München - digitale 3D-Rekonstruktion von Gebäuden um 1900

  • Ach, wir haben sie ja doch, die 3D-Designer. :love: Sieht gut aus und acht es greifbarer!

    Mit welchem Programm auf welchem Betriebssystem arbeitest du? Bin leider komplett raus (hatte mal zwei Semester in C4D) und würde bei Zeiten gern wieder reinkommen.

    Nachtrag: Ich habe den ganzen Strang durchgelesen und habs gelesen:Unity 3D. Werde ich bald ausprobieren. Wie ist dein genereller Werdegang mit 3D-Programmen, wie lange hast du etwa gebraucht um zu diesem Stand zu kommen, hattest du Vorerfahrungen usw.? Würde mich über eine kurze Zusammenfassung freuen!

    Einmal editiert, zuletzt von tachMarkus (21. Januar 2019 um 10:11)

  • Hallo Markus,

    ja, ich verwende Unity 3D unter Windows. Unity hat den Vorteil, dass es programmierbar ist (C#) und man sich daher jederzeit kleine Tools basteln kann, die einem Arbeit abnehmen.
    Mit 3D-Programmen habe ich vor gut 25 Jahren angefangen (Povray, Cinema 4D usw.), aber nur rein hobbymäßig (bin eigentlich SW-Entwickler).
    Mit Unity arbeite ich seit ca. 6 Jahren, aber auch da nur wenn ich Zeit habe.
    An dem jetzigen Stand von München 1900 arbeite ich seit gut 6 Monaten, allerdings immer wieder mit längeren Pausen (mir kommt mein Job immer wieder dazwischen); außerdem musste ich den Bahnhof (an dem ich am längsten herumgebaut habe), mehrmals umbauen, weil ich erst lernen musste, wie man so große Projekte mit Unity abwickelt.

    Das Warenhaus jetzt hat ca. 6 Wochen gedauert, mit Unterbrechungen über die Weihnachtsfeiertage. Das Telegrafenamt (Gebäude rechts) war in 3 Tagen fertig. Der Gebäudekomplex Prielmayerstrasse 1 (links) hat sogar nur 2 Tage gedauert. Inzwischen habe ich einen Workflow (und mir Tools geschrieben) mit denen Durchschnitts-Gebäude in 1-2 Tagen möglich sind.

    Beste Grüße,

    Günther

  • Danke für diese schönen Bilder - wäre ich bayrischer Ministerpräsident, ich würd München in seinem alten liebenswüdigem Charme wieder errichten lassen. Aber wahrscheinlich sehr zum Ärger des Finanzministeriums :D

  • Hallo Henry!

    Besten Dank für deinen Kommentar! Und sorry, dass ich solange nicht reagiert habe, aber wir haben seit zwei Wochen einen neuen Mitarbeiter, der uns ziemlich beschäftigt: (Deswegen komme ich im Moment auch nicht dazu, neue Gebäude zu bauen...)

    Erstaunlicherweise gibt es - gerade unter Architekten - doch recht viele, die so einen Ansatz ziemlich kategorisch ablehnen. Altes nachzubauen scheint da so etwas wie Sakrileg zu sein. Dabei würde es München an vielen Stellen gut tun, wenigstens das noch Bestehende wieder in den Stand zu versetzen, indem es einmal war. Gerade am Bahnhofsplatz stehen ja erstaunlicherweise noch die meisten Gebäude (Warenhaus Tietz, Telegrafenamt, usw.), aber die sind so vereinfacht worden, dass sie wie Bauhaus-Häuser aussehen...

    Und Dank auch nochmal für die vielen Likes! ;)

  • Das Projekt ist wirklich grandios. cclap:) Gibt es eine Fortsetzung? Der neue Mitbewohner müsste doch jetzt aus dem Gröbsten raus sein...

    Zur Bahnhofshalle habe ich noch zwei weitere Bilder gefunden.

    Aquarell um 1850

    Quelle: Münchner Stadtmuseum

    Und auf Alamy eine Holzgravur von ca. 1845. Da sehen die Träger sogar aus wie Holz. Aber es ist auch eine künstlerische Darstellung, wo der Künstler auf die Darstellung technischer Details wie Verbindungslaschen oder Nieten verzichtet haben mag.

    Egal wie, bezüglich Konstruktion, Transport und Montage traue ich den Baumeistern und Handwerkern in vergangenen Zeiten eine ganze Menge zu. Oftmals ist ja schon die Genialität gefundener Lösungen oder die Bauzeit beeindruckend. (BER :lachentuerkis:)

    Auf dem Bild von Alamy kann man die Verzierungen gut sehen. Die werden sicher aus Holz gewesen sein, allein aus Gründen des Gewichts. Vielleicht etwas Ähnliches wie beim Masarykovo nádraží in Prag, der im selben Zeitraum entstanden ist.

    Quelle: Wikimedia

  • Verzeihung für die verspätete Antwort, aber ich schau hier nur selten vorbei.

    Besten Dank für die Bilder! Sehr hilfreich, allerdings muss ich gestehen, dass ich mich vor der Halle seit Monaten drücke - da wäre ich einige Wochen beschäftigt...

    Unser Mitbewohner ist aus dem einen Gröbsten raus und in einem anderen Gröbsten mittendrin. Er hat akute Hormonitis (=Pubertät).

    Er ist ein sehr friedlicher und fröhlicher Hund, allerdings hat er das meiste, was er mal gelernt hat, vergessen. (Das scheint übrigens bei den Menschen in der aktuellen Situation nicht anders zu sein...)

    Eigentlich ist ein weiterer Teil des Bahnhof fast fertig, aber zum einen ist mir wieder einmal der Job dazwischen gekommen, zum anderen hat mir die aktuelle Situation ein "Motivationsloch" verursacht.

    Naja, vielleicht schaffe ich es, in den nächsten Tagen das Gebäude fertig zu machen...

    Melde mich dann...

    Sonst alle gesund?

  • So, jetzt doch mal einen Appetizer. Das ist ein Gang des neuen Gebäudeteils, der sich hinter der Eingangshalle des Bahnhofs befand. Rechts ging es zur Eingangshalle (vormals Einstiegshalle des ursprünglichen Bahnhofs), links zur großen Einstiegshalle, die in den Bildern oben dokumentiert ist.

    Ich denke, ich werde den Fatalismus der nächsten Tage nutzen und was Vernünftiges machen - das Gebäude fertig bauen. ;)

  • So...

    Bei den nachfolgenden Bildern fehlt noch Vieles und eine ganze Reihe von Fehlern gibt es auch noch, aber das grundlegende Gebäude ist soweit fertig.

    Das Gebäude ist durch mehrere Fotos - sogar hochaufgelöst und in guter Qualität - gut dokumentiert. Da die Fotos aber SW sind, bin ich nicht sicher, ob die Ziegel tatsächlich ockergelb waren. Auf den Fotos erscheinen die Ziegel ungewöhnlich hell, sodaß ich vermute, dass es keine roten Ziegel waren, da die normalerweise auf SW-Fotos deutlich dunkler sind.

    Das erste Bild zeigt das neue Gebäude "standalone", also ohne andere Gebäude. Die beiden Gebäude an den Flanken dürften ziemlich identisch gewesen (nur spiegelverkehrt). Verbunden sind die Gebäude durch einen langen Gang, der im vorigen Post von innen zu sehen ist.

    Dass der Gang existiert hat, ist durch Pläne belegt, allerdings kann ich nicht sagen, ob er innen tatsächlich zweistöckig oder vielleicht nur einstöckig war. Davon habe ich leider nicht ein einziges Foto. Daher ist der Gang auch ziemlich spekulativ. Der Gang existiert heute noch (ist allerdings komplett reduziert worden und lässt nichts mehr erkennen), aber da der Hauptbahnhof im Moment ja zum großen Teil abgerissen ist, kann man sogar die äußeren Mauern noch erkennen.

    Das zweite Bild zeigt das Südportal mit Blick in den Gang - dazwischen liegt noch das "Vestibül" (dazu später noch mehr).

    Das dritte Bild blickt von Nordost auf den südlichen Bau und es ist auch ein Teil des Gangs zu sehen.

    Das vierte Bild zeigt den Bau im Verbund mit dem Rest des Bahnhofs.

    Und das 5te Bild ist ein Blick in das Vestibül, das direkt hinter dem Eingangsportal und vor dem Gang gelegen hat. (Heute sind da Restaurants untergebracht.) Auch dieses Vestibül ist im Grunde rein spekulativ. Dass es existiert hat, ist sicher, weil es in den Plänen sogar so genannt wird; auch, dass es oben ein Glasdach hatte, ist relativ sicher, weil auch das den Plänen zu entnehmen ist, aber wie es nun konkret ausgesehen hat, kann ich nicht sagen. Daher die Frage: KANN es so ausgesehen haben? Sind da irgendwelche kapitalen Fehler drin? Alle Kommentare sind herzlich willkommen!

  • So, nach längerem wieder ein Update.

    Nach über 6 Jahren habe ich mein "Bauprogramm" gewechselt. Bisher habe ich Unity verwendet, aber eigentlich ist Unity eine Game-Engine und kein "Modeller", daher ist einiges ziemlich mühsam bzw. gar nicht möglich. Seit einer Woche arbeite ich mit Houdini, einem "prozeduralen Modeller", den sogar Filmstudios verwenden.

    Als erstes Test-Projekt habe ich mir das alte Telegrafenamt vorgenommen, das ich ja schon mit Unity gebaut hatte; da es erst mein zweites Gebäude war, war es noch ziemlich rudimentär, ich wollte es also sowieso neu machen.

    Die Bilder erstelle ich weiterhin mit Unity.

  • Sehr schön, dass es weitergeht :thumbup:

    Was sind denn deine Erfahrungen bezüglich des Umstiegs? Fällt das Arbeiten mit Houdini leichter als mit Unity, gibt es Vor- und Nachteile?

    (Ich kenne Unity und habe schon bei einigen Unity-Projekten mitgewirkt, es hat mich schon immer gewundert wie du damit dieses tolle Projekt hinbekommst. )

  • Centralbahnhof: Du machst mit Unity rum? Da bin ich jetzt neugierig... Erzähl!

    Houdini ist komplett anders. Während man bei Unity ja eher nach der "Klötzchen-Baumethode" arbeitet, wird bei Houdini alles prozedural gebaut. Im Grunde zeichnet Houdini Arbeitsschritte auf (heißen dann "Nodes") und ermöglicht es jederzeit, irgendeine Node in der Kette wieder zu verändern. Dadurch ist alles sehr flexibel und änderungs- und ausprobierfreudig.

    Zum Beispiel sind die Wände im alten Modell mit Klötzchen gebaut; das führt dazu, dass Ecken (äußere und innere) manuell gebaut werden müssen, was ziemlich mühsam und änderungsunwillig ist. Mit Houdini lege ich das Profil der gesamten Hauswand in einer (eckigen) Kurve ab und kann die dann nach einer beliebigen zweiten Kurve abbilden lassen. Wenn sich das Profil ändert, brauche ich nur eine Kurve zu ändern und es ist überall anders. Damit sind Ecken ein Klacks (quasi automatisch) und man kann sogar ohne Probleme rund bauen.

    Außerdem lässt sich alles parametrisieren, d.h., ich kann überall Variablen verwenden, die ich dann zentral ändern kann. Das ist sehr cool für alles Kurvige, weil man z.B. ganz leicht nachträglich die Anzahl der Segmente ändern kann, wenn man feststellt, dass es zu viele Dreiecke verbraucht.

    Eine Reihe von Animationsfilmen wurden mit Houdini erstellt. Ich glaube, die haben für die Tricktechnik bei einem Film sogar einen Oscar bekommen.

    Ich habe heute die Putz-Textur nochmal überarbeitet; das dürfte jetzt soweit "final" sein. Das Gebäude wird in den nächsten Tagen auf den Unity-AssetStore gehen.

  • Ich weiß gar nicht, ob das hierher passt... doch, weil es um Architektur und München geht.

    Ich arbeite zurzeit an einem Unity Asset-Package, in dem 10 Gebäude enthalten sein werden. Die gibt es dann in 4 Größen, 5 Layouts und 20+ Farbvariationen. (Auch für München1900 brauche ich "Füllhäuser"...)

    Das sind die ersten 4 - alles Gebäude aus der näheren Umgebung (also größtenteils Giesing):

    B01.png

    B06.png

    B02.png

    B03.png

    Größen 8x8, 8x16, 16x8, 16x16:

    FourSizes.png

    Und Farbvariationen:

    AllColors.png

  • Hallo zusammen,

    ich erlaube mir, meinen eigenen Thread zu missbrauchen.

    Es geht um Folgendes: durch meinen obigen Post habe ich Interesse ausgelöst, "Füllgebäude" aller Art zu bauen - auch moderne.

    Mir stellt sich nun die Frage, ob ich neue Gebäude bzw. sogar Gebäude, die erst in Planung sind, als 3D-Modell nachbauen und verkaufen darf.

    Die obigen Gebäude sind Gebäude aus der näheren Umgebung, die ich fotografiert habe. Sie sind durchwegs um 1900 herum gebaut worden.

    Damit gehe ich davon aus, dass diese Gebäude heute "gemeinfrei" sind...?

    Nach einigem Herumrecherchieren scheint es mir, als ob das Fotografieren prinzipiell unbedenklich ist, das Nachbauen allerdings schon eher:

    Im Prinzip gestattet die Panoramafreiheit die gewerbliche Verbreitung, Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe der Fotografie. Die Darstellung in 3-dimensionaler Form ist unzulässig. Die Fotografie selbst darf auf einem dreidimensionalen Träger angebracht werden.


    ...und weiter...

    Immer dann, wenn jemand ein Bild in der Absicht erzeugt, es zu verkaufen oder in einer anderen Form zu verwerten, liegt kommerzielle, gewerbliche Nutzung vor. Im Bereich der Werbung, bei Publikationen oder Produktfotografie ist das der Standard.

    Moderationshinweis: Bitte keine rote Farbe verwenden (der Moderation vorbehalten), Farbe geändert.

    Heißt das, dass ich grundsätzlich kein modernes Gebäude nachbauen und verkaufen darf?

    Und wie lange ist es "nachgebaut" und wann so weit verfremdet, dass es ein eigenständiges Gebäude ist?

    Die meisten Gebäude heute sind eh nur Schachteln mit Löchern - wie will man das schützen?

    Hoffe auf Antworten,

    Günther

  • Ich bin kein Jurist, das vorweg, mein Beitrag ist also keine juristische Beratung sondern lediglich meine eigene Interpretation, für deren Gültigkeit ich keine Gewähr gebe.

    Soweit ich das beurteilen kann, und soweit ich dazu Interpretationen gelesen habe, bezieht sich § 59 UrhG ziemlich explizit auf zweidimensionale Darstellungen, je nach dem, wie man "mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film" auslegt - letztlich ist ein Rendering ja auch zweidimensional. Ob ein digitales 3D-Modell am Ende bereits eine Kopie ist oder nur ein gerendertes Bild davon, ist ja auch noch unklar.

    § 59 UrhG bezieht sich übrigens auch nur auf bereits gebaute Gebäude, d.h. die Panoramafreiheit gilt natürlich erst, sobald das Gebäude steht.

    Weiterhin ist wohl immer relevant, ob das abgebildete Objekt Schöpfungshöhe besitzt, damit also überhaupt urheberrechtlich geschützt sein kann (was bei individuell entworfenen Gebäuden wohl immer der Fall sein wird). Falls ja, erlischt der Schutz wie üblich 70 Jahre nach dem Tod des Rechteinhabers.

    Wahrscheinlich kommt es auch noch darauf an, in welchem Kontext das nachgebaute 3D-Gebäude dann gerendert wird.

    Ich finde, dass aufgrund der schwierigen Rechtslage ein 1:1-Nachbau zumindest neuerer Gebäude mehr Probleme schafft, als eine eigene Neuschöpfung in Anlehnung an "echte" Vorbilder. Da muss man dann wohl aufpassen, dass man nicht zu viel "zitiert", weil ja nicht nur das gesamte Werk geschützt ist, sondern auch Teile. Grundsätzlich muss dann der Rechteinhaber auch erstmal beweisen, dass man sein Werk (in Teilen) kopiert hat. Das stelle ich mir bei einzelnen Elementen von simplen Rasterfassaden tatsächlich ziemlich schwierig vor.

    Wie immer bei juristischen Themen ist die richtige Antwort auf deine Fragen wahrscheinlich "Es kommt darauf an".

  • Meiner Meinung nach darfst du solange kein Gebäude nachbauen, bis der Urheberschutz erloschen ist. Während dieser Zeit geht das wohl nur mit der Erlaubnis des Eigentümers.

    Ich denke bei den Mischformen wird es wohl auf den Charakter des Gebäudes ankommen. Solange der noch Sichtbar ist könnte man eine Urheberschaft nachweisen. Das geht dann vll. als Kunstaktion aber nicht gewerblich.

    Vielleicht gibts zu solchen Fragen schon Rechtsurteile. Frag doch mal einen Anwalt für Urheberrechte.

  • Hallo zusammen,

    besten Dank für die Beiträge!

    Größtenteils baue ich sowieso eher ältere Gebäude (1900 eben) und bei den neuen werde ich sie nicht 100% nachbauen. Ich stelle es mir schwierig vor, bei einem Gebäude zweifelsfrei festzustellen, dass es eine Kopie eines anderen Gebäudes ist...

    Seid ihr Architekten so böse Menschen? ;)

    @SirMoc: dein Architektur-Kanal ist ja eine ganz außergewöhnliche Sache! Sehr feine Idee... Da werde ich wohl öfter vorbeischauen müssen...