• In Bregenz wurde mal wieder ein Kasten mit Löchern gebaut, in Vorarlberg wütet ja eine noch schlimmere Kubenarchitektur als in Deutschland...

    Da ich der Entwicklung des Vorarlberger Modernistentum keinen eigenen Strang widmen möchte, füge ich dieses Beispiel aus Lingenau, die neue Zentrale der aks gesundheit GmbH im Bregenzerwald, hier ein.

    >>> https://www.austria-architects.com/de/architectur…KB5Z4sqUQ8Tt9-E

    Überrascht hat mich, dass in einer Region wie dem Vorarlberg als Epizentren modernistischer Kisten seit den 90er Jahren des 20.Jhs. ein Neubau mit traditionellem Schrägdach entstanden ist, der zudem mit einem Fachartikel gewürdigt wird. Darüberhinaus fällt der Übergang vom Dachüberstand zur Fassade mit einer konkav geschwungenen Traufgestaltung als traditionelles Element positiv auf, welche die Gesamterscheinung nicht nur prägt, sondern auch hebt. Materialität und Struktur des Dachbelags lassen wiederum zu wünschen übrigen, hingegen wirken die Schindeln der Fassade für das Auge angenehm und der örtlichen Tradition angemessen. Den Gesamteindruck trübt jedoch auch hier wie andernorts die standardisierte modische Gestaltung der Fassadenöffnungen mitsamt ihren Schiebeelementen, welche eine unbeholfene Antwort auf traditionelle Fensterläden sind. Erfreulich andererseits ist deren geschwungene Verkleidung über den Fenstern.

    Weitere Impressionen auf: https://www.baumschlager-eberle.com/aktuelles/projekte/2226-lingenau/

    sowie

    https://cdn.archilovers.com/projects/c_383…8875fb05fff.jpg

    https://www.world-architects.com/images/Project….jpg?1568731521

    https://vorarlberg.social/wp-content/upl…701757914_n.jpg

    https://www.vol.at/2018/07/DSC_01…7-3641x2731.jpg,

    https://epaper.vn.at/2019/06/die-mo…ingenau-wir.jpg,

    https://epaper.vn.at/2019/07/mit-de…hat-das-aks.jpg

    https://www.alberschwende.at/system/web/Get…d=973892&mode=O

  • War hier schon wer in Bregenz? Von dieser Stadt hab ich überhaupt keine Vorstellung. Auch Bilder findet man kaum. Gibt es überhaupt so etwas wie eine Altstadt dort?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Im mir naheliegenden Bregenz war isch schon sehr oft. Aber bisher juckte es mich noch nie, extra einen Griff ins... ääh... zur Kamera zu verschwenden. Eine "Altstadt" gibt es schon noch; den grösseren, geschäftigen Teil unten am Bodensee und die ruhige, sehr kleine Oberstadt. Die untere Stadt kannst du vergessen. Wieweit Bregenz Zerstörungen im Weltkrieg erlitt (am ganzen Bodensee wurde einzig Friedrichshafen heftig bombardiert), weiss ich nicht genau; hier mal eine Seite dazu:

    https://www.vol.at/1-mai-1945-die…bregenz/4314265

    Oft merkt man nur noch am Strassenraster und der kleinteiligen Parzellierung, dass das eine Altstadt ist:

    https://www.google.ch/maps/@47.50005…t/data=!3m1!1e3

    Es ist ein wüstes Konglomerat, das seit 25 Jahren - vor allem am Ufer - mit den obligatorischen Kästen bespickt wird. Und die Bregenzer sind noch stolz darauf mit ihrer Offenheit zur modernen Architektur. In den 1980/90ern gab es im Vorarlberg und dem unteren Alpenrheintal die sogenannte Neue Vorarlberger Bauschule, die auch in die Schweiz ausstrahlte. In dieser Zeit entstanden sehr viele Einzelobjekte, die wirklich eine fortschrittliche und bemerkenswerte Architektur aufweisen. Somit stand die Bevölkerung der modernen Architektur sehr offen gegenüber. Nun ist aber diese Schule vorbei und die Offenheit ist geblieben...

    Aus der gleichen Richtung die Oberstadt mit dem Martinsturm:

    https://www.google.ch/maps/@47.49850…t/data=!3m1!1e3

    Stelle unbedingt bei den verlinkten Google-Ansichten auf 3D um und überfliege die beiden Bereiche.

    Irgendwie liegt den Bregenzer und Bregenzer Wälder die Architektur im Blut, denn sie prägten seit dem 17. Jahrhundert den gesamten süddeutschen Barock massgebend:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Auer_Zunft

    Kaum zu glauben, dass dieses kleine Nest tief im Bregenzerwald so bedeutende Baumeister hervorgebracht hat! In Au verbrachte ich mal ein Wochenende und besuchte extra auch den Friedhof:

    https://www.google.ch/maps/@47.32377…m/data=!3m1!1e3

  • Bemerkenswert ist der Hauptbahnhof. Dieser wurde bis 1989 vollständig neu errichtet und stellt ein Beispiel von Postmoderne in Reinkultur dar. Bis hin zum letzten Hinweisschild und Abfalleimer ist er aus einem Guss Postmoderne:

    https://www.google.ch/maps/@47.50256…m/data=!3m1!1e3

    (auch wieder auf 3D umschalten!)

    Sogar einen eigenen Wikipedia-Artikel gibt es über den Bahnhof:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Bregenz

    Aber:

    Seit einigen Jahren planen die Stadt Bregenz und das Land Vorarlberg den Neubau des deutlich in die Jahre gekommenen *) Bregenzer Bahnhofes. Im Zuge des Seequartiers sollte am jetzigen Grundstück des Bahnhofs ein Hotel entstehen. Nach Pausierung des Projekts „Seestadt“ aufgrund zahlreicher Proteste insbesondere von Vorarlberger Architekten kam der Gestaltungsbeirat des Landes Vorarlberg im Jahr 2019 zusammen, um konkrete Pläne für den Neubau abzusegnen.

    *) Man würde wohl besser schreiben "des gut erhaltenen, aber schlecht gepflegten..."

    Und das erwartet die Bregenzer:

    https://vorarlberg.orf.at/stories/3000105/

  • Anscheinend haben sie zu viel Geld. Oder die ÖVP steckt mit der Bauindustrie unter einem Hut. Hierzulande werden Bahnhöfe eher aus Kostengründen verkauft oder abgerissen. Man kann froh sein, wenn die Bahn die Gebäude nicht völlig verrotten lässt. München mit seinen Neubauplanungen ist eine Ausnahme.

  • Danke Riegel für die Infos. Das ist wirklich ein sehr eigenartiges Konglomerat,,,

    Eins steht fest: mit Österreich hat das nix zu tun.

    Die Oberstadt ist so mickrig, dass sie diese Bezeichnung nicht verdient. Drunter geht es wild zu. Bausünden wie in der wundersamsten Bundesrepublik, dazu vereinsamte FWH, welsche Hauben wie in Augsburg und jeder Menge Schweizerhäuseln. Dazu noch die Lage am Meer, wobei die Küste äußerst uncharmant gestaltet erscheint...

    Gottseidank seeehr seeehr weit weg. Dort kommt man nichts so schnell hin. Da ist man fast früher in Kaschau. Dort ists auch österreichischer, meine ich.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • War hier schon wer in Bregenz? Von dieser Stadt hab ich überhaupt keine Vorstellung. Auch Bilder findet man kaum. Gibt es überhaupt so etwas wie eine Altstadt dort?

    Ja, es gibt eine Altstadt, die sogenannte Oberstadt. Sehr überschaubar, klein, aber sie besaß/ besitzt die typischen Kennzeichen einer Stadt. Insofern ist die Bezeichnung auch gerechtfertigt.

    Vorarlberg ist bauhistorisch mit dem alemannischen Kulturraum verbunden. Das erkennt man auch an den Gebäuden der Bregenzer Oberstadt.

    Meines Wissens gab es hier im Forum auch mal eine Galerie zu Bregenz? Einen Eindruck von der Altstadt, um die Ausgangsfrage aufzugreifen, bietet dieses Verzeichnis der denkmalgeschützten Objekte in Bregenz: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgeschützten_Objekte_in_Bregenz

    ... Eins steht fest: mit Österreich hat das nix zu tun. ...

    ... Gottseidank seeehr seeehr weit weg. Dort kommt man nichts so schnell hin. Da ist man fast früher in Kaschau. Dort ists auch österreichischer, meine ich.

    Wenn man „österreichisch(er)“ beispielsweise mit Tirol gleichsetzen möchte und sich die Bezirkshauptstadt Imst betrachtet, dann darf sich Bregenz durchaus glücklich schätzen diesem Terminus nicht gerecht zu werden! ?

  • Vorarlberg ist bauhistorisch mit dem alemannischen Kulturraum verbunden.

    Ja, das ist wahr, wobei auf österreicher Seite rund 35 km südlich von Bregenz/Bodensee mit Feldkirch und auf schweizer Seite rund 50 km südlich mit Sargans bereits die alpenländische Bauweise beginnt. Zwischendrin liegt das kleine Burgstädtchen Werdenberg, das wiederum ganz vom alemannischen Kulturraum geprägt ist.

    Bregenz kann nur mit seinen kulturellen Einrichtungen (Bregenzer Festspiele, Museen) trumpfen. Mit dem nur 6 km weiter nördlich gelegenen Lindau ist es halt schwer, baulich mithalten zu können. So verstehe ich den Geist der Bregenzer mit ihrem Mut zu immer wieder Neuem besser.

  • Zu Sargans kann ich nichts weiter sagen, jedoch dürfte das „alemannische Ischl“ (Feldkirch) mit seiner Marktgasse zu den schönsten Altstädten des Vorarlbergs gehören. Dagegen kann die kleinere Altstadt des „alemannischen Gmunds“ (Bregenz) im Vergleich wie zur gänzlich anders gelagerten Inselstadt im Bodensee (Lindau) von ihrer Größe her zwar nicht konkurrieren, jedoch besitzt die kompakte Oberstadt von Bregenz mit ihrem Wahrzeichen des Martinsturms, dem wohl ersten barocken Bauwerk am Bodensee mitsamt seiner Kuppel als größter Turmzwiebel Mitteleuropas, ihre eigenen Höhepunkte und braucht sich nicht zu verstecken.

  • Danke Riegel für die gsibergerischen Impressionen. Von FK wusste ich, das erschien mir aufgrund von Bildern immer sehr nachvollziehbar. Mit Bregenz tat ich mir schwer. Ich glaub auch nicht, dass ich die Stadt sehr mögen würde.

    In Lindau war ich als Kind. Es war kein Zufall, dass sie Lindau und nicht Bregenz angesteuert hatten (wohl vom Urlaub in Tirol aus). Bregenz sei überhaupt nichts, sagte mein Vater.

    Persönlich hab ich mich den Ländle-Kollegen eigentlich immer gut verstanden. Aber man weiß recht wenig. Ich zumindest.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Architekten, die solchen Abrissen das Wort reden sind etwa so integer wie Tierschützer, die sich für die Großwildjagd einsetzen.

    Ich konnte Bregenz auch gerade wegen solcher Häuser im Stadtbild immer etwas abgewinnen, leider scheint man darauf keinen Wert mehr zu legen.

    Was sind die Handvoll Rekonstruktionen im Vergleich zu dem, was Jahr für Jahr an scheinbar unbedeutender, aber liebenswerter Architektur aus unserer Welt verschwindet?

    In dubio pro reko

  • Schon äußerlich sieht der Bau extrem einsturzgefährdet aus. Da ist wohl schnelles Handeln vonnöten. :augenrollengruen:

    Zitat

    Architekt und Immobilienentwickler Anton Fink: “Es wird jetzt erst einmal abgerissen, weil es teilweise einsturzgefährdet war”

  • Naja, wundert mich nicht wirklich. In Vorarlberg gilt ein Haus schon als Einsturzgefährdet, wenn nur eine Fensterscheibe gebrochen ist, damit man etwas schön allemannisch-kühl-gelecktes hinstellen kann...die Vorarlberger sind nicht nur sprachlich schon mehr Schwaben als die restlichen (bayrischstämmigen) Österreicher. Das denke ich mir jedes Mal, wenn ich in Vorarlberg bin.

  • "teilweise" einsturzgefährdet, heißt es genauer. Offenbar betraf die Gefahr nur einen Teil des Gebäudes, oder es drohte nur ein unvollständiger Einsturz. Jetzt könnte diese schreckliche Gefahr bereits behoben sein:

    https://www.vol.at/ballhaus-wird-…dstueck/6882589

    denn das Gebäude ist bereits teilweise abgetragen. Vielleicht war das gerade der einsturzgefährdete Teil?

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Vielleicht war das gerade der einsturzgefährdete Teil?

    Das wäre eine entscheidende Frage, schließlich war das nur der sowieso nicht sehr stimmige Anbau.

    Damit man etwas schön allemannisch-kühl-gelecktes hinstellen kann...die Vorarlberger sind nicht nur sprachlich schon mehr Schwaben

    Hättest Du da ein Foto für mich? Ich kenne die schwäbische Architektur als recht freundlich, also als alter eigener Stil. Ein neuerer speziell allemannischer Stil ist mir zur Gänze unbekannt, wäre ich sehr neugierig drauf. Geschichtlich ist Vorarlberg/Tirol eng mit dem süddeutschen Raum verknüpft, wirtschaftlich, infrastrukturell. So wurden Milchprodukte, Holz und Stoffe gehandelt, auch gab es immer wieder Wanderbewegungen.