Sonstige Meldungen aus Deutschland

  • Nur mal als Meldung für diejenigen, die immer meckern, daß Baurekonstruktionen so unverschämt teuer seien.
    Für eine schlappe Milliarde Euro wird nun gerade das schwachsinnige moderne Airrail-Center (ein Büro-, Hotel- und Shopping-Komplex) am Frankfurter Flughafen errichtet. Und niemand erhebt natürlich seine Stimme, daß ausgerechnet dieses Geld ja so dringend bei der Pflege denkmalgeschützter Gebäude fehlen könnte.
    http://www.zeit.de/newsticker/200…189-21908382xml
    http://www.property-magazine.de/airrail-center…oden-20375.html

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (6. März 2011 um 20:05)

  • Solange keine Steuergelder reinfließen, ist mir herzlich egal, was wieviel kostet an diesem Projekt. Ich finde es an dieser Stelle vertretbar, es ist sogar meiner Meinung nach noch das ansprechendste Stück Architektur im Bereich des Flughafens, so es denn irgendwann fertig ist. Zwischen Autobahnen und 60er/70er-Jahre-Zweckarchitektur ist es eh von jedem städtebaulichen Zwang befreit, da kann man auch mal eine solche Exzentrik durchgehen lassen. Ich bin kürzlich daran vorbeigefahren, und fand es sehr beeindruckend.

    Ich persönlich hätte es allerdings in die Form eines Zeppelins gebracht, das hätte dem ganzen noch etwas mehr Bezug zum Ort und seiner Geschichte gegeben.

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Es ging ja eigentlich gar nicht speziell um diesen Bau, sondern um einen Widerspruch zum ewigen Anti-Reko-Lamento von "das kostet so viel", "dafür fehlt Spendengeld in der Denkmalpflege", "man sollte lieber Kindergärten bauen, als solche Prestige-Bauprojekte wie das Stadtschloss" usw.

    Aber so ist es nun einmal: Die Freunde der Bautradition sind eben oftmals ausgesprochen verständnisvoll und entgegenkommend, wenn es um moderne Bauprojekte geht und diese nicht irgendwelche Altstadt-Bereiche betreffen. Sie sollten allerdings nicht erwarten, daß ihnen auch nur annähernd ähnliches von der Gegenseite widerfahren wird... :zwinkern:

  • Das ist leider das generelle Dilemma mit der privaten Finanzwirtschaft - was Gewinn verspricht, wird nach Kräften unterstützt.... Dabei ist so ein Mega-Projekt mit enormer Werbewirkung, weil schon vom Flugzeug aus sichtbar, leider besser gestellt als irgendein Fachwerkhaus in der Altstadt...

    Was sagt sie uns für Unsinn vor?
    Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
    Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
    Von hundert tausend Narren sprechen.
    Goethe, Faust I

  • Habe gerade das "Niedersachsen-Magazin" des NDR geschaut, da gings um Fachwerkhäuser in Celle.
    30% Leerstand, Verfall, nun habe man Architekturstudenten eingeladen, um Lösungen zur Revitalisierung zu erarbeiten (Entkernung, Bau von Flachdachklötzchen zumindest innerhalb der Blöcke).

    Bürgermeisterin sagte was von "Rückbau ist unvermeidlich", einige Fachwerkhäuser "müssen" abgerissen werden.
    Alles etwas vage, im Netz ist nix zu finden. Weiß jemand näheres?

  • Ich möchte heute mal auf eine eine interessante Buch-Neuerscheinung hinweisen, die viele der in diesem Forum besprochenen baulichen Problemfelder ausführlich behandelt bzw. auf ihre Ursprünge zurückführt:

    Norbert Borrmann: Kulturbolschewismus oder ewige Ordnung. Architektur und Ideologie im 20. Jahrhundert, Graz, Ares-Verlag, 2009

    Zitat

    Die Architektur ist seit der Jahrhundertwende um 1900 zum Schauplatz erbittert ausgetragener ideologischer Kämpfe geworden: Klassizismus gegen Gründerzeit, Bauhaus versus Heimatstil, Moderne gegen Postmoderne, Flachdach gegen Steildach usw. Der Streit um die architektonischen Formen wurde seit der Russischen Revolution 1917 auch ein eminent politischer. Die Erbitterung, mit der bis zum heutigen Tag um Aussagen und Begriffe „Diktatoren-Klassizismus“, „Ornament ist ein Verbrechen“ oder „Verlust der Mitte“, diskutiert wird, belegen dies.
    So unterschiedliche Exponenten wie Peter Behrens, Adolf Loos, Le Corbusier, Frank Lloyd Wright, Heinrich Tessenow, Albert Speer oder Paul Schulze-Naumburg stehen für verschiedene Lebensgefühle, aber auch für verschiedene politische Weltentwürfe des 20. Jahrhunderts. Ihre Auseinandersetzungen sind für die Architektur und damit für das Aussehen der uns umgebenden Landschaft bis heute von großer Bedeutung.


    http://www.buecherquelle.at/Buchshop/Verla…nung::2128.html

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (6. März 2011 um 20:07)

  • Das Buch stellt einen wichtigen Diskurs vor. Ich finde die Frage spannend, inwieweit sich die Architektur fortentwickelt und auf welchem Stand wir heute sind. Im Moment sehe ich zwei große Trends: Bauten mit strengen Formen, die unverkennbar Anleihen an der klassischen Moderne nehmen und dekonstruktivistische Bauten. Erstere Bauformen sind ja nicht wirklich was neues, auch wenn Architekten das pausenlos propagieren. In diesem Sinne verschmähen die Architekten alles althergebrachte und stemmen sich gegen rekonstruktive und klassische Architekturformen. Auf der anderen Seite verkaufen diese Architekten ihre Architektur als fortschrittlich und klauen permanent bei der klassischen Moderne. Bliebe als "neues" Bauen also nur der Dekonstruktivismus. Doch dieser kann nur glänzen, wenn er in einem Spannungsbogen zu konventionellen Bauten steht. Eine durchgängig dekonstuktivistische Häuserzeile sieht einfach nach nichts aus. Wo, liebe Architekten, geht also die Reise hin? Im Moment steckt der Architekturdiskurs offensichtlich in einer Sackgasse.

    ...

  • Zitat von "Wikos"

    Doch dieser kann nur glänzen, wenn er in einem Spannungsbogen zu konventionellen Bauten steht. Eine durchgängig dekonstuktivistische Häuserzeile sieht einfach nach nichts aus

    Det stimmt, und genau hier liegen Chancen und Grenzen des Dekonstuktivismusses. Leider wurden die mannigfaltigen Chancen in den unzähligen kriegszerstörten Städten mit öden Kisten und letztklassiger Wirtschaftswunderarchitektur gründlich vertan.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Ein neues Buch von Christoph Mäckler. Nicht Rekonstruktions-freundlich, aber immerhin Moderne-kritisch:

    Schuchmann, Manfred E. / Mäckler, Christoph
    Architektursünden in Hessen
    25 Ortstermine von A wie Alsfeld bis W wie Wetzlar

    http://www.buchhandel.de/detailansicht.aspx?isbn=978-3-89445-424-1</a>

    http://www.rhein-main.net/sixcms/detail.…01.c.6729892.de

    http://www.fnp.de/tz/region/hessen/rmn01.c.6729916.de.htm

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (6. März 2011 um 20:08)

  • Jetzt macht der Ikea-Konzern ernst und liefert Reihenhäuser von der Stange (incl. Beratung bei der Inneneinrichtung :zwinkern: ). Von Ortsgebundenheit in der Gestaltung dürfte bei solcher Serienproduktion wohl nicht die Rede sein...

    http://www.welt.de/wirtschaft/art…eutschland.html

    http://www.bild.de/BILD/politik/w…aesentiert.html

    Wenn es ganz schlimm kommt, können unsere Vororte bald so aussehen...
    http://www.welt.de/lifestyle/arti…Fliessband.html

  • Na hoffentlich nicht. Wenn manche bei dem Zusammenbau eines Billy-Regals schon Probleme haben, wie soll das erst mit so einem Haus funktionieren. Wird wahrscheinlich auch ein bisschen problematisch dieses Teil in einen PKW zu bekommen... :zwinkern:

  • Wieder ein paar Links zum peripheren inländischen Geschehen:

    1. Tierpark Gettorf
    Dieses neue Haus ist total verrückt
    http://www.abendblatt.de/region/norddeu…-verrueckt.html
    http://www.abendblatt.de/region/article…eckte-Haus.html

    (Befremdlich daran finde ich, daß für so einen Touri-Quatsch rund 100.000 Euro an EU-Fördergeldern verwendet werden. Tja, wenn es nur irgendwie der Wirtschaft nutzt...)

    Ganz neu ist die Idee zudem nicht, denn es gab vor zwei Jahren ja schon diese Meldung...
    Usedom
    Ein Haus steht Kopf
    http://www.focus.de/reisen/reisefu…aid_330991.html

    Zitat

    ...der bereits den Bau weiterer Häuser in Deutschland plant.


    Oh nein... :schockiert:

    2. Offenbach
    Die GBO saniert die ehemaligen Wohnungen von Faber und Schleicher
    Dämmung überdeckt die lokale Geschichte
    http://www.op-online.de/nachrichten/of…html#kommentare
    (wieder mal lässt der Wärmedämmungswahn wertvolle Kunst am Bau verschwinden.)

    3. Shanghai Expo
    Deutschland zeigt sich mal wieder von der ganz modernen Seite

    Deutschland präsentiert "Balancity"
    http://www.n-tv.de/panorama/kultu…icle402054.html
    http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laend…20Shanghai.html
    http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1266504508047.shtml

    Beitrag zur Expo
    Ein Öko-Pavillon ist Hamburgs Problembaustelle in Shanghai
    http://www.abendblatt.de/hamburg/articl…n-Shanghai.html

  • Eintrag vom 8.4.2009:

    Zitat

    Hinsichtlich des Treppenhauses heute Entwarnung. In der Tagespresse war zu lesen, daß die Architekten auf den Erhalt des historischen Treppenhauses im Büsing-Palais wert legen wollen. Insofern wäre der Dachausbau bzw. die Rekonstruktion des Daches dann wirklich eine positive Meldung.

    http://www.architekturforum.net/viewtopic.php?p=84953#p84953

    Der Tagespresse ist heute zu entnehmen, daß beim Dachausbau des Offenbacher Klingspor-Museums im Büsing-Palais offenbar doch das alte Treppenhaus dran glauben muß: "Da wird jetzt erstmal etwas Bausubstanz eingerissen." Die Rede ist von einer "neuen Treppe", die sich dann um einen neu eingebauten behindertengerechten Aufzug schlängeln soll. Wenn dies den Tatsachen entspricht (und es ist nicht daran zu zweifeln, denn die Meldung erschien ja vor eineinhalb Jahren schon einmal auf einer Webseite der Stadt, um dann ganz schnell wieder gelöscht zu werden), dann haben die Architekten Rittmannsperger vor einem Jahr die Öffentlichkeit arglistig getäuscht. Und es ist zudem ein Skandal erster Güte, denn das historische Treppenhaus gehört zu den wenigen erhalten Resten von Originalsubstanz des Palais.


    Moderationshinweis (Zeno, 19.06.2010): Fundstelle des Zitats aufgenommen

    Einmal editiert, zuletzt von Heimdall (6. März 2011 um 20:09)

  • Zitat

    WestLB-Gebäude bald unter Denkmalschutz?

    Kampstraße: WestLB-Gebäude bald unter Denkmalschutz? - Ruhr Nachrichten

    Diesen Artikel habe ich im Deutschen Architekturforum gelesen. Aus welchem Grund soll denn bitte diese weisse Bausünde geschützt werden? :schockiert:
    Ich musste direkt mal auf den Kalender blicken, ob wir nicht zufällig den 01. April haben. - Das kann doch nur ein dummer Witz sein. In dem Artikel kann man übrigens auch abstimmen. Eine Mehrheit ist deutlich gegen den Schutz.

  • Naja, nach der Logik des Denkmalschutzes gilt es ja, typische Architekturzeugnisse aller Epochen für die vermeintlich daran interessierte Nachwelt zu erhalten. Und das Gebäude ist nunmal ein typisches Beispiel für den Architekturgeschmack der 1970er Jahre. Egal wie mies dieser auch gewesen sein mag, ästhetische Aspekte sind dabei (rein objektiv) erstmal zweitrangig. Ich fürchte, mit sowas müssen wir in Zukunft vermehrt rechnen. Allerdings halte ich es für äußerst fraglich, wie der Denkmalschutz gerade für solche Großbauten dauerhaft mit modernen städtebaulichen Vorstellungen zu vereinbaren ist. Ich glaube kaum, dass irgendeine Stadt als Museum für sowas dienen will.

  • Wenn die Logik des Denkmalschutzes alleine auf das Typische zielte (ich glaube nicht, dass sie das tut), würde sie sich selbst ad absurdum führen. Was ist in der deutschen "Architektur"-Landschaft nicht typisch! Die Großsiedlungen, sei es Berlin-Gropiusstadt oder Jena-Lobeda sind so typisch, wie sie es nur sein können, die Einfamilienhaus-Plantagen demonstrieren republikweit allertypischste Häuslebauer-Einfalt, die Tristesse der Gewerbegürtel um Städte und Dörfer hin kennen kein Gestaltungsziel als das typische Chaos. Wäre die Denkmalpflege auf das Typische aus, müsste sie den totalen Denkmalschutz ausrufen und fungierte dann eben als eine gegen alles Bauen gerichtete Veränderungsbremse.

    Nur durch Unterschutzstellung des qualitativ Herausragenden kann sich Denkmalpflege rechtfertigen. Natürlich hat jede Epoche auch ihre Spitzenleistungen vorzuweisen, auch die 50er, die 60er und die 70er Jahre, mag man auch lange danach suchern müssen. Diese Spitzenwerke, über deren Auswahl unter Architekturinteressierten durchaus ein Konsens möglich ist, sind unter Schutz zu stellen, sonst nichts. Nicht viele Zeitgenossen dürften die Bankgebäude von Harald Deilmann dazu rechnen.

  • Du hast mich missverstanden; die Rede war von der Denkmalschutzpraxis, die sich um die Hinterlassenschaften der Nachkriegsmoderne kümmert. Hier ist m.E. eine Beschränkung auf das qualitativ Herausragende eine pure Selbstverständlichkeit. Ganz anders steht es mit der historischen Architektur, bei der die Denkmalpflege zu Recht seit langem einen immer größer werdenden Anteil dessen, was die Zerstörungswellen des 20. Jh.s überstanden hat, in ihre Obhut übernommen hat. Auch der Ensembleschutz steht bei historischer Architektur ganz außer Frage.