Münster (Galerie)

  • @ Philon
    Mir gefällt Osnabrück zwar besser als Münster, deine Einschätzung kann ich aber überhaupt nicht verstehen. Erstens gibt es mehr als Prinzipalmarkt, siehe Roggenmarkt, Spiekerhof, der westliche Domplatz. Auch finde ich Teile der Königsstrasse, Salzstrasse, Kuhviertel und Hörsterstrasse ganz ok. Meiner Meinung zeigt es sich wieder, wie wichtig die Kleinteiligkeit, Dachform und Materialien (Backstein) sind. Für mich is Münster eher mit Aachen als mit Hannover zu vergleichen. Ich muss aber auch zugeben, dass ich mittlerweile viele positive Aspekte an den Wiederaufbau der 50er Jahre sehe. Z.B. war ich in Köln sehr positiv überrachst von manchen Nachkriegsbauten am Neumarkt, Domplatte und Mittelstrasse.

    Unsere große Aufmerksamkeit für die Belange des Denkmalschutzes ist bekannt, aber weder ökonomisch noch kulturhistorisch lässt es sich vertreten, aus jedem alten Gebäude ein Museum zu machen. E. Honecker

  • Hm, also es gibt in der östlichen Altstadt viele 60 er Jahre "Kisten" und neuer. Anders sieht es nördlich und westlich des Doms aus, da sind sehr viele erhaltene Gebäude zu finden. Außerdem gibt es sehr viele bemerkenswerte Einzelgebäude auch östlich und südlich des Rathauses. Eine komplett wieder aufgebaute Kernaltstadt gibt es aber tatsächlich nicht. Aber die Wiederaufbauleistung am Prinzipalmarkt als minderwertig angesichts der knappen Ressourcen in der Nachkriegszeit zu bezeichnen ist schon heftig. Vereinfacht, ja. Aber auf den selben Parzellen, mit der gleichen Traufhöhe und Firsthöhe, mit Ziergiebeln, Baumberger Sandstein. Naja, wie gesagt, einfach nochmal wieder kommen und auf die "Leeze" setzen und von einem ortsansässigen die Highlights zeigen lassen.

  • Ich würde es so formulieren: Unter den Blinden ist der Einäugige König.

    Für eine Stadt dieser Größe in Nordwestdeutschland ist Münster eines der besseren Beispiele für einen einigermaßen gelungenen Wiederaufbau, ganz sicher nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Der Prinzipalmarkt gefällt mir sehr gut, und diese fürchterlichen Straßen drumherum gibt es in JEDER (nord)westdeutschen Stadt, die kriegszerstört war.

    Für NRW und Niedersachsen ist das so ziemlich das Nonplusultra, der Rest sieht dann aus wie Hannover oder Bremen oder Braunschweig, wenn es besser läuft, vielleicht wie Osnabrück (wobei das auch unfassbar elende Ecken in der "Altstadt" aufzuweisen hat). Und das ist abseits der kleinen Traditionsinseln um ein Vielfaches gruseliger als ein paar 50er-Jahre -Rotklinkerhäuschen.

  • Als jemand der ebenfalls einige Jahre in Münster gelebt hat, kann ich mich Benjamin nur anschließen - gerade hinsichtlich der Schönheit der Altstadt wenn man vom Prinzialmarkt Richtung Kuhviertel oder Domplatz/Königstraße geht.

    Was jedoch von Philon meiner Meinung nach (verständlicherweise) außer Acht gelassen wird, ist welche Bindung Münsteraner zu ihrer Altstadt haben. Und ist es nicht das, was eine menschenfreundliche, schöne Architektur bewirken sollte? Die Altstadt ist kein lebloser Raum, sie ist die Bühne für das Leben und den Alltag der Menschen. Und das ist eine bedeutende architektonische Leistung, die die meisten Städte in Westdeutschland nicht zu leisten im stande sind.

    Und ohnehin: Wer in Deutschland die universelle Schönheit eines Prag o.ä. sucht, der hat vielleicht Glück in Teilen von München, Dresden oder Leipzig, wird aber ansonsten enttäuscht.

  • Wobei ja auch Dresden nur eine (Gottseidank immer größer werdende) Traditionsinsel inmitten von ziemlich Üblem ist. Münster hat dafür eben seinen alten Stadtgrundriss größtenteils auch um die Altstadt herum erhalten. Diese innenstadtnahen Plattenbaugebiete wie in Dresden gibt es dort eben nicht. Ich habe die Stadt ebenfalls als sehr angenehm in Erinnerung, v.a. gemessen am Zerstörungsgrad. Dass Leipzig, Regensburg, Erfurt und Wiesbaden besser aussehen, ist auch kein richtiges Wunder angesichts des viel geringeren Zerstörungsgrades.

    Ich möchte in der Reihe der im Innenstadtbereich halbwegs ordentlich davongekommenen Großstädte auch nochmal auf Hamburg hinweisen, dass es in puncto richtig großer, gründerzeitlicher Geschäftshäuser wohl mit allen deutschen Großstädten aufnehmen kann. Nur Wien sieht diesbzgl. noch metropolitaner aus. Gut, soll hier aber jetzt nicht die xte Debatte in diese Richtung werden.

    Ich fand Philons Aussage zu Münster zwar menschlich verständlich, so ähnlich absolut und offensichtlich frustriert äußere ich mich ja auch gerne mal über den Zustand Bremens, aber es war neutral betrachtet einfach etwas hart formuliert. Die Frage ist immer, ob man die alte Stadt noch spüren kann oder nicht. In Münster würde ich zu der Aussage neigen, ja, diese Stadt hat trotz aller Verluste noch ihre Vorkriegsseele behalten, geschunden zwar, aber doch spürbar. So ähnlich kann ich das in der vom Bombenkrieg nunmal am härtesten getroffenen Großregion Nordwestdeutschland bei den Städten, die schon vor dem 2. WK über 100.000 EW hatten, nur noch für Hamburg und Lübeck sagen (Aachen kenne ich nicht gut genug, Paderborn, Oldenburg und Göttingen sind zu klein (gewesen)). Alle anderen Städte sind in ihrem Gesamtgefüge unwiderruflich zerstört und können nur noch in den (verschieden großen) Traditionsinseln erlebt werden.

  • Als reine Portfolio-Arbeit habe ich in den letzten Tagen den Münsteraner Dom im Zustand zur Mitte des 16. Jahrhunderts gezeichnet, im Maßstab 1:300 - den Plänen der Bauaufnahme Max Geisbergs folgend. Für Details, die mit späteren Anbauten verloren gingen (etwa die Fenster des Chorumgangs mit dem Anbau der Galen'schen Kapellen), habe ich mich auf andere Quellen gestützt, etwa den Alerdinck-Plan oder eine Zeichnung des Doms von 1609. Auch der Renaissanceschmuck im Giebel des Ostquerhauses und die Kreuzkapelle, beide erst im späten 16. Jahrhundert hinzugefügt, kommen hier noch nicht vor. Den damals sicher vorhandenen Dachreiter über dem Ostquerhaus habe ich aus Mangel an guten Bildquellen weggelassen.

    Münster Dom 1550

  • Als reine Portfolio-Arbeit habe ich in den letzten Tagen den Münsteraner Dom im Zustand zur Mitte des 16. Jahrhunderts gezeichnet

    Die Perspektive ist gut gewählt. So konntest du die grauenhafte Westfassade aus den 50ern ignorieren.


    Nun, vielleicht ist auch die Zeit klug gewählt, im 16. Jahrhundert gab es die Fassade aus den 50er Jahren noch nicht, sofern du die 1950er Jahre meinst ;)

    Im übrige stimme ich dir aber zu, die neue Westfassade, jene "Wählscheibe Gottes" oder "Seelenbrause" ist ein Kulturfrevel erster Güte. An einem Neubau nichts verwerfliches, aber der St. Paulus-Dom zu Münster ist nicht irgendeine Vorstadtkirche.

  • Der heutige Prinzipalmarkt scheint mir im Vergleich zur Vorkriegszeit monumentaler, aufgrund einer höheren Homogenität unter den Bauten auch makelloser, dafür aber trivialer. Stehen alle Gebäude unter Denkmalschutz? Ich kann mir dort keine Rekonstruktionen vorstellen, da die überwältigende Mehrheit mit dem Status Quo zufrieden sein dürfte.

  • Der heutige Prinzipalmarkt scheint mir im Vergleich zur Vorkriegszeit monumentaler, aufgrund einer höheren Homogenität unter den Bauten auch makelloser, dafür aber trivialer. Stehen alle Gebäude unter Denkmalschutz? Ich kann mir dort keine Rekonstruktionen vorstellen, da die überwältigende Mehrheit mit dem Status Quo zufrieden sein dürfte.

    Also ich würde auch nicht damit anfangen funktionierende Teilrekonstruktionen abzureißen und diese perfekt zu rekonstruiren.Es stimmt,dass der Prinzipialmarkt vereinfach ist,aber genau wie du kann und will ich mir dort keine genaueren Rekonstruktionen vorstellen. Es gibt so viele deutsche Großstädte die ein einziger Schandfleck sind.Man sollte sich zuerst mehr auf diese konzentrieren,oder beispielsweise in Münster lieber andere Straßenzüge/Marktplätze rekonstruiren.

    Lübeck, mein Lübeck, an der Waterkant
    Königin der Hanse, Perle am Ostseestrand.

  • Wenn es um Rekonstruktionen geht, dann bist du in Münster an der falschen Adresse. Der Trend geht in Münster leider klar zum modernen Bauen. Rekonstruktionen könnte ich mir lediglich bei Einzelbauten vorstellen. Ganze Ensembles werden wahrscheinlich eher weniger rekonstruiert werden können. Im Bereich der Königsstraße könnte man mit Rekonstruktionen anknüpfen oder am Domplatz. Vieles würde jedoch Abrisse mit sich ziehen. Einzelne berühmte Gebäude wie bestimmte Adelspalais kämen wahrscheinlich eher in Frage.

    Ich könnte mir aber vorstellen, dass ein hypothetisches abgeschlossenes Rekonstruktionsprojekt in Münster auf sehr positive Resonanz treffen würde, was zu mehr Rekonstruktionen führen könnte.

  • Man ist nicht nur in Münster mit Rekonstruktionen an der falschen Adresse, sondern überall in Deutschland. Seltene Ausnahmen gibt es, wenn sich potente Interessengruppen bilden, aber wann ist das mal der Fall?

  • Für mich gibt es in Münster mit dem Haus Drubbel 3 einen heißen Rekonstruktionskandidaten. Man mag es vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennen, aber die Fassade ist noch bis zum 2. Stock diejenige des späten 15. Jahrhunderts - erkennbar ist dies an der dünnen Steinlage auf Höhe der Mitte der Fenster des 1. Obergeschosses, in die ursprünglich die Querbalken der Kreuzstockfenster eingespannt war. Lediglich das 3. Obergeschoss wurde verändert, und anstelle des einstmals prächtigen spätgotischen Treppengiebels (links im Bild) krönt die Fassade heute ein schnödes Zwerghaus.

  • Es ist überhaupt an der Zeit, den Münsteranischen "gemäßigt traditionalistischen" Wiederaufbau für obsolet zu erklären und den alten Prinzipalmarkt wissenschaftlich zu rekonstruieren.

    Aus dieser gelungenen Zeile

    https://upload.wikimedia.org/wikipedia/comm…017_--_6890.jpg

    könnte man das Meiste stehenlassen (eher nicht die ersten Häuser links), aber das meiste gehört rekonstruiert.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Zitat

    Es ist überhaupt an der Zeit, den Münsteranischen "gemäßigt traditionalistischen" Wiederaufbau für obsolet zu erklären und den alten Prinzipalmarkt wissenschaftlich zu rekonstruieren.

    Tut mir leid, das so direkt sagen zu müssen, aber das ist vollkommen unrealistisch, allein schon, weil die gesamte Bebauung dieser Zeile unter Denkmalschutz steht, als Wiederaufbauleistung der Nachkriegszeit. Allenfalls bei den schwächeren Bauten (hier vor allem der klägliche Dreiecksgiebel des ehemaligen Knipperdolling-Hauses) wäre evtl. ein Punkt, wo man eine Diskussion beginnen könnte - ich fürchte allerdings, sie würde ähnlich zermürbend und langatmig werden wie diejenige beim Pellerhaus.

    Ich denke, abgesehen von den wenigen Einzelfällen wie dem von mir oben Geschilderten sollte man den Fokus vom Prinzipalmarkt wegnehmen und stattdessen bemerkenswerte Einzelbauten in der restlichen Altstadt heraussuchen - beispielsweise dieses gotische Giebelhaus im Katthagen (würde sich anbieten, weil die Fläche unbebaut ist). Im Idealfall kann man so in der einen oder anderen Nachkriegswüste an den Rändern der Altstadt Ankerpunkte für eine Stadtreparatur setzen.

  • Das größte Problem in Münster ist wirklich, dass der Großteil der Bürger wirklich stolz ist auf seine schöne Stadt und man abgesehen vom Bahnhofsviertel und den Vorstadtvierteln alles als schön ansieht. Da ich in Münster wohnhaft bin, ist das wirklich nicht aus der Luft gegriffen, auch wenn ich den Münsteranern damit wirklich auf den Schlips trete. Hier müsste schon ein einzelner Mäzen hingehen und auf eigene Faust etwas rekonstruieren. Anders sehe ich da kein Verbesserung. Es wird sich schwer eine Mehrheit der Bürger für sowas mobilisieren lassen.

    Potential sehe ich noch beim Beverfoerder Hof. Ein Seitenflügel des Palais ist noch erhalten und eine Rekonstruktion des Palais würde die mehr oder minder gut erhaltene Königsstraße enorm aufwerten. Klick

    Das schon angesprochene Haus Drubbel 3 habe ich schon ganz vergessen, aber ist natürlich auch ein wichtiger Kandidat.

    Der Giebel des ehemaligen Collegium Ludgerianum hat bei der letzten sehr aufwendigen Sanierung seinen Giebel nicht zurückbekommen. Die Fassade wurde dabei auch nicht anständig saniert und ausgebessert. Stattdessen wurde das Gebäude nur aufwendig um eine Rasterfassade erweitert.

    Die sechs Giebelhäuser Lambertikirchplatz 1-4 wurden genau zur Hälfte zerstört. Die restlichen drei ließen sich sehr gut rekonstruieren.

  • Unrealistisch oder nicht: wir sind hier doch ein meinungsbildendes Forum und können Meinungsführerschaft in puncto Rekonstruktionsproblematik in Anspruch nehmen. Gewisse undenkbar erscheinende Visionen sind hier als allererstes vorzubringen. Die Meinung, dass Münster perfekt oder auch nur gut wiederaufgebaut worden sei, bedarf dringend einer Hinterfragung, und wo soll diese erfolgen, wenn nicht hier.

    Wobei ich vermeine, dass an dieser sehr gelungenen Zeile:

    https://www.alamy.de/stockfoto-lamb…-147654491.html

    nichts geändert werden bräuchte. Allerdings ist diese Qualität für den Münsteranischen Wiederaufbau einzigartig.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.

  • Daß an dieser Zeile nichts geändert werden bräuchte, damit bin ich nicht einverstanden. Erstens, das zweite Haus von links in der Zeile ist nur mit einem provisorischen Giebel abgeschloßen worden. Hier sollte man den Giebel des Knipperdollinckhauses rekonstruieren, der hier vor der Zerstörung aufsaß, einst einen der bekanntesten gotischen Giebel am Prinzipalmarkt. Die vollendeten unteren Geschoßen lassen vermuten, daß dies auch vorgesehen war, aber es aus unbekannten (finanziellen oder doch ideologischen?) Gründen nicht dazu kam.

    Zweitens, das dritte Haus von Rechts in der Zeile habe ich immer als ziemlich schwach empfunden, zu mager und mit dem merkwürdigen modernistischen offenen Zackenmotiv oben in der Giebel. Die übrigen Häuser in der Zeile sind in der Tat gelungene Neuinterpretationen.

    VBI DOLOR IBI VIGILES