Nürnberg - realistisch in Bildern (Galerie)

  • Was und warum soll man hier also verbessern?

    Diese Frage ist die Kernfrage dieses Forums.

    Um auch eine Antwort zu geben:
    Was?... Bessere Funktionsmischung. Abriss der Großblöcke zugunsten einer kleinteiligeren Neubebauung. In der Neubebauung inbegriffen eine Neukonzeption von (heute nicht vorhandenen) Erdgeschosszonen. Hierzu gehören Fenster, Hauseingänge, Schaufenster. Architektonische Gestaltung im Nürnberger Stil, als mit Sandstein-Verkleidungen, steilen Dächern, eventuell Chörlein. Dazwischen können einzelne Anlieferpunkte in neuer Gestaltung erhalten bleiben. Dass das nur langfristig realisierbar ist, ist mir bewusst.

    Warum?... Um die städtebauliche, architektonische und Aufenthaltsqualität auch in dieser Gasse qualitativ zu stärken. Vor allem, weil wir uns hier nicht in New York oder einem Gewerbegebiet am Stadtrand, sondern in der Nürnberger Altstadt befinden.

    Und wenn wieder jemand mit "warum?" nachfragt: Keine Gasse, kein Platz wird aufgegeben. Keinen Milimeter jenen, die sagen, da sei alles "doch eh egal" oder da "können sich die Architekten mal austoben". Das habe ich nun Jahrzehnte gehört, und eine solche Achselzuck-Mentalität führt zu gar nichts.

  • Ja, aber solche Maximalforderungen sind realitätsfremd und in summa sogar eher schädlich als nutzbringend. Da sind wir schon wieder bei Polemiken à la Edouard von wegen "ganz rekonstruierter Altstadt". Ganz abgesehen davon, dass mein ästhetisches Empfinden nicht viel Differenzierung kennt zwischen einer rein aus gefälliger, aber belangloser Anpassungsarchitektur und solchen Betonwüsten. Beides wird der ästhetischen Bedeutung des Vorzustandes nicht gerecht. In offenbar flächig zerstörten Stadtteilen bestand keine realistische Chance auf das Wiedererstehen solcher Gassen, damit muss man sich abfinden.
    Man wird auch nicht an dieser Stelle das Problem der "autogerechten Stadt" lösen können.
    Man muss dort ansetzen und Forderungen stellen, wo es sich auszahlt, und wo mit vglws geringem Aufwand viel zu gewinnen ist.
    Nicht misszuverstehen: natürlich muss man die Frauengasse, gerade wie in einem Strang wie diesem, thematisieren. das realistische Nürnberg sieht heute eben so aus. Es ist wirklich nicht schön, und von einem gelungenen Wiederaufbau zu sprechen, ist klassische Realitätsverweigerung.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Heute möchte ich Euch den Stadtteil "Langwasser" zeigen und zwar als erstes die schönen Seiten dieser Stadt.
    Ich zitiere aus Wikipedia

    "Die eigentliche Stadtteilgeschichte von Langwasser beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg1949. Für zehn Jahre waren Teile des Geländes eine Mischung von Flüchtlingslagern, ersten Wohnsiedlungen und Bauresten der Reichsparteitage. Am bekanntesten war das Valka-Lager, eine Art Übergangslager für Ausländer, die auf Auswanderung oder einen Neuanfang in Deutschland warteten. Von 1954 bis 1960 war das Valka-Lager das Bundessammellager für Ausländer und damit der Vorläufer für die zentrale Anlaufstelle für Asylsuchende(später in Zirndorf) und das spätere Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) in Nürnberg. Die ersten Wohnsiedlungen entstanden um 1950. Viele deutsche Vertriebene, vor allem aus Schlesienund aus dem Sudetenland, fanden in Langwasser eine neue Heimat.

    Das Neubaugebiet Nürnberg-Langwasser 1961. Reinerzer Straße, Höhe Kreuzung Neusalzer Sraße, Blickrichtung Ost-Nord-Ost
    Die Neuzeit Langwassers begann mit dem Entschluss der Stadt Nürnberg zu einer koordinierten Bebauung auf dem Gelände unter dem Motto „Wohnen im Grünen“. Ein Architekturwettbewerb wurde 1956 abgeschlossen, 1957 begann dann der abschnittsweise Aufbau des neuen Stadtteils, der erst Ende der 1990er Jahre in den Grundzügen abgeschlossen wurde. Größere Siedlungsteile werden noch bis in die späten 2010er Jahre realisiert.


    Über die Autobahn ist Langwasser sehr leicht zu erreichen. Dort werden neue Spuren und Straßen gebaut, eine Verbreiterung auf acht Fahrstreifen, um den Rückstau Richtung Berlin zukünftig zu verhindern."


    Beauty matters!

  • Und schon sind wir am Ziel:

    Ich zitiere von der Hompage:

    "Unsere Kirche wurde 1961 von Bischof Dr. Josef Schröffer geweiht. Architekten waren Dr. Winfried Leonhardt und Sohn Peter Leonhardt.
    Der Grundriss des Ziegelsteinbaus ist sechseckig. Der Kirchenraum ist sehr großzügig und gibt dem/der Besucher*in ein Gefühl der Weite. Gleichzeitig vermittelt er durch den warmen roten Ton der Steine auch Geborgenheit"

    Einer, von sehr vielen Eingängen

    Beauty matters!

  • Leider war die katholische Kirche tagsüber abgesperrt. Das kenne ich nur von den evangelischen Kirchen.

    Bilder aus dem Innenraum folgen (irgendwann) noch nach.

    Den öffentlichen Bücherschrank fand ich gut sortiert vor:
    Von Goethe bis Bukowski - alles dabei

    Beauty matters!

  • Zweiter Spaziergang:

    Startpunkt ist am Kunstwerk: Symposion Urbanum von Joachim Wolff.


    Richtung...


    Vorher gibt es aber noch einen Abstecher zur evangelischen Dietrich-Bonhoeffer-Kirche.


    Beauty matters!

  • Der größte Künstler ist die Natur oder besser mit Joseph Beuys Worten ausgedrückt:

    „Und das ist ja auch ein Merkmal von großer Kunst, dass die sich überhaupt nicht aufdrängt, sondern vollkommen eingeht, in den Zusammenhang eingeht, fast verschwindet in der Natur.“

    Ich sympathisiere mit seiner Kunstaktion 7000 Eichen - 7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung.

    Das löst natürlich nicht das Dilemma der Moderne. Man kann sie aber durch viele viele Bäume abmildern, sozusagen die Wüste begrünen.

    Ich weiß natürlich, dass gute Architektur nicht zwangsläufig einen großen Baumbestand nötig hat.

    Beispiel Tübingen oder Esslingen.



    Zurück zur Trabatenstadt. Aber was wären diese Wohnstätten ohne Grün?

    Beauty matters!

  • Bei solchen Stadtteilen denke ich mir immer, die Architekten damals sagten sich „Mir scheißegal was daraus mal wird, das geht mich dann ja nichts mehr an.“ Als Diener am Menschen haben sie sich wohl nicht verstanden, ich glaube dann könnte man sowas nicht fertigbringen.

    In dubio pro reko

  • Das Schlimme ist ja - so sieht im Prinzip ganz Westdeutschland in seinen Nachkriegsstadterweiterungen aus. Die Bilder könnten aus aus der Neuen Vahr in Bremen kommen oder x in y... nichts Regionalspezifisches, elender, deprimierender autofreundlicher Brei, soweit das Auge reicht.

  • Aber was wären diese Wohnstätten ohne Grün?

    Eben. Das ist das einzige positive Kriterium dieser Architektur, die Einbettung in eine Art Parklandschaft.

    Doch gerade dies ist infolge der selbst herbeigeführten "Wohnungsnot" nun auch noch in Gefahr. Ich zitiere über die Absichten des (leider nicht abwählbaren) Leiters des Deutschen Architektur-Museums in Frankfurt, Peter Cachola Schmal: "Enteignungen hält er nicht für sinnvoll. Das koste auch Geld. Statt dessen lautet seine Formel: Neu bauen, höher bauen, dichter bauen. Äcker bebauen, Siedlungen der fünfziger und sechziger Jahre verdichten. Scharf kritisiert Cachola Schmal die Bürgerinitiativen und Ortsbeiräte, die bei jedem neuen Bauvorhaben sofort zu Stelle seien."
    (Quelle: Offenbach-Post, 19.6.2019, S.28)

    Und wer glaubt, bei diesen Ideen entstünden statt der Siedlungen a la Langwasser mittels Verdichtung schöne Gründerzeitareale, der hat nichts von Leuten wie Cachola Schmal und der aktuellen Bauwirtschaft verstanden.

    Ich möchte hierzu ein noch durchaus humanes Beispiel zeigen. (Cachola Schmal dürften noch weit größere Blöcke vorschweben) Die Vereinsstraße in Frankfurt am Main. Vor einigen Jahren sah die Siedlung dort noch nach 50er Jahre aus. (Siehe hier) Heute sind dort Blöcke für Besserverdiener entstanden. Die Grünflächen wurden minimiert. (Siehe hier)

  • @HeimdallDas dachte ich mir auch!
    Ich bin gestern teilweise wie ein General durch den Park gelaufen und malte mir aus, wo überall ein Block reinpassen könnte. Die Gebäude sind aus heutiger Sicht unglaublich platzverschwenderisch angeordnet, in etwa wie die Bungalow-Viertel mit Swimmingpool aus den Siebzigern, die man so kennt.
    Der Vergleich der Vereinstraße ist erschreckend. Dann lieber die mausgraue Zeilenbauweise, als diese eisige Architektur. Ich hoffe für die Menschen in Langwasser, dass die Bäume und die Grünflächen erhalten bleiben.

    Ich muss übrigens zu Gute halten, dass es dort sehr ruhig zugeht, um die Viertel drumherum braust zwar der Verkehr, aber da die U-Bahnstation überall zu Fuß erreichbar ist, sind die Viertel nicht verkehrsbelastet.

    (Ich vergleiche die Situation immer mit meiner Wohnstätte auf dem Lande, wo es überhaupt kein Verkehrskonzept gibt.
    Die Gemeinde wächst und wächst, es wird viel erweitert und gebaut. Da ich an der Hauptstraße wohne, leide ich unter dem Lärm und der Hektik. Die Autofahrt zur Arbeit ist auch kein Zuckerschlecken).

    Beauty matters!

  • Stadtplaner mögen die Zeilenbauweise als zukunftsträchtig ansehen, weil man sie gut verdichten kann. Leider verschwindet dann ihr einziges Plus, nämlich die Weite und das Grün zwischen den Häusern. Ich wohne in einem Gründerzeitviertel, dessen Blockränder fast alle vollständig bebaut sind. In den Straßen stehen meist mickrige Baumscheiben mit Bäumen, die eher dahinvegentieren als zu großen stattlichen Schattenspendern heranzuwachsen. Übrigens beschweren sich sogar einige über die größeren Bäume, weil die sie Parkplätze darunter unattraktiv machen, die Autos werden dann schnell schmutzig und verklebt. Ehrlich, das habe ich schon oft gehört. Also die Straßenseite dieser Viertel hat lediglich architektonische Qualitäten, nämlich wenn die historischen Häuser noch nett anzusehen sind. Ansonsten Enge, Verkehr, Lärm. Die Innenhöfe aber sind die wahren Schätze dieser Viertel, oft mit altem Baumbestand, begrünt, durch niedrige Hofbebauung weitläufig und ruhig. Und weitgehend unverbaubar! Von der Verdichtung der Zeilenviertel halte ich nichts, das macht sie noch unattraktiver und die Menschen gehen zu Recht auf die Barrikaden. Denn es ist ja auch eine Art Enteignung, wenn man durch Neubauprojekte den Leuten die Positivaskpekte ihres Umfeldes raubt. Wenn wir ehrlich sind findet Enteignung ja schon statt, nur eben nicht so wie man es aus dem Geschichtsunterricht kennt. Wenn im heißen Sommer der Garten nicht mehr gegossen oder der Pool nicht mehr gefüllt werden darf, wenn ich nimmer in die Stadt reinfahren darf mit meinem Diesel, wenn irgend eine IT-Firma den Support meines Betriebssystems einstellt und ich das Gerät dann wegschmeißen kann, oder wenn mein kleines Häuschen am Lande plötzlich von Neubaugebieten umgeben wird - das ist doch nichts anderes.