• Das liegt aber nicht an den Industriedenkmalen sondern daran, dass die Industrie schnell niederging aber kaum Alternativen für die Arbeitsplätze etc. kam. Hier im Ruhrgebiet ist die Lage wirklich schlecht, aber warum soll man dafür alle Industrieanlagen abreißen? Ich finde eine komplett erhaltene Zentralkokerei 100x wertvoller als ein kleines Barockwohnhaus.
    Nur dass eine Kokerei häßlich ist, ein Barockhaus nicht....

    Wo die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten
    Karl Kraus (1874-1936)

  • Hab gerade ein wenig im Internet über Industriekultur recherchiert und bin... ziemlich schockiert... in der Essener Krupp-Stadt hängengeblieben.

    Die ehemalige Krupp'sche Gussstahlfabrik nahm bis zum zweiten Weltkrieg die doppelte Fläche der Essener Altstadt ein und grenzte auch direkt an sie an. Heute ist kaum noch etwas von ihr übrig, was Bomben nicht geschafft haben, haben Bagger und Stadtplanung aus ihr gemacht.

    Besonders schockiert hat mich das Schicksal der ehemaligen Krupp-Hauptverwaltung, immerhin das Aushängeschild der Firma und damit in meinen Augen auf jeden Fall erhaltenswert.
    Die Hauptverwaltung bestand meines Wissens aus 3 Gebäudeteilen, dem Altbau von 1874, dem "Turmhaus" von 1908 und dem Erweiterungbau von 1938 (der noch erhalten ist).
    Den Krieg überstanden alle 3 Gebäudeteile, wenn auch nicht ganz unzerstört. Doch 1976 wurde das architektonisch m.E. wertvolle Turmhaus abgerissen, im letzten Jahr dann der Altbau von 1874, nachdem die Stadt aufgrund der vielen Umbauten keinen Denkmalwert in dem Gebäude sah (erinnert mich sehr an die Karstadt-Geschichte). Von diesem Gebäude gibt es leider keine Fotos.
    Momentan entstehen dort Stahl-Glas-Bauten von Audi und Porsche auf der neu entstehenden Essener Automeile.

    ... und eine Rekonstruktion dieser (in meinen Augen stadtgeschichtlich hochwichtiger) Gebäude können wir wohl sowieso vergessen.

    Archäologische Grabungen, links unten stand das Turmhaus, oben rechts die alte Hauptverwaltung. Rechts unten ist das kleine, in den 60ern nicht am Originalstandort rekonstruierte "Krupp-Stammhaus" zu sehen.

    Bildquelle: http://www.essen.de
    ... mehr zu den Grabungen


    Das Turmhaus vor dem Krieg:

    Quelle: http://www.essen.de

    Großbild der Kruppwerke mit Turmhaus 1
    Großbild der Kruppwerke mit Turmhaus 2


    Das Turmhaus 2 Jahre vor dem Abriß:

    Quelle: http://www.bildindex.de


    .... ein Gewerbepark in rekonstruierten Krupp-Gebäuden könnte ich mir wirksamer vorstellen als eine "Automeile".... zumal das Stadtgebiet rund um die Altendorfer Straße alles andere als Nobel ist.

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    Karl Kraus (1874-1936)

  • Wenn ich das Bild des wuchtigen und eindrucksvollen Turmhauses sah, dachte ich sogleich: das existiert heute natürlich nicht mehr.

    Es kann nicht wahr sein das alles was recht imponierend ist verschwindet!!!

    Wie die andere Giganten (Verkehrsministerium München und Justizplast in Magdeburg), Karstadt Berlin Kreuzberg/ Neukölln nach dem Krieg einfach abgebrochen!!!

    Wie noch tausende (oder mehr?) von wertvollen Gebäuden aus der Zeit 1900-1940.

    Warum überlebt fast nichts nichts aus der grossen Vergangenheit Deutschlands die sächliche Gegenwart?

  • Ehrlich gesagt, Booni, kann ich mich gar nicht an das besagte Gebäude erinnern, obwohl ich sehr oft vorbei gefahren bin. Wenn überhaubt, war von der alten Pracht bestimmt nichts mehr erkennbar. Aber andererseits war die Kruppstadt immer ein "Dreckviertel" nach dem Krieg umsomehr. Jetzt ist die sog. Weststadt eine Mischung aus stadtnaher Industriebrache und krampfhaften Versuchen ein Leben-Arbeiten-Gemisch mit Neubebauungen zu erreichen. Ein urbanes Viertel wird aber m.E. so niemals entstehen!

  • Nee... wenn man so weitermacht wie jetzt, dann niemals.

    Aber wenn man vielleicht ein bisschen mehr an die Historie anknüpfen würde... Turmhaus und alte Hauptverwaltung als große Bürohäuser, vielleicht eine historische Produktionshalle oder vllt sogar rekonstruierte als eine Art Markt- und Veranstaltungshalle, den Rest in ansprechender, Sichtbeton- und glasloser Architektur, ohne Hochhäuser bebaut... das könnte was werden.

    Außerdem interessiert sich meines Wissens Thyssen-Krupp für ein Grundstück an der Altendorfer Straße.
    Vielleicht sollte man sie an Patschke, Nöfer o.ä. verweisen, ein großer Verwaltungsbau in traditioneller Architektur, das wäre mal wieder ein Highlight!

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  • Stimmt... die Zeche Waltrop angeblich ist neben der Zeche Zollverein eigentlich die einzigen Zeche im Ruhrgebiet die baulich ein Ensemble bildet (leider fehlen die Fördertürme)... wobei ich mich dann frage was mit der Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen ist.
    Das schöne an der Zeche Waltrop ist aber vor allem die Nutzung, die die aussage widerlegt, dass historische Industriegebäude nicht umgenutzt werden können und wenn doch dann nur nicht-kommerziell.

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  • Zitat

    Das schöne an der Zeche Waltrop ist aber vor allem die Nutzung,


    Naja teilweise. Eine große Halle war komplett leer, eine andere gefüllt mit Kartons- wahrscheinlich ein Abstelllager. Manufactum ist m.E. ein Traummieter, wie man ihn für einen Ort wie diesen wünscht.

    Übrigens noch was für Dich Booni: der ehem. Lokschuppen beherbergt eine Edel-Werkstatt, welche sich auf alte Volvo-Modelle spezialisiert hat.

  • Danke... das Stammhaus kannte ich zwar aber die Titanhallen noch nicht. War letzte Woche noch im Delta Music Club Essen, ehemals MudiaArt... ist auch in ehemaligen Krupp-Hallen aber ich vermute eher aus den 50ern... naja, werd da aber wohl eher nicht mehr hingehen, mit dem Besitzer hat auch das Publikum gewechselt... von der Nobeldisco zum Teenieladen :(

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  • Im historischen Gebäude der Folkwang Hochschule in Essen ist am Montagnachmittag ein Feuer ausgebrochen. Der Dachstuhl des Ostflügels habe gebrannt und sei teilweise eingestürzt, sagte ein Sprecher der Feuerwehr.

    Hier der ganze Artikel:

    http://www.wdr.de/themen/panoram…ang/index.jhtml

    Und hier ein Video:

    http://www.wdr.de/mediathek/html…/11/loke_01.xml

    Fotostrecke des Spiegels

    http://www.spiegel.de/fotostrecke/0,5538,28903,00.html


    Ich kenne das Gebäude sehr gut. Dieser Flügel ist erst vor wenigen Jahren saniert worden.

  • Zitat von "Kindvon2dresdnern"

    Im historischen Gebäude der Folkwang Hochschule in Essen ist am Montagnachmittag ein Feuer ausgebrochen. Der Dachstuhl des Ostflügels habe gebrannt und sei teilweise eingestürzt, sagte ein Sprecher der Feuerwehr.

    Ich kenne das Gebäude sehr gut. Dieser Flügel ist erst vor wenigen Jahren saniert worden.

    Oh, oh schon ein bisschen schockierend. "Folkwang Hochschule in Essen" klingt nun etwas verharmlosend, so als sei irgendeine Schule und dann auch noch im Ruhrgebiet abgebrannt. Dabei handelt es sich um die barocke Abtei von (Essen-)Werden, die hier seit seit dem 10. Jh. bis etwa 1803 bestand.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Werden

    Die Abtei Werden gehörte zu den bedeutendsten und mächtigsten Abteien der Region. Dies spiegelt sich auch in der Architektur wieder. Die romanische, unmittelbar angrenzende Stiftskirche gehört zu den wichtigsten romanischen Bauten des nördlichen Rheinlandes.

    Die Gebäude liegt auf einer Anhöhe beherrschend über der kleinen Stadt Werden, beherrschend bis heute. 1998 war ich mal dort und habe einige Fotos gemacht, an einem schönen Sommertag... Von Ruhrgebiet-Flair ist dort nicht viel zu spüren.

    Hier mal der Link zur Denkmalliste mit kurzer Beschreibung:
    Abtei:
    http://www.cliolink.de/denkmalliste/b…52212ce3ad.html

    Kirche:
    http://www.cliolink.de/denkmalliste/b…52212ce3b2.html

  • War heute dort um mir ein Bild zu machen. Also der Dachstuhl ist hin und was schlimmer ist, sind die Wasserschäden! Hauptsächlich wurde heute bis hin zum Keller abgepumpt.

  • Danke für die Bilder...
    Weiss jemand, ob das Gebäude alte Ausstattung hat/hatte? Werden ist jedenfalls im Krieg unzerstört geblieben, wobei ich vermute, dass in preußischer Zeit die Ausstattung der Klosterzeit (die sicher die interessanteste ist) größtenteils zerstört wurde (wie das eigentlich immer so war).
    Von der abgebrannten Weimarer Biblioethek habe ich gelesen, dass die Löschwasserschäden tatsächlich ein Riesen-Problem für die nicht unmittelbar abgebrannten Bereiche waren. Und dann bricht dieser Brand auch noch im Mittelflügel genau in der Mitte aus... :augenrollen:

    Konnte man in den Innenhof nicht rein? (Frage deshalb, weil ich immer nur die Außenseite auf den Fotos sehe, auch in den WDR-Berichten...)

  • Zitat von "Leipziger"

    Weiss jemand, ob das Gebäude alte Ausstattung hat/hatte?


    Nein. Ich kenne das Gebäude erst nach der Sanierung. allenfalls schadhafte Fußbodenfließen im noch immer unsanierten Eingangsbereich sind vorhanden. Die Räume sind auf den Musikhochschulbetrieb abgestimmt, d.h. es sind in sämtlichen Zimmern Lärmschutzwände eingebaut.

    Zitat

    Werden ist jedenfalls im Krieg unzerstört geblieben


    Na dafür steht aber ganz schön viel Murks rum...
    Kettwig macht einen besseren Eindruck

    Zitat

    Konnte man in den Innenhof nicht rein?


    Ich muss mal sehen, was sich machen lässt

  • Zitat von "Kindvon2dresdnern"


    Nein. Ich kenne das Gebäude erst nach der Sanierung. allenfalls schadhafte Fußbodenfließen im noch immer unsanierten Eingangsbereich sind vorhanden. Die Räume sind auf den Musikhochschulbetrieb abgestimmt, d.h. es sind in sämtlichen Zimmern Lärmschutzwände eingebaut.

    Joa, kann ich mir vorstellen, dass dort in allen Räumen irgendwelche Akustikdecken- und Vorsatzschalen eingebaut sind. Auch kein historisches Treppenhaus?!?!

    - Eigentlich ist das ganze noch glimpflich ausgegangen. Immerhin sind nicht alle Dächer abgebrannt, von der baulich verbundenen sehr wichtigen Abteikirche ganz zu schweigen.

  • ...oder auch ganz zu schweigen vom Domschatz

    Extra für Dich Leipziger hab ich meine Beziehungen spielen lassen :zwinkern:

    Innenaufnahme des rechten Seitenflügels (ehem. Kreuzgang nehme ich an)


    Der besagte noch unsanierte Hauptflügel.