltungswillen erkennen ließen, in den Hinterhäusern jedoch enge, dunkle Wohnungen entstehen ließ. Kein Vergleich zu den großbürgerlichen Wohnbauten und gründerzeitlichen Repräsentationsbauten jener Zeit. Dem damaligen Baustil folgend wurden selbstverständlich auch die Arbeiterhäuser mit gegliederten und verzierten Fassaden bestuckt, die jedoch Katalogware waren und zwar harmonisch wirkende, jedoch keinesfalls künstlerisch anspruchsvolle Bauten hervorgebracht hat.
Als Gegenströmungen gab es zunächst den Jugendstil mit abstrakten, aber überbordenden Verzierungen sowie dann die Neue Sachlichkeit, die sich vom Historismus und dem Jugendstil mit einer nie dagewesenen Reduzierung an Ornamentik abgegrenzt hat. Dennoch waren diese Bauten harmonisch gestaltet und haben sich gut in die bestehenden Stadtbilder eingefügt.
Mit dem Bauhaus entstand dann ein neuer künstlerischer Ansatz, bei dem - analog zur Bauhütte des Mittelalters, wieder die künstlerischen Disziplinen Architektur, Gestaltung, und Grafik/Malerei unter einem Dach vereinigt wurden. Die Vielzahl an neuen Baumaterialien sowie die nach wie vor bestehende Wohnungsnot führte zu Ansätzen, günstigen, aber lebenswerten Wohnraum mit Luft und Sonne zu schaffen.
Vor diesem Hintergrund wurde 1927 in Stuttgart die Ausstellung "Die Wohnung" vom Deutschen Werkbund ins Leben gerufen. Neben einer Vielzahl von Ausstellungen zu Trends des Wohnens wurde auf dem Killesberg eine Mustersiedlung mit ca. 60 Wohneinheiten errichtet, zu der die damals als Erneuerer der europäischen Baukunst geltenden Architekten ihrer Zeit eingeladen wurden. In einer Rekordzeit von 21 Wochen entstanden alle Häuser der Weißenhofsiedlung, wobei aus Zeit- und Kostengründen häufig von der ursprünglichen Planung des Architekten abgewichen wurde. Die künstlerische Oberleitung lag bei Ludwig Mies van der Rohe, die Gestaltung der Innenräume übernahm Ludwig Kramer. Zwei Einfamilienhäuser, die in unmittelbarer Nachbarschaft durch private Bauherren errichtet wurde, wurden kurzfristig in die Ausstellung mit aufgenommen.
Nach der Ausstellung wurden die Häuser bewohnt, die Nationalsozialisten kauften später die Siedlung, um sie abzureißen. Dazu kam es nicht, die Siedlung befindet sich jedoch bis heute in Hand des Bundes - mit Ausnahme der beiden Häuser von Le Corbusier, die der Stadt Stuttgart gehören. Von 33 Häusern sind 8 im 2. WK zerstört worden, 2 weitere wurden 1956 abgerissen. 23 Häuser, darunter alle Reihen- und Mehrparteienhäuser, sind bis heute erhalten. Im Doppelhaus von Mies van der Rohe und Pierre Jeanneret wurde 2006 das Weißenhof-Museum eröffnet. Eine Haushälfte zeigt die Geschichte der Siedlung, die andere wurde originalgetreu und inkl. der Inneneinrichtung rekonstruiert. Die Fotos vom Weißenhofmuseum werde ich aufgrund von Unklarheit über das Urheberrecht hier nicht zeigen sondern nur die Bilder, die von der Straße aus aufgenommen wurden.
Alle ergänzenden Informationen wurden aus dem Reprint des Ausstellungskatalogs "Bau und Wohnung", Karl Krämer Verlag Stuttgart, 1992, entnommen.