Zur Lage der Architekturkritik

  • Das stimmt, wobei ich sagen muss, dass die Welt die für mich generell die allerbeste und gegenüber der Regierung kritischste Tageszeitung ist, wenn man sieht wie sie den Politikern auf die Hände schauen (Stichwort Wirecard, Warburg/CumEx, Corona Mogelzahlen HH und Bayern et cetera). gerade deswegen habe ich sogar als Ösi ein Abo dort (neben Die Presse/Österreich und NZZ/CH) Zu den anderen deutschen Tageszeitungen liegen da Welten dazwischen ;)

  • Selbst die traditionellsten klassischen zeitgenössischen Architekten haben ihre Referenzen heute eher in der frühen Moderne als in wirklich traditionellen/historistischen Architekturstilen. Traditionell heißt heute irgendwas zwischen Jugendstil/Art Deco und Mid Century Moderne.

    Da empfehle ich einen Blick auf die von unserer New Traditional Architecture Gruppe erstelle Karte von Architekten weltweit.
    Viele der Bauten und Entwürfe sind zwar auch an frühem Modernismus orientiert, die meisten aber deutlich klassischer oder in traditionellen lokalen Bauweisen gehalten.

    Die Karte ist als "Atlas of New Traditional Architecture" bekannt: https://newtrad.org/atlas/

  • Mehr Schande als Fleck?

    Die Verachtung historischer Bausubstanz und die Ideologie der Moderne in Deutschland


    Eine Analyse mit Handlungsperspektive

    "Wir bauen eine neue Gesellschaft, aber diese Gesellschaft darf nicht in die Gehäuse der alten kriechen."

    Hans Sharoun, Stadtbaudirektor Berlin 1945/46

    Verfasser: Jan Kobel, Judith Rüber, im Januar 2021

    Quelle: https://stadtrandnotiz.de/2020/12/31/sch…ceLx4XTQ_UJN9nI

  • Staatlich "Betreutes Denken" halt.

    Besonders kurios, wenn man als Beispiel die im Raum stehende Rekonstruktion der Bornplatzsynagoge heranziehen würde. Vermutlich würde der Staats..ähm...Deutschlandfunk rot anlaufen, wenn man diesen Frage entgegenhalten würde, was an der 1:1 Reko einer Synagoge denn "neo-national" ist? :thumbup:

    Kinder, spart Euch den Frust. Die, die wissen, dass es bloß um Ideologietransport geht, die erreichen solche Belehrungen ohnedies nicht und die, die man zu erreichen versucht, die wissen nicht einmal wie man "Rekonstruktion" buchstabiert. :biggrin:

    Zitat von Gendlandfunk

    Wenn Architektinnen, die genau wissen, was sie wo und warum bauen, darauf verweisen, dass sie eine ideologische Überhöhung der rekonstruierten Gassen ablehnen, wenn sie darauf verweisen...schwurbbel, schwurbbel

    Warum schreibt der Autor nur über Architektinnen? Offensichtlich machen die männlichen Kollegen alles richtig oder habe ich da einen Denkfehler?

  • Bei so viel Geschwurbel musste ich lachen. :lachen: Diese ganze Phrasendrescherei ("Disneyisierung", "neo-nationale Bauten", "Biedermeier sind müde Demokratinnen") übertüncht nicht die geistige Leere dieser "Horsts". Die passende Antwort von Alexander Wendt auf diese geistigen Tiefflieger hat ja Maecenas bereits gestern gepostet. Ansonsten: schade, dass die Allgemeinheit verpflichtet ist, solchen "Journalismus" zu finanzieren.

  • Heutiger Bewertung von Architektur fällt es schwerer sich auf die Historie zu stützen. Ein exemplarisches Schlaglicht bietet dieser Kommentar, welcher die Gemeinde in die Defensive drängt aufgrund ihrer Entscheidung ein Umnutzungsprojekt nicht zu genehmigen, weil das traditionelle Satteldach durch ein Pultdach ersetzt werden sollte:

    Neusäß sucht den Weg zum modernen Stadtbild
    Die Stadt Neusäß muss auch in der Remboldstraße eine zeitgemäße Nutzung der ehemaligen Hofstellen möglich machen. Gesucht ist nun ein Kompromiss.
    www.augsburger-allgemeine.de

    Wenn sich Architekturkritik einzig danach bemisst, ob die Bauformen ,,neuen, der Zeit angepassten Nutzungsmöglichkeiten" entsprechen, womit hier ein Pultdach gemeint ist für Photovoltaikanlagen, dann sollte sich niemand wundern, wenn die Baukultur am Abgrund steht. Ein großer Teil der Bevölkerung scheint das Verhältnis zur Tradition und deren Wert zu verlieren oder bereits verloren zu haben. Es braucht dringend mehr Bildung in diesem Bereich, sonst werden solche Positionen wie im Kommentar zum Damoklesschwert einer hochwertigen Architektur durch hochwertige Architekturkritik.

  • Heutiger Bewertung von Architektur fällt es schwerer sich auf die Historie zu stützen. Ein exemplarisches Schlaglicht bietet dieser Kommentar, welcher die Gemeinde in die Defensive drängt aufgrund ihrer Entscheidung ein Umnutzungsprojekt nicht zu genehmigen, weil das traditionelle Satteldach durch ein Pultdach ersetzt werden sollte:

    https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg-land/…id66260116.html

    Wenn sich Architekturkritik einzig danach bemisst, ob die Bauformen ,,neuen, der Zeit angepassten Nutzungsmöglichkeiten" entsprechen, womit hier ein Pultdach gemeint ist für Photovoltaikanlagen, dann sollte sich niemand wundern, wenn die Baukultur am Abgrund steht. Ein großer Teil der Bevölkerung scheint das Verhältnis zur Tradition und deren Wert zu verlieren oder bereits verloren zu haben. Es braucht dringend mehr Bildung in diesem Bereich, sonst werden solche Positionen wie im Kommentar zum Damoklesschwert einer hochwertigen Architektur durch hochwertige Architekturkritik.

    Ich habe den Bericht gelesen und mir mal die Schlüsselwörter herausgesucht:

    Zeitgemäße Nutzung, modernes Zentrum, Teil eines Aufbruchs mit modernen, städtisch geprägten Häusern ...

    Ich fasse zusammen:

    Zeitgemäß, modern, Zentrum, Aufbruch, städtisch...

    Damit kommen wir schon zum Kernproblem: dem Modernebegriff. Die Moderne, das klingt immer wie: der letzte Schrei, jung (nein, nicht alt), neu, frisch, unverbraucht, macht keine Probleme. Wer will schon unmodern sein, wer will schon ein unmodernes Badezimmer haben mit Kloschüsseln von Anno dazumal.....

    Nein, modern ist immer gut, modern ist zeitgemäß, modern ist Aufbruch, modern ist städtisch und nicht dörflich rückständig. Diese Konnotationen, deren Wert wir wahrscheinlich alle teilen, scheint mir das eigentliche Problem zu sein. Denn sobald wir einen Schwenck machen vom funktionalen Gebrauch hin zur Ästhetik, verändert sich spontan die Wirklichkeit. Hier ist für die Mehrheit der Bürger, wie inzwischen viele Forschungsergebnisse nahelegen, im Bereich der Architektur plötzlich alt ästhetisch positiv besetzt und nicht neu.

    Ach - wäre das bei uns Menschen doch auch so.............................

  • Nein, modern ist immer gut, modern ist zeitgemäß, modern ist Aufbruch, modern ist städtisch und nicht dörflich rückständig. Diese Konnotationen, deren Wert wir wahrscheinlich alle teilen, scheint mir das eigentliche Problem zu sein

    Klar, auch hier will vermutlich niemand "unmodern" sein. Und genau dafür brauchts auch gar keine mentale Gymnastik. ;)
    Denn wer heute lebt, kann nur modern sein. Es gibt keine Menschen aus der Vergangenheit, geschweige denn aus der Zukunft - nach allem was wir gemeinhin wissen und beweisen können.

    Insofern ist auch jedes Gebäude, das heute errichtet wird, zwangsläufig modern. Es geht gar nicht anders. Und das ist völlig unabhängig vom Stil.

    Und wenn wir "Moderne" einfach mal etymologisch auseinandernehmen: es kommt eben von spätlateinisch modernus, also „neu, neuzeitlich“, auch modo „gerade eben“, oder ganz wörtlich „mit Maß“. Im Kern also: wer modern bauen will, muss einfach nur gegenwärtig und mit Maß bauen. :thumbup: