Auf den Spuren des alten Berlins (Galerie)

  • Schauen wir uns nun das Nikolaiviertel im Detail an. Zuerst das Ephraimpalais, ein Rokokopalais aus dem 18 Jh. für den jüdischen Hofbankier Veitel Heine Ephraim errichtet. In der DDR wurde es nach der Abtragung 1935 zwischen 1985 und 87 im Zuge des Wiederaufbaus des Nikolaiviertel praktisch 1:1 rekonstruiert unter Verwendung von Originalbauteilen. Selbst die Hoffassade ist eine Reko sowie das gesamte Innere.


    Hofseite;



    Zugang zum Hof:



    Und Blick zurück:



    Der kleine Platz:


    Alles Rekonstruktionen aus den 1980ern!



    Gegenüber das Knoblochhaus, eines der wenigen erhaltenen barocken Bürgerhäuser des alten Berlins:

  • Schauen wir uns die sehr authentisch wirkende Südseite des Nikolaiplatzes nun an:

    Die Südfassade der Nikolaikirche, der ältesten Kirche von Berlin. Sie wurde 1230 bis 1250 errichtet, im 15. Jh. erweitert mit dem südlichen Kapellenanbau, im 19 Jh. bekam sie erst ihre karakterliche Türme. Seit 1938 Museum.



    Die Häuserzeile gegenüber im Spätbarock, Frühklassizismus wurde ebenfalls rekonstruiert:

  • Hier lässt sich die Atmosphäre des alten Berlins, beinah mit einem kleinstädtischen Charm, erahnen:


    Ein nachgebautes, verputztes Fachwerkhaus. Hier hat Gotthold Ephraim Lessing von 1752 bis 1775 gewohnt:




    Ein kleiner Platz mit Brunnen:


  • Beim "Paddenwirt" haben wir vor langen Jahren mal gut gegessen. Der Name Padden ist Platt- oder Niederdeutsch und bedeutet Kröten. Diese muss es wohl dereinst in großer Zahl im nahen Stadtgraben gegeben haben. Man kann sich das Konzert der Padden bzw. Kröten im Sommer gut vorstellen. Übrigens kommt das Wort Schildpatt, das aus dem Panzer der Schildkröten bzw. Schildpadden gewonnen wurde, auch daher.

    Einmal editiert, zuletzt von Villa1895 (7. Juni 2018 um 15:20)

  • Von hier aus hat man den Blick auf die Apsis der Nikolaikirche:

    Spätestens hier werden wir aus unserem Rekotraum wachgeküsst durch die Plattenbauweise der nördlichen Bebauung:



    Man hat sich zwar bemüht mit den Giebel auf "Altstadttauglichkeit" aber man merkt an den einzelnen Elementen die Gleichförmigkeit, das Genormte der DDR:



    Es würde schon besser wirken, wenn die gerillte Oberfäche und die Grenzen der Plattenbauteile unter einer dicken Putzschicht verschwinden würden. Aber dies ist wohl nicht mehr möglich, seitdem alles nun unter Denkmalschutz steht...



    Nochmal die Kirche:





  • Die Berliner Traditionskneipe "Zum Nußbaum" wurde ebenfalls 1:1 wiederaufgebaut. Sie wurde 1943 bei einem alliierten Bombenangriff zerstört. Das mittelalterliche Giebelhaus stammte aus dem 16. Jh. Der Original-Standort des Berliner Etablissements war auf der Fischerinsel, wo heute Hochäuser stehen ganz woanders also!



    Das dahinterliegende Nachbarhaus wurde auch mit dem Fahwerkgiebel 1:1 rekonstruiert. Dahinter postmoderne Platten:




    Straße "Am Nußbaum" mit Blick Richtung Fernsehturm. Man merkt jetzt, dass es Ost-Berlin ist:

    Die Rückseite der rechten Nachbarhäuser des "Nußbaums" wurden ebenfalls auhentisch rekonstruiert, sogar von hinten, der "Schmuddelansicht". Wenn man also was rekonstruiert hatte, wurde es gründlich gemacht.

  • Hinter dem Torbogen befindet sich die Poststraße:

    Und die in barockisierender Form wiederhergestellte Gerichtslaube. Sie wurde im 13. Jh. errichtet als Nebengebäude des alten Rathauses. DasOriginal steht im Park Babelsberg:


    Etwas weiter ein Geschäftshaus von 1905/06 im Reformstil gehalten:



    Und noch einige historisierende Platten an der Ecke zur Rathausstraße:




    Die Laubengänge gefallen mir ganz gut, nur nicht die oberen Etagen in typischer Plattenbauweise. Irgendwie verrückt :kopfschuetteln:



    Jetzt wirds ein wenig futuristisch!




    Gehen wir nun in Richtung Spree:

    Das Berliner Stadtschloss und der Dom bei Sonnenuntergang:

  • Am Spreeufer entlang kontrastiert die Platte mit dem Kurfürstenhaus von 1895-97 wohl aus dem farbintensiven roten pfälzischen oder Mainsandstein errichtet:

    Sehr schönes Neorenaissancegebäude!


    Der neue Marstall auf der anderen Uferseite:



    Der künstlich entstandene kleine Platz an der Einmündung zur Propsteistraße:




    Mit Denkmal des Heiligen Georgs von August Kiss 1849-53:



  • Die parallelen Laubengänge der Probsteistraße. Macht eine harmonischen Eindruck, aber ich glaube dennoch nicht, dass das alte Berlin vor dem Krieg so aussah. Schaut mehr nach südländischen Städten aus:



    Kreuzung mit der Poststraße:

    Im Hintergrund die vorhin gezeigte Kopie der Gerichtslaube:

    Doppelturmfassade der Nikolaikirche von vorne. Vor dem Umbau des 19. Jh. sah sie so aus:

    Zeno.org, ID-Nummer 2000407842XGemeinfrei

    Und jetzt:

  • Die Doppelturmfassade mit gleichhohen Türmen macht nun einen idealisierenden Eindruck, wie die Kirche vielleicht auch im Mittelalter ausgesehen hätte, wäre das Geld nicht ausgegangen. Sie sind in Backstein gehalten...

    .... wohingegen die unteren Stockwerke aus Feldsteinen errichtet wurden. Sie stammen aus der Zeit der Stadtgründung, um 1230:




    Das schlichte gotische Eingangsportal:

    Ein Bild des Inneren, alles wiederaufhergestellt in den 1980er Jahren, denn es wurde im Zweiten Weltkrieg zersört und nur die Umfassungsmauern blieben erhalten als Ruine. Ein Fremdfoto, da das Gebäude geschlossen war so spät am Abend:

    Andi oisn - Eigenes Werk CC BY-SA 3.0

    Seitenanbau:

  • Die reich geschmückten Häuserfassaden der hinteren Probsteigasse, die zu den vorhin gezeigten Hinteransichten gehören:


    In der Lücke links ist der Nußbaum:


    Rechts von der Kirche, der sogenannte "Gründungsplänen nach den Plänen von 1929 im Jahre 1987 errichtet:

    Die Nikolaikirche von Südwest:

    Der Platz von der hinteren Seite. Das rosafarbene Haus ist das Knoblauchhaus:

  • Das Knoblauchhaus wurde 1761 von Paul Spiess für Johann Christian Knoblauch errichtet. Es wurde im Stile des Rokokos erbaut. 1806 bekam es mit einem Rankenfries eine klassizistischere Wirkung. Es überstand den Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges auf wundersamer Weise und ist jetzt ein Museum zum Biedermeierzeitalter:


    Museumseingang:




    Gegenüber ein Gründerzeitler von 1895, welcher in den 1930er Jahren im Stile der neuen Sachlichkeit umgebaut wurde:

    Sein rechter Nachbar stammt von 1893-94 und blieb im Erbauungszustand erhalten:



    Gehen wir nun um den Häuserblock mit Palais Ephraim zur Spree :


    Gegenüber die verschandelte Fischerinsel:

    Schließlich kommt die bekannte Silhouette des Nikolaiviertels mit den Kirchturmspitzen und dem Fernsehturm im Hintergrund, bei fortschrittlicher Dämmerung:


    Mit diesem Panoramabild der Spreeseite verabschiede ich mich bei Euch für diese Galerie. Ich hoffe, sie war für alle (Nicht-)Berliner sehenswert und informativ zugleich ;)


    --- Ende ---

  • Danke für die tolle Arbeit, Fachwerkliebhaber! Ganz in der Tradition von Wissen.de :D Es ist verdammt schade, dass man nicht alles authentisch rekonstruiert hat. Die postmodernen Platten geben sich leider vergeblich Mühe, sich in das Gesamtbild einzufügen. Schade auch, dass durch den Denkmalschutz eine bessere Lösung á la Frankfurt bis auf weiteres unmöglich gemacht wurde. Eine Verknüpfung über das MEF zum Marienviertel nördlich der Karl-Liebknecht-straße scheint mir für die Zukunft unabdingbar . . .

    "Mens agitat molem!" "Der Geist bewegt die Materie!"

  • Ich finde gerade die Mischung aus DDR-Platten und Rekos so interessant. Das gibt es nur hier (und in Rostock) zu sehen. So gemütlich die alten Berliner Bürgerhäuser auch sind: jede Kleinstadt in Brandenburg hat ähnliches zu bieten. Deshalb bin ich auch gegen eine Rekonstruktion des Mariensviertels - erhalten möchte ich viel Lieber die (zugegeben absurde) Weite des Marx-Engels Forum mit dem Fernsehnturm. Es mag natürlich die allermeisten Foristen nicht gefallen, aber die gesamte Achse zwischen Schloss und Alex sollte man als Relikt der ambitionierten DDR-Hauptstadtplanung erhalten statt sie mit "Townhäuser" zuzubauen.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Dem kann ich grundsätzlich was abgewinnen.
    Allerdings hätte ich eine Idee oder Vision zur Verfeinerung: ganz kleinstädtische FWH in den leeren Raum setzen, in eher schütterer Anordnung. So wie eine Art Skansen, also eher dörflich, keineswegs mit geschlossener Straßenbebauung.
    Damit bliebe die absurde, aber einzigartige Weite mit den wirklich interessanten Blickachsen gewahrt, und gleichzeitig stünde dennoch etwas Interessantes und Historisches im Raum.
    Ich denke, dass gerade dadurch die DDR-Planung so etwas wie einen Sinn erlangen würde. Die Marienkirche allein - als Zwergenbau in verfremdeter neuer Umgebung - ist letztlich zu wenig; es bedarf noch einiger niedriger Häuslein herum, sozusagen als historisches Zitat. Dadurch würde sowohl die Marienkirche als auch die umrahmende Bebauung (und überhaupt erst der Fernsehturm!) an Maßstäblichkeit gewinnen.
    Ich denke doch, dass es so, wie es sich momentan darstellt, ein wenig zu leer ist.
    Keinesfalls würde ich das Vorkriegs-Marienviertel rekonstruieren, dieses war zu wenig bedeutend, da ist der derzeitige Zustand der Leere ungleich origineller. Allerdings ließe sich diese Leere noch pointierter in Szene setzen, indem man sie ein wenig möbliert.
    Hier ein Beispiel, wie ich es mir vorstelle - natürlich ist die landschaftliche und städtebauliche Situation auf dem Bild eine andere, aber es deutet immerhin einigermaßen das Gemeinte an:
    https://www.google.at/search?q=Suhl+…f=1528812825738

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Warum kann man eigentlich Beiträge nicht mit "Gefällt mir NICHT" bewerten? :wink: Bei den letzten beiden würde ich das gerne tun, besonders wenn sie von Leuten kommen, die ansonsten an Berlin soviel Interesse haben wie ich an irgendwelchen Dörfern in Niederbayern.

    Ich brauche kein "Relikt der ambitionierten DDR-Hauptstadtplanungzerstörung". Ich will Urbanität und keine öde Freifläche mitten im Zentrum Berlins.

    In dubio pro reko

  • Die Frage ist, was willst du sonst dort? Eine flächige Reko des Vorkriegszustandes kriegst du nie und nimmer, das ist viel zu teuer und aufwendig. Sind Taunhaus-Siedlungen wirklich eine interessante und hochwertige Alternative? Son Zeux steht doch wirklich schon fast überall rum, und es hat nichts mit dem historischen Zustand zu tun und kann gründerzeitlichem Formenreichtum in keinem Belange das Wasser reichen. Ist da ein freier Blick auf das Ensemble Marienkirche/Fernsehturm nicht schöner? Überhaupt, wenn dies anständig "möbliert" ist? Was hast du gegen brandenburgisches Fachwerk?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zwischen Rekonstruktion und Townhouses gibt es ja wohl noch weit mehr, was man mit Phantasie und Gestaltungswillen aus Berlins Mitte machen könnte. Ich denke da nur an die sehr gelungenen Neuschöpfungen in Frankfurt (Bsp. Braubachstraße). Warum sollte sowas in Berlin nicht auch möglich sein? Das könnte im Ergebnis sogar besser aussehen als der Vorkriegszustand.

    In dubio pro reko

  • Dass das angesichts der Berliner Situation extrem unwahrscheinlich erscheint, lässt sich wohl gegen meine FWH auch vorbringen. Ich denke aber, Däne hat dahingehend recht, dass die mäßige Bedeutung des bereits sehr modern durchwachsenen Vorkriegszustandes - der nebenbei bemerkt keinen Vergleich mit dem einzigartigen Frankfurter Altstadtraum zulässt - keine besondere Perspektive für rekonstruktives oder im weitesten Sinne traditionelles Bauen zulässt. Im günstigesten Fall kriegst du halt ein Beispiel für, wie man es nennen kann, schönes neues urbanes Bauen - wie man es überall bekommen kann, muss man hinzufügen. Es wird weder einem historischen noch einem besonderen ästhetischen Anspruch gerecht. Die Berliner Mitte würde dadurch keinerlei Aufwertung erfahren.
    Da ist der status quo sicher aufregender.

    PS wer sagt dir übrigens, dass ich mir für Berlin nicht interessiere?
    Berlin ist mit Wien verwandter als ein niederbayrisches Kuhdorf.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
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    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • @'Stuegert
    Ich beschäftige mich seit meinem ersten Besuch Juni 1989 (!) mit der unglaublichen Entwicklung Berlins. Ich freue mich sehr über die Rekonstruktion des Schlosses und der Kommandantur und ärgere mich über verfehlte Neubauten (Polnische und vor allem die Amerikanische Botschaft). Aber: genau wie die Prager Straße ist die Mitte Berlin das Ergebnis einer großzügigen DDR-Planung. Man kan natürlich versuchen das alles ein wenig zuzubauen, ich glaube aber, dass man nur einen faulen Kompromiss bekommen würde. In den anderen 99 Prozent der Fälle würde ich eine Stadtreparatur vorziehen (Molkenmarkt, Wilhelmplatz, Altstadt in Frankfurt, Alter Markt in Potsdam).

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker