Potsdam - Neubauquartier III am Alten Markt

  • Das ist ausgesprochen schade. Ich hätte geerne einen offenen Brief mit einer fundierten Sachanalyse an die Fraktionen (also an die, die konstruktiv in der Mitte agieren) geschrieben und für ein Umdenken hin zu Entwurf D plädiert. Denn wenn man sich, auch im Bezug auf die Materialität und die Plastizität der Fassade den Begleittext des zuständigen Architekturbüros durchliest ist Potsdam dabei mit B einen großen Fehler an einem wichtigen Platz zu machen.

    https://www.vogelarchitekten.de/projekt/neue-m…HXF6QZEqDDqaIRQ

    Wenn es jemand kann, dann ist es keine Kunst. Und wenn es jemand nicht kann, dann ist es erst recht keine Kunst!

  • @erbse ich hatte der ProPotsdam vorab schon eine Analyse der Pläne und eine Empfehlung des Entwurfes D zukommen lassen, die von einer Gruppe Kunsthistoriker der HHU Düsseldorf mitgetragen wurde. Hat leider nichts gebracht. Ich hatte mir von Mitteschön auch ehrlich gesagt im Anschluss direkt etwas mehr Protest erhofft. Eine BI vor Ort hätte sofort handeln können. Mal ganz davon abgesehen, dass Einzelheiten zum Entwurf wie etwa die grottige Sichtbetonfassade nur sehr kleckweise in der Provinz angekommen sind. Und ehrlich gesagt musste ich das ganze auch mal sacken lassen. Für uns im fernen Rheinland wirkte es auch so als wäre jegliche Diskussion abgeschlossen weil man einfach nichts mehr hörte zu etwaigen Beschlusslagen.
    Ausschlaggebend war eben dieser Zufallsfund auf der Seite des Architekturbüros wo wir so fasziniert waren, dass die ganzen negativen Emotionen bezüglich dieser Fehlentscheidung wieder hochgekocht sind.
    Denn auch wenn Mitteschön den Entwurf B in einer öffentlichen Mitteilung auf dem 2. Platz gesehen hat so hat doch die Mehrzahl der Leute in einer kleinen Umfrage auf FB den Entwurf nur auf dem vorletzten Platz gesehen aber Entwurf D ebenfalls auf dem ersten. Auch wenn diese Umfrage natürlich nicht repräsentativ war habe ich sie anonymisiert und dem Sanierungsträger zukommen lassen. Ich hätte mir gewünscht, dass man das Ergebnis wenigstens als Tendenz wahrgenommen hätte.
    All das lag dem Auswahlgremium noch vor der abschließenden Sitzung vor. Der letzte Weg wäre halt wirklich über die Stadtverordneten gewesen. Aber wenn Konstantindegeer sagt, dass alles gelaufen ist muss ich diesen erneut Anlauf der Überzeugungsarbeit ja garnicht erst starten.

    Wenn es jemand kann, dann ist es keine Kunst. Und wenn es jemand nicht kann, dann ist es erst recht keine Kunst!

  • Die Unterschiede zwischen den Entwürfen sind doch marginal. Letztlich taugen sie alle nichts abgesehen von der Lückenschließung. Immerhin wird zwischen den beiden architektonischen Landmarken eine halbwegs hinnehmbare Straßenflucht entstehen. Offensichtlich ist das heute das Höchste der Gefühle. Aber zwischen all diesen unbedeutenden, ja banalen Fassadenentwürfen zu differenzieren, kommt mir doch als vergebliche Liebesmüh vor. Jeder 08/15 Historimusbau, so er die Proportionen gewahrt hat, ist ungleich inspirierter gewesen.

    Augustinus (354-430) - Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat
    14. Buch 9. Kapitel
    Der Staat oder die Genossenschaft der nicht gottgemäß, sondern nach dem Menschen wandelnden Gottlosen dagegen, die eben infolge der Verehrung einer falschen und der Verachtung der wahren Gottheit Menschenlehren anhangen oder Lehren der Dämonen, er wird von den bezeichneten verkehrten Gemütserregungen geschüttelt wie von Fieberschauern und Stürmen.


  • Die Fragen des Fassadenmaterials und des Anstriches werden sicher noch bis zum Jahresende mit der Denkmalpflege, die hier den Umgebungsdenkmalschutz des Denkmalbereiches "Stadtkern Potsdam" konsequent anwendet, diskutiert.

    Von daher bleibt zu hoffen dass wenigstens die Fassade aus ansprechendem Material gestaltet wird, wenn schon die Proportionen suboptimal sind.

  • @ursus carpaticus wenn jetzt das dreschen von Phrasen wieder losgeht können wir uns das ganze auch sparen.

    Natürlich geht es immer noch historisierender. Mit noch mehr Ornamentik. Aber gerade vor dem Hintergrund, dass es auch deutlich schlechter geht sollten wir uns auch für den besten Entwurf einsetzen. Deiner Behauptung, dass die Unterschiede nur marginal wären, kann ich überhaupt nicht zustimmen. Abgesehen von dem kleinen Attika-Geschoss hat Entwurf B einfach keinerlei architektonische Idee. Eine komplette Reduktion. Entwurf D weist verschiedene Materialien, Gesimse, Brüstungen Fenstergewände und sogar eine moderne Interpretation eines Mezzaniengeschosses auf. Also das nächste mal nicht einfach sagen, dass alles Sch.... ist sondern Bitte mit Analysen und Fakten untermauern.

    Wenn es jemand kann, dann ist es keine Kunst. Und wenn es jemand nicht kann, dann ist es erst recht keine Kunst!

  • Ich habe mir bei allen größeren Wiederaufbauprojekten mittlerweile eine andere Haltung zugelegt als noch vor 5 Jahren. Damals war ich der Meinung, alles muss direkt und auf der Stelle wieder so ästhetisch sein, wie es mal war, was nicht zwangsläufig eine Vollreko ist, aber eben ästhetisch. Nur leider leben wir nicht in den Zeiten, in denen Ästhetik in Architektur oder Städtebau einen herausgehobenen Wert besitzt, da muss man ehrlich sein, heute zählen Rendite und Energieeffizienzklassen (wie das schon klingt :angry: ).
    Egal ob Potsdam, Dresden, Frankfurt, all diese Projekte sind Projekte im Fluss. Ich sehe mittlerwiele alles als Zwischenstadium. Man muss schauen, was man aktuell raus holen kann, bei einem Projekt geht mehr, beim anderen weniger, aber die Vollreko wird es wohl nie geben, zumindest nicht unter den aktuellen Bedingungen.
    Und dann muss man eben sehen, dass man nach den bestehenden Möglichkeiten das beste aus den Bedingungen raus holt und was ganz wichtig ist, sich für die Zukunft keine Optionen verbaut.
    Somit ist die städtebauliche Komponente immer das wichtigste, heißt, dass der historische Stadtgrundriss wieder kommt, dass die Parzellen halbwegs stimmen. Wenn dies durch gesetzt ist, dann ist mehr als der halbe Weg geschafft, weil es für die Zukunft alle Perspektiven offen hält. Dann ist wichtig, dass man mit einigen Rekos der stadtbildprägenden und kunsthistorisch wertvollen Bauten einen Fuß in die Tür bekommt, dass Menschen die Geschichte des Ortes wieder erfahren können.
    Und dann, dann geht es um die Zwischenräume, das, was man heute Füllbauten nennt. Und hier muss man auf ein möglichst verträgliches Bild drängen. Das gelingt wie in Frankfurt mal besser, wie in Dresden mal schlechter, oder ist Durchschnitt wie in Potsdam.
    Aber aus meiner Sicht sind in Frankfurt, Dresden und Potsdam 3/4 des Weges in den betreffenden Arealen gemacht. Alles andere bringt die Zeit, wie es schon immer war und es immer sein wird. Das, was nicht herausragend ist, wird irgendwann abgerissen und durch neues ersetzt und zwar solange, bis das Ensemble oder der einzelen Bau für so herausragend gehalten wird, dass er irgendwann über der Zeit und den Moden steht. Ja, dann wird er zum Denkmal. Diese über Jahrhunderte stattgefundene natürliche Selektion der besten Bauten jeder Epoche wurde durch den Zweiten Weltkrieg außer Kraft gesetzt, aber sie setzt nun wieder ein. Das eine geht, das andere kommt. Die Kulturgeschichte geht weiter. Und wenn es nicht nochmal solch ein tiefgreifendes, alles außer Kraft setzende Ereignis geben wird, dann wird die Zeit dafür sorgen, dass die Städte wieder ansprechender aussehen. Nur das braucht eben seine Zeit. Die großen europäschen Städte sahen ja nicht nach 30 Jahren so aus, wie sie aussehen. Es sind Jahrhundertkunstwerke.

    APH - am Puls der Zeit

  • Eine richtig tolle Zusammenfassung der Begebenheiten Apollo! Ähnliche Gedanken durchtrieben mich schon häufiger; das Ganze würde sicher auch nochmal in die allgemeine Debatte passen. Wir kehren im Grunde zur städtebaulichen "Normalität" zurück, über 70 Jahre nach dem 2. WK, langsam und allmählich.

  • @ erbse: nicht nur das Bild auf dem Alten Markt in Potsdam wirkt befreiend, es wäre auch schön gewesen wenn du den dazugehörigen Bericht angehangen hättest.

    https://www.pnn.de/potsdam/stadte…t/23776214.html
    (Quelle: Potsdamer Neuste Nachrichten, 19.12.2018)

    PS: übrigens wurden während der Bauarbeiten in der ehemaligen Kaiserstraße, ein Stück Straßenbahngleis gefunden. Auch dieser Bericht ist sehr interessant (siehe Bericht im Artikel).

  • Ich möchte darauf hinweisen, dass es hier weder um Charles Darwin geht, noch die Foristen ihre persönlichen Befindlichkeiten ausdiskutieren können. Zurück zum Thema.

    Es gibt eine Architektur, die zur Landschaft gehört, sowie eine andere, die sie zerstört.

  • Ich kann dem für Dresden so nicht zustimmen.
    Die Aufbauleistung der Fassaden ist grandios.
    Und das Quartier, auf dem das passiert, ist ungleich viel größer als in FFM.
    Die Gesamtwirkung mit den historischen Gebäuden wird bei kompletter Fertigstellung einfach großartig sein.

    Wenn jetzt in Potsdam das Bindeglied zwischen der historischen Altstadt und dem Alten Markt geschlossen wird, bin ich auch schon gespannt, wie dann die Gesamtwahrnehmung sein wird.

  • Die Straßenbahngleise sollten auf jeden Fall ein Teil der "neuen" Kaiserstraße werden.
    Mit dem Lindner-Wagen 9 hat Potsdam ein Stück Verkehrsgeschichte (Baujahr 1907) rekonstruiert, welches dort dann sogar bei Festveranstaltungen aufgegleist werden könnte.

    Für die Rekonstruktion eines passenden Beiwagens werden übrigens Spenden benötigt:
    https://www.historische-strassenbahn-potsdam.de/beiwagen-nr-32/

  • Das Quartier verbindet nicht "die historische Altstadt" und den "Alten Markt". Das Quartier rund um den Alten Markt IST die historische Altstadt. Nördlich des ehem. Stadtkanals beginnt die historische Neustadt, in Potsdam in der Regel barocke Stadterweiterung genannt.

  • Nein, die Altstadt ist ja nicht verschwunden sondern einige historische Bauten sind noch da und andere nach ihrer Existenzpause zurückgekehrt. Demnächst kommen noch mehr zurück. Und nicht nur durch die Nikolaikirche, das Alte Rathaus und das Fortunaportal bleibt Altstadt eben Altstadt.

    Auch würde kein Potsdamer zur Brandenburger oder zum Bassinplatz "Altstadt" sagen, das ist eben barocke Stadterweiterung, Neustadt. Aber wenn Du das von wo aus auch immer anders siehst - bitte.

  • Ja Konstantin,die Altstadt ist der Bereich Alter Markt und eng drumherum.Dort ist die Keimzelle der Stadt.Wenn auch die Gebäude nicht mehr aus der Ursprungszeit stammen(Mitte/Ende 17.Jh Gr.Kurfürst)aber dieses Gebiet ist und bleibt für immer die Altstadt.
    Die barocke Stadterweiterung ist zwar auch Barock aber Entstehungszeit erst Mitte 18.Jh.unter Friedrich dem 2.

  • Genau, wobei man über die "Ursprungszeit" auch streiten kann - schließlich ist Potsdam 1000 Jahre alt. Aber die Stadtwerbung im modernen Sinn erfolgte mit der Wahl zur Residenzstadt durch den Großen Kurfürsten, das ist richtig. Hier haben wir, wenn auch unter FII umgebaut, immerhin nich den Marstall und den Fußboden im Schloß, auf dem der Große Kurfürst bei seinem Tode aufgebahrt war.

    Nach dem 30-jährigen Kriege gab es nach Angaben von Haeckel noch 79 Hausstellen, 1712 beim Regierungsantrtt des Soldatenkönigs waren es immerhin 199 und zu Beginn der Regierungszeit Friedrich II. 1740 über 1000. Das ist mehr als 10fache Vergrößerung in 100 Jahren.

    Mit der friderizianischen Zeit wird die Altstadt das erste Mal modernisiert und auf internationales künstlerisches Niveau der Zeit gebracht. Fast alle nennenswerten Palazzi, Kirchen- und Repräsentationsbauten sind in der Altstadt, nur wenige in der ersten barocken Stadterweiterung. In der zweiten barocken Stadterweiterung finden wir davon nichts mehr (bis auf die Stadttore). Somit ist der Schwerpunkt der Stadt klar - auch wenn die Brandenburger heute Einkaufsmeile und die Dortustraße Kneipenmeile ist. Und klar ist auch für manchen Touristen einfach alles "Altstadt", was vor Schinkel ist (es gibt ja in der barocken Stadterweiterung auch ein "Altstadthotel" mit der Zielgruppe).

  • Jedenfalls vor rund 1000 Jahren siedelten sich die ersten Menschen(Fischer)an der Havel im heutigen Gebiet Alte Fahrt Alter Markt und Burgsstr.an.Die eigentliche interessante bauliche Entwicklung Potsdams kam erst mit dem Bau des Stadtschlosses und Orangerie in den 60er/70erJahren des 17.Jh.Altes Stadtschloss noch ohne Seitenflügel und Fortunaportal.

  • Nein, die ältesten Funde sind viel älter - Jungsteinzeit. Da sind im Bereich der Feuerwache eindeutige Siedlungsspuren gefunden wurden. Und auch schon deutlich vor der umstrittenen ersten urkundlichen Erwähnung 993 war Potsdam slawisches Siedlungsgebiet und im Bereich des heutigen Heilig-Geist-Stiftes stand eine slavischen Burg zur Kontrolle des strategisch wichtigen Zusammenflußes von Nuthe und Havel.

    Richtig ist aber, daß die Entwicklung zu einer neuzeitlichen Stadt eben erst mit der Residenzwahl des Großen Kurfürsten ab 1660 einsetzte.

  • Hallo Konstantin,

    ich staune über diesen Stadtplan. Dieser ist mir gänzlich unbekannt. Was bedeutigen die gepunkteten Linien die von der Langen Brücke kommend, einmal geschwungen Richtung Berliner Neustadt weist und dann doch zum Heiligen See abbiegt und andererseits genau den Straßenverlauf nach Sanssouci folgt? Eine geplante Bahnlinie kann dies nicht sein...

    Grüße
    Luftpost