Architektur in der Krise

  • Ein hervorragendes Interview von Michael Diamant:

    Hässliche neue Welt | ALIAS
    Unsere Städte sind so hässlich wie nie zuvor in der Geschichte, sagt Michael Diamant. Der Stockholmer fordert eine Rückkehr zu klassischen Formen.
    alias-mag.de

    Trifft genau auf die Trübys, Oswalts, Schmals etc zu.

    Man kann es im Bezug auf zeitgenössische Architektur nicht oft genug sagen: Der Kaiser ist sowas von nackt.

  • "Wir müssen die Fluchtursachen beheben"!

    Dieser Satz wird inzwischen bei Interviews von den Vertretern aller Parteien gerne benutzt, seitdem er mal von einem Politiker ins System gestellt wurde. "Lernen am Modell", nennt das die Psychologie. Nur, so bestechend und richtig dieser Satz ist, wie will man das hinkriegen. Will man Putin überzeugen, den Krieg zu beenden, damit keine Ukraine-Flüchtlinge mehr kommen. Will man die Taliban von ihrem religiös-diktatorischen Weg abbringen? Das ist doch erst vor Kurzem gescheitert, die Militärs sind raus aus dem Land. Will man den syrischen Schlächter Assad davon abhalten, weiterhin seine zu foltern und Bürger zu töten? Die Fluchtursachen lassen sich nicht beheben. Punkt. Damit bleibt die Zuwanderung in unserem Land und in Europa konstant. Für Deutschland heißt das, dass weiterhin zwischen 200 000 und 300 000 Migranten in das Land strömen, Jahr für Jahr. Gestern las ich, dass sich Berlin ab jetzt auf 250 Migranten täglich einstellen muss. Das sind dann in 10 Tagen schon mal 2500 Personen - 80% davon junge Männer, die früher oder später nach einer Wohnung verlangen. Diese Wohnungen gibt es aber nicht!!!

    Um das Wohnungsproblem zu lösen, schlägt jetzt der Kanzler "Serielles Bauen" vor und die Bauministerin empfiehlt, "einfacher" zu bauen. Wenn ich mir die Architekturentwicklung in den Städten anschaue, habe ich aber den Eindruck, dass schon verdammt einfach gebaut wird. "Serielles Bauen" und "einfach" bedeutet für mich, dass noch hässlicher und noch einfaltsloser gebaut wird. Wo soll das hinführen. Vor einigen Tagen empfahl ein Experte die Modulbauweise, die Herstellung der Module könnte man dann an bestimmten Orten zentralisieren. Gebaut wird dann für ein riesiges Gebiet. Das würde dazu führen, dass Bremen an bestimmten Stellen haargenau wie München aussieht, München wie Frankfurt, Frankfurt wie Stuttgart usw., überall die gleichen Modulgebäude. Vorteil: man findet sich schnell zurecht.

    Ich will es mal krass formulieren: Die Zuwanderung zerstört unsere Städte, dann offensichtlich lässt sich dass Wohnungsproblem anders als mit Modulen und seriellem Bauen nicht lösen, irgendwo müssen die Leute unterkommen. Durch die Zuwanderer entsteht ein Wohnungsdruck, der einfach nicht mehr zu leisten ist, deshalb und nur deshalb versteigt man sich jetzt auf die einfache Bauweise. Dadurch werden unsere Städte ästhetisch noch mehr ausbluten, Plattenbauten überall. Es wird, da Grundstücke knapp sind, zu vermehrten Abrissen historischer Architektur führen, die wir dann hier im Forum tränenreich bedauern. Ich sehe schwarz für unsere Städte. Es wird bei der gegenwärtigen Entwicklung jedenfalls nichts besser.

  • Um das Wohnungsproblem zu lösen, schlägt jetzt der Kanzler "Serielles Bauen" vor und die Bauministerin empfiehlt, "einfacher" zu bauen. Wenn ich mir die Architekturentwicklung in den Städten anschaue, habe ich aber den Eindruck, dass schon verdammt einfach gebaut wird. "Serielles Bauen" und "einfach" bedeutet für mich, dass noch hässlicher und noch einfaltsloser gebaut wird. Wo soll das hinführen. Vor einigen Tagen empfahl ein Experte die Modulbauweise, die Herstellung der Module könnte man dann an bestimmten Orten zentralisieren. Gebaut wird dann für ein riesiges Gebiet. Das würde dazu führen, dass Bremen an bestimmten Stellen haargenau wie München aussieht, München wie Frankfurt, Frankfurt wie Stuttgart usw., überall die gleichen Modulgebäude. Vorteil: man findet sich schnell zurecht.

    Das würde dann auf nichts anderes hinauslaufen als auf den Plattenbau, den wir bereits aus der DDR kennen, freilich in besserer Qualität, aber möglicherweise ästhetisch nicht weit davon entfernt.

    Was allerdings die Ursachen des Wohnungsmangels angeht, stimme ich deiner Analyse nicht zu. Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten eine weitgehend stabile Einwohnerzahl um die 82/83 Millionen. Auch der migrantische Zuzug bringt uns pro Jahr 1 zusätzlichen Einwohner pro 400 bereits existierende. Das allein kann also keine Ursache von Wohnungsnot sein. Es gibt aber eine andere Entwicklung, die hier einwirkt. Seit Jahrzehnten steigt der Platzbedarf, den jeder Mensch in Deutschland in seiner Wohnung beansprucht: https://de.statista.com/statistik/date…-1989-bis-2004/

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen

  • Das würde dann auf nichts anderes hinauslaufen als auf den Plattenbau, den wir bereits aus der DDR kennen, freilich in besserer Qualität, aber möglicherweise ästhetisch nicht weit davon entfernt.

    Man kann doch heute nicht mehr so tun, als sei der DDR-Plattenbau ein so nennenswertes Problem - dies würde bedeuten, dass die neuen Bundesländer in puncto Zersiedelung, Landschaftsverbrauch und -verschandelung den alten überlegen werden. Dabei ist doch das Gegenteil der Fall.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Man kann doch heute nicht mehr so tun, als sei der DDR-Plattenbau ein so nennenswertes Problem

    Verstehe ich dich richtig, dass du in der DDR-Platte kein gravierendes architekturästhetisches Problem siehst? Ich weiß ja nicht, ob man dir da hier in einem Forum für klassische Architektur oder konkret vor Ort in Potsdam oder Dresden zustimmen würde. Ich denke, wir dürfen froh sein, dass diese Bauten in großen Teilen verschwunden sind oder zumindest vernünftig saniert worden sind. Wir brauchen jetzt wirklich keine gesamtdeutsche Neuauflage. Das wäre den Stadtbildern alles andere als förderlich. Das Wohnungsbauproblem sehe ich gleichwohl. Und es ist kritisch. Es braucht dringend pragmatische Lösungen.

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  • Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten eine weitgehend stabile Einwohnerzahl um die 82/83 Millionen. Auch der migrantische Zuzug bringt uns pro Jahr 1 zusätzlichen Einwohner pro 400 bereits existierende. Das allein kann also keine Ursache von Wohnungsnot sein.

    Laut Statista.de eine Steigerung von 4 Mio. zwischen 2012 und 2022, allein im letzten Jahr 1,46 Mio.

    Generell finde ich aber große Plattenbausiedlungen am Stadtrand nicht weiter tragisch, viele Vororte von München, Stuttgart und Co. sehen ja auch nicht viel besser aus, waren in der Errichtung aber sicherlich teurer.

    Was die Innenstädt anlangt, so werden die ja kaum davon betroffen sein bzw. sehen schon jetzt weitgehend uniform aus, ich könnte jedenfalls nicht Mannheim von Karlsruhe und Frankfurt unterscheiden, wenn wir uns die Fußgängerzone außerhalb etwaiger Rekonstruktions- oder Erhaltunginseln ansehen.

    Man müßte halt z. B. in Stuttgart konsequent neue Baugebiete hierfür ausweisen, statt nur auf Nachverdichtung zu setzen, denn ungebremster Zuzug ohne neue Flächen wird kaum funktionieren können. Speziell in West gibt es noch Unmengen an unbebauter Fläche.

    Easy does it.

  • Laut Statista.de eine Steigerung von 4 Mio. zwischen 2012 und 2022, allein im letzten Jahr 1,46 Mio.

    Und seit 2000 eine Steigerung von nur 2 Millionen, also pro Jahr um rund 100.000. Damit ein Bürger pro 820 Bürger mehr im Jahr. So etwas schafft kein Wohnungsproblem. Dass die ukrainischen Flüchtlinge der letzten zwei Jahre untergebracht werden müssen, ist unbestritten, aber das ist eine Konstante, die zurzeit nicht abzustellen ist. Also muss man an den Wohnungsbau ran.

    Generell finde ich aber große Plattenbausiedlungen am Stadtrand nicht weiter tragisch

    Die Altstädte betrifft es sicher weniger, aber ist es in unserem Sinne erstrebenswert zu sagen, dass man gerne die Plattenbauten an den Stadtrand platzieren kann? Ich weiß, wie häufig ich damit zu tun habe, zu erläutern, dass die eine oder andere Stadt gar nicht so hässlich sei, wenn wir durch deren Randbezirke fahren. Solche Trabanten laden halt nicht gerade dazu ein, sich näher mit der Altstadt zu befassen. Mir ist das gerade wieder auf Rügen aufgefallen, wo noch vereinzelt die Platte vorzufinden ist. Da bevorzuge ich aus ästhetischer Sicht jede Neubausiedlung mit kleinen netten Einfamilien- oder Mehrparteienhäusern umgeben von viel Grün, die bereits am Stadtrand einen guten Eindruck der Stadt hinterlassen. Dass man dabei das Problem der Zersiedlung im Auge behalten muss, steht auf einem anderen Blatt.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

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  • Es gibt aber eine andere Entwicklung, die hier einwirkt. Seit Jahrzehnten steigt der Platzbedarf, den jeder Mensch in Deutschland in seiner Wohnung beansprucht: https://de.statista.com/statistik/date…-1989-bis-2004/

    Und das ist doch eine ganz logische Entwicklung. Kapitalismus braucht Wachstum und gekaufte Güter müssen irgendwo abgestellt werden. Je wohlhabender eine Gesellschaft wird, desto mehr Platz verbrauchen diese. Hat man sich erst mal daran gewöhnt, kann man sich nicht mehr vorstellen, eine kleinere Wohnung zu nehmen. Warum auch? Analog: Wer würde freiwillig dauerhaft auf Gehalt verzichten oder auf das Auto?

  • Und seit 2000 eine Steigerung von nur 2 Millionen, also pro Jahr um rund 100.000. [...] So etwas schafft kein Wohnungsproblem.

    Es ist nicht die Ursache, aber es verschärft die Lage stark. Wenn wir in diesem Zeitraum ,,nur" schaffen pro Jahr weniger als 300.000 Wohnungen neu zu bauen, abzüglich Abrisse, dann sind 100.000 Menschen nicht zu vernachlässigen.

    Die wirkliche Ursache ist natürlich die veränderte Gesellschaft, vor allem die Bildungswege, die Arbeitsplätze, und die Demografie geben die Entwicklung vor. Da diese ganz unterschiedlichen Gründe zu starken Ungleichgewichten innerhalb der Bevölkerung führen sind folgende Analysen schnell irreführend:

    Es gibt aber eine andere Entwicklung, die hier einwirkt. Seit Jahrzehnten steigt der Platzbedarf, den jeder Mensch in Deutschland in seiner Wohnung beansprucht: https://de.statista.com/statistik/date…-1989-bis-2004/

    Hier könnte man ja meinen, ist doch alles super, jeder in Deutschland bekommt also sogar mehr Wohnraum. Doch wenn man genauer hinsieht, so haben heute Familien weniger Wohnraum; Menschen im mittleren Alter haben im Verhältnis den geringsten Wohnraum:

    Bei den 45- bis 64-Jährigen waren es demnach 54,8 Quadratmeter. Am wenigsten Wohnfläche pro Person hatten die 25- bis 44-Jährigen mit 44,7 Quadratmetern zur Verfügung. Bei den unter 25-Jährigen waren es im Schnitt 45,4 Quadratmeter

    Aber auch hier muss man aufpassen - wieder ein grober Durchschnittswert. 45 qm, könnte man wieder meinen, das ist ja üppig, aber auch hier findet eine Verzerrung statt (ich habe nur die Zahlen von Bayern, dürften aber repräsentativ sein): Während die durchschnittliche Wohnungsgröße auf dem Land 107 qm ist, ist sie in der Stadt bei 77 qm. Macht bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von rund 2 Personen also 53, respektive 39 qm pro Person. Da der größte Teil der jungen Bevölkerung in der Stadt wohnt, leben diese eben gerade nicht auf immer größeren Fuß. Gründen sie Familien, so wird es richtig eng, knapp 30 qm p.P. laut oben verlinktem Stat. Bundesamt.

    Nun könnte man wiederum meinen, na prima, hat die ältere Bevölkerung eben mehr Platz, hat sich ja mehr Wohlstand aufgebaut, den sie augenscheinlich in viel Wohnraum umsetzen. Die Realität ist aber, dass diese Bevölkerungsgruppen nicht dem Wohlstand fröhnen, sondern in den eigenen Immobilien - meist auf dem Land - festsitzen, ohne Aussicht, dass ihr (teils nicht mal vorhandener Nachwuchs) dort sesshaft wird, und aufgrund der schlechteren Wertentwicklung auf dem Land, bzw. der Kostendifferenz Einfamilienhaus - Wohnung keine Anpassung vornehmen können entsprechend ihrer veränderten Bedürfnisse. Damit zeigt der steigende Wohnraum einzig eine alternde, vereinzelte Gesellschaft an, aber keine gute Wohnungslage. Entsprechend viel muss dann anderswo für diesen ,,toten Wohnraum" neu dazu gebaut werden, was wiederum den Wert des Wohnraums in strukturschwachen Gebieten weiter drückt, die Bevölkerung wächst ja nicht stark, sondern verteilt sich um, u.a. im Zuge des Flüchtlingsthemas.

    Und damit zurück zur Einwanderung: Diese erfolgt hauptsächlich in die überspannten städtischen Wohnungsmärkte und verschärft gerade dort die Not. Wir haben in den Städten also eine brodelnde Wohnungsnachfrage gespeist, aus ganz jungen Menschen, die dort ihre Bildungswege wahrnehmen, aus jungen und mittelalten Menschen, die dort ihre Arbeitsplätze finden und Familien gründen, und aus Zuwanderern, die in den urbanen Zentren ihre Einwanderercommunities vorfinden.

    Nun könnte die Lösung ja lauten - wie sie auch die Politik seit Jahren als Losung ausgibt - bauen bauen bauen (in den Städten). Und das möglichst schnell. Was liegt da näher als in die Geschichte zu blicken, als Deutschland Rekorde erzielte, was viel und vor allem schnelles Bauen betraf: Der Rekord liegt im Jahr 1973 für die alte BRD. Es wurden 714.000 Wohnungen in einem Jahr fertiggestellt. 1995 dann mit 602.800 der Rekord für ganz Deutschland. Für mich muss hier die Frage lauten, wollen Wir die gestalterischen Qualitäten aus jenen Jahren wiederbekommen, wohlbemerkt mit weniger Fachkräften? Oder gibt es ausgerechnet hier im Forum Leute, die meinen, solchartig rasante Baugeschwindigkeit kann mit großer Gestaltung heute zusammengehen? Oder schlimmer: sollen sie halt den Schrott bauen, Hauptsache, die Innenstadt wird nicht davon berührt.

  • Nun könnte die Lösung ja lauten - wie sie auch die Politik seit Jahren als Losung ausgibt - bauen bauen bauen (in den Städten).

    Nun hat endlich jemand des Pudels Kern genannt: Wohnraummangel herrscht ausschließlich in Städten und Agglomerationsräumen. "Auf dem Land" findet sich dagegen Überangebot (an potentiellem Wohnraum, wohlgemerkt, nicht an Faktoren, die diesen attraktiv machen würden). Die massenweise Schaffung von neuen Plattenbauten Wohnungen in Modulbauweise ist dabei Symptombekämpfung mit der Gießkanne und führt nur zu neuen Problemen (Konzentration von Sozialwohnungen, Beeinträchtigung des Stadtbilds, Induzierung von Pendelverkehren, …). Ein zielführender Ansatz wäre doch, die ländlichen Räume zu stärken: Förderungen der Sanierung von Altbaubeständen, Förderung des Erhalts/der Wiederherstellung von Dorfstrukturen (Nahversorgung, soziale und kulturelle Einrichtungen, ÖPNV, digitale Infrastruktur, Bildungseinrichtungen, Gesundheitsversorgung) und eine aktive Lenkung von lenkbaren Siedlungsströmen (z. B. durch Förderung von Ausbildungen auf dem Land oder durch Verteilung von Migrationsströmen auf die Fläche).

    "Stärkung des ländlichen Raums" hieß ja bisher überwiegend: Ausweisung von Gewerbegebieten und Eigenheimsiedlungen mit der Konsequenz, dass es auch auf dem Land eine Funktionstrennung gibt und man sich die Probleme der Stadt gleich mit ins Dorf plant: Verkehr, Aussterben alter Strukturen, Zerstörung des gewachsenen Ortsbildes. Naja, und Architektur ist dort ja ohnehin nachrangig.

  • Was allerdings die Ursachen des Wohnungsmangels angeht, stimme ich deiner Analyse nicht zu. Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten eine weitgehend stabile Einwohnerzahl um die 82/83 Millionen. Auch der migrantische Zuzug bringt uns pro Jahr 1 zusätzlichen Einwohner pro 400 bereits existierende. Das allein kann also keine Ursache von Wohnungsnot sein.

    Stabile Einwohnerzahl von 82/83 Millionen?

    Dazu lt. Google folgende Zahlen:

    2013 - 80.77 Millionen Einwohner

    2015 - 82,18

    2018 - 83,02

    2020 - 83,16

    2022 - 84,36

    31. März 2023 - 84,43

    Wir haben jetzt Ende September 2023. Ein halbes Jahr später also (seit März). Die Zuwanderungszahlen werden in diesem halben Jahr zugenommen haben.

    Deutschland hat also im letzten Jahrzehnt keine "stabile Einwohnerzahl" gehabt, sondern diese ist um 4 Millionen gestiegen. Da die Deutschen kaum noch Kinder kriegen, stellt sich doch die Frage: wodurch? Die Antwort ist: Zuwanderung. Die Zuwanderer strömen, wie bereits oben ausgeführt, vorwiegend in die Städte, die händeringend nach Wohnungen suchen. Nicht umsonst haben die Kommunen, geführt von Bürgermeistern aller Parteien, vor der nicht mehr zu bewältigenden Zuwanderung gewarnt. Diese wird durch schnell-schnell-Bauprojekte das Aussehen unserer Städte zu deren Nachteil verändern.

    "Auch der migrantische Zuzug bringt uns pro Jahr 1 zusätzlichen Einwohner pro 400 bereits existierende. Das allein kann also keine Ursache von Wohnungsnot sein."

    Das hört sich "wenig" an. Nur 1 Migrant zusätzlich! Schauen wir uns doch diese Zahl mal am Beispiel Berlin an. Die Hauptstadt steuert auf 4 Millionen Einwohner zu. Das wären dann für Berlin jährlich 10 000 Migranten zusätzlich, für die Wohnungen gebaut werden müssen. Berlin bringt jetzt die 250 Migranten, die täglich (!) kommen, in Zelten unter, ist aber letztendlich ratlos, was man noch machen kann.

    Wohnungen für 10 000 Migranten jährlich verändert, wie gesagt, das architektonische Aussehen der Stadt zu ihrem Nachteil, niedrige historische Gebäude stellen einen Anreiz dar und werden abgerissen, um mehr Fläche zu generieren, Naturflächen werden als Baugrund ausgewiesen. Das alles ist ein Verlust für das städtische Aussehen.

    Ein Experte äußerte kürzlich, dass Deutschland noch etliche Millionen Zuwanderer aufnehmen könne, "aber bei 90 Millionen wäre dann auch Schluss". Mehr geht dann nicht.

  • Was allerdings die Ursachen des Wohnungsmangels angeht, stimme ich deiner Analyse nicht zu. Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten eine weitgehend stabile Einwohnerzahl um die 82/83 Millionen. Auch der migrantische Zuzug bringt uns pro Jahr 1 zusätzlichen Einwohner pro 400 bereits existierende. Das allein kann also keine Ursache von Wohnungsnot sein. Es gibt aber eine andere Entwicklung, die hier einwirkt. Seit Jahrzehnten steigt der Platzbedarf, den jeder Mensch in Deutschland in seiner Wohnung beansprucht: https://de.statista.com/statistik/date…-1989-bis-2004/

    Wenn man aktuellere Zahlen nimmt, gibt es zwar tatsächlich eine Steigerung. Aber auch diese fällt per Saldo äußerst moderat aus, und dürfte, für sich genommen, keinesfalls einen massiven Wohnungsneubau erforderlich machen.

    Ja, die wahre Ursache ist wohl eher der wachsende Platzbedarf. Und dieser wiederum eine indirekte Folge des strikten (Bestands-)Mieterschutzes in Deutschlands.

    Wohnungen, die im Alter wegen Auszug der Kind und Tod des Partners zu groß werden, werden gerade in den begehrten Ballungszentren nicht gegen kleinere getauscht, weil Neuverträge für kleine Flächen meist deutlich teuerer sind als Altverträge für große Flächen. Gleichzeitig macht die aktuelle Mieterschutzgesetzgebung Wohnungsvermietung (- und damit auch Wohnungsneubau) wirtschaftlich riskant bis vollständig unattraktiv.

  • Noch ein Gedanke, der zeigt, daß ein viel stärkeres Bevölkerungswachstum früher bewältigt werden konnte (vor allem, wenn man die kriegsbedingten Wohnungsverluste berücksichtigt):

    Durch Vertriebene (wichtigster Faktor), ehemalige DDR-Bürger und später sicherlich auch "Gastarbeiter" stieg die Bevölkerung in der früheren Bundesrepublik stark an: rund 48 Mio. 1950 auf 60 Mio. zum Ende der Teilung in BRD/DDR

    Ich glaube, daß vor dem 2. Weltkrieg auf dem Gebiet der späteren Bundesrepulik (West) nur rund 40 Mio. Menschen lebten.

    Easy does it.

  • Ich hatte da die Zahlen zwischen 2000 und 2020 im Blick, also eine Zeitspanne von 20 Jahren, in denen die Einwohnerzahl nahezu konstant blieb. Dass nun seit 2 Jahren mit dem Ukrainekrieg eine Ausnahmesituation herrscht, das ist unbestritten und ist auch leider nicht kurzfristig zu ändern. Daddurch haben die Zahlen in einem kurzen Zeitraum natürlich einen Sprung gemacht, für den es zuvor Jahrzehnte gebraucht hat.

    Wohnungen für 10 000 Migranten jährlich verändert, wie gesagt, das architektonische Aussehen der Stadt zu ihrem Nachteil, niedrige historische Gebäude stellen einen Anreiz dar und werden abgerissen, um mehr Fläche zu generieren, Naturflächen werden als Baugrund ausgewiesen. Das alles ist ein Verlust für das städtische Aussehen.

    Ich bin da ganz bei dir. Das ist eine Entwicklung, die das ansprechende Bauen bedauerlicherweise etwas in den Hintergrund treten lässt. Dass dies nur die Stadtränder treffen würde und das zu vernachlässigen sei, wie es einige Mitforisten andeuteten, das sehe ich etwas anders. Selbst wenn die Altstädte von dieser Entwicklung verschont bleiben würden, so könnte die Wohn- und Aufenthaltsqualität in der ganzen Stadt leiden. Trabantenstädte mit genormten Wohnblöcken, wie sie nun diskutiert werden, ist doch das Letzte, was wir uns zurückwünschen sollten.

    Kunsthistoriker, Historiker, Webdesigner und Fachreferent für Kulturtourismus und Kulturmarketing

    Mein Bezug zu Stadtbild Deutschland: Habe die Website des Vereins erstellt und war zeitweise als Webmaster für Forum und Website verantwortlich. Meine Artikel zu den Themen des Vereins: Rekonstruktion / Denkmalschutz / Architektur / Kulturreisen