Kosten von Rekonstruktionen/Sanierungen

  • Ist die Frage nach Rekonstruktionen bzw. historisierenden Neubauten überhaupt eine Kostenfrage eurer Meinung nach, oder eher eine Frage des Zeitgeists und Geschmacks? Ist ein Gebäude mit historisierenden Elementen wirklich deutlich teurer? Klar, Ornamentik kostet viel Geld. Die Frage ist, sind Leute nicht bereit entsprechend mehr zu zahlen für ästhetisch anspruchsvollere Gebäude? Nicht umsonst sind doch Historismus-Wohnviertel unglaublich beliebt in nahezu allen deutschen Großstädten.

    2 Mal editiert, zuletzt von MedStud (11. Juni 2018 um 18:59)

  • Nicht umsonst sind doch Historismus-Wohnviertel unglaublich beliebt in nahezu allen deutschen Großstädten.
    Ja sicher, aber diese Häuser sind auch schon lange abbezahlt, und die zu renovieren/sanieren dürfte weitaus billiger sein als solche neu zu bauen... auch bestehen die aus Ziegelwänden, die heutigen Wärmedämmvorschriften nicht entsprechen, d.h. ein Haus heute neu zu bauen ist ein ganz eigenes Problem, da man dabei kaum wie im Historismus bauen kann (es gibt auch nicht mehr viel Ziegeleien und entsprechende Maurer).
    Ornamentik an "neuklassischen" Häusern gibt es teilweise ein bißchen, ob das Stuck ist oder etwas anderes, weiß ich nicht. Einiges wird auch aufgeklebtes Styropor sein...
    Es fehlt halt an Nachfrage, um wieder mal einen "Zierleistenwahn" zu entfachen - im Historismus gab es die Schmuckelemente ja nach Katalog, weil jedes Haus mit solchen ausgestattet wurde.
    Und die Historismus-Häuser waren damals Standard in dem Sinne, daß man ein Schema wie Vorderhaus-Seitenflügel-Quergebäude-2.Seitenflügel hatte, das alles in Ziegel, verputzt oder auch nicht, Schmuckelemente ran.
    Der heutige Standard ist anders, die Grundrisse sind durch die "modernen" freistehenden Häuser ab Mitte 20.Jh v.a. ganz anders geworden, so lange Flure mit abgehenden Zimmern wie dazumal sind nicht mehr so beliebt, das wirkt sich auch auf die Fensteraufteilung aus...

  • Als Replik auf eine Kostendiskussion zu Rekonstruktionen im Budapest-Faden:

    Wobei man mit 1 Milliarde Euro realistischerweise in Deutschland nicht viel reißen könnte. Nicht, weil Rekonstruktionen so teuer wären, sondern weil die Innenstädte, von wenigen Ausnahmen, inzwischen schon wieder komplett zugebaut sind. Das heißt, für größere Rekonstruktionsprogramm müsste erstmal viel aufgekauft werden, um es abreißen zu können.
    Bei den aktuellen Immobilienpreisen in deutschen Innenstadtlagen wäre 1 Milliarde da ein Tropfen auf den heißen Stein.

    Für komplette Neubauten, ja. Für Fassadenrekonstruktionen ist das schon eine Summe, mit der man so einiges anfangen kann.

    Wie wär's dazu mit einem Rechenbeispiel?

    Ohne Anspruch auf völligen Realismus oder Perfektion, und ohne Betrachtung der administrativen Ausgaben.

    Eine normale Altbaufassade beim Umbau eines Bestandsgebäudes (teil-)wiederherstellen (z.B. nach einer Entstuckung) wie in großen Teilen von Leipzig und hier und da in Berlin, da haben wir uns ja mal Zahlen eingeholt. 2013 lag man da für 800m² (durchaus typische Berliner Gründerzeitfassade) bei um die 100k Euro für eine Teil-Wiederbestuckung, inzwischen wohl bei ca. 150-200k.

    Gehen wir jetzt einfach mal von 200k Euro pro einigermaßen nett wiederhergestellter Altbaufassade aus, wären das ganze 5.000 Gebäude in Deutschland, die man wiederherstellen kann. Insgesamt gibt es 2.055 Städte in Deutschland, davon 80 Großstädte. Sagen wir, davon haben es etwa 60 besonders nötig, dass sie verschönert werden.

    Wenn man sich dann noch auf besonders stadtbildprägende Bauten in diesen Großstädten konzentriert, sind wir bei gut 83 Gebäuden pro Großstadt, deren Fassaden verschönert und wiederhergestellt werden können! Das sind so einige stadtbildprägende Plätze, Eckbauten und Ensembles pro Stadt, die davon wieder erlebbar gemacht und deutlich aufgewertet werden können. Und das rechnet sich doch auf Jahrzehnte bis Jahrhunderte, Stichwort "Business Improvement Districts". In jeder Stadt kennen wir doch eine Handvoll sehr wichtiger Ecken, die bei Aufwertung das gesamte Stadtbild hochziehen würden. Stichwort Frankfurter Bahnhofsplatz oder Marktplätze.

    Das finde ich deutlich mehr als einen "Tropfen auf den heißen Stein", und im Grunde vergleichsweise günstig zu haben. Zum Vergleich: der BND-Neubau hat über eine Milliarde gekostet, die Sanierung der Kölner Oper aus der Nachkriegszeit ist auf dem "besten" Wege dahin.

    Selbst wenn wir von einigem Verwaltungsaufwand und meinetwegen manch teurerem Großbau ausgehen, kommt sicher noch die Hälfte der Bauten pro Stadt dabei raus. Und in mancher Stadt können es ja auch mehr, in einer anderen etwas weniger sein (Leipzig hat da heute sicher weniger Bedarf als Magdeburg, Köln oder Berlin). Zumal die Töpfe alle vorhanden sind, in Leipzig ging da mW sehr viel ohne zusätzliche Mittel, einfach dank politischem Willen, der typischen Landes- und Bundesförderung und natürlich der Denkmal-Afa usw.