• Mal eine ganz andere Frage: Gibt es eigentlich irgendwo Bilder vom Inneren der beiden Dome von vor dem Krieg?

    Sie sind ja innen nur vereinfacht und modern wiederaufgebaut worden, aber irgendwie konnte ich im Internet noch nie Bilder des Vorkriegszustandes finden.

  • Offenbar hat es sich noch nicht bis ins ferne München herumgesprochen, dass die friderizianische Epoche ein bedeutendes Kapitel der europäischen Kunstgeschichte ist.

    Gibt es eigentlich irgendwo Bilder vom Inneren der beiden Dome von vor dem Krieg?

    Die Französische Kirche war und ist die Kirche der reformierten Gemeinde der Hugenotten. Dementsprechend war sie auch früher innen sehr schlicht. Sie wurde 1701-1705 erbaut und 1905 umgebaut. Angelehnt an diesen Zustand wurde sie zwischen 1977 und 1983 wieder aufgebaut - auch innen im historischen Stil. Die Neue oder Deutsche Kirche wurde 1701-1708 für die evangelische Gemeinde der Friedrichstadt erbaut und war ebenfalls sehr schlicht. Auch sie wurde um 1900 umgebaut, um dem Schmuckbedürfnis der wilhelminischen Zeit Rechnung zu tragen. Kirche ist jeweils nur die "Hütte" an der Westseite. Die beiden Türme sind reine Schauarchitekturen und waren innen praktisch leer. Sie wurden erst 1780-1785 errichtet. Im Jahre 1930 wurde im französischen Turm der Erman-Saal eingebaut, in dem nach dem Krieg bis 1982 die französisch-reformierte Gemeinde ihre Gottesdienste abhielt. Im Zwischengeschoss des Turmes befanden sich 1930-1982 Räume, in denen das Hugenottenmuseum untergebracht war.

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    Berlin, Gendarmenmarkt, Deutscher Dom und Deutsche (Neue) Kirche, Nordseite (Foto: Jörg Zägel, 23. Juni 2009, CC-BY-SA-3.0)

  • Der Dom von Helsinki hat m. E. einen ähnlich hoch gezogenen Tambour.

    Die evangelische Domkirche in Helsinki hat einen schlanken Tambour auf einem viereckigen Unterbau mit betonten Ecken, dazu vier Portiken. Die Dome am Gendarmenmarkt haben unter der Kuppel ebenfalls Eckbetonungen sowie drei Portiken. An der Westseite schließt jeweils die Kirche an. In Helsinki befindet sich die Kirche unter der Kuppel. Deshalb geht das Bauwerk wesentlich mehr in die Breite. Auf dem Gendarmenmarkt stehen hingegen keine Kuppelkirchen, sondern Türme, denen hauptsächlich eine stadtbildverschönernde Funktion zugedacht war.

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    Helsinki, Domkirche (Foto: Sedlar33, 28. Juli 2014, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

    Hier noch ein Schmankerl für unsere Architekturkritiker. Beim Petersdom in Rom ergibt sich vom Petersplatz her eine unvorteilhafte Ansicht der Kuppel. Trotzdem erfreut sich der Petersdom großer Wertschätzung.

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    Rom, Petersplatz mit Dom (Foto: Ivana Bužková, 6. Januar 2025, Člověk a Víra, CC-BY-NC)

  • Und noch eine "Geschmacklosigkiet", auf die man mich gerade an anderer Stelle aufmerksam machte. Dieses Mal Italien, Piemont:

    Ich denke, so langsam sollte es auf dem letzten dämmern, dass solche Zuschreibungen in der europäischen Baugeschichte einfach nicht greifen und auch nicht gerade von Sachverstand in der Materie zeugen. Man darf aber sicher gerne darüber diskutieren, ob die Proportionen des einen oder anderen Baus unglücklich gewählt sind. Das ist aber eine andere Ebene der Auseinandersetzung mit Architektur.

  • Die Grundidee der Turmkuppeln auf dem Gendarmenmarkt geht auf den Tempietto von Bramante im römischen Kloster San Pietro in Montorio zurück - ein Meisterwerk der Renaissance aus dem Jahre 1502.

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    Rom, Tempietto di San Pietro in Montorio (Foto: Labicanense, 2. Dezember 2023, CC-BY-4.0)

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    Berlin, Gendarmenmarkt, Schauspielhaus und Französischer Dom (Foto: Flocci Nivis, 11. August 2022, CC-BY-4.0)

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    Schauspielhaus und Französischer Dom (Foto: Flocci Nivis, 11. August 2022, CC-BY-4.0)

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    Gemdarmenmarkt, Französischer Dom, im Hintergrund der Deutsche Dom (Foto: Clemens Pohl, 4. Juli 2013, CC-BY-SA-3.0)

  • Das sind sehr vorteilhaft ausgewählte Fotos. Ich habe aber nicht auf das Detail abgezielt, sondern auf die Gesamtwirkung.

    Es geht auch überhaupt nicht darum, daß die Kuppeltürme Vorbilder haben - geschenkt.

    Auch mit besten Zutaten kann ein Gericht misslingen, wenn sie nicht zusammenpassen. So einfach ist das.

  • Die einzige Kuppel die in Berlin nicht passt ist die neue Kuppel in ihren Proportionen auf dem Reichstag, sieht wie eine Käseglocke aus und unterdrückt das historische Gebäude absolut. Da gefällt mir die alte besser.

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  • Und noch eine "Geschmacklosigkiet", auf die man mich gerade an anderer Stelle aufmerksam machte. Dieses Mal Italien, Piemont

    In der Tat, dieser Vierungsturm (anders kann man das eigentlich nicht nennen, auch wenn es offiziell ein Kuppelbau ist) ist und war eine Geschmacklosigkeit, getrieben von Großmannssucht wohl im Zuge der Nationalbewegung Italiens, die dieser Basilika nachträglich aufgesetzt wurde. Nicht verwunderlich, der Architekt des Turms war Alessandro Antonelli, der sich auch für den Mole Antonelliana verantwortlich zeichnet.

  • Oh mei... geht es hier jetzt eigentlich primär um die Wortwahl Jakobs der "Geschmacklosigkeit" oder geht es um eine inhaltliche Auseinandersetzung?

    Ich habe schon oben geschrieben, dass ich dieses Wort nicht unbedingt gewählt hätte, sondern lieber von "zweifelhaftem Geschmack" sprechen möchte; des weiteren habe ich nicht von einer absoluten Wahrheit gesprochen, sondern von meinem Eindruck und meinem Geschmack. Ich habe auch inhaltlich konkret dargelegt, warum ich das so sehe, und darum gebeten, falls jemand anderer Ansicht ist, mir dies inhaltlich, d.h. in Bezug auf die Proportionen des Gesamtbaus, zu erklären. Dies ist bis jetzt nicht geschehen, stattdessen werden lieber ein paar zufällig zusammengekratzte Vergleichsbeispiele aus dem Internet herausgesucht, ob sie jetzt passen oder nicht. Die meisten dieser Kuppeltürme sind entweder für mein Dafürhalten schon in sich wesentlich besser proportioniert oder stehen auch noch auf einem anders gestalteten Unterbau, in welchem Zusammenhang der Kuppelturm dann sowie anders wirkt (der Dom von Helsinki z.B.). Den Pariser Invalidendom als ähnlich proportioniert anzusehen wie die beiden Berliner Dome ist schon lustig - gerade in der Gegenüberstellung dieser beiden Formen zeigt sich doch das in meinen Augen Karikaturhafte der beiden Berliner Dome:

    1280px-Berlin_Franzoesicher_Dom_BW_5.jpg
    (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berl…er_Dom_BW_5.jpg)

    768px-Cathédrale_Saint-Louis-des-Invalides%2C_140309_2.jpg
    (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cath…s,_140309_2.jpg)

    Die Unterschiede in den Proportionen müssen Euch doch auffallen! Die Pariser Kuppel wirkt in sich gefestigt und ruhig, die Berliner Kuppel überlang und aufdringlich; die Pariser Kuppel entwächst in ihrer Breite genau dem Portikus, wirkt dadurch natürlich gewachsen, die Berliner Kuppel hingegen ist wesentlich schmäler als der Portikus und wirkt dadurch "windiger" und wie künstlich aufgepfropft.

    Tegula, gerade von Dir hätte ich mir etwas Fundierteres erwartet, als einfach diese drei Beispiele ohne weitere Erklärungen hinzuwerfen. San Gaudenzio ist auch für mich, wie für Majorhantines, ein weiteres geschmacklich grenzwertiges Beispiel; und nicht alles was in Italien steht, muss zwangsläufig schön und vorbildhaft sein. Es kann ja sein, dass mein Geschmack nicht allgemeingültig ist und ich hier etwas falsch sehe; aber dann bitte streng Dich ein bissl mehr an und lege dar, wieso die Berliner Dome gut proportioniert sind.

    Rastrelli, der Tempietto von Bramante hat doch ganz andere Proportionen, das musst Du doch sehen; dass die Grundidee von dort stammt, ist unbestritten, das heißt aber nicht, dass jede Ableitung davon gut gelungen sein muss. Dann das Foto vom Petersdom - was soll das? Von jedem Bauwerk kann man Ansichten präsentieren, auf denen es einmal mehr und einmal weniger vorteilhaft erscheint. Nichtsdestotrotz schaut der Petersdom auch auf diesem Foto beeindruckend aus.

    Es tut mir leid, wenn diese Diskussion hier als Beleidigung aufgefasst wird. Aber gerade von den Personen, die immer Seriosität und inhaltliche Substanz einfordern, möchte ich eben dies erbitten: mehr inhaltliche Argumente und weniger sinnlose, unkommentierte Vergleichsbeispiele (von denen Ihr trotzdem erstaunlich wenige gefunden habt...).

    "Napoleon ist tot - aber Beethoven lebt."

    Bruno Walter

  • Naja, lieber Leonard, es geht doch nicht darum, die Gontardschen Türme direkt mit z.B. dem Invalidendom zu vergleichen, und dann praktisch zu sagen: Der ist aber ganz anders, hat andere Proportionen, und an die muss man sich halten, und daher sind die Berliner Türme misslungen.
    Man kann doch auch mal etwas anderes in der Architektur wagen. (Das war der Invalidendom auch mal.) Was ist z.B. mit den elliptischen Kuppeln, die wir vor allem im Barock gesehen haben, und die ein voller Voller Erfolg waren. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man über diese auch erst mal die Nase gerümpft hat. Nach dem Motto: Ellipsen sind doch nur gestauchte, unvollkommene Kreise, bleiben wir doch besser bei perfekten Kreisen...
    (Wo wir dabei sind, die Kuppeln der Gontardschen Türme haben die Formen von Ei-Spitzen. Also ein perfektes, natürliches Maß.)
    Ich sehe überhaupt kein Problem darin, dass Gontard die Tamboure und die Kuppeln über das gewöhnliche Maß gestreckt hat. Ich finde es sogar ganz toll, dass wir keine direkten Vorbilder dazu zu finden scheinen. Da hat der Mann etwas ganz eigenes geleistet, und es wurde im barocken und klassizistischen Preußen nicht nur brav Italien und Frankreich nachgerannt, was Architektur angeht.
    Abgesehen davon, dass ich die bloße Idee gut finde, finde ich auch nicht, dass die Türme irgendwie störend wirken. Ich bin Designer/Künstler und habe ein recht gutes automatisches Auge (ich muss erst gar nicht lange Proportionen abgleichen, das geht auf einen Blick) dafür, ob Proportionen gelungen sind oder nicht. Und zumindest ich finde wirklich nicht, dass die Türme schlecht proportioniert sind. Ich finde, sie wirken außergewöhnlich, aber auch sehr elegant und würdevoll.

  • Danke für Deine sachliche Antwort, die ich natürlich respektiere. Ich habe auch absolut nichts grundsätzlich dagegen, dass man mal etwas Neues ausprobiert, das gehört zur Kunst unbedingt dazu. Aber es muss erlaubt sein, über die Ergebnisse zu diskutieren und hier funktioniert es für mich halt nicht - nicht jedes Experiment muss gelingen, nicht jede neue Idee muss gut sein. Der Meister kann die Form zerbrechen...
    Für meine Sehgewohnheiten stellt sich der Gesamteindruck so dar, wie ich oben beschrieben habe - die Kuppeltürme kommen mir windig und aufgepfropft vor, das Gegenteil von dem, was ich mir von Kuppeln erwarte. Aber wenn's Euch gefällt, dann akzeptiere ich das natürlich.

    Ich finde solche Diskussionen grundsätzlich sehr anregend, man muss auch nicht immer einer Meinung sein. Ich finde bloß diese große Indignation, mit der auf Jakobs und meine Kritik reagiert wurde, etwas befremdlich, so als hätten wir etwas Sakrosanktes beleidigt. Es gibt auch Stimmen, die gewisse Teile aus Beethoven'schen Symphonien kritisieren wie z.B. das etwas banale Thema aus dem letzten Satz der 5. Symphonie... so etwas gehört zur Beschäftigung mit Kunst dazu und stellt keine Majestätsbeleidigung dar. Dass dabei manchmal etwas zu harte und plakative Aussagen fallen, ist auch normal und muss nicht immer auf die Goldwaage gelegt werden.

    "Napoleon ist tot - aber Beethoven lebt."

    Bruno Walter

  • Offenbar hat es sich noch nicht bis ins ferne München herumgesprochen, dass die friderizianische Epoche ein bedeutendes Kapitel der europäischen Kunstgeschichte ist.

    Die Französische Kirche war und ist die Kirche der reformierten Gemeinde der Hugenotten. Dementsprechend war sie auch früher innen sehr schlicht. Sie wurde 1701-1705 erbaut und 1905 umgebaut. Angelehnt an diesen Zustand wurde sie zwischen 1977 und 1983 wieder aufgebaut - auch innen im historischen Stil. Die Neue oder Deutsche Kirche wurde 1701-1708 für die evangelische Gemeinde der Friedrichstadt erbaut und war ebenfalls sehr schlicht. Auch sie wurde um 1900 umgebaut, um dem Schmuckbedürfnis der wilhelminischen Zeit Rechnung zu tragen. Kirche ist jeweils nur die "Hütte" an der Westseite. Die beiden Türme sind reine Schauarchitekturen und waren innen praktisch leer. Sie wurden erst 1780-1785 errichtet. Im Jahre 1930 wurde im französischen Turm der Erman-Saal eingebaut, in dem nach dem Krieg bis 1982 die französisch-reformierte Gemeinde ihre Gottesdienste abhielt. Im Zwischengeschoss des Turmes befanden sich 1930-1982 Räume, in denen das Hugenottenmuseum untergebracht war.

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    Berlin, Gendarmenmarkt, Deutscher Dom und Deutsche (Neue) Kirche, Nordseite (Foto: Jörg Zägel, 23. Juni 2009, CC-BY-SA-3.0)

    Danke für die Info.

    Also ist quasi auch diese Schlichtheit und Leere der Grund, warum es praktisch keine Bilder aus dieser Zeit gibt.

  • Ich frage mich, ob die Poller und neuen Bänke vielleicht auch als Terror-Barrieren dienen sollen für wenn hier Weihnachtsmärkte stattfinden. Wirkt alles sehr massiv und undurchlässig. Ja, ich trauere noch immer den Ketten und zierlicheren Bänken hinterher.
    Auch haben Poller, Bänke und Leuchterpodeste alle einen anderen Farbton. Hätte man das nicht angleichen können? Bin ja nicht in der Stadtplanung involviert, aber ich frage mich, ob man sich mit solchen Details gar nicht erst befasst.

  • Tegula, gerade von Dir hätte ich mir etwas Fundierteres erwartet, als einfach diese drei Beispiele ohne weitere Erklärungen hinzuwerfen. San Gaudenzio ist auch für mich, wie für Majorhantines, ein weiteres geschmacklich grenzwertiges Beispiel; und nicht alles was in Italien steht, muss zwangsläufig schön und vorbildhaft sein. Es kann ja sein, dass mein Geschmack nicht allgemeingültig ist und ich hier etwas falsch sehe; aber dann bitte streng Dich ein bissl mehr an und lege dar, wieso die Berliner Dome gut proportioniert sind.

    Richtig, ich habe hier ausnahmsweise keine Analyse in der Tiefe unternommen. Mir fehlte in den vergangenen 2 Tagen schlichtweg die Zeit dafür. Zudem ging es mir darum, nur das zu widerlegen, was Jakob zu Beginn der Diskussion ins Feld geworfen hat, nämlich dass die Berliner Kuppeltürme eine Geschmacklosigkeit sind, die man nur mit dem Historismus vergleichen könnte. Warum das so sein sollte, das hat er zunächst nicht geschrieben und ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, seine nicht vorhandene Argumentation zu erahnen und sie dann prophylaktisch zu widerlegen. Mir ging es darum, aufzuzeigen, dass wir nicht in den nachfolgenden Historismus schauen müssen, um solche Türme - freilich von unterschiedlicher Qualität - beobachten zu können. Ganz unzweifelhaft ist der Invalidendom in Paris mit seinen ausgewogenen Proportionen eines der besten Beispiele dieses Typus.